Ja, das hatte er wohl. Zumal Hadamar mehr als einmal mitten im Getümmel gewesen war. Aber auch wenn er bei weitem nicht zu den Stärksten gehörte, er war flink und hatte gute Reflexe, was sich nach diversen Prügeleien auch gestern auf dem Schlachtfeld als Vorteil für ihn erwiesen hatte. „Nicht gerade begeistert... so kann man's auch nennen.“ Diesmal gelang ihm das Grinsen schon etwas besser, auch wenn es immer noch schief war. Seine Mutter war außer sich gewesen. Kein Wunder, nachdem sie jahrelang versucht hatte, ihre Söhne davon abzuhalten sich Flausen in Bezug auf das Militär in den Kopf zu setzen. Auch wieder kein Wunder, nachdem sein Vater im Dienst gestorben war und sie mit fünf kleinen Kindern zurückgelassen hatte. Irgendein netter Posten in der Stadtverwaltung, das hatte sie für ihn gewollt, aber für ihn war das nie in Frage gekommen, und er konnte gar nicht zählen, wie oft sie sich darüber gezofft hatten. Was für ein schlechter Witz, dass er jetzt als Optio vor lauter Verwaltungskram kaum noch geradeaus gucken konnte manchmal. Durfte er daheim keinem erzählen, die würden ihn alle auslachen.
Was er fast nicht für möglich gehalten hätte: Alriks Besuch lenkte ihn tatsächlich ab. Allerdings nur so lange, bis er wieder auf die Schlacht zu sprechen kam. Hadamar folgte dem Fingerzeig mit seinem Blick und sah auf das Schlachtfeld, und sein Gesicht verdüsterte sich ein wenig. Allen gezeigt. „Kaum“, murmelte er. Kam ihm einfach nicht so vor, nicht in diesem Moment jedenfalls, so kurz nach der Schlacht, nach dem Blutbad. Nicht nachdenken. Einfach nicht darüber nachdenken. Er räusperte sich und sah wieder zu Alrik, und dann sagte der etwas, was Hadamar sichtbar zusammenzucken ließ. Schlechtes Gewissen, Schuldgefühle und Angst krachte plötzlich über ihm zusammen, auf ihn drauf, und begrub ihn unter sich. Sönke. Er hatte sich nicht mehr nach Sönke erkundigt, gestern nicht, die Nacht über nicht, heute noch nicht. Er hätte jemanden schicken können zu seiner alten Centurie. Er hätte sicher auch Zeit gefunden zwischen drin selbst hinzugehen. Aber er hatte es nicht getan... Seine letzte Erinnerung von Sönke war, wie der am Boden gelegen hatte, regungslos, völlig regungslos, als sei er tot, mit einem anderen Miles, der neben ihm saß, und die Wahrheit war: Hadamar hatte zu viel Schiss davor gehabt möglicherweise zu erfahren, dass Sönke tatsächlich tot war. Also hatte er auch darüber einfach nicht mehr weiter nachgedacht.
So sah es aus. Er, Hadamar, der es angeblich allen gezeigt hatte, der das Zeug dazu hatte, war in Wahrheit ein elender Schisser. Zumindest wenn es darum ging, sich Sicherheit zu holen über den Zustand eines Freunds, seines besten, ältesten Freunds. Und jetzt, wo er gezwungen war doch darüber nachzudenken, und schlimmer noch: gezwungen war vor Alrik – zu dem er begonnen hatte aufzusehen in den letzten Monaten, seit sie mehr Kontakt hatten – zuzugeben, dass er keine Ahnung hatte, dass er sich noch nicht nach Sönke erkundigt hatte, schämte er sich. Er wich Alriks Blick aus und zögerte mit der Antwort, aber als er dann doch den Mund öffnete, zwang er sich wenigstens dazu, seinen Vetter anzusehen. „Ich weiß es nicht. Ich hab...“ ...noch keine Gelegenheit gehabt. Zu viel zu tun. Siehst ja was los ist. Konnte nicht weg. Oh und jemand schicken konnte ich auch nicht. Ging einfach nicht. Rinderkacke. Es war ja nicht so, dass er ein Problem damit hätte zu lügen, ganz und gar nicht, aber ihm fiel einfach nichts ein, was wirklich plausibel gewesen wäre. Seine Stimme verlor sich für einen Moment, bevor er sich räusperte und dann simpel zugab: „Ich hab noch nicht nachgefragt.“