Landgüter der Decimi

  • "Das ist schwer zu sagen. Leider hat Seiana ihn wohl in ziemlicher Eile verfasst und nicht mit einem Datum versehen, aber man kann davon ausgehen, dass er bereits vor gut zwei bis drei Wochen in Roma abgeschickt wurde."


    Schließlich musste man auch noch die Tage miteinrechnen, die Livianus den Brief bereits auf seinem Schreibtisch liegen hatte. Da zudem unklar war, ob der Bote etwaige Truppenbewegungen, ganz gleich von welcher Seite, umgehen musste, kam die ungefähre Zeiteinschätzung des Senators bestimmt hin. Livianus nahm einen weiteren Schluck aus seinem Becher, bevor er nachdenklich weitersprach.


    "Es ist daher davon auszugehen, dass die Truppen des Cornelius Palma bereits vor den Toren Roms stehen, wenn Rom nicht sogar schon eingenommen wurde."


    Wieder machte er eine kurze Pause, in der er entschied vorerst nicht weiter auf die Sache mit Serapio einzugehen, nachdem Aquilas gedämpfte Reaktion vermuten ließ, dass ihm diese Nachricht sehr geschockt hatte. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, ihn mit diesen Dingen zu belasten. Wie er nun so vor Livianus da saß, mit seinem jungenhaften Gesicht und den blauen unschuldig wirkenden Augen, die nun im Gegensatz zu sonst einen eher verlorenen Eindruck machten.


    "Uns bleibt wohl nichts anderes übrig als auf weitere Nachricht zu warten. Wobei…"


    Selbst wenn Livianus den Entschluss fassen sollte baldmöglichst nach Rom zu reisen. War es wirklich eine gute Idee Aquila mitzunehmen? Der Junge wollte unbedingt nach Rom. Diesen Wunsch hatte er bereits bei unzähligen Gelegenheiten immer wieder geäußert, wobei es in den letzten Monaten immer fordernder wurde. Bisher hatte Livianus ihn zurückhalten können und vielleicht war es auch nun besser ihn hier zu lassen und zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Nachdem der Senator die Lage einschätzen konnte und es sicher genug in Rom war. Das war wohl wirklich das Beste, war Livianus schlussendlich überzeugt.


    "Wobei ich eher mit dem Gedanken spiele nach Italia zu reisen, um mir selbst ein Bild der Lage zu verschaffen. Wie auch immer die Schlacht um Rom ausgegangen ist, das Reich braucht nun wieder Stabilität und ein römischer Senator sollte in solch unruhigen Zeiten in Rom oder zumindest in Reichweite des Senats sein. Hier in Hispania geht, wie auch schon in den letzten Jahren, alles an mir vorüber."


    Fest davon überzeugt nun die richtige Entscheidung getroffen zu halten, fasste er sie abschließend in Worte, fest davon überzeugt, dass Aquila auch dieses Mal dem ausdrücklichen Wunsch seines Verwandten Folge leisten würde.


    "Du wirst vorerst mit den anderen hier in Hispania warten Marcus. Sobald es in Rom wieder sicher ist, werde ich euch Nachricht zukommen lassen."

  • Zitat

    Original von Potitus Decimus Albus
    ...... "Ich denke, dass ich doch stets auf deinen Rat zählen kann, wenn ich einmal einen brauche, oder? Immerhin bist du bereits ein gestandender Mann, welcher einiges erreicht und vorzuweisen hat. Ich muss gestehen, dass die Angst zu scheitern schon irgendwie da ist. Und das, obwohl ich noch nicht einmal begonnen habe."


    "Deine Pläne ehren dich und sind eines Decimers durchaus würdig. Sowohl ich, als auch die Gens wird dich bei deinen Ambitionen in jeglicher Form unterstützen. Allerdings muss ich deine Euphorie auch etwas dämpfen.


    Wir dürfen uns nichts vormachen und du bist alt und klug genug die momentane Situation zu erfassen. Das Reich befindet sich in einem Bürgerkrieg der, so die Götter es wollen, sich bald dem Ende zuneigt. Gleichgültig welche Seite letztendlich den Sieg davontragen wird – es wird auch auf uns Auswirkungen haben.


    Dir stehen zwei Möglichkeiten offen, für die du dich entscheiden kannst. Ich kann dir die Entscheidung, welchen Weg du wählst weder abnehmen, noch kann ich dir einen Rat geben. Ich kann dir lediglich Skizzieren, wie diese beiden Wege aussehen könnten.


    Der eine Weg wäre in die Provinzpolitik zu gehen. Hier in Hispania sind die Decimer immer noch eine höchst angesehene Familie und bin mir sicher, dass dir alle Möglichkeiten offen stehen würden. Du wärst ein angesehenes Mitglied der Curie und könntest es bis zum Duumvir oder gar in die Provinzverwaltung schaffen. Als Princeps Praetorii übt man oft mehr Einfluss auf die Geschicke einer Provinz aus, als so mancher Senator in Rom die Geschicke des Reiches beeinflussen kann. Es wäre eine überaus lohnende und prestigeträchtige Aufgabe und vor allem könntest du sie sofort angehen. Doch all der Prestige wird vermutlich nie über die Grenzen der Provinz hinausgehen. Du wärst eben ein Provinzpolitiker.


    Die Alternative dazu wäre abzuwarten, wie sich die Lage in Rom entwickelt. Es ist schwer vorauszusagen welche Auswirkungen das Ende des Bürgerkriegs haben wird und vor allem in wie weit er uns Decimer beeinflusst. Ich kann dir daher nicht versprechen ob wir nach wie vor die Verbindungen haben, um dich beispielsweise in den Ordo Senatorius zu hieven, der wie du weißt Voraussetzung für eine Kandidatur als Vigintivir ist. Zudem solltest du zuvor bei einem Senator das Tirocinium fori ableisten.


    Dieser Weg ist also wie du siehst bereits von Beginn an steiniger und auch tückisch. Hast du jedoch alle Stationen hinter dir gelassen, steht dir eine Karriere als Senator Roms bevor. Eine Stellung, die dir alle Türen und Tore öffnet und einigen immer wieder ermöglicht in die Geschichte einzugehen. Ob Legat, Provinzstatthalter oder sogar Consul. Du kannst an der Spitze stehen…… und unter uns gesagt – nichts ist befriedigender als die Zügel selbst in der Hand zu halten."


    Mit diesen Worten schloss Livianus seinen Monolog, der nun doch länger geworden war, als ursprünglich angedacht und lächelte beim letzten Satz verschmitzt. Gleichzeitig hoffte er, dass er Albus damit in irgendeiner Form helfen konnte.

  • Fragen über Fragen und Entscheidungen über Entscheidungen, die sich Albus stellten und die er treffen musste. Die Politik schien doch wahrlich ein sehr harteer und steiniger Weg zu sein, doch Albus war nicht so naiv, als dass er nicht damit gerechnet hätte. Ihm war klar, dass die Politik alles andere als ein Spaziergang werden würde. Das es ihn viel harte Arbeit und Ehrgeiz und Fleiß abverlangen würde, wenn er seine Ziele verwirklichen wollen würde.
    Und Livianus hatte Recht, der Bürgerkrieg in Rom machte wahrlich alles noch komplizierter.
    Was würde er hervorbringen? Familien konnten ihr ganzes Ansehen verlieren, ihre hart erarbeitete Tradition durch einen solchen Krieg verlieren.
    Doch Livianus hatte auch in einem weiteren Punkt recht: Albus musste entscheiden. Letztlich würde er entscheiden müssen, was er will und wie er die Zukunft seines Lebens gestalten will, doch das war eine wahrlich schwere Entscheidung.


    "Ja, der Bürgerkrieg. Wahrlich ein Faktor, der die Sache um unlängen komplizierter macht. Aber es ist schon fast anmaßend, wenn ich das nur allein auf mein Schicksal beziehe. Der Krieg macht alles komplizierter und wirft das Gefüge der Welt wohl allzusehr durcheinander."
    Albus seufzte, bevor er fortfuhr:
    "Selbstverständlich ist auch die Provinzialpolitik erstrebenswert und, wie du schon sagst, kann man auch dort höchst ehrenvolle Aufgaben und Ämter bekleiden. Doch...wie soll ich es ausdrücken. Ich fürchte mich davor, dass ich mich später dann mit dem Gedanken plage, dass ich doch mehr hätte machen können. Und mehr hätte erreichen können. Ach, es ist wahrlich eine schwere Entscheidung. Aber ich danke dir, dass ich so offen mit dir sprechen kann.


    Bei all der Unsicherheit war Albus aber wahrlich froh, so offen mit Livianus sprechen zu können über seine Gedanken und Pläne. Es tat ihm gut, sich dann doch jemanden anzuvertrauen, auch jemand, der ihn bestimmt verstehen und seine Zweifel nachvollziehen konnte. Doch entscheiden konnte er nicht für ihn, dass wusste Albus sehr genau. Die Bürde der Entscheidung musste er selbst und ganz alleine tragen, die konnte ihm niemand abnehmen. Wer hätte Gedacht, dass die Gestaltung der Zkunft eine doch so knifflige Frage ist?


    "Letztlich hängt doch vieles von den Ereignissen in Rom ab. Dieser verdammte Krieg."

  • Zwei bis drei Wochen also. Aquila grübelte darüber, aber bevor er zu einer Einschätzung kommen konnte, was das wohl heißen mochte für die Lage in Rom, schob sein Onkel die seinige bereits hinterher. Cornelius also vor den Toren Roms, oder die Stadt vielleicht sogar schon eingenommen. Und das hieß, es tat sich was... und die nächsten Worte seines Onkels bestätigten das auch. Natürlich tat sich was. Wenn Livianus sich mit dem Gedanken trug, nach Rom zu reisen, um die Familie zu unterstützen – dann hieß das, dass er die Lage so einschätzte, auch etwas tun zu können. Sein Onkel hatte die letzten Jahre ja nur deshalb so still in der Provinz verbracht, weil es nichts gegeben hätte, was er hätte tun können, außer durch seine Anwesenheit in Rom den Kaiser zu reizen, mit dem er es sich ja schon zu dessen Zeiten als Praefectus Urbi übel verscherzt hatte, und damit auch den dortigen Decimern das Leben schwer zu machen. Aber das änderte sich freilich mit einem Kaiserwechsel... vielleicht. Hoffentlich. So wie sich die mittlerweile in Rom ansässigen Decimer auf Seiten von Vescularius positioniert hatten, würde auch ein erwiesener Gegner dieses Kaisers da wohl nicht viel dagegen tun können erst mal, dass sie in Ungnade fielen, schon gar nicht wenn man bedachte, dass er sich in die Provinz zurückgezogen hatte – aber nicht viel war immer noch mehr als gar nichts, und Aquila war fest überzeugt, dass da mit der Zeit auch wieder mehr ging. Die Decimer waren zu wichtig, zu weit oben in der Gesellschaft, als dass sie für alle Ewigkeiten geschasst sein würden... man musste einfach nur dran bleiben.
    Daher hellte sich Aquilas Gesicht zunächst auf, als sein Onkel davon sprach nach Rom zu reisen. Natürlich ging er davon aus, dass er mitkommen würde – genauso wie Flavus und Albus wohl. Genau darauf waren sie doch in den letzten Jahren schließlich vorbereitet worden, keinen anderen Zweck hatte das gehabt, der Unterricht, die Übungen, der Drill. Einzig und allein dafür, dass sie irgendwann ihrer Bestimmung nachkamen, in die Fußstapfen ihrer Verwandten traten, der Familie Ehre machten. Und zumindest in Aquilas Fall wollte er das auch unbedingt. Vor allem sein Großvater war sein Held, sein großes Vorbild... und er brannte darauf, ihm endlich nachfolgen zu können. Schon als kleiner Junge hatte er davon geträumt, hatte nicht einfach nur Soldat gespielt, sondern ganze Heerscharen an Legionen kommandiert, die stolz den römischen Adler trugen, und gegen zig verschiedene Gegner in die Schlacht geführt. Und darin war er auch immer bestärkt worden von seiner Familie... immerhin wurde das auch von ihm erwartet.


    Wenig verwunderlich also entgleisten seine Gesichtszüge ziemlich, als sein Onkel nur Augenblicke später davon sprach, dass er hier bleiben sollte. „Wie... Was? NEIN!“ brauste er nach einem Moment der Fassungslosigkeit auf. „Das... Onkel, das ist nicht dein Ernst! Du kannst nicht... das...“ Aquila unterbrach sich kurz und versuchte mühsam, sich selbst einzubremsen, während seine Gedanken rasten. Wie konnte er seinen Onkel am besten davon überzeugen, dass es das einzig Richtige war, ihn mitzunehmen? Ganz sicher nicht, in dem er schimpfte, tobte oder gar bettelte. Damit disqualifizierte er sich nur selbst, das wusste er, damit zeigte er, dass er eben noch nicht so weit war, sich der römischen Politik zu stellen und dort seinen Weg zu suchen. Wenn er eine Chance haben wollte, seinen Onkel umzustimmen, dann musste er ihm auf die Art kommen, die er auch in Rom brauchen würde, um dort seine Ziele zu erreichen. Aquila räusperte sich und setzte neu an, diesmal ruhiger, überlegter. „Ich glaube es wäre besser, wenn wir jetzt schon mitkommen. Denk doch nur, wie dein Auftritt in Rom sein wird, wenn du nicht allein kommst, sondern eine Reihe junger Decimi bei dir hast, alle gut ausgebildet, ehrgeizig und bereit, sich für dich und die Familie einzusetzen. Das wär ein Knaller, dann könnten die Leute dich nicht ignorieren, weil das sagt, dass wir Decimi nicht weg vom Fenster sind, dass wir uns nicht zurückziehen, auch wenn das manche gerade jetzt von uns erwarten. Wenn du mit uns ankommst, dann zeigen wir Rom damit: jetzt erst recht!“ Aquila machte eine kurze Pause und hängte dann noch etwas an: „Außerdem kann das nur von Vorteil sein, wenn in Rom gleich mehrere Decimi aufschlagen, die nichts mit den Verbindungen zu Vescularius zu tun haben. Das... das könnte die Sippenhaft etwas mindern, denke ich. Und es zeigt, dass wir bereit sind, uns unserer Verantwortung zu stellen, für, äh, für Rom, auch wenn... Fehler gemacht wurden. Von manchen.“ Der Schluss war ein bisschen holprig geworden... Aber davon mal abgesehen: dafür, dass er die Rede gerade aus dem Stegreif gehalten hatte, war die ziemlich gut geraten, fand er.

  • Mit einem Widerspruch Aquilas hatte Livianus nicht gerechnet, dass konnte man in seinem kurz irritierten Blick erkennen. Doch die Worte des jungen Decimers machten ihn nachdenklich. Die Fehler, welche Aquila ansprach. Sie waren es, um die sich Livianus Gedanken schon seit längeren drehten. War es tatsächlich als Fehler zu sehen, dass Serapio nach dem Rückzug Livianus Partei für den Vescularier ergriff und damit vielleicht die Gens vor der möglichen Vergeltung des als besonders nachtragend bekannten Usurpators schützte? Der Senator war nie sehr glücklich mit dieser Entscheidung gewesen, dass wussten alle in der Gens, doch hatte er die Schuld daran bei sich selbst gesucht. Hätte er Salinator damals nicht öffentlich im Senat angegriffen und dadurch gegen ihn aufgebracht, hätte man wie die meisten anderen mit dem Strom schwimmen und abwarten können, wie sich die Lage weiter entwickelte.


    Doch nun saß er seit gut zwei Jahren in seinem selbstgewählten Exil in Hispania und musste es seinem Adoptivsohn Serapio überlassen, die Geschicke des Hauses Decima durch diese schwierigen Zeiten zu lenken. Anfangs berichtete seine Nichte Seiana noch regelmäßig von Serapio und dessen Aufstieg zum Praefectus Praetorio, doch irgendwann versiegten die Informationen über seinen Sohn und wurden durch Höflichkeitsfloskeln und Alltägliches ersetzt. Bereits damals hatte dies in Livianus ein starkes Unwohlsein ausgelöst, doch er konnte und wollte sich nicht einmischen und hatte Angst davor nachzufragen. Angst vor den möglichen Antworten, die er auf Fragen erhalten würde und vor Konsequenzen, die danach gezogen werden mussten. Es blieb ihm nur zu hoffen, dass Serapio nicht zu sehr in den verbrecherischen Sumpf des Vesculariers hineingezogen wurde. Sollte tatsächlich Rom fallen und Palma den Thron besteigen, so würde jede seiner Taten im Namen des Usurpators auf die Waagschale gelegt werden und sowohl über das Schicksal Serapios, als auch über das des Hauses Decima entscheiden. Ein Grund mehr warum Livianus rechtzeitig Rom erreichen und seinen Platz im Senat einnehmen musste.


    Erst jetzt kam ihm wieder in den Sinn, dass Serapio nicht in Rom war, sondern nach einer Schlacht als vermisst galt. Sein Schicksal war unklar, doch Livianus wusste einfach, dass sein Sohn keinesfalls Tod sein konnte, oder redete es sich zumindest ständig ein. Er hatte das Schreiben Seianas immer und immer wieder gelesen, bis er schließlich selbst davon überzeugt war, dass Serapio vermutlich in Gefangenschaft geraten war. Vermutlich das Beste, dass passieren konnte. Keiner der Feldherren Palmas und auch Palma selbst würde den gefangenen Prafectus Praetorio auch nur ein Haar krümmen. Nicht etwa weil er ein Decima war oder Livianus irgendeinen Einfluss darauf nehmen konnte. Vielmehr würden sie ihm dazu nutzen nach einem Sieg ihre Macht und Autorität zu festigen. Womit konnte ein neuer Regent wohl mehr seine Macht demonstrieren und das Volk beschwichtigen, als mit pompösen Hochverratsprozessen gegen die Spitzen des alten Regimes, zu denen Serapio als Präfekt der Garden eindeutig zählte. Oder man kettete ihn bei einem Triumphzug an einen der Siegeswagen, um dem rachedurstigen Volk die Schuldigen des Bürgerkrieges zu präsentieren. Die römischen Spitzen waren schon immer sehr findungsreich dabei gewesen, sich möglichst siegreich und pompös einem jubelnden Volk zu zeigen.


    Zwanghaft schüttelte er all diese Gedanken wieder ab und versuchte sich den letzten Worten seines jungen Gegenübers zu entsinnen. Sippenhaft… auch darüber hatte Livianus bereits nachgedacht und Aquila hatte gar nicht so unrecht. Man würde einen Senator Roms nicht so einfach in den Kerker werfen, vor allem wenn er als Gegner des alten Regimes galt. Zumindest, wenn die Verbrechen seines Sohnes, nicht als allzu schwerwiegend angesehen wurden. Eine Unsicherheit, die trotz aller Überlegungen wie ein Damoklesschwert über ihm schwebte. Für ihn eher ungewöhnlich, ließ er seinen jungen Verwandten an diesen Gedanken teilhaben.


    "Wir wissen zu wenig über die Lage und die aktuelle Situation unserer Familie in Rom. Selbst wenn wir zu hundert in Rom auftreten würden, könnte uns das nicht vor einer Verhaftung oder schlimmeren schützen. Es ist mir ein zu großes Risiko euch mit nach Rom zu nehmen Marcus. Ich kenne Palma nicht wirklich gut. Die meiste Zeit seiner senatorischen Laufbahn hat er so wie ich in den Provinzen verbracht. Ich kann ihn nicht einschätzen. Vielleicht ersetzen sie auch einen Wahnsinnigen durch den nächsten."


    Seufzend lehnte sich Livianus zurück in seinen Stuhl. Umso mehr er über diese ganze Situation nachdachte, umso ungewisser wurden die Zukunftsaussichten. Es gab so viele Möglichkeiten, so viele Dinge die passieren oder auch nicht passieren konnten und so viele Schritte, die es dadurch zu bedenken galt.

  • Zitat

    Original von Potitus Decimus Albus
    ..... "Letztlich hängt doch vieles von den Ereignissen in Rom ab. Dieser verdammte Krieg."


    "So ist es" sagte Livianus zustimmend. "Du kannst dir also ruhig noch ein wenig Zeit lassen mit deinen Überlegungen. Es eilt nicht. Sobald wir wieder in Rom sind und der Normalzustand hergestellt wurde, werden wir uns auch nach einem Senator umsehen, bei dem du das Tirocinium fori angehen kannst."


    Vorausgesetzt irgendeiner der Senatoren waren noch daran interessiert einen Decimer in die politische Lehre zu nehmen. Doch vermutlich sah Livianus das alles wie immer zu negativ und daher wollte er seinen jungen Verwandten auch nicht mit diesen Gedanken belasten. Die Aussage über den „verdammten Krieg“ ignorierte der Senator. Diese zeugte nur von einer noch vorhandenen Unreife des jungen Albus, die für sein Alter normal war. Für ihn war der Krieg vermutlich nicht mehr als ein Hindernis schnellstmöglich nach Rom zu kommen und eine kometenhafte Karriere zu beginnen. Wofür die Männer in diesen Krieg kämpften und ihr Leben verloren, Römer gegen Römer, Brüder gegen Brüder, tat dabei wohl wenig zur Sache. Manchmal wünschte Livianus sich, dass auch er noch einmal die Welt durch die Augen eines naiven jungen Mannes sehen konnte, der auch er einmal war.


    "Vielleicht einer der Germanicer...." meinte Livianus den Gedanken über das Tirocinium fori wieder aufgenommen. "Meine Cousine Lucilla ist mit Senator Germanicus Avarus verheiratet und auch Senator Germanicus Sedulus würde in Frage kommen." Bei diesen Gedanken schoss es Livianus plötzlich durch den Kopf, wie lange er schon nichts mehr von beiden gehört hatte. Auch von Lucilla waren in letzter Zeit keine Nachrichten in Hispania eingetroffen. Die letzte Meldung war, dass sie sich mit ihrem Sohn nach Capua zurückgezogen hatte. Hoffentlich ging es allen gut.


    Plötzlich wurde Livianus aus seinen Gedanken gerissen, als lautes Kinderlachen im Garten zu hören war. Der Senator wandte sich von Albus ab und sah in die Richtung, aus der das Lachen kam. Die beiden Kinder seines Bruders Magnus, Lucius und Sevilla waren in Begleitung einer Sklavin nach draußen gestürmt. Auch sie genossen sichtlich den angenehmen Tag und bescherten Livianus ein Lächeln, als er sie herumtoben sah. Kinderlachen war immer ansteckend, ganz gleich mit welchen Sorgen man sich herumplagte.

  • "Da hast du Wohl Recht. Geduld ist jetzt auch gefragt. Unter den besonderen Umständen lässt sich wohl keine eindeutige Entscheidung treffen. Wer kennt schon die Ausgangssituation?"


    Wer wusste schon, ob die Familie nach dem Krieg überhaupt noch Macht und Einfluss hatte und ob er in der Politik noch erwünscht war. Es war schon erstaunlich, was ein bisschen Ansehen und Kontakte für eine bedeutende Rolle spielen konnten. Oder doch viel mehr mussten, denn ohne Kontakte war man nichts.
    Als Livianus wieder mit dem Sprechen einsetzte, hörte er ganz gespannt zu, denn nun schien es konkret zu werden. Livianus ging scheinbar ein paar Namen im Kopf duch, welche für ihn in Frage kamen, bei welchen Albus einen Einblick in das Feld der Politik bekommen würde und Albus war sich sicher, dass er sicher eine gute Ausbildung bekommen würde.


    "Du bist da wohl etwas besser informiert, als ich es bin," sagte Albus mit einem Lächeln auf die Namen hin, die Livianus nannte.
    Auch Albus wurde etwas überrascht von den Kindern, war aber doch erfreut über ihr auftauchen. Vielleicht lockerten sie die Atmosphäre noch ein wenig mehr auf, als sie ohnehin schon war. Doch plötzlich kam Albus noch ein ganz anderer Gedanke in den Kopf.
    Diese Kinder waren einfach so sorglos, kaum zu vergleichen mit denen des jungen Erwachsenen. Und da stieg in ihm eine gewisse Sehnsucht auf, die Sehnsucht nach Sorglosigkeit, nach dem Gefühl, sich nicht so viele Gedanken machen zu müssen, sondern einfach nur instinktiv vorzugehen.


    "Es ist schon faszinierend, wie sorglos die Kinder noch sind. Manchmal sehne ich mich jetzt schon danach, dass auch ich einen kleinen Teil dieser Sorglosigkeit wiedererlangen würde. Die Leichtigkeit geht doch mit den Jahren verloren. Und das sage ich ja jetzt schon." Albus lächelte breit über seine Worte, denn wenn er bedachte, dass Livianus noch einige Jahre mehr an Lebenserfahrung besaß als Albus, er aber diese Aussage tätigte.

  • Er begriff es nicht. Aquila begriff es nicht, wie sein Onkel nach seinen so überzeugend vorgetragenen Argumenten trotzdem noch dagegen sein konnte. Warum waren alte Männer immer so... so zögerlich? So vorsichtig? Und er saß da und musste irgendwie dagegen argumentieren, musste aufzeigen, warum es um so vieles besser war, dass Livianus nicht alleine ging... obwohl das in seinen Augen doch ziemlich offensichtlich war.


    „Uns wird keiner festnehmen“, behauptete er im Brustton der Überzeugung, um die Zweifel seines Onkels zu zerstreuen. „Warum auch? Von uns hier in Hispania hat keiner was getan, und du warst ja immer gegen Vescularius. Warum sollte ein neuer Kaiser da dann gegen Decimi aktiv vorgehen, die sich gar nichts haben zuschulden kommen lassen? Unsere Familie wird es nicht leicht haben, das ist klar, aber genau deswegen ist es ja besser, wenn mehrere nach Rom kommen, die unbeteiligt sind.“ Sippenhaft hieß ja nicht, dass sie deswegen alle mit Serapio in den Carcer wandern würden; es hieß nur, dass die Familie wohl erst mal geschnitten werden, an Ruf und Ansehen verlieren würde, weil eines ihrer prominentesten Mitglieder Mist gebaut hatte, oder jedenfalls das was als Mist definiert wurde vom neuen Kaiser – also erst mal per se alles, was seinem Kontrahenten geholfen hatte.
    Genau deswegen aber, das glaubte Aquila tatsächlich, mussten sie einfach Kante zeigen, mussten zeigen, dass die in Rom lebenden Decimi nicht für die Gens als Ganzes standen. Ihm war dabei ziemlich egal, dass das vielleicht sogar den Eindruck machen könnte, die Decimi in Rom hätten ohne oder gar gegen den Willen der Familienoberen in Hispania gehandelt, und Livianus würde jetzt nach Rom zurückkehren, um für Ordnung in der Familie zu sorgen, dafür, dass sie auf Linie blieben und nicht mehr so schmählich aus der Reihe tanzten wie in den vergangenen Jahren. Wenn das hieß dass die Leute glaubten, dass da eigentlich nur wenige Decimi ein bisschen arg verwirrt gewesen waren, und dass der Rest der Familie nun dafür zu sorgen gedachte, dass sie sich wieder angemessen verhielten – und sie schneller wieder angesehen waren dadurch, umso besser. Aber das gelang eben nur, wenn sein Onkel nicht allein in Rom auftauchte, sondern Unterstützung mitbrachte. Livianus würde in seinem Alter und bei seiner Stellung wohl auch kaum mehr Klinken putzen gehen – er würde seine alten Kontakte auffrischen und da Überzeugungsarbeit leisten, aber sich mühsam an den Familien abarbeiten, die ihn vielleicht gar nicht mehr kannten, Männer zu überzeugen, die weit unter ihm standen im Rang, um den Ruf der Decimi aufzupolieren, das war unter seiner Würde. Und daher etwas, was am besten junge Decimi übernahmen, zumal sie das ja sowieso tun mussten, für sich selbst, die eigene Karriere. Warum dann nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?


    „Wir dürfen halt erst dann in Rom ankommen, wenn der Krieg wirklich vorbei ist, wenn da die Verhältnisse klar sind.“ Genauer gesagt: wenn da keine wildgewordenen Soldaten mehr rumliefen, die von ihren Legati von der Leine gelassen worden waren, um ein bisschen plündern zu dürfen oder so. „Aber dann gibt es keinen Grund, warum du alleine reisen solltest. Du und die Decimi in Rom brauchen jede Unterstützung, die ihr kriegen könnt, um unsere Gens wieder nach vorne zu bringen. Da solltest du nicht auf die der eigenen Familie verzichten.“

  • Zitat

    Original von Potitus Decimus Albus
    ...... " Es ist schon faszinierend, wie sorglos die Kinder noch sind. Manchmal sehne ich mich jetzt schon danach, dass auch ich einen kleinen Teil dieser Sorglosigkeit wiedererlangen würde. Die Leichtigkeit geht doch mit den Jahren verloren. Und das sage ich ja jetzt schon." Albus lächelte breit über seine Worte, denn wenn er bedachte, dass Livianus noch einige Jahre mehr an Lebenserfahrung besaß als Albus, er aber diese Aussage tätigte.


    "Ich bin sehr froh darüber, dass sie heute derart Sorglos wirken." Er hatte bereits viele Tage erlebt die anders ausgesehen hatten. Seine Mine wurde wieder ernster. "Trotz ihrer Jungen Jahre.." die beiden Kinder waren erst 8 Jahre alt "… hatten sie vermutlich bisher ein Leben das Sorgengeplagter war als so manch anderes." Livianus wandte sich wieder von den Kindern ab und sah zu Albus auf dem diese Feststellung wohl ebenso zutraf.


    "Sie haben ihren Vater verloren, ihre Mutter befindet sich derzeit im belagerten Rom und sie leben derzeit hier fast so im Exil wie ich das tue. Nur ist ihres nicht selbstgewählt."


    Auch wenn sie durch ihre Schicksalsschläge bereits jetzt starke kleine Persönlichkeiten waren und ihren Onkel Livianus über alles liebten, wollten und brauchten sie wieder ihre Mutter. Natürlich war es von Venusia richtig gewesen, sie bei der damaligen Lage in Rom nach Hispania zu schicken und dadurch in Sicherheit zu bringen, doch Livianus hätte es gerne gesehen, wenn auch sie selbst mit gekommen wäre. Sobald es möglich war die Kinder nachkommen zu lassen, würde er sie mit ihrer Mutter wieder zusammenführen.


    "Du siehst also…. der erste Anschein kann oft trüben. Eine wichtige Lektion die du dir für deine Zukunft merken solltest. Vor allem dann, wenn du in der römischen Politik überleben willst."


    Der Senator lächelte erneut und klopfte seinem jungen Verwandte auf die Schulter.


    "Doch nun genug von den Lektionen und der Politik. Wenn wir wieder in Rom sind, werden wir noch genug Zeit dafür haben."

  • Zitat

    Original von Marcus Decimus Aquila
    .....„Ich glaube es wäre besser, wenn wir jetzt schon mitkommen. Denk doch nur, wie dein Auftritt in Rom sein wird, wenn du nicht allein kommst, sondern eine Reihe junger Decimi bei dir hast, alle gut ausgebildet, ehrgeizig und bereit, sich für dich und die Familie einzusetzen. Das wär ein Knaller, dann könnten die Leute dich nicht ignorieren, weil das sagt, dass wir Decimi nicht weg vom Fenster sind, dass wir uns nicht zurückziehen, auch wenn das manche gerade jetzt von uns erwarten. Wenn du mit uns ankommst, dann zeigen wir Rom damit: jetzt erst recht!“ Aquila machte eine kurze Pause und hängte dann noch etwas an: „Außerdem kann das nur von Vorteil sein, wenn in Rom gleich mehrere Decimi aufschlagen, die nichts mit den Verbindungen zu Vescularius zu tun haben. Das... das könnte die Sippenhaft etwas mindern, denke ich. Und es zeigt, dass wir bereit sind, uns unserer Verantwortung zu stellen, für, äh, für Rom, auch wenn... Fehler gemacht wurden. Von manchen.“ Der Schluss war ein bisschen holprig geworden... Aber davon mal abgesehen: dafür, dass er die Rede gerade aus dem Stegreif gehalten hatte, war die ziemlich gut geraten, fand er.


    Livianus wägte die Worte des jungen Decimers lange ab und sagte nichts. Trotz seiner jungen Jahre und der daraus resultierenden Unerfahrenheit in vielen Dingen, klang sein Vorschlag durchaus vernünftig und nachvollziehbar. Er wollte diese Gedanken also einmal weiterspinnen und Aquilas Meinung dazu hören.


    "Du meinst also es wäre auch von Vorteil etwa Albus und Flavus mitzunehmen? Von Albus habe ich ja bereits erfahren, dass er in die römische Politik gehen möchte. Es wird sich bestimmt ein Senator finden lassen bei dem er sein Lehrjahr absolvieren kann. Ein Decimus den es wieder in die Politik drängt kann die Familie gut gebrauchen. Doch wie sieht es mit dir und Flavus aus? Hab ihr euch bereits Gedanken darüber gemacht, was ihr aus eurem Leben machen möchte."


    Denn eines war Livianus ebenso klar. Junge Decimi die mit nach Rom kommen würden, konnten nur dann eine Unterstützung für ihn und die Gens sein, wenn sie nicht wie viele andere junge Leute in ihrem Alter eher der Dekadenz und der Blasiertheit der heutigen Zeit zum Opfer fielen. Nichts schadete dem guten Ruf einer Familie mehr, als junge Familienmitglieder die nichts mit sich anzufangen wussten, die Nacht zum Tag machten und das Geld der Gens zum Fenster hinaus warfen. Auch wenn er Aquila selbstverständlich nicht so einschätzte, wollte er diese Gelegenheit nutzen, ein wenig in den Jungen hineinzuhorchen.

  • Aquila wäre am liebsten unruhig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht, während sein Onkel einfach nur da saß und zu überlegen schien – aber zum einen tat für nervöses Gezappel zu viel weh, und zum anderen hätte das wohl einen schlechten Eindruck gemacht... gerade wo er doch versuchte, sich vernünftig und erwachsen zu geben. Livianus musste ja nicht nur einsehen, dass es das Beste war jemanden mitzunehmen, er musste auch sehen, dass es richtig war ihn mitzunehmen. Also riss Aquila sich zusammen und bemühte sich darum, möglichst geduldig und gelassen zu wirken. Und auch wenn ihm das wohl nicht vollkommen gelang... glaubte er doch mit sich zufrieden sein zu können.
    Als sein Onkel dann aber erneut anfing zu sprechen, war es für Momente wieder vorbei mit der Selbstbeherrschung. Aquila klappte den Mund auf, und er starrte seinen Onkel für einen Augenblick einfach nur an. Machte der Witze? Oder war das nur eine weitere Form von Test? Immerhin waren gerade Flavus und er jahrelang nur dafür ausgebildet worden, irgendwann in Rom anzutreten und der Familie Ehre zu machen, und Aquila hatte nie den Eindruck gehabt, als ob es da großartig Wahlmöglichkeiten gab... selbst wenn er das denn gewollt hätte. Was aber nicht so war, immerhin, was könnte es besseres geben irgendwann mal eine Legion zu kommandieren? Das wollte er schon, seit er denken konnte. In die Fußstapfen seines Großvaters treten. Und der wollte das auch.
    Entsprechend perplex starrte er seinen Onkel erst mal nur an, während er überlegte, warum er ihn das fragte. „Ehm. Eh“, stotterte er dann... bevor er sich räusperte und nach einer etwas intelligenteren Wortwahl suchte. „Also: Flavus will Ritter werden.“ Ob der das nun wollte, weil ihm das ebenfalls von der Familie schon von klein auf eingegeben worden war, wusste er nicht so genau. Aquila zuckte leicht die Achseln. „Und ich Senator. Ich will...“ werden wie mein Großvater. Nein, das klang zu sehr wie ein kleiner Junge, da musste sich was anderes finden lassen. „...der Familie Ehre machen...“, fuhr er fort, und es klang ein wenig lahm, fand er – kein Wunder, das war das, was Verwandte und Lehrer einem halt so eintrichterten. „...auf dem Weg in den Senat... und im Senat dann...“ Das klang so... so... so gar nicht begeistert. Und so gar nicht, wie er sich fühlte, wenn er an seine Zukunft dachte, oder was er wollte. Er sagte gerade einfach nur, wovon er glaubte was sein Onkel wohl hören wollte, aber das war... nicht das echte Ding.
    Scheiß drauf. „Ich will irgendwann Legionen anführen!“ platzte es aus ihm heraus. „So wie mein Großvater, so wie du! Ich will zum Ruhm Roms beitragen, ich will ein Teil von dem sein, was das Reich zu dem macht, was es ist!“ Bei diesen Worten war ihm anzusehen, wie ernst er sie meinte, wie sehr er für dieses Ziel brannte. „Und ich will meinen Großvater stolz machen.“

  • Aquila war schon seit Tagen ruhelos. Er absolvierte weiter seinen Unterricht, das Training, tat was ihm aufgetragen wurde... aber nach der Unterhaltung mit seinem Onkel, nach den Nachrichten aus Rom, wurde er immer hibbeliger. Er wollte endlich nach Rom. In erster Linie, weil ihm hier in Tarraco mittlerweile die Decke auf den Kopf fiel. Es war langweilig, tagein, tagaus das Gleiche... Aquila wollte endlich das tun, wozu er all die Jahre erzogen, wozu er getrimmt worden war. Er fand, dass er hier nichts mehr lernen konnte, nichts mehr, was ihn weiter brachte, und er redete sich die Zunge wund, um seine Verwandten zu überzeugen dass er endlich mal anfangen musste, in der Praxis zu beweisen, was er in der Theorie gelernt hatte. Und gerade so eine schwierige Phase wie jetzt war doch prädestiniert dafür, um jemanden wie ihn lernen zu lassen! Wann sonst hatte man schon die Gelegenheit, in so einer Lage für seine Familie einzustehen? Wenn er da erst mal durch war, durch den Antagonismus, den die Decimer in Rom gerade wohl erfahren mussten... konnte ihn so schnell nichts mehr umhauen. Kein Klinkenputzen um Unterstützer zu gewinnen, keine Bewerbung, die er vor dem Senat halten musste, keine Rede vor einer Legion. Gar nicht zu reden von der Unterstützung, die die Verwandten in Rom dringend nötig hatten. Gerade weil er jung war und völlig unbekannt in Rom, hatte er doch eigentlich einen Bonus, fand er, argumentierte er, schwafelte er. Er schwafelte so sehr, dass sein Großvater ihn irgendwann halb lachend, halb ärgerlich meinte, dass er zumindest schon reden könnte wie ein Politiker. Aquila natürlich, nicht auf den Mund gefallen, nutzte die vermeintliche Gunst der Stunde und konterte sofort, na, dann könnten sie ihn doch ruhigen Gewissens nach Rom schicken... woraufhin sein Großvater ihn davon jagte. Allerdings immer noch mit Schalk in den Augen, jedenfalls meinte Aquila das gesehen zu haben... was er jetzt mal als positives Zeichen nahm.


    So versuchte Aquila also, seine Ziele zu erreichen... Aber ein Brief aus Rom sorgte dafür, dass das Pendel endgültig zu seinen Gunsten ausschlug. Ein Brief von ihren Verwandten, mit einer Beschreibung der Lage – die Stadt zwar gesichert, aber die Lage alles andere als rosig für die Decimi. Drei – drei! – von ihnen saßen im Carcer. In der Casa waren nur noch zwei übrig, und beide auch noch relativ jung. Aquila wusste nicht genau, was davon wirklich den Ausschlag gegeben hatte, und es war ihm auch relativ egal. Was zählte war nur, dass sein Großvater nach Erhalt dieses Briefs endlich sein Einverständnis gab, dass er nach Rom reisen durfte. Und so ging es endlich los für ihn... in die Urbs Aeterna.

  • Es war geschafft. Etwa die Hälfte des Weges lag nun hinter ihnen. Das Landgut der Decimii war schon in Sichtweite. In nur wenigen Momenten würde sie ihre Kinder endlich wieder in die Arme schließen können. Die Vorfreude war groß und natürlich auch die Neugierde. Wie groß sie wohl inzwischen waren. Die Reise war bis hier ohne Probleme verlaufen. Das Wetter war bis auf einige Stürme und Unwetter immer heiß gewesen. Da war auch ein grund warum sie sich so auf das Landgut freute. Sie würde für einige Tage dem heißen Wagen fern bleiben können. In diesem Gefährt fühlte man sich wie ein Braten, der auf dem heißen Ofen sachte vor sich hingeschmort wurde.
    Ihre Aufregung war groß als sie endlich dem Wagen entsteigen konnte. Ihre Schritte zur Tür nahm sie kaum war. Die Tür öffnete sich und ihre Kinder stürmten ihr entgegen. Sie waren eindeutig gewachsen. Secundus ging ihr bereits bis zu den Schultern und Sevilla hielt sich noch ein wenig zurück. Aber das würde sicher noch kommen. Magnus und sie waren beide nicht klein. Wobei sie als Mädchen auch gar nicht so groß werden musste. Es dauerte noch etwas bis sie in das Haus gehen konnten, das ein wenig kühler war. Venusia erklärte ihnen, dass sie in wenigen Tagen nach Norden gehen würden und sie ihnen ihre Heimat zeigen würde.


    ---


    Es waren 5 Tage vergangen und es herrschte schon wieder geschäftiges Treiben auf dem Hof. Die Pferde wurden vor den Wagen gespannt. Die Bewacher saßen bereits auf ihren Tieren. Das Gepäck verstaut und die Passagiere am Einsteigen. Es lag eine lange Reise vor ihnen und Venusia war froh danach für eine lange Zeit nicht mehr reisen zu müssen. Das reichte aus. Der Wagen setzte sich zuckelnd in Bewegung. Das Ziel Mogontiacum.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!