[Taberna in Via Lata] Spurius Quinctius Rhetor



  • SPVRIVS QVINCTIVS RHETOR


    • Orator et Rhetor publicus •



    In einem kleinen Laden, der sich an der Via Lata gelegen mit Blick auf das Forum Iulium an den Kapitolshügel schmiegt, hat der Rhetor (=Rhetoriklehrer) Quinctius seit neustem seine Schule. Ursprünglich aus der Nähe von Patavium stammend, das im Bürgerkrieg zwischen Cornelius Palma und Vescularius Salinator zerstört wurde, siedelte er über ins Zentrum der Macht, nach Roma, wo er sich nun eine neue Existenz aufzubauen versucht. Folglich ist seine Schule noch kaum bekannt, er kämpft um jeden Schüler und verdient sich darüber hinaus als Orator (=Redner) bei diversen Festen und Feierlichkeiten ein wenig dazu. Und hin und wieder schreibt er als politisch interessierter Mensch auch mal für die Acta Diurna einen kleinen Kommentar und stockt auch damit sein Gehalt etwas auf.


    Aktuell hat Quinctius eine Klasse bestehend aus neun jungen Schülern, von denen zwei, Herminius Ursus und Lucretius Carus, Senatorensöhne eines Aedilicius beziehungsweise eines Quaestorius sind, vier, darunter der notorische kleine Rechthaber Ollius Paulus, einen vermögenden Eques zum Vater haben und einer, Cassius Hemina, der Sohn eines reichen Decurios aus Ostia ist. Nicht zuletzt ist Quinctius stolz auch den Praetoriersohn Flavius Gracchus Minor sowie den Consularsneffen Flavius Fusus zu seinen Schülern zählen zu dürfen. Daneben gibt er dem Sohn eines Homo Novus Privatunterricht, wie er aber potenziell auch erwachsenen Studenten gegenüber aufgeschlossen ist. Denn wie heißt es doch so schön? 'Pecunia non olet' - Geld stinkt nicht! Das sagte schon der vergöttlichte Kaiser Vespasian... und lernte selbst noch in hohem Alter bei einem Rhetor.

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    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

    Einmal editiert, zuletzt von Marcus Iulius Dives ()

  • Die Aufspürung eines adäquaten Rhetoren für die beiden jungen Flavii hatte nicht geringe Aufwendungen erfordert, da diverse Konditionen hatten erfüllt sein müssen, um ein Resultat zu erzielen, welches sämtlichen Parteien konvenierlich erschien. Namentlich hatte hierbei die visuelle Unzulänglichkeit des Manius Minor eine nicht geringe Rolle gespielt, da jene publik zu machen dem flavischen Hause noch immer Skrupel bereitete, fürchtete man doch hierdurch die Alternativen der professionellen Evolution des Knaben zu konstringieren, was indessen zur Folge hatte, dass ein Studium bei jenen hochgepriesenen Rhetoren, welche beständig in den bedeutendsten Häusern ein- und auszugehen pflegten und in Anbetracht ihres beachtlichen Hochmuts kaum als vertrauenswürdige Geheimnisträger einzuschätzen waren, unverzüglich ausfielen. Zuletzt war die Aufmerksamkeit somit auf jenen Quinctius gefallen, der erst vor kurzer Zeit in der Urbs sein Geschäft eröffnet hatte und den Sprössling eines Klienten der Flavii Gracchi unterrichtete, womit eine glaubwürdige Referenz für dessen Qualität sich ergeben hatte, zumal derartige Homines Novi, die auch im Bereich des Unterrichtsmarktes härtester Konkurrenz ausgesetzt waren, eine nicht geringe Dependenz von einflussreichen Klienten zu erwarten schien, womit hier das Arkanum der Inkapazität des jüngeren Gracchus im Bereich des Sehvermögens in guten Händen sein mochte, zumal man dem Quinctius eine fürstliche Summe an Schulgeld verehrte.


    Und so pilgerte die flavische Schulprozession, bestehend aus Manius Minor und Fusus, Patrokolos und zwei weiteren Sklaven, am Morgen des vereinbarten Tages den Quirinal hinab und zur Via Lata, wo die Taberna des Quinctius sich befand. Durchaus war der jüngere der beiden Flavii gespannt, wie der Rhetorikunterricht sich wohl gestalten würde, denn obschon da sein Grammaticus ihn bereits vortrefflich für die folgende Stufe der Edukation präpariert hatte, so war dies doch das erste Mal, dass er an der Seite von Kommilitonen gelehrt werden würde, sofern man von jener kurzen Phase, da Flavianus, ein Freigelassenensohn der Familia Flavia, ihm Gesellschaft geleistet hatte, absah. Nun aber würden gänzlich fremde Personen mit ihm auf der Schulbank Platz nehmen, würden Knaben, die zweifelsohne an Alter und Größe ihn weitaus überragten, mit ihm studieren, womöglich mit ihm Kontakte anbahnen oder aber ihn aufs Grässlichste verspotten, da er doch des Lesens augenscheinlich nicht mächtig war, was eine nicht geringe Furcht in Manius Minor evozierte, die in ihm in der Tat die Selbstwahrnehmung als 'Minimus' evozierte.


    Dessenungachtet erreichten sie recht bald besagte Taberna und traten ein. Darin waren bereits einige Knaben versammelt, die erwartungsvoll den jungen Flavius und seine Entourage anblickten, was diesem ein Gefühl gab gleich jenen flavischen Bestien, die er einstmals mit seinem Vater visitiert hatte. Indessen erwiderte er aber zugleich die Blicke in nicht minderer Indiskretion, wobei er, um zumindest ein weitgehend scharfes Bild der Gestalten zu gewinnen, die Augen leicht zusammenkniff, womit er tatsächlich ein passables Resultat erzielte und auch einige Gesichtszüge zu identifizieren in der Lage war.
    Während er somit ein wenig genierlich die neue Atmosphäre examinierte, trat Patrokolos zu der Person in reiferem Alter, welche ebenso wie die Schüler, in die Toga gehüllt war, allerdings wohl über eine Tabula vertieft auf einer Cathedra saß.
    "Salve, Magister Quinctius. Dies sind wie vereinbart Manius Flavius Gracchus... Minor und Iullus Flavius Fusus."

  • Von Aufregung und Neugier erfasst folgt Fusus seinem Oheim zu besagter Taberna und ist vor deren Schwelle einen Augenblick noch stehen geblieben, sich der Lage und Umgebung dieses Ortes zu vergewissern. An seiner Seite folgt ihm wie ein Schatten auch heute seine Leibsklavin Vulpes, der er jedwede von ihr zu bewältigende Aufgabe zu übertragen pflegt. Freilich hat auch dieser Flavier eine gute Grundbildung genossen, doch weilen seine damaligen Lehrer seit seiner Ankunft in Rom nicht länger an seiner Seite, sondern sind im Haushalt seiner Mutter in Tusculum verblieben. Somit ist es an seiner Allzweck-Dienerin, ihm fortan zur Seite zu stehen und bei der Gelegenheit als angenehmen Nebeneffekt für ihren Besitzer ihren eigenen Horizont und damit ihre Fähigkeiten zu erweitern.
    Seit seiner Ankunft in Rom hat Fusus es in Sachen Ausbildung ein wenig schleifen lassen... um nicht zu sagen, sich der Faulheit und weniger sinnvoller Beschäftigung ergeben. Gemessen an Ansprüchen seiner Herkunft hinkt er somit, relativ zu seinem 'fortgeschritten' Alter von 19 Jahren gesehen, dem Bildungsstand seines um Jahre jüngeren Oheims ein gutes Stück weit hinterher.


    Die hellen Wangen leicht gerötet, die braunen Augen erwartungsvoll funkelnd, wendet er sich schließlich ihrem eigentlichen Ziel zu und folgt Gracchus Minor geringfügig verspätet ins Innere hinein. In diesem Augenblick beschleicht den Flavier jäh ein flüchtiger Hauch von Beklemmung. Wenn er die Früchte des bis dahin erlebten Unterrichts mittlerweile auch genießt, so war der Weg dorthin bisweilen mit einigem an Ungemach verbunden. Neben dem unangehmen Zwang über Stunden hinweg, angesichts allzu häufig fad präsentierter Themen fokussierte Konzentration aufzubringen, hat Fusus seinerseits in jungen Jahren immer wieder Streiche und Gemeinheiten seines jüngeren Bruders und dessen Komplizen ertragen müssen.
    In Remniszenz an diese Begebenheiten atmet er einmal schwer und tief durch, während er an Manius' Seite tritt und dessen Blick über die Reihen ihrer vermeintlich künftigen Mitschüler folgt. Er bemüht sich um ein freundliches Lächeln, was ihm sonst deutlich leichter fällt, und wendet sich sogleich ohne Scheu an die Fremden.
    "Salvete!"

  • | Spurius Quinctius Rhetor


    In der Tat las der Quinctier gerade sitzend einen Brief eines früheren Absolventen, als er von einem Bediensteren seiner flavischen Schüler über deren Eintreffen informiert wurde.
    "Salve.", grüßte er zurück und legte das Schreiben mit ernstem Lächeln beiseite, bevor er sich die jüngst eingetretenen Lernwilligen kurz besah. "Das trifft sich insofern ganz gut, als dass ich gerade mit dem Unterricht beginnen wollte.", erklärte er dann vorwurfsfrei mit zufriedenem Lächeln. Denn selbstredend kamen die Flavier - egal wann sie hier erschienen - nie zu spät, wie sie in diesem Fall aber auch tatsächlich zur verabredeten Zeit hier eintrafen. So erhob sich Quinctius also kurz darauf, ging zwei Schritte und wartete mit einem strengen Blick zu seinen Schülern einen Moment lang darauf, dass jene, die dies noch nicht getan hatten, sich einen Platz suchten und ihrerseits ihre Aufmerksamkeit auf den Rhetor richteten.


    "Salvete und willkommen - willkommen zu eurer ersten Lehrstunde in der Ars Oratoria, der Kunst der Rede und Theorie der Beredsamkeit. Mein Name ist Quinctius Rhetor und ich werde euch als euer Magister Dicendi in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten auf dem langen und steinigen Weg begleiten, der euch später dazu befähigen wird, dem Imperium erfolgreiche Geschäftsleute, wortgewandte Anwälte, mitreißende Feldherren und Legionslegaten und nicht zuletzt - diejenigen von euch mit den entsprechenden Voraussetzungen - auch überzeugende Senatspolitiker zu sein.", sprach Quinctius mit sonorer Stimme ruhig und fixierte insbesondere im Zuge seiner Aufzählungen in der Gesamtheit jeden seiner Schüler mindestens einmal ganz direkt. Nach einer kurzen Zäsur setzte er sich in Bewegung und schritt wachsam die vorderste der drei Sitzreihen ab, während er fortfuhr:
    "Seid euch allerdings dessen bewusst, dass dies keineswegs ein Spaziergang wird", spielte er mit dem Bild, welches sich seinen Zuhörern folglich bot, "sondern harte Arbeit - harte Arbeit, die sich jedoch lohnt und bezahlt machen wird. Denn die Fähigkeit zum Halten einer guten Rede wird euch für den Rest eures Lebens stets abheben von den meisten anderen. Es macht euch einmal mehr zu einer ausgewählten Elite.", erreichte er das Ende der aus vier einzelnen Plätzen bestehenden Reihe und drehte sich um: "Doch damit zunächst genug der einleitenden Worte. Schreiten wir zur Tat!", ging er und nahm seine zuvor verlassene Position vor der Klasse wieder ein.


    "Was bedeutet Rhetorik oder Ars Oratoria? Benannt nach ihrem Artifex, dem Orator - das heißt ihrem praktizierenden Künstler, dem Redner - ist es nach Fabius Quintilianus ganz weit gefasst die 'bene dicendi scentia', also das Wissen gut zu reden. Dabei, das sei an dieser Stelle bereits einmal erwähnt, ist mit gutem Reden sowohl das technisch gute Reden, das seinerseits noch einmal vom in erster Linie korrekten Reden, mit welchem sich die Grammatik beschäftigt, zu unterscheiden ist, gemeint, aber auf der anderen Seite auch das sittlich-moralisch gute Reden. Letzteres stellt vor allem eine Anforderung an den 'orator perfectus', den vollkommenen Redner, dar und geht auf die Verteidigung der Rhetorik gegen die Philosophie zurück." Hier machte Quinctius eine kurze Pause, um einerseits die langen Sätze einwirken zu lassen und andererseits das Ende der Definition zu betonen. Nach typischem Vorgehen der römischen Rhetoren ging es sodann weiter mit der immer feiner werdenden Unterteilung dieses einen Oberbegriffs, auf dass am Ende letztlich bildlich gesehen eine möglichst geschlossene Begriffspyramide entstand.
    "Wir wollen im Folgenden nun der pseudo-ciceronischen 'Rhetorica ad Herennium' folgen und die Rhetorik betrachten unter den Einteilungsprinzipien der 'officia oratoris', der fünf Arbeitsgänge beim Herstellen einer Rede; der 'genera causarum', der drei Redegattungen nach Aristoteles; der 'partes orationis', der fünf einzelnen Redeteile; der 'status', der Statuslehre des Hermagoras; der 'virtutes dicendi', der Stilqualitäten; sowie der 'genera elocutionis', der drei Stilarten einer Rede. * Beginnen werden wir selbstverständlich mit dem Schema der 'officia oratoris'.", lächelte der Quinctier ernst und ließ ebenfalls eine kleine Pause folgen, um seinem Auditorium die Möglichkeit zu geben sich gegebenenfalls Notizen zu machen oder auch einfach nur besser mitdenken zu können.


    "Die 'officia oratoris' umfassen nun also die fünf Arbeitsphasen, in welche die rhetorische Tradition die Herstellung einer Rede stereotyp gliedert. Diese einzelnen Produktionsstadien einer Rede lauten 'inventio', Stoffauffindung; 'dispositio', Stoffgliederung, 'elocutio', Stilisierung; 'memoria', Auswendiglernen; sowie 'pronuntiatio - actio', Vortrag.", fügte Rhetor erneut eine Zäsur an, welche der nicht nur dem Namen nach kleine Ollius Paulus, der hochnäsige Sohn eines vermutlich nicht minder eingebildeten Ritters, sogleich zu einer Wortmeldung nutzte:
    "Magister Quinctius", begann er, nachdem er mit einer einfachen Geste zum Reden aufgefordert wurde, "du hast vorhin sechs Einteilungsprinzipien aufgezählt, eines davon die 'officia oratoris'. Müssen sich die anderen fünf nicht aber zwangsläufig auch hier einordnen lassen können, wenn es sich hier doch um die Entstehung der Rede vom Auffinden des Stoffs bis hin zum fertigen Vortrag handelt?", erkundigte sich der kleine Olli besserwisserisch.
    "In der Tat ist dies durchaus möglich, indem man der 'inventio' die Lehren von den Redeteilen und den Status und mitunter auch die von den Redegattungen unterordnet, während man unter der Rubrik 'elocutio' sowohl die Stilqualitäten als auch die Stilarten fasst. Und aus genau diesem Grunde werden wir jene beiden Punkt an dieser Stelle auch nicht weiter vertiefen, sondern uns zunächst lediglich um die restlichen drei Arbeitsgänge kümmern.", antwortete Quinctius, während der kleine Olli kurz arrogant lächelnd zu seinen Nachbarn links und rechts von sich schaute.


    Sim-Off:

    * Keine Sorge, ich werde hier bestimmt nicht alle Teile ausführlichst durchgehen. Aber ihr sollt ja wenigstens grob wissen, was der (gewöhnliche) Rhetorikunterricht so umfasste.


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  • Durchaus beeilt sich Iullus Flavius Fusus unter den gestrengen Blicken ihres neuen Lehrers, sich in den Reihen der Schüler einen Platz zu suchen. Es gelingt ihm dabei zu seiner eigenen Freude einen solchen zu finden, zu dessen rechter Seite noch Platz für seinen ebenfalls flavischen Kompagnon zu finden. Mit einem offenen Lächeln lädt er diesen auf selbigen ein, während er sich um den Verbleib seiner Sklavin nicht im Mindesten zu scheren scheint. Vulpes nimmt daran jedoch keinen sichtbaren Anstoß und platziert sich zu den Füßen ihres Herrn, zieht tabula und stilus hervor, um in stetigem Diensteifer für jenen das Anfertigen von Notizen zu übernehmen.


    So kratzt ihr Griffel schon bald recht eilig über die Wachsschicht ihrer Tafel, während der Flavier seine Aufmerksamkeit und seine Gedanken gänzlich dem Vortrag widmen kann. Für den Anfang ist dieser noch motiviert und freudig bei der Sache. Zumal er zunächst allerlei Begrifflichkeiten vernimmt, mit denen er nicht zum ersten Mal in seinem Leben konfrontiert wird, und denen er dementsprechend gut folgen kann. Allein als die Sprache auf 'harte Arbeit' kommt, nimmt seine Miene einen etwas leidenden Ausdruck an und flüchtig verliert er den Fokus auf die Inhalte. Sein Blick gleitet vorübergehend ab, über die Gesichter der Mitschüler und mit einem lautlosen Seufzen schließlich wieder gen Lehrer. Annähernd geduldig hört er sich die weiteren Worte an und lächelt sogar dem plebejischen Naseweis so unverbindlich wie freundlich zu, als dieser glaubt seinen kleinen Glanzmoment zu erleben.


    Schließlich sieht er sich jedoch veranlasst es ihm in Sachen einer Wortmeldung gleich zu tun und bittet mit einer anmutigen Geste um die Erlaubnis zu sprechen. Sei es aus Ungeduld oder weil er die unmittelbare Reaktion des Lehrers falsch oder gar korrekt deutet, fasst er sein Ansinnen sogleich in gesprochenes Wort: "Magister Quinctius, wirst du uns alsbald mit einem Vortrag aus deiner eigenen Feder beglücken, als vorbildliches Exemplum und gewiss auch zu unserer Erbauung?" Ein freundliches Lächeln und ein Gesichtsausdruck, den kein Wässerchen trüben könnte, begleitet diese hoffnungsvoll intonierte Frage. Gewiss mag dies nicht die vorzüglichste Frage von einem derart 'alten' Schüler sein, doch drückt sie gut Fusus' starken Drang zur erlebten Praxis aus, sowie sein fehlendes Bedürfnis sich nennenswert durch besonders gewitzte oder kluge Fragen zu profilieren. Um sich allerdings in hinreichendem Umfang mit der leidlichen Theorie zu beschäftigen, wird er sich selbst noch einigermaßen quälen müssen.

  • Gerade noch rechtzeitig, wie es schien, hatte ein weiterer fein gekleideter Flavier die Taberna an der Via Lata erreicht, in der der Unterricht des Rhetors Quinctius stattfand, war noch von seinem ihn seit der Ankunft in Rom stets begleitenden Sklaven Taurion angekündigt worden, und hatte sich ohne große Umschweife und mit selbstbewusster Haltung einen Platz zwischen den anderen Schülern gesucht.
    Zwar hatte er bereits in Griechenland studiert, doch wie käme er dazu sich auf seiner bisherigen Bildung auszuruhen, wo er doch nach höheren Posten streben wollte, für die mit Sicherheit kein Aufwand zur Weiterbildung zuviel des Guten wäre? Und gab es in Bezug auf Wissen überhaupt zuviel des Guten? Aus Catus Mund würde man ein klares Nein vernehmen, wenn er denn gefragt würde. Doch diese Frage stellte sich in seinem Umfeld vermutlich gar nicht erst. Noch dazu sollte er den hohen Ansprüchen seines Ziehvaters gerecht werden und zum Erreichen dieses Ziels war das Mittel weiteren Unterrichts nicht zu unterschätzen, wenn nicht sogar essenziell.
    Auch die beiden anderen jungen Flavii waren wohl soeben erst eingetroffen, sodass in Catus keine Besorgnis aufkeimte, etwas versäumt zu haben. Ein kurzer Gruß in Fusus' und Gracchus Minors Richtung folgte noch, dann richtete sich seine Aufmerksamkeit bereits nach vorne, denn wie es schien sollte der Unterricht beginnen.


    So lauschte der flavische Jüngling gebannt den Worten des Rhetors und während der Mann vor seinen Schülern sprach, verfehlten seine Worte bei Catus ihre Wirkung nicht, sondern spornten augenblicklich seinen Ehrgeiz an, sodass sich auch danach seine Konzentration voll und ganz auf die Ausführungen des Magisters lenkte. Allein durch die durchaus angebrachte Frage eines Mitschülers, die Catus allerdings unter anderem durch dessen restliches Benehmen doch etwas rechthaberisch erschien, wurden diese unterbrochen. Catus ließ sich selbstverständlich nicht zu einem Kommentar hinreißen und nahm es sich stattdessen vor, bei Gelegenheit selbst ein besseres Bild von sich zu vermitteln. Doch vorerst schwieg er, denn Fusus ergriff bereits das Wort und brachte vor, woran auch er zweifellos Interesse zeigte, eine Rede des Magisters höchstselbst zu hören.

  • Als Catus Atilianus die Taberna zu einem unwesentlich retardierten Zeitpunkt betrat, bedurfte es einiger Zeit, ehe der jüngste der Flavii ihn identifizierte, bewohnte er doch erst seit kürzester Zeit die Villa Flavia Felix, sodass der Knabe bishero der suffizienten Zeit entbehrt hatte, um sich Silhouette wie Kinetik jenes neuen Flavius einzuprägen. Erst der vertraute Gruß weckte in ihm die Remineszenz, woher das wallende dunkle Haar ihm bekannt war, sodass er mit einem Lächeln seinerseits den Digitus Salutaris streckte.


    Doch erbot sich für einen weiteren Plausch mitnichten die Gelegenheit, denn schon begann der Magister mit dem Unterricht und der junge Flavius eilte sich, jenen von Fusus dargebotenen Platz einzunehmen, während Patrokolos sich in vollendeter Similität zu Vulpes zu seinen Füßen platzierte, bereit, seinem fehlsichtigen Dominus jedwede Notizen abzunehmen, ohne dass die übrigen Kommilitonen daran Anstoß nehmen mochten. Durchaus war diese Parallelität auch geneigt, Manius Minors Furcht vor einer Enthüllung seiner Unzulänglichkeit in publico zu lindern, womit ihm genügend mentale Kapazität verblieb, um den schwülstigen Worten des Quinctius zu lauschen, welcher bishero indessen noch wohlvertraute Fakten offerierte, welche bereits sein Grammaticus ihm in propädeutischer Absicht verraten hatte, womit es Fusus aufs Neue gelang, durch eine kurze Interjektion die dröge Faktizität der Lehre zu erfrischen, da ein professioneller Rhetor, wie sie bisweilen auch auf Gastmählern seiner Familie und familiärer Freunde aufgetreten waren, durchaus recht kurzweilige Referate darzubieten imstande war.

  • Zu spät. Zu spät zuspätzuspätzuspätzuspät. So ein Dreck, er war zu spät! Aquila rannte, das hieß: rennen war nicht wirklich drin mit den Klamotten... er eilte also, so schnell es sein Aufzug zuließ, über das Forum, hin zu der Taberna, in der irgendein Rhetor mit irgendeinem Rhetorik-Kurs begann, wie er vor ein paar Tagen von irgendeinem Bekannten gehört hatte. Nach seinen Erfahrungen im Senat bei seiner Kandidatur hatte Aquila sich gedacht, dass es nicht verkehrt sein konnte, noch mal in Rom einen Rhetor zu besuchen. Einen, der vielleicht ganz konkret Erfahrung mit bissigen Nachfragen von noch bissigeren Senatoren hatte. Angemeldet war er... aber jetzt kam er zu spät. Musste wohl daran liegen, dass Celeste heute was anderes zu tun hatte, ergo nicht bei ihm im Officium gewesen war, ergo ihm auch nicht auf die Finger hauen, pardon, ihn rechtzeitig daran erinnern können, dass er ja los musste, weil er einen Termin hatte. Narf. Er verließ sich schon viel zu sehr auf diese Frau... das hatte man dann davon. „'tschuldigung! 'tschuldigung, bin schon schon da, tut mir leid dass ich erst jetzt komm“, platzte er herein, nachdem er sich einen Moment Zeit genommen hatte vor der Tür, seine Kleidung zu richten – und stellte etwas entnervt fest, dass der Rhetor tatsächlich schon begonnen hatte. So. Ein. MIST! Aber wie hieß es doch so schön? Frech siegt. Also einfach nicht zeigen, dass ihm das doch ein bisschen peinlich war, sondern fröhlich in die Runde lächeln.

  • Ein weiterer Jüngling erschien mit geraumer Retardation in der Taberna, dessen Timbre in der Stimme eine gewisse Kurzatmigkeit zu entnehmen war, was in vollster Weise mit der gewissen Derangiertheit der Aufmachung in Übereinstimmung zu bringen war, welche der junge Flavius mit leicht zusammengekniffenen Augen auf die Distanz noch zu erkennen imstande war. Der Fremde war ihm nicht bekannt und in Ermangelung einer Selbstpräsentation war Manius Minor genötigt, mit erwartungsvollem Blick das Haupt zu ihrem Magister zu wenden, welcher zweifelsohne die Delation zu kommentieren geneigt war und womöglich darüber hinaus Aufschluss über die Identität des Ankömmlings geben mochte, da die Art des Auftretens doch zumindest eine vage Bekanntschaft expektabel erscheinen ließ.

  • Noch ehe ihr Dozent auf seine Frage antworten kann, wird der Ablauf der Stunde durch die Ankunft eines weiteren Schülers kurz unterbrochen. Auch Flavius Fusus sieht sich sogleich neugierig um, den Neuankömmling zu erspähen. Mit einem freundlichen Gesichtsausdruck mustert er die Gestalt des Mannes, welcher wie Fusus selbst wohl eher zu den Älteren der Klasse gehört. Ein dem Unbekannten geltendes Lächeln ist unter diesen Umständen vorläufig seine einzige Begrüßung.
    Ein fragender Blick gilt daraufhin dem neben ihm sitzenden Gracchus Minor und dessen Sklaven Patroklos, ob einer von jenen den Fremden zu kennen scheint. Da dies sich vorläufig jedoch nicht so verhält, bleibt auch dieser Flavier still und wendet sich mit argloser Mimik wiederum dem Rhetor zu.

  • Sim-Off:

    Finally. Großes SORRY fürs ewige Warten!


    | Spurius Quinctius Rhetor


    In der Tat erachtete es der Lehrende keineswegs für überaus sinnreich seine Schüler bereits zu diesem Zeitpunkt als aktive Zuhörer einer ausgestalteten Rede auszusetzen, wie er darüber hinaus insbesondere auch der Vorstellung einer eigenen zu kritisierenden Rede eher abgeneigt gegenüberstand. Eine Weinverkostung brachte schließlich gar nichts, wenn die Verkostenden noch keinen empfindlichen Gaumen, kein feines Gespür für auch einzelne Details und Nuancen entwickelt hatten. Und welcher seiner Schüler würde am Ende jenes potenziellen Vortrags ebendiesen auch gerne möglichst neutral einschätzen wollen? Denn unbesprochen würde der Quinctius seinen Schülern bestimmt keinen Vortrag vorsetzen. So lächelte Rhetor also etwas steif, während er gerade zu einer Antwort ansetzen wollte, als plötzlich ein verspäteter Schüler den Unterrichtsraum stürmte.
    "Im Prinzip gerne, Flavius.", sprach er in dieser Situation jedoch lieber mit milder Stimme die Unwahrheit, während er den Zuspätkommer zunächst souverän und unbeeindruckt offen ignorierte. Der Bursche hatte den Unterricht schließlich bereits mit seinem Erscheinen erst jetzt genug gestört! "Jedoch fürchte ich, dass mir zum aktuellen Zeitpunkt vielleicht nicht jeder wird inhaltlich ganz folgen können, nicht wahr...", schielte er kurz auf seine Liste, um hernach den jüngst eingetretenen Schüler zu fixieren: "...Decimus? Bitte such dir einen Platz und setz dich.", forderte er den offenkundig noch immer stehenden jungen Mann sodann auf und fand in dessen Verspätung nun also eine gelegene Entschuldigung für ein Nichthalten eines eigenen Vortrags wenigstens zu diesem Zeitpunkt.


    "Wir waren also gerade bei den fünf Arbeitsphasen, in welche die rhetorische Tradition die Herstellung einer Rede stereotyp gliedert. Und nachdem wir die 'inventio' und 'elocutio' aus erwähntem Grund erst etwas später näher betrachten werden, geht es im Folgenden kurz um die 'dispositio', die Stoffgliederung.", fuhr der Quinctier nachfolgend nun also wieder fort im Text. "Selbstverständlich wird es euch einleuchten, dass dieses Kapitel ein vergleichsweise dürftiges ist, da mit den 'partes orationis', den konventionellen fünf Redeteilen, bereits eine feste Disposition gegeben ist, deren Einzelheiten wir im Rahmen der für jeden Redeteil einschlägigen Vorschriften abhandeln werden. Hervorzuheben wäre hier einzig die Unterscheidung zwischen 'ordo naturalis', der natürlichen, und 'ordo artificialis', der künstlichen Stoffgliederung, das heißt auf der einen Seite der Vorgehensweise nach dem üblichen, nicht zuletzt irgendwo chronologischen Schema. Auf der anderen Seite kann man in bestimmten Fällen aber auch Teile weglassen oder umstellen, was jedoch in der Praxis nur äußerst bedacht angewendet werden sollte, da wir hierzu keine allgemeingültige Erfolgsformel haben." So konnte man schon beim großen Cicero weit mehr als nur eine Art des Disponierens erkennen, die je nach Anlass und Situation auf teils verschiedenstem Wege sein rhetorisches Raffinement unterstrich. Wer derlei Können vollständig für sich beanspruchen wollte, der käme daher um eine Analyse jeder einzelnen Rede selbst nicht umhin - nichts, was der Quinctier hier leisten konnte oder wollte.


    "Damit zum Auswendiglernen, der 'memoria', denn wer nimmt schon einen Redner ernst, der unentwegt an seinem Manuskript klebt und nicht zu zeigen imstande ist, dass die vorgetragenen Gedanken und Ideen seiner eigenen, festen Überzeugung entstammen?", ballte der Magister kurz die Faust. "Ich weiß, dass es nicht immer ganz einfach ist gerade bei großen Reden vor dem Senat und oder dem Volk von Rom auf der Rostra oder in einer Gerichtshalle. Deshalb ist es wichtig, dass ihr wisst, dass es bestimmte Tricks und Techniken gibt, die einem das Auswendiglernen einer solchen Rede erleichtern. Wir wollen im Folgenden gemeinsam eine auf Gedächtnisorten und -bildern beruhende Mnemotechnik üben. Das Ziel dabei ist es, sich die gesamte Rede als ein großes Haus mit Zimmern vorzustellen. Jedes dieser Zimmer spiegelt dabei einen Abschnitt der Rede wieder, bestimmte Bilder oder andere Gegenstände in den Zimmern symbolisieren die Inhalte des Redeabschnitts. Schlussendlich schreitet ihr beim Halten eurer Rede dann durch euer gedankliches Haus von Zimmer zu Zimmer und arbeitet euch auf diesem Weg so nach und nach durch die Rede.", führte Rhetor aus und machte eine kurze Zäsur.
    "Ich gebe nun jedem von euch eine kleine, kurze Geschichte. Dann bekommt ihr einige Augenblicke Zeit, um euch mittels erklärter Strategie den Inhalt der Geschichte einzuprägen, bevor ihr hier vorne versuchen werdet den Inhalt ohne weitere Hilfsmittel wiederzugeben. Im Anschluss daran wird uns natürlich alle euer jeweiliges Gedankengebilde dazu interessieren.", kündigte der Quinctius an und ließ dies kurz auf seine Zuhörer wirken, während er einige Wachstafeln wahllos verteilte an Decimus, Flavius Catus, Flavius Fusus, Flavius Gracchus und auch den hochnäsigen Ollius, der sich nach der kurzen Zeit, die zum Lesen und Merken des Textes zur Verfügung stand, auch als erster freiwillig meldete und nach vorne begab:


    "Ein kranker Geier. - Ein fürchterlich kranker Geier, der trotzdem noch nicht die Hoffnung verloren hatte durch seine Medizin wieder zu genesen, flehte seine Mutter an, dass sie doch zu den Göttern beten soll, damit diese ihm seine Gesundheit wieder zurückgeben. - Da sagte die Mutter: 'O, mein Sohn, du wirst erfolglos die Hilfe der Götter erwarten, nachdem du so viele Altäre und Opfer entweihtest, die die Menschen ihnen darbrachten.", erzählte Ollius schnell und selbstsicher und ohne besondere Betonung.
    "Weil meine Geschichte so kurz war, hatte mein Haus nur ein Zimmer. Vor der Tür lag eine schwarze Feder auf dem Boden, das war die Überschrift. Dann bin ich ins Zimmer reingegangen und einmal an allen Wänden entlang gegangen. Da kam ich zuerst zu einem weißen Kankenbett mit noch einer schwarzen Feder darauf. Ein Stückchen weiter lag eine Statuette der Spes verloren auf dem Boden. Gleich daneben stand ein Nachttisch, auf dem ein Becher mit grüner Medizin abgestellt war. Als ich dann weiter gegangen bin, habe ich plötzlich meine Mutter gesehen, die einen großen Apollo angebetet hat. Der hat mit dem Finger auf mich gezeigt, dass ich weggehen soll und ich bin an ihm vorbei um die Ecke gegangen. Da stand ein kleines Pantheon in der Größe, dass ein Kind damit spielen könnte. Auf dem Giebeldreieck waren ein großes Alpha und ein großes Omega eingemeißelt. Und dann kam ein Mann, der sich in die Handfläche geschnitten hatte und jetzt sein Blut auf das Spielzeug tropfen ließ. Danach war ich wieder draußen.", teilte der Ritterssohn seine Gedankenstütze mit den übrigen Schülern. Dann ging er wieder auf seinen Platz und setzte sich.


    "In Ordnung, Ollius. Wer ist der nächste?", fragte der Magister dann in die Runde und ließ hernach Schüler für Schüler sprechen *, bevor der Unterricht für diesen Tag beendet wäre.


    Sim-Off:

    * Wer will, der kann selbstredend, wer nicht, der eben nicht. ;)


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  • Huldvoll überging der Rhetor das retardierte Eintreffen des Decimus, um sogleich sich aufs Neue dem Stoff zuzuwenden, welcher augenscheinlich von weitaus größerer Komplexität war, als dies die knappen Ansätze, welche sein Grammaticus ihm bisweilen vermittelt hatte, hatten erwarten lassen. So wurden nun zahllose Fachtermini genannt, welche Patrokolos, wie der junge Flavius verhoffte, emsig notierte, um seinem Herrn eine Rekapitulation des Stoffes zu erleichtern, wobei er sich zweifelsohne im negativen Falle auch auf die Notizen der weiteren flavischen Diener, die hier nur allzu zahlreich vertreten waren, würde stützen können.


    Letztlich offerierte der Magister recht bald schon aber erste interaktive Elemente des Unterrichts, welche sogleich geeignet waren, Manius Minor ob seiner Hypermetropie in gewisse Bedrängnis zu bringen, da doch das Gros der Adepten die Tabulae des Quinctius umstandslos persönlich akzeptierten, um in stillem oder gemurmelter Lektüre ihre Inhalte sich einzuverleiben. Der junge Flavius freilich war dessen gänzlich inkapabel, sodass er seine Historie an Patrokolos weiterreichte, welcher sofort mit gedämpfter Stimme diese zu rezitieren begann:
    "Ein Löwe, ein Esel und ein Fuchs waren in Gesellschaft auf die Jagd gegangen. Sie fingen einen Hirsch und viele andere Tiere. Der Löwe befahl dem Esel, den Raub zu teilen. Dieser machte ganz gleiche Teile daraus und ließ den anderen die freie Auswahl. Der Löwe ergrimmte über diese Gleichheit, fiel über den Esel her und zerriss ihn in Stücke.
    Dann wandte er sich dem Fuchse zu und befahl ihm eine andere Teilung zu machen. Der Fuchs legte nun alles auf die Seite des Löwen und behielt nur einen sehr kleinen Teil für sich. „Wer hat dich", fragte der Löwe, „eine so weise Einteilung machen gelehrt?" - „Das klägliche Schicksal des Esels", antwortete der Fuchs."

    Mit einer gewissen schamhaften Regung ob der Furcht, seine Unzulänglichkeit mochte publik werden und ihn dem Spotte der übrigen Studenten aussetzen, blickte der Knabe um sich, womit es ihm freilich an Appetenz fehlte, um sämtliche Details der Narration zu vernehmen, weshalb er nach Abschluss der knappen Episode mittels eines nicht minder knappen
    "Nochmals!"
    , eine Repetition des Vortrages evozierte. Die Übung selbst erwies sich ihm indessen kaum sonderlich diffizil, da er zur Verbergung seiner Fehlsicht nicht selten genötigt war gewesen, Texte differenten Umfanges rasch und beim ersten Vernehmen derartig sich einzuprägen, dass sie mit Leichtigkeit zu rezitieren waren, während er die verschwommenen Zeichen auf einer Tabula betrachtete.


    Somit meldete er sich zu Wort, nachdem Ollius bereits das Seinige vorexerziert hatte, um sein Talentum hier, wo seine Superiorität den Kommilitonen gegenüber zweifelsohne am höchsten war, in die Waagschale zu werfen. Mit bedächtigem Schritt bewegte er sich dann von seinem Platz nach vorn, stets in der Hoffnung, dass der Boden keinerlei Unebenheiten aufwies, welche ihn ins Straucheln bringen mochten.
    An der Seite des Rhetors, dessen Züge sich mit jedem Schritte mehr zu einem indifferenten Schemen gewandelt hatten, angekommen, erfolgte schließlich die Introduktion seiner Fabel:
    "Meine Geschichte handelt von der Ungerechtigkeit. Oder vielmehr dem Recht des Stärkeren: Drei Tiere, ein Löwe, ein Esel und ein Fuchs, gingen gemeinsam auf die Jagd."
    Erst nun im Vortrage drang die Absurdität des Sujets ihm ins Bewusstsein, was ihm ein sublimes Lächeln entlockte.
    "Der Löwe befahl dem Esel, die... Beute zu teilen. Dieser machte ganz gleiche Teile daraus und ließ den anderen... die freie Auswahl. Der Löwe ergrimmte über diese Gleichheit, fiel über den Esel her und zerriss ihn in Stücke."
    Der erste Teil gelang ihm weitgehend ohne Mühen, ja geradezu wortwörtlich, was ihn mit nicht geringem Stolz erfüllte, da doch sein Vorredner augenscheinlich vom Wortlaut der eigenen Fabel abgewichen war. Der zweite hingegen bereitete auch ihm eine gewisse Inkommoditäten:
    "Nun bestimmte der Fuchs den Löwen. Verzeihung: der Löwe den Fuchs zur Teilung der Beute."
    Eine gewisse Insekurität befiel den Knaben, ob seine Rezitation hier ebenfalls den Wortlaut strikt befolgt hatte. Bei der nun folgenden Pointe erschien dies hingegen weitaus klarer:
    "Der Fuchs legte nun alles auf die Seite des Löwen und behielt nur einen kleinen... einen sehr keinen Teil für sich. "Wer hat dich", fragte der Löwe, "eine so weise Einteilung machen gelehrt?" - "Das klägliche Schicksal des Esels", antwortete der Fuchs."
    Voll an Satisfaktion blickte er in die Runde, welche ihn noch immer mit größter Erwartung anblickte. Erst jetzt erkannte er, dass nicht die Geschichte, sondern die Mnemotechniken im Zentrum des Interesses sich befanden, zugleich indessen auch, dass er diesbezüglich von der Prädisposition abgewichen war, da er doch seine eigene, vertraute Weise zur Anwendung gebracht hatte, indem er sich die getragene Stimme eines alten Mannes als Rezitatoren imaginiert hatte, um zugleich die Handlung der Geschichte vor seinem geistigen, durchaus wohlsichtigen Auge zu präsentieren, ohne jemals im Geiste ein Haus zu durchwandern. Indessen war ihm wohlbewusst, dass er sich mit einer derartigen Explikation, welche zugleich seine Missachtung der diesen Exerzitien zugrunde liegenden Axiome offenlegen würde, zurückzuhalten hatte, sodass er mit gedämpfterer Stimme vorerst, um die erwartungsvolle Stille zu füllen, verkündete:
    "Memoriert habe ich dies... nun..."
    Gleich einem Dieb, welcher im Hause des Bestohlenen ertappt wurde, fühlte er sich nun, was ihm die Schamesröte auf die Wangen trieb, während er spintisierte, wie seine Rezitation in das Bild eines Hauses zu transponieren war und dies in Bruchstücken hervorbrachte:
    "Über der Pforte steht die Moral der Geschicht' geschrieben... im Vestibulum ... nun ... lehnt ein Jagdspieß und die Tiere, also der Fuchs, der Esel und der Löwe hängen als Beute. Im Atrium erblickte ich... Aurelius Lupus, ein... nun... Freund meines Vaters."
    Jene Assoziation erbot sich ihm spontan, als er nach einem Bild für den Löwen rang und ihm, nachdem zuerst die flavischen Löwen in den Sinn gelangt, die ihm aber angesichts seines Vater, der augenblicklich sich zu diesen gesellte und welcher zweifelsohne das miserabelste Bild eines Löwen, wie jener der Fabel charakterisiert war, darbot, gänzlich abwegig erschienen waren, seine Gedanken zu den Aurelii schweiften, die den Löwen auf ihren Siegeln führten.
    "Er verlangt von einem grauhaarigen Klienten eine Gabe, erhält indessen zu wenig und züchtigt ihn scharf. Dann folgt ein Rothaariger, welcher furchtsam ihm den gesamten Beutel reicht."
    Jene Transposition erschien in der Tat überaus adäquat, zumal sie dem jungen Flavius offenbarte, welche Wahrheit sich doch hinter der Fabel verbergen mochte, da doch nicht selten Patrone ihre Klienten ausbeuteten (selbst wenn dies über Aurelius Lupus seines Wissens nach kaum zu postulieren war), jener Umstand zugleich aber auch das Anrecht der noblen Geburt war, da letztlich sie alle, die sie hier ihre Plätze inne hatten, zum Herrschen geboren waren, während der Krämer, der soeben das Lokal passierte, auf ewig ein Diener sein mochte, sodass auch die Güter der Welt entsprechend zu verteilen waren.

  • Ein weiterer – verspätet eintreffender – Schüler riss Catus kurzzeitig aus seiner Konzentration. Dennoch setzte er ein dünnes Lächeln auf, man wollte schließlich nicht unhöflich erscheinen, und wandte sich wieder dem Rhetor zu, der den neu eingetroffenen vorerst nicht beachtete. Wie schade es jedoch war, dass er nicht geneigt war, seinen Schülern die Kunst einer gelungenen Rede zu präsentieren. Aber natürlich, die Gründe des Rhetors schienen plausibel, so hielt sich seine Enttäuschung in Grenzen, selbst wenn er sich selbst nicht zu denjenigen zählte, die noch nicht genügend Verständnis für eine derartige Präsentation besäßen.
    Nach kurzer Unterbrechung wurde damit der Unterricht fortgesetzt und sogleich konfrontierte der Rhetor seine Schüler erneut mit Sachwissen und Fachbegriffen. Einiges war Catus bereits von früheren Unterrichtsstunden bekannt, doch gab er Taurion dennoch hin und wieder unauffällig ein Zeichen, sobald etwas genauer zu notieren war.


    Nur kurz darauf waren die Schüler zur aktiven Mitarbeit aufgefordert, einige von ihnen, um genauer zu sein, und so blickte Catus erst unbeeindruckt auf die Tabula die ihm vorgelegt wurde, nur um nach einem Blick darauf nachdenklich die Stirn zu runzeln.
    Dem sonst recht sachlich denkenden Jüngling verlangte die Phantasie fordernde Aufgabe einige mentale Arbeit ab. Lautlos ging er die kurze Fabula schrittweise durch, die er sich, da war er sich sicher, auch ohne eine bestimmte Technik in Erinnerung hätte behalten können, dennoch ging es doch primär darum, die erklärte Technik zu demonstrieren. Glücklicherweise wagten sich ohnehin erst der rechthaberische Fremde und schließlich Gracchus Minor nach vorne, und zumindest seinem jüngeren Onkel nickte er ermutigend zu und lächelte freundlich, als sich dieser nach bewältigter Aufgabe wieder zu seinen Mitschülern gesellte.
    Nun war es an ihm, so fand er, sein Können unter Beweis zu stellen. Selbst wenn der Inhalt seines Vortrags zu wünschen übrig lassen würde, was zu bewerten ohnehin Aufgabe des Rhetors war, so wollte er sich zumindest gut verkaufen. Gekonnt wartete er einen kurzen Augenblick ab, stellte sicher dass zumindest ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit auf ihm ruhte und unterdrückte selbstverständlich jegliche aufkeimende Nervosität.
    "Der Titel meiner Geschichte lautet Der Affe und der Fuchs. Der Affe wird von den anderen Tieren ob seiner Geschicklichkeit und Leichtigkeit mit Begeisterung zum König gewählt. Doch der Fuchs missgönnt dem Affen seinen Rang. Er findet einen Graben, in dem unter einem Netz verborgenes Fleisch liegt. Dort führt er den Affen hin und meint, er habe einen Schatz gefunden und der Affe als König müsse sich dieses Schatzes bemächtigen. Der Affe steigt leichtfertig in den Graben hinab, verfängt sich in dem Netz und beschuldigt den Fuchs der Treulosigkeit", trug er vor, machte eine kurze Pause und musterte erwartungsvoll seine Mitschüler, ein kurzer Blick huschte selbstverständlich auch in Richtung des Rhetors. "Da du so unvorsichtig bist, wie kannst du die Herrschaft über alle anderen Tiere verlangen?, erwiderte schließlich der Fuchs."
    So weit, so gut. Bisher war ihm offenbar kein Fehler unterlaufen, die Geschichte selbst zu wiederholen war dabei aber noch der eher simple Teil der Übung gewesen.
    "Äh ja… mein Haus, im Vestibulum erblicke ich auf einem Wandbild einen Affen, daneben liegt, auf einem kleinen Tischchen platziert, ein goldener Lorbeerkranz als Zeichen der Herrschaft und Macht, begann er zu erklären. "Ich gehe ins Atrium, wo, um die Säulen drapiert, Netze hängen. An der ersten Säule findet sich Fleisch darin…" Er stockte kurz, da ihm die Vorstellung etwas unangenehm war. "… und ein Fuchspelz hängt daran. An der zweiten Säule findet sich ein zerbrochenes Glas darin, als Zeichen der Unvorsichtigkeit und um das Netz schlingt sich vertrockneter Efeu, da Efeu ein Sinnbild der Treue ist … und an der nächsten Säule, im letzten Netz, hat sich der Lorbeerkranz darin verfangen."
    Doch recht zufrieden mit seiner Leistung blickte er noch einmal in die Runde und setzte sich wieder auf seinen Platz. Allzu schnell würde er die Fabula zumindest bestimmt nicht wieder vergessen, da war sich Catus sicher.

  • Sim-Off:

    Den Teil zum Vortrag mit den diversen Vorschriften zu Gestik, Mimik, Intonation et cetera spare ich mir mal, da es fürs Spiel sicherlich auch nicht DIE überragende Bedeutung hat.


    | Spurius Quinctius Rhetor


    Nachdem die letzte Stunde damit geendet hatte, dass sich die Schüler in der wohl verbreitetsten Technik der Gedächtnisstütze ein wenig übten - und hier gab es selbstredend für jeden Vortragenden, der seine Geschichte richtig zu erzählen vermochte, ein von der 'Homestory' unabhängiges Lob (denn jene 'Homestory' war schließlich der Weg, der in diesen Fällen ja ganz offensichtlich auch zum gewünschten Ziel geführt hatte) -, würde es heute wieder um ein neues Thema gehen. So baute sich der Quinctius, als er befand, dass es dazu an der Zeit wäre, vorne auf, hoffte, dass heute nicht wieder ein Trödler erst zu spät hier erscheinen würde und begann:
    "Salvete alle zusammen! Ich hoffe, ihr seid alle gut ausgeschlafen, denn nachdem wir uns in unserer letzten Sitzung etwas näher mit den 'officia oratoris' befasst haben, wird es uns im Folgenden um die 'genera causorum', die Gattungen der Rede, und die 'partes orationis', die Redeteile, gehen.", leitete er ein und setzte eine erste kleine Pause.


    "Die Gattungen, mit denen sich die Redekunst befasst, sind drei an der Zahl. Das stellte bereits wer fest? Aristoteles in seinem Werk 'Rhetorik'. Der Grund für diese Dreizahl wird dabei im Allgemeinen daraus abgeleitet, dass es auch drei Sorten von Zuhörern gibt. Denn, und das erklärt er zuvor, zu einer Rede gehört neben dem Redner und dem Gegenstand der Rede natürlich auch jemand, zu dem und um dessentwillen geredet wird - eben der Zuhörer.", ließ er an dieser Stelle erst einmal kurz sacken. "Notwendigerweise, so stellte bereits Aristoteles weiter fest, hört dieser Zuhörer nun entweder als Genießender oder aber als Entscheidender zu, letzteres entweder als Entscheidender über Vergangenes oder aber Entscheidender über Zukünftiges. Und daraus nun lässt sich folgern, dass der Zuhörer als Genießender Festtagsreden hört, wir nennen dies den 'genus demonstrativum', als Entscheidender über Vergangenes Gerichtsreden, wir nennen dies den 'genus iudiciale' und als Entscheidender über Künftiges Volksreden, wir nennen dies den 'genus deliberativum'. Zusammen nun sind sie die 'genera causorum', die drei Redegattungen.", erklärte der Quinctier zunächst und machte eine kleine Kunstpause.


    "Für den Redner wiederum hat die Gattung seiner Rede selbstverständlich die Folge, dass er ein je nach 'genus' anderes Ziel zu verfolgen, eine jeweils verschiedene Funktion mit seiner Rede zu erfüllen hat. So muss eine Gerichtsrede selbstverständlich Anklagen oder Verteidigen, während eine Volksrede Zuraten oder Abraten soll, wie eine Festtagsrede selbstverständlich auf Lob oder Tadel zu zielen hat.", verdeutlichte Rhetor jene dogmatischen Funktionspaare durch ein gestisches Zusammenspiel seiner linken und rechten Hand. "Letztlich lässt sich daran, und darauf legt ebenfalls schon Aristoteles einen großen Wert, festmachen, dass sich die einzelnen Gattungen jeweils verschiedenen Zeitsphären anzunehmen pflegen: In der Gerichtsrede fragt man 'Was ist geschehen?' und interessiert sich folglich für die Vergangenheit. Die Volksrede beschäftigt sich mit der Frage 'Was soll geschehen?' und ist folglich auf die Zukunft ausgerichtet. Und die Festtagsrede zum Schluss will wissen 'Was ist? Was liegt vor?' und hat damit zumeist Gegenwärtiges zum Gegenstand, ist richtiger vielleicht jedoch einfach nicht strikt an eine bestimmte Zeitsphäre gebunden im Gegensatz zu den anderen beiden.", beleuchtete er.


    "In der Folge nun lassen sich damit aus dem 'genus' der Rede schlussendlich auch jeweils verschiedene Maßstäbe oder Zwecke namhaft machen. Bei einer beratenden Volksrede kommt es so zum Beispiel zuallererst auf Nutzen und Schaden und die mutmaßliche Bilanz von beidem an. Nur hilfsweise und unterstützend, nachrangig also, können auch andere Kriterien Anwendung finden. So auch bei der Gerichtsrede, bei der selbstverständlich die Frage nach Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit im Vordergrund steht, während alles andere erst in zweiter Linie in Betracht zu ziehen ist. Schlussendlich bei der Festtagsrede steht vorrangig Ehrenhaftigkeit und Unehrenhaftigkeit im Mittelpunkt.", führte er aus und ließ nach diesem Punkt, der einen vorläufigen Schlussstrich unter die Gattungen der Rede setzte, nun eine etwas längere Redepause folgen.


    Sim-Off:

    Hinweis: Ich habe parallel hierzu mal eine Exkursion in die Basilica Ulpia begonnen.


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    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Nachdem seine beiden Anverwandten bereits vorgesprochen haben, ist schließlich auch die Reihe an Flavius Fusus. Ihm selbst kommt die vom Rhetor erläuterte Technik sehr entgegen, da seine Gedankenwelt stark von Bildern dominiert wird und stupendes Auswendiglernen bislang stets einen wahren Graus für ihn dargestellt hatte. Nun jedoch wird diese verhasste Übung auf einmal zu einer kreativen Herausforderung und mit begeistert funkelnden Augen hat er sich über die ganze gegebene Zeit hinweg mit gänzlich neuer Motivation dem vorgegebenen Text gewidmet. Auf jeglichen Beistand seiner Sklavin hat er dabei verzichtet und sich auch mit keiner Frage oder gar Bitte um Hilfestellung an die Schulkameraden gewandt. Für diese eine Aufgabe entwickelt er rasch den Ehrgeiz, sie ganz aus eigener Kraft zu lösen.


    Als er schließlich an der Reihe ist, sein 'Werk' der Klasse vorzutragen, kann man ihm dieses Vergnügen an der kleinen Arbeit sowohl ansehen als auch anhören. Mit einem enthusiastischen Unterton rezitiert er seinen Text - wenn auch nicht wortgetreu, so hat er ihn doch inhaltlich vollständig memoriert. Sein Vortrag wird durch einen leidenschaftlichen Tonfall unterstrechen, welcher die Dramatik der Ereignisse untermalen soll.
    "Es herrscht Krieg zwischen den Vögeln und den Erdtieren! Die Schlacht tobt und der Sieg scheint ungewiss, jedoch scheinen dann die Vögel den Kampf zu verlieren... Die Fledermaus bemerkt dies und will die Möglichkeit nutzen, sich rasch auf die Seite der Sieger zu schlagen. Sie wählt die der Erdtiere und schließt sich ihnen an... Doch es stellt sich heraus, dass das Schicksal auf der Seite der Vögel ist und sie endgültig den Sieg erlangen. Die Fledermaus erkennt ihren Irrtum, wird aus der Gesellschaft der Vögel verstoßen und wagt fortan ihre Flüge nur noch bei Nacht."


    Zufrieden strahlend erläutert er im Anschluss noch seine gedankliche Herleitung dieser Handlung: "Zunächst habe ich ein Atrium betreten, in dessen Mitte ein Gladius als Zeichen des Krieges liegt. Darunter befindet sich ein Mosaik von einem einzelnen Vogel zur linken Seite und rechts einer Vielzahl von Erdtieren, um deren scheinbare Überlegenheit auszudrücken. Eine Fledermaus taucht aus dem Himmel herab und in das Atrium ein, um sich nach einer geflogenen Spirale für die rechte Seite - die der Erdtiere - zu entscheiden und eine dort angrenzende Türe zu durchfliegen. Ich folge ihrem Weg und begegne im nächsten Raum einer Statue der Göttin Victoria, auf deren gehaltenen Siegeskranz ein einzelner Vogel sitzt und ein triumphierendes Liedchen trällert. Von der zuvor noch fliegenden Fledermaus hingegen gibt es keine Spur, sondern lediglich den stummen Hinweis in Gestalt eines offenen, dunklen Fensters, welches in die Nacht hinaus führt."


    Mit diesen Worten überlässt Fusus weiteren Mitschülern die 'Bühne' und begibt sich guten Mutes zurück an seinen Platz, nicht ohne einen freundlichen Blick mit Gracchus zu tauschen und diesen auch für seinen Vortrag mit einem leise geraunten Wort zu loben.

  • Zitat

    Original von Spurius Quinctius Rhetor
    "In der Folge nun lassen sich damit aus dem 'genus' der Rede schlussendlich auch jeweils verschiedene Maßstäbe oder Zwecke namhaft machen. Bei einer beratenden Volksrede kommt es so zum Beispiel zuallererst auf Nutzen und Schaden und die mutmaßliche Bilanz von beidem an. Nur hilfsweise und unterstützend, nachrangig also, können auch andere Kriterien Anwendung finden. So auch bei der Gerichtsrede, bei der selbstverständlich die Frage nach Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit im Vordergrund steht, während alles andere erst in zweiter Linie in Betracht zu ziehen ist. Schlussendlich bei der Festtagsrede steht vorrangig Ehrenhaftigkeit und Unehrenhaftigkeit im Mittelpunkt.", führte er aus und ließ nach diesem Punkt, der einen vorläufigen Schlussstrich unter die Gattungen der Rede setzte, nun eine etwas längere Redepause folgen.


    Der jüngste der flavischen Studenten war wie üblich recht ausgeschlafen, da sein Tageslauf wie schon in den Lehrtagen des häuslichen Grammaticus einem strikten Zeitplan unterworfen war, welcher ihn zeitig zum Aufstehen, ebenso zeitig jedoch auch zum Zubettgehen nötigte, während auch die Zeiten mit stupender Präzision reguliert erschienen. Folglich war der Knabe auch imstande, den Ausführungen des Rhetoren zu folgen, welcher nun Systematiken zu erläutern begann, welche durchaus interessant erschienen, indessen nicht zur vollsten Satisfaktion des jungen Flavius für sämtliche Redeanlässe zweifelsfrei eine Kategorisierung erlaubten. Somit nutzte dieser die kurze Pause nach den ersten Worten, meldete sich und fragte:
    "Wäre in diesem Falle eine Leichenrede ebenso eine Festtagsrede? Oder doch eher als Gerichtsrede zu kategorisieren, da sie doch auf Vergangenes sich bezieht?"
    Für diese Redegattung hatte Manius Minor in einer seinem Alter entsprechend geradezu maßlosen Zahl als Publikum gedient, da weder Volksreden, noch Gerichtsreden ihn häufig erreichten und in der Villa Flavia Felix auch Gastmähler recht selten durch Gelegenheitsreden zur Erbauung der Attendierenden eine Relaxation gewannen.

  • Den Erläuterungen des Lehrers folgt Flavius Fusus soweit willig und gehorsam, da sie sich in diesem Fall angenehm kurz und pragmatisch gestalten und er der Argumentation bis dahin leicht folgen kann. Allein mit einem kurzen Seitenblick vergewissert er sich zwischenzeitlich, dass seine Sklavin auch diese Passagen zum späteren Repetieren fleißig notiert.


    Ein feines Schmunzeln zeichnet sich auf Fusus' Zügen schließlich ab, als er die Frage seines Verwandten vernimmt und die angesprochene Feinheit hinsichtlich einer Unterscheidung der Gattungen daraus erkennt. Folglich gilt ein anerkennendes Lächeln jenem, ehe er sich selbst interessiert wieder nach vorne wendet, um die Antwort des Rhetors zu vernehmen.

  • Catus lauschte aufmerksam den Ausführungen des Rhetors, löste von jenem nur den Blick, um selbigen flüchtig zu der Tabula in den Händen seines Sklaven wandern zu lassen, die sich stetig füllte.
    Die Frage seines geringfügig jüngeren Verwandten veranlasste ihn dazu, für einen lediglich kurzen Augenblick den Mund zu öffnen. Er ahnte die Antwort des Rhetors bereits, denn auch eine Bestattung war doch eine Art Fest im weiteren Sinne, und hatte erst recht nichts mit Anklage oder Verteidigung zu tun. Im letzten Moment hielt er sich allerdings noch zurück, und gab um nicht gänzlich taktlos zu erscheinen zunächst ein kurzes Handzeichen, um noch immer schweigend zu signalisieren, dass er sich an einer Erklärung versuchen wollte, und um dem Magister nicht womöglich dreist ins Wort zu fallen.
    "Magister Quinctius, darf ich annehmen, dass es sich bei der Leichenrede ebenfalls um eine Form der Festtagsrede handelt? Denn du erwähntest zuvor, die Gerichtsrede handle vom Anklagen und Verteidigen", bemerkte er schlussendlich mit gewohnter Selbstsicherheit, und hatte sich mit seinen Ausführungen bewusst zurückgehalten, um seinen Verwandten, der die ursprüngliche Frage vorgebracht hatte, nicht bloßzustellen.

  • | Spurius Quinctius Rhetor


    Sim-Off:

    Vorab nochmal: Entschuldigung! Ich habe mit Minor bereits geschrieben und halte es für das Beste, an dieser Stelle bis Ende des Jahres das Thema zu pausieren. Ich werde zum Januar einen Fragebogen für den Off-Teil zusammenstellen. Ihr könnt euch bis Januar überlegen (oder auch gerne schon damit beginnen - what's done, is done), in welchem SimOn-Zusammenhang ihr eine kleine Rede haltet: Von der Bewerbungsrede vor dem Senat über eine Rede zum Beispiel bei einer Familienfeier bis hin zu einer alleinigen oder gemeinsamen Rede-Übung in den eigenen vier Wänden ist alles erlaubt. Gute drei Monate sind eine hübsche Ecke Zeit - macht etwas draus. Viel Spaß und viel Erfolg! ^^


    "Da habt ihr beiden zweifellos Recht, Flavius Gracchus und Flavius Catus.", lobte der Quinctier. "Die Leichenrede gehört zur Gattung der Festtagsreden. Doch nehmen wir uns ruhig einmal die Zeit, um Punkt für Punkt die verschiedenen Kriterien näher zu beleuchten." Er nickte bekräftigend und machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr.
    "Mit welcher Sorte von Zuhörern haben wir es denn bei einer Leichenrede zu tun? Hören die Leute zu, um anschließend eine Entscheidung über etwas Zukünftiges zu treffen? Dies wird hier sicherlich kaum mehr der Fall sein können." Der Tote war schließlich tot und hatte seine Zukunft damit ganz sicher nicht mehr hier. "Hören die Menschen dann vielleicht zu, weil sie eine Entscheidung über etwas Vergangenes treffen wollen? Ich denke, auch das werden wir alle recht schnell ausschließen können. Denn zwar behandelt eine Leichenrede natürlich die Vergangenheit der oder des Verstorbenen, jedoch hat der Zuhörer in aller Regel weniger ein Interesse an der Bewertung der Vergangenheit - er richtet nicht darüber, ob der Tote ein gutes oder schlechtes Leben führte. Der Zuhörer hat vielmehr ein Interesse daran, die Dinge, die den Toten besonders machten, und die großen Leistungen und Errungenschaften des Verblichenen in Erinnerung gerufen zu bekommen, um sie anschließend möglichst lange mit sich im Gedächtnis zu tragen." Das hieß: "Der Zuhörer ist also in dem Sinne ein Genießender."


    "Betrachten wir anschließend nun also die Ziele des Leichenredners bei seinem Vortrag. Beginnend bei der Volksrede können wir uns fragen, ob ein Leichenredner in erster Linie seinem Auditorium zu etwas raten oder von etwas abraten will. Möchte er das hier? Sicherlich wird ein guter Redner die Möglichkeit einer Leichenrede - gerade als naher Verwandter des Toten - zu nutzen wissen, um vielleicht insbesondere auch in der Politik etwas aufmerksam zu machen auf sich. Hier erinnere ich beispielsweise an die Rede des vergöttlichten Iulius zu Ehren seiner Tante Iulia, der Witwe des großen Marius." Bei diesen Worten schaute er ein wenig durch die Reihen. "Nichtsdestoweniger allerdings hat der Fokus einer Leichenrede natürlich beim Verstorbenen zu liegen, sodass wir hier also ein Zuraten oder Abraten von einer eigenen Wahl im Senat zum Beispiel ausschließen können."
    "Widmen wir uns folglich der Frage, ob es dem Leichenredner vordergründig um ein Anklagen oder Verteidigen des Verblichenen und seiner Taten geht. Geht es? Wirft der Redner dem Toten Fehler vor? Klagt er das Verhalten des Verstorbenen an? - Hier müssen wir aufpassen, dass wir eine Anklage nicht mit einem Tadel verwechseln; das Verteidigen eines Verhaltens nicht mit einem Lob." Er machte eine Zäsur. "Denn es ist in der Tat ein Unterschied, ob man etwas negativ beurteilt, es tadelt, oder ob man etwas oder jemanden anklagt, ihm einen Vorwurf macht.", erhob er seinen rechten Zeigefinger. Ein Beispiel dafür, obgleich ihm gleich mehrere dazu in den Sinn kamen, führte Rhetor hierzu jedoch nicht aus. Jeder konnte sich selbst überlegen, welchen Unterschied es machte, ob man die Amtszeit eines Magistrats nur negativ beurteilte oder ob man den Magistraten für eine schlechte Amtszeit am besten noch öffentlich auf dem Forum anklagte.


    "Hernach sehen wir uns die Zeitspähren an und können uns überlegen, ob wir im Falle einer Leichenrede den Inhalt an der Frage des 'Was ist geschehen?' ausrichten würden. Oder erschiene uns die Frage 'Was soll geschehen?' besser? Oder aber sollten wir unseren Fokus doch eher auf die Problemstellung 'Was liegt vor?' konzentrieren?" Soweit die bekannten Fragen. "Sollten wir uns hier etwas unsicher sein, dann stellen wir uns doch einfach einmal eine Leichenrede vor und imaginieren uns dabei vielleicht den folgenden Satz des Redners. Der Verstorbene war ein großer Mann." Ganz simpel könnte jene Aussage sicherlich Teil vieler Leichenreden sein. "Und anschließend nun fragen wir nach diesem Satz, wobei wir sehen, dass 'Was ist geschehen?' und 'Was soll geschehen?' nicht ganz zu der Antwort 'Der Verstorbene war ein großer Mann.' passen. Erkundigen wir uns mit 'Was liegt vor?', ist unser Ergebnis hier schon zufriedenstellender." Jene Frage folglich passte am ehesten zur vorgegebenen Antwort.
    "Und schlussendlich lassen sich natürlich auch die verschiedenen Maßstäbe und Zwecke noch betrachten. Hier kann man überlegen, ob es einer Leichenrede auf den Nutzen und den Schaden eines Toten ankommt sowie einer mutmaßlichen Bilanz aus beidem." Der Quinctier wiegte seinen Kopf wenig überzeugt hin und her. "Oder aber steht im Vordergrund einer Leichenrede die Frage nach der Gerechtigkeit und oder Ungerechtigkeit des Verblichenen? Ich denke, hier erinnern wir uns erneut daran, dass eine Leichenrede kein gerichtliches Urteil für oder gegen den Toten ist. So wird ein guter Redner hier also auch kaum von irgendeiner Gerechtigkeit dafür allerdings wohl recht wahrscheinlich von Ehrhaftigkeit und den ehrhaften Aspekten im Leben des Verblichenen sprechen." Dies mochte eine spendable Großzügigkeit sein oder ein stetes offenes Ohr für Freunde. Und gelegentlich fanden gar unehrenhaftere Eigenschaften Einzug in eine Leichenrede, wenn man sich beispielsweise mit einem lachenden und einem weinenden Augen daran erinnerte, wie einen der Tote stets frech bei einem ungeliebten Spitznamen rief. - Doch all das klagte man weder an, noch verteidigte man es. Man erinnerte sich.



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  • Sim-Off:

    Zwar mag der Januar bereits geraume Zeit ins Land gegangen sein, doch nun endlich will ich doch zu meinem Gesellenstück schreiten ;)


    Der Tag war gekommen für Manius Minor, um dem Studium der Beredsamkeit den Rücken zu kehren. Mitnichten hatte er jenes Los aus freien Stücken gewählt, denn obschon er bisweilen die stilistischen Elaborationen und drögen mnemotechnischen Exerzitien als ennuyant empfand, so hatte er doch soeben erst jenen gräulichen paternalen Konflikt verwunden und ob der Destruktion seines Erbes seinen neuen Lebenssinn darin gefunden, seine Geschwister vor der Feigheit Gracchus Maiors und der Verschlagenheit seiner Stiefmutter in spe zu bewahren. Doch lediglich um nun durch ein einziges paternales Wort abserviert zu werden, um in der Peripherie des Imperiums sein Dasein zu fristen, wo ihn die Vorgänge in der Urbs mit indefiniter Dilation würden erreichen und er zu seinen einzig verbliebenen nahen Anverwandten kaum mehr würde durchdringen. Die sinistre Miene, die aus derartigen Assoziationen mit seinem Schicksal entsprang, eignete sich hingegen aufs Vortrefflichste für seine finale Präsentation in der Taberna des Quinctius Rhetor, denn ob der Aktualität des Falles hatte dieser ihm aufgetragen, eine Laudatio Funebris auf den dahingeschiedenen Princeps zu elaborieren, dessen Herrschaftszeit auf sonderbare Weise den Rahmen der Entzweiung zwischen Manius Minor und Maior bot: Sein Aufstieg im Bürgerkrieg hatte der Flucht und Exilierung aus Rom, in deren Verlauf Gracchus Maior seinen Sohn aufs Schändlichste zurückgelassen und damit den Konflikt gesät hatte, den Anlass geboten, während just zum Ende des palmanischen Lebens der endgültige Bruch war vonstatten gegangen, sodass nun der neuerlich drohende Krieg um sein Erbe geradezu prädesteniert schien, der emotionalen auch die physische Sektion als Motiv zu dienen.


    All diese deplorablen Umstände hingegen mühte sich der Jüngling beiseite zu schieben, als er, angetan mit der Toga Virilis, wie es sich für einen Adepten der Rhetorik geziemte, auf das Wort seines Magisters hin vor die versammelte Runde der Kommilitonen begab, ein letztes Mal das Arrangement seiner Rede im Geiste repetierend, um nach einem kurzen Räuspern endlich zu beginnen:
    "Ihr Söhne Roms, Freunde und Kommilitonen!
    Seit langer Zeit habe ich die Ehre, an eurer Seite die Kunst der Beredsamkeit zu studieren unter dem achtsamen Blick und dem liebenden Auge unseres geschätzten Orator Spurius Quinctius Rhetor. Aufs Vortrefflichste präpariert und kultiviert er in diesem bescheidenen Hause unsere Kompetenzen, um sie eines Tages in den Dienst unserer geliebten Res Publica zu stellen, den Cursus Honorum hinaufzueilen und zu Ruhm und Ehre zu gelangen."

    Gravitätisch blickte der junge Flavius in die versammelte Runde, welche in der Tat berufen war, in den höchsten Rängen des Imperium zu dienen, ihre Ars Oratoria auf dem Campus eines Castellum, in den Basilicae und Triclinia der Mächtigen zum Besten zu geben, wenn nicht gar, in exzeptionellem Falle wie dem seines Freundes Lucretius oder der die Schule frequentierenden Flavii die Curia Iulia mit ihren rhetorischen Effusionen zu beglücken.
    "Nun indessen finden die Tage meines Studiums ein Ende, welches deplorablerweise mit dem Ende eines großen Mannes koinzidiert, der uns allen ein strahlendes Vorbild war und sein wird, was immer wir mit unseren Qualitäten werden anstreben: Ob wir als Soldaten in den Bergen Thracias oder unter der Sonne Syrias, als Magistrate in der Curia Iulia oder als Administratoren in den Officia Roms unseren Dienst tun werden - stets werden seine Errungenschaften Maß und Vorbild unseres Handelns bleiben müssen!
    Erlaubt mir also am heutigen Tage, Euch von der Vita jener Lichtgestalt zu berichten und die Leistungen dessen zu rühmen, dem wir Frieden und Gerechtigkeit verdanken und dem Verehrung entgegen zu bringen wir schuldig sind und sein werden für seine Verdienste um die Res Publica auf ewig."

    Aufs Neue verweilte der junge Flavius einen Augenblick, bis diese Wendung seiner Rede, die nun endlich auf deren eigentliches Sujet hin führte, zugleich aber das Prooemium wie die Narratio zum Abschluss brachte, bei seinem Publikum sich gesetzt hatte, um dann aufs Neue kraftvoll einzusetzen:
    "Lasst mich euch berichten, welch eminente Anlagen und Verdienste jenen Cornelius an die Spitze unserer Res Publica brachten. Gestattet mir, jene exquisiten Tugenden und Leistungen zu erwähnen, die ihn nicht nur zum Maßstab aller Caesaren, sondern eines jeden aufrichtigen Bürgers und damit unser aller qualifizieren!"
    Eine ganze Weile hatte Manius Minor über das Arrangement seiner Rede spintisiert, hatte die diversen Partien verschoben und sich aufs Neue durch Patrokolos rezitieren lassen, ehe er endlich den Beschluss hatte gefasst, in chronologischer Weise zu verfahren, was, obschon diese Praxis nur geringe Finesse mochte belegen, einer gängigen Ordnung der Laudatio Funebris würde entsprechen und gleichsam einen natürlichen Fluss evozierte. So zumindest hoffte der junge Flavius, als er nun endlich begann:
    "Schon seine Herkunft ließ von ihm höchste Erfolge erwarten, da er doch dem ehrenwerten Geschlecht der Cornelii Lentuli entstammte, welches bereits zahllose strahlende Vorbilder hervorbrachte:"
    Emsig hatte der junge Flavius die Historie der Cornelia Gens studiert, hatte diverse Notable entdeckt und selektiert, um die vortrefflichsten unter ihnen samt ihren stupendesten Leistungen zu präsentieren, während Unrühmliches selbstredend gestrichen worden war, da einesteils dies der Intention seiner Rede zuwiderlief, andernteils aber eine Geißelung des Stammbaumes einer Kritik am verblichenen Princeps selbst gleich kam, dessen Günstlinge und Freunde noch immer an der Macht partizipierten und über das Andenken ihres Patrones mit Argusaugen wachten.
    "Man denke an Lucius Cornelius Lentulus, der das Consulat als erster seiner Ahnen errang und dessen Heldenmut im Kampf gegen die Samniten das Volk bemüßigte, ihn in höchster Not gar zum Diktator zu küren!"
    Den Umstand, dass besagter Lentulus ebenso dafür votiert hatte, im Kampf gegen die Samniten die Waffen zu strecken, verschwieg er selbstredend.
    "Ihm folgten zahllose Lentuli von similärer Qualität, welche indessen stets in den Dienst der Res Publica gestellt und rechtmäßig letztlich mit ebenso zahllosen Triumphen gewürdigt wurden: Lucius Cornelius Lentulus Caudinus bezwang die Samniten, während Rom zugleich gegen Pyrrhus focht..."
    Dass einige Jahre später ein weiterer Lucius Cornelius Lentulus genau bei jenem Caudium, welchem die Lentuli Caudini ihren Cognomen dankten, das römische Heer beschwor, unter dem samnitischen Joch hindurchzukriechen, blieb aufs neue ungenannt.
    "...sein Sohn Publius Cornelius Lentulus unterwarf die Ligurer..."
    War diesem kein Makel anzuhaften, so war der Jüngling folgend genötigt gewesen, eine ganze Reihe von Lentuli zu übergehen, da etwa der Consular Lucius Cornelius Lentulus Lupus wegen Erpressung abgeurteilt worden war, Gnaeus Cornelius Lentulus Batiatus jener deplorable Unglücksrabe gewesen war, welchem Spartacus und seine Gefährten aus der Gladiatorenschule entfleuchten, Publius Cornelius Lentulus Sura sich insonderheit als führender Kopf der Coniuratio Catilinae verdient gemacht hatte, wofür er von Cicero, dem Meister der Beredsamkeit, noch im Jahre seiner Praetur hingerichtet worden war, Publius Cornelius Lentulus Spinther schließlich im Bellum Civile nach dem Kampfe für Divus Iulius doch dem Pompeius Gefolgschaft geleistet hatte und letztlich das Exil schaute, und Lucius Cornelius Lentulus Crus endlich vornehmlich Publizität durch einen Repetundenprozess ob seiner Ausbeutung der ihm anvertrauten Provinzen gewonnen hatte.
    "...und Cossus Cornelius Lentulus die Gaetuler und Musulamier in Africa."
    , verblieb somit ein letzter Name zu nennen, obschon auch hier ein pikantes Detail, nämlich sein Übermaß an Liebe zum berauschenden Weine, keinerlei Erwähnung fand. Doch war damit wohl dem Lob der Ahnen Genüge getan, weswegen der imaginäre Manius Minor ein weiteres Gemach seiner Domus Rhetoris aufsuchte, in welchem nun endlich die Qualitäten des Princeps selbst waren verstaut:
    "Jenen Lichtgestalten erwies auch er selbst sich im höchsten Maße als würdig: Gleich einem Steinbock, der über Stock und Stein zum Gipfel des Berges hinaufspringt, so erklomm auch er flink die Höhen des Cursus Honorum, bekleidete das angesehene Amt des Quaestor Urbanus, diente als Aedilis Plebis und Praetor Peregrinus, ehe Divus Iulianus ihn der stolzen Tradition seiner Stirps gemäß mit militärischen Aufgaben betraute: An der Spitze der Legio VIII Augusta, die auch im Kampfe gegen jenen unsäglichen Usurpator Salinator fest an seiner Seite stand, warf er den Aufstand der Germanen nieder und erhielt dafür die Hasta Pura wie den Dank zahlreicher Bürger, die durch seinen Heldenmut noch heute unbescholten vom Furor Teutonicus ihrem Tagewerk nachgehen können. Doch betraute der Imperator seinen Getreuen auch mit einer weit schwierigeren Aufgabe und entsandte ihn als Legaten in die Heimat des Dionysos, des Apollon und des Orpheus. Und obschon die Thraker ein rauhes und misstrauisches Volk sind, so erfüllte er auch hier seine Obliegenheiten und leistete noch weitaus mehr, wie die große Inscriptio, welche das Volk von Thracia in der Provinzhauptstadt ihm setzte, belegt."
    Konkretionen der Leistungen in den unteren Ämtern des Cursus Honorum vermochte der Jüngling indessen nicht zu nennen, da die Res Gestae hier augenscheinlich keinerlei notable Erfolge geboten hatten, was indessen auch für seine folgende Karriere, die zwar admirabel, doch keineswegs völlig exorbitant zu bewerten war, bewies:
    "Mehr als suffizient waren seine Verdienste somit, um nach seiner Rückkehr mit dem Consulat ausgezeichnet zu werden und sofort darauf folgend als Curator Aquarum die urbane Administration zu bereichern. Auch diese Obliegenheiten im Herzen des Imperiums vollendete er mit größter Beflissenheit, sodass Divus Iulianus endlich sich entschied, ihn aufs Neue an den Rand des Imperiums zu entsenden, um dort die Grenzen Roms zu bewahren und als Legatus Augusti der Provincia Syria vorzustehen. Selbstredend bewährte er sich auch an dieser Stelle, erhielt die Hasta Pura verliehen und übertraf beinahe sämtliche Senatoren, als er im folgenden Jahr gar ein zweites Mal das höchste Amt der Res Publica bekleidete."
    Deplorablerweise hatte der Jüngling in den Annales der Res Publica kaum notable Errungenschaften aus den beiden Consulaten des Cornelius entnehmen können, sodass er sich mit diesen kargen Worten beschied, obschon selbstredend das Finale seines Cursus Honorum seine Qualitäten in nicht geringem Maße konfirmierte:
    "Zur Krönung jenes langen Laufes der Ehren endlich bestimmte der Senat ihn zuletzt als Proconsul für das reiche Asia, wohin, wie zweifelsohne jedem hier bekannt sein mag, nur die angesehensten der Consulare entsandt werden. Doch während mancher jenen Posten als Ruhesitz des Alters zu genießen pflegt und lediglich die Schätze jener Provinz sich zufließen lässt, brachte Cornelius Palma auch hier seine hervorragenden Eigenschaften zum Glänzen und mühte sich selbstlos für die ihm Anvertrauten, sodass-"
    Für einen Augenschlag war der Jüngling genötigt in seinem Redefluss innezuhalten, denn obschon er im Bauwerk seines Panegyricums zu einer neuerlichen Vase war getreten, die eine Auszeichnung symbolisierte, so vermochte doch sich nicht recht zu entsinnen, ob es sich hierbei um eine Statue oder Ehreninschrift hatte gehandelt. Schlussendlich gelangte er indessen zu der Entscheidung, im Falle des Imperators besser zu hoch als zu nieder zu schätzen, weshalb er den Satz aufs Neue antrat:
    "Zum Dank errichteten auch die Bewohnern jener Provinz ihm in ihrer Hauptstadt eine Statue von Marmor, die noch heute an dieser Stelle zu bewundern ist."

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