Reise ohne Wiederkehr - die Bestattung der Claudia Antonia

  • Sim-Off:

    Gäste können sich ohne Umweg über die Porta direkt in das Atrium schreiben, selbstredend auch jene ohne 'offizielle' Einladung.


    Bleich und blass lag der leblose Körper Claudia Antonias aufgebahrt inmitten des Atrium der Villa Flavia, jenes Hauses welches über viele Jahre hinweg ihr ein Heim hatte geboten, in welchem sie ihre erste Ehenacht verbracht, drei Kinder gezeugt und geboren hatte. Da die Haut der Claudia zeitlebens von vornehmer Blässe war gewesen, schien es beinahe als schliefe sie nur, könne jeden Augenblicke wieder erwachen und sich echauffieren über das Jammern und Weinen der Klageweiber zu ihren Füßen. 'Manius', erwartete Gracchus ihren unnachahmlichen Tonfall zu vernehmen, welcher bisweilen ihm eine größere Furcht hatte eingeflößt als alle Schrecken der Welt, welcher ihm indes so traut schien, so merkwürdig verwoben mit seinem eigenen Leben, dass er ihn tatsächlich misste seitdem er seine Gemahlin zuletzt lebend hatte gesehen. Er suchte sich an jene Worte zu entsinnen, welche er zu dieser Gelegenheit mit Antonia hatte gewechselt, doch es schien ihm ein halbes Leben seitdem vergangen, dass er nurmehr sich dessen war gewahr, dass es ein Versprechen war gewesen, eines, welches er nicht hatte gehalten - wie so viele. Einst hatte er geschworen, für ihr Wohl Sorge zu tragen, sie zu behüten und zu beschützen, doch ihr toter Leib skandierte unumstößlich sein Versagen. Ihr Leben hatten sie miteinander teilen sollen, zwei Stücke von einem einzigen, so hatte der Flamen Dialis es vor vielen Jahren bestimmt - doch ohne Antonia fühlte Gracchus in sich weit mehr als eine halbe Leere, schien es ihm als wären ihre Ehe statt eines Kuchens weit eher einem Gefäße similär gewesen. Ein halbes Gefäß konnte nichts mehr in sich aufnehmen, büßte nicht etwa die Hälfte des Nutzwertes eines Ganzen ein, sondern blieb gänzlich nutzlos zurück. Er war zerbrochen, mit ihr. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass der Abschied ihm derart schwer würde fallen - doch letztlich hatte er sie tatsächlich geliebt, auf seine Weise. Gleichsam indes konnte er keine Kraft mehr aufbringen für Schmerz, Trauer oder Furcht, verbarg dies alles tief in seinem Innersten, dorthin wohin selbst er nicht konnte vordringen, beließ in sich nurmehr eine gewaltige Leere, ein endloses, mit nichts anzufüllendes Vakuum. Es war diese Leere, welche an diesem Tage auf seinem Antlitz lag, mit welcher er alles und jeden im Atrium betrachtete – die Lebenden, wie die Tote.

  • Scato war nicht besonders gut was das offene Trauern anging, ein Mann, welcher seine Gefühle hinter einer äußerst kühlen Fassade zu verbergen wusste, und nur selten überhaupt eine Regung zeigte.
    Jedoch mangelte es ihm nicht gänzlich an Empathie, sodass er Gracchus' Schmerz und seine Gefühle durchaus zu deuten wusste. In Trauerkleidung war er hierher gekommen, auch wenn er Antonia nie kennengelernt hatte, so war ihm dennoch bewusst dass heute ein Teil der Flavii ging, und das dieses Ereignis für Manius und Manius Minor wohl ein schmerzliches werden würde..
    "Manius.", sagte er leise, während er den "Gastgeber" begrüßte, er hatte schon vorher beiläufig erfahren was geschehen war, und sich dementsprechend etwas vorbereiten können, "Ich habe deinen Verlust beklagt, es tut mir leid für dich." sagte Scato leise und legte seine Hand für einen kurzen Augenblick auf seine Schultern.

  • Die Nachricht vom Ableben der Claudia hatte Prisca sehr betroffen gemacht. Zwar hatte sie nie viel Kontakt zu der Claudia gehabt, aber die wenigen Treffen mit ihr waren Prisca in guter Erinnerung geblieben. Man hatte sich gegenseitig stets respektiert und geachtet und deshalb war es für Prisca selbstverständlich derToten nunmehr die letzte Ehre zu erweisen. Außerdem verspürte sie eine gewisse Verbundenheit gegenüber Flavius Gracchus, dem man deutlich ansah wie nahe ihm der Tod seiner Frau gehen musste: Du meine Güte wie blass und eingefallen er wirkt. Noch vor wenigen Wochen hat er mir erzählt wie gut es ihm seiner Familie geht. Und ich habe ihnen allen noch Glück und Gesundheit gewünscht … und nun DAS! Prisca war fassungslos angesichts der Tatsache wie schnell und unvorhersehbar die Götter das Schicksal der Menschen bestimmten.


    Dem Anlass entsprechend trug Prisca heute ein schlichtes farbloses Trauergewand. Auf Schmuck oder sonstige glitzernde Details hatte sie ebenso verzichtet wie auf eine aufwändige Frisur, da sie das offene Haar ohnehin unter einem Kopftuch verbarg. In dieser Aufmachung hätte man sie glatt mit einer Marktfrau oder einer Bäuerin verwechseln können, wäre da nicht der Halbmond auf ihren Schuhen zu sehen gewesen als sie sich geduldig in die Schlange der Trauergäste einreihte. In einem kleinen Weidenkorb trug Prisca ein paar Opfergaben mit sich, die sie zunächst einem von den flavischen Sklaven überreichte, ehe sie sich neben den anwesenden Klageweibern am Fuße der Toten niederließ.


    "Ich wünsche dir Alles Gute auf deiner Reise, Antonia! Mögest du auch fortan wandeln im Elysium, so wirst du hier im Diesseits dennoch nie vergessen sein.", sprach Prisca murmelnd ein paar Worte des Abschieds. Anschließend verbeugte sie sich vor der Toten und erhob sich wieder um etwas abseits des Leichenbettes Aufstellung zu nehmen.

  • Die Nachricht vom Tod Claudia Antonias hatte einem herben Schlag geglichen. Es lag zwar bereits lange Jahre zurück, seit Domitilla der Claudia persönlich begegnet war. Damals war sie noch ein Kind gewesen. Doch sie hatte Antonia, als starke Persönlichkeit in Erinnerung behalten, die alle guten Eigenschaften einer römischen Matrone in sich vereinigt hatte. So gab es nun nur noch eins, was Domitilla für die teure Verblichene tun konnte: sie ein Stück auf ihrer letzten Reise zu begleiten.


    Vom Atrium her, dort wo man den Leichnahm aufgebahrt hatte, drang das Greinen der Klageweiber durch die die Villa. Ansonsten schien die Zeit still zu stehen. Das geschäftige Treiben der Sklaven war auf ein Minimum reduziert. Jegliches Lachen war verbannt worden. Tiefe Trauer lag über der Villa und seiner Bewohner. Und auch sie selbst hatte auf alles Schmückende verzichtet.
    In Trauerkleidung gehüllt, fand sich dann auch die junge Flavia im Atrium ein. Die ersten Trauergäste waren bereits eingetroffen. Ein kurzer Blick schweifte über den toten Körper Antonias, der scheinbar nur ruhen mochte und ging schließlich weiter zu dem trauernden Wittwer, in dessen Augen sich eine schreckliche Leere spiegelte. Wie tief nur musste sein Schmerz über seinen Verlust sein! Nach Worten suchend wo Worte einfach fehlten, reihte sie sich ein, um Gracchus ihr Beileid zu bekunden.
    Mitfühlend legte sie schließlich ihre Hand auf seine.
    „Manius, es tut mir so leid für dich und die Kinder!“, sagte sie leise mit belegter Stimme.

  • Zitat

    Original von Caius Flavius Scato et Flavia Domitilla


    Gracchus atmete tief durch die Nase ein und sammelte einen Augenblick jene Contenance zusammen, welche von ihm wurde erwartet, nickte sodann Scato und Domitilla zu.
    "Ich danke euch. Doch letztendlich müssen wir stets auf solche Verluste gefasst sein, es ist schli'htweg der Lauf der Zeit."
    Gegenüber der Familie war es einfach, dies derart pragmatisch zu skandieren, denn obgleich Scato Antonia allfällig nie getroffen hatte und Domitilla sich kaum wohl noch an sie mochte erinnern, so war es doch usus in der flavischen Familie, dass eine Ehe aus rein praktischen Gründen geschlossen wurde, so dass auch der Verlust dieser kaum wohl extrinsische, emotionale Superlativen erforderte. Gerade in Augenblicken wie diesen wurde Gracchus bewusst, wie schwer es ihm fiel, innerhalb der in Rom anwesenden Familie seine Empfindungen zu teilen, wie sehr er die unbeschwerte Freundschaft mit seinen Vettern Caius und Marcus misste, wie fremd er sich in seinem eigenen Leben fühlte.
    "Darüber hinaus hatte Antonia zweifelsohne ein er..fülltes Leben."
    Sicher war er sich dessen nicht, doch mit Blick auf die beiden jüngsten Sprossen der Familia Flavia Graccha, welche ein wenig abseits mit ihren vertrauten Sklaven standen, hatte Antonia letztlich den Lebenszweck einer römischen Matrone zur Gänze erfüllt.
    "Ein wenig Sorge bereitet mir nur die Zukunft Flammas. Allfällig werde ich sie nach Baie zu eurer Groß..tante Agrippina senden."
    Während er seine Söhne niemals freiwillig den Händen der gefürchteten Agrippina hätte anvertraut, so wusste Gracchus mit seiner Tochter schlichtweg nichts anzufangen. Von einer Zukunft bei den Vestalinnen, welche stets war für sie angedacht gewesen, sah er inzwischen ab, da er Cornelius Palma kein Druckmittel in die Hände wollte spielen, würde er indes Claudia Catilina darum bitten, ein wenig Acht auf Flammas Erziehung zu legen, fürchtete er dennoch beständig mit ihren Belangen behelligt zu werden.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • An der Seite Manius Maiors war Manius Minor platziert, gehüllt in eine schlichte, dunkelgraue Toga, nachdem er an diesem Morgen zum ersten Male einen persönlichen Wunsch bezüglich seiner Bekleidung geäußert hatte, da doch die tiefschwarze, mit güldenen Applikationen ausgestattete Toga, welche der Vestispicus ihm offeriert hatte, dem Knaben gänzlich inadäquat erschienen war ob des Prunkes und der Feierlichkeit, welche sie transportierte. Mitnichten war dem jungen Flavius nämlich zum Feiern zumute, vielmehr hatte er sich seit der Nachricht des Todes seiner Mutter zur Gänze in sein Cubiculum zurückgezogen, hatte unzählige, bittere Tränen in sein Kopfkissen geweint und erst nach einem Tage bar jeden Konsums von Speise oder Trank zumindest Patrokolos zu sich vordringen lassen, um seinen Schmerz von der Seele zu reden und seiner Desperation Ausdruck zu verleihen.
    Auch am heutigen Tage hatte lediglich die Perspektive, des Leibes seiner Mutter ein letztes Mal ansichtig zu werden, ihr gleichsam Lebewohl zu sagen, ehe sie ins Reich des Pluto hinabgleiten würde und ihre sterblichen Überreste den Flammen übergeben werden mochten, ihn hervorgelockt. Delektablerweise verwehrte seine Fehlsicht ihm hierbei den Schmerz, in den erschlafften Zügen der Claudia jene minimale Differenz zu erblicken, die den Tod so deutlich in das Antlitz jeder noch so kunstfertig aufbereiteten Leiche zeichnete, sodass sie dem Knaben mehr als allen übrigen Gästen erschien als schlafe sie den Schlaf der Gerechten.


    Doch trotz jenes Friedens, den der maternale Corpus zu verbreiten schien, erweckte er zugleich eine tiefe Sehnsucht in dem jungen Flavius, ihn ein letztes Mal in die Arme zu schließen, den ehemals in ihm wohnenden Geist zurückzuholen durch Anrufungen oder magische Rituale, welche Kosten auch immer damit konnektiert sein mochten. Denn allzu lange lag ihre letzte Konversation zurück, mehrere Jahre des Bürgerkrieges ohne jeden Kontakt, nur spärliche Korrespondenzen seit dessen Ende, welche doch eher einem Austausch von Plattitüden dem Knaben erschien denn ein Ausdruck jener Geborgenheit, die er seit dem Tag, als er jenen Leib vor vierzehn Lenzen verlassen hatte, stets in ihrer Präsenz verspürt hatte. Eben diese schien nämlich trotz der Mühen des Libitinarius verschwunden gleich einem gebrochenen Zauber, welcher lediglich Leere hinterließ, die auch die dumpfen Worte der Anteilnahme seiner Familiaren keineswegs zu füllen vermochten.
    So zeigte Manius Minor auch keinerlei Reaktion auf die Kondolenzen von Scato und Tante Domitilla, verwehrte gar ein stummes Nicken oder Worte des Dankes, sondern ließ den Blick stumm auf der Silhouette seiner geliebten Mutter ruhen, selbst wenn der Sichtkontakt durch die Leiber der Trauergäste bisweilen durchbrochen wurde.

  • Eine Göttin wurde nicht vom Tod ereilt. Eine Unsterbliche kannte das Ende eines Lebens nicht. Claudia Antonia war eine Göttin, dea mater. Unumstößlich war dieser Fakt für Titus Flavius Gracchus, Knabe von gerade mal sechs Jahren und Sohn dieser Patrizierin. Stumm und still stand der Junge an der Seite und im Schatten großer Männer, vor allem unbesehen im Lichte und Glanz des Manius Flavius Gracchus, unumstößlich der Hausherr und Mentor der Flavier zu Rom, Priester und großer Senator, Gott selber, wie es einst die Patrizierin war. Kalt war der Leib der Claudia. Verlassen ihre sterbliche Hülle und doch war es nicht seine Mutter, die dort lag. Darum hatte keine einzige Träne das Augenpaar des kleinen Jungen verlassen, denn Claudia Antonia war nicht tot. Es war eine Tücke, eine List, die ihnen, den normalen Sterblichen dort zuteil wurde. Beherrscht wirkte das Gesicht des Knaben, kalt die Augen, die stumm vor sich her sahen. Man erwartete von dem Jungen nicht, dass er Reden von sich gab, oder in anderer Weise auf sich aufmerksam machen musste. Das Klagen übernahmen die Weiber, das Prozedere, die Farce für den Jungen, die Priester und sein Vater. Nur gelegentlich sah der Knabe hinauf, vorbei an der weit größeren und eindrucksvolleren Gestalt seines älteren Bruders. Er betrachtete seinen Vater und fragte sich, was das Ganze zu bedeuten hatte. Wer getäuscht werden sollte.
    Wissbegier und förmlicher Ernst standen weiter in den großen Augen des Jungen, der die Menschen, Patrizier, um sich herum musterte. Die schöne Aurelierin, die er schon einst von Ferne gesehen hatte. Sie selber wirkte wie eine Grazie, wenn sie den Raum betrat. Wie eine jener Gestalten, die man sonst in den Sagen erzählt bekam. Domitilla hingegen war ebenfalls eine Erscheinung, aber sie gehörte zur Familie, darum war es für den Knaben ein anderes Mustern.


    Als Worte zwischen den Adulten ausgetauscht wurde, sah Titus aufmerksam wieder hoch. Agrippina? Ein Schaudern jagte dem Knaben über den Rücken. Er mochte diese Frau nicht. Er mochte nicht, wie sie sprach. Er konnte es nicht leiden, wie sie sich über ihn entzückte und wie eine Glucke benahm. Wenn sie sich bemühte, der Versuchung zu widerstehen, ihm in die Wangen zu kneifen. Aber er mochte es, wie sie Geschichten erzählte. Dennoch: arme Flamma. Er sah zu seinem Bruder und suchte in dessen Gesicht, ob er wohl das Gleiche dachte. Tränen und Trauer hatte Titus gemeint vor der Aufwartung bei Minor zu erkennen geglaubt, doch jetzt... davon war nichts mehr zu sehen, nur noch die Würde ausstrahlend, wie Titus es wohl glaubte, selber es niemals zu können. Titus hob das Kinn und strafte beim Vorbild seines Bruders die Gestalt, wandte sich wieder dem aufgebahrten Körper zu und musterte en detail das Gesicht der maskenen Antonia. Langsam öffnete sich sein Mund, ganz leicht und zart, so dass nur ein Windhauch dadurch klimmen könnte. Gekonnt legte sich eine der Haarsträhnen um das Haupte der Antonia, vorbei an dem kleinen Mutermal, an das er sich die wenigen Male mit den Augen geklammert hatte, wenn seine Mutter wieder mit kühler Miene neben ihm stand und leicht seinen Kopf berührte. Jene wenigen Zärtlichkeiten, die sie ihm hatte zukommen lassen. Er presste seine Lippen zusammen. Nein. Das war nicht Antonia. Antonia, dea.

  • Als es an der rechten Zeit war - sofern es überhaupt eine solche rechte Zeit gab -, seine Gemahlin ein letztes Mal aus dem Hause zu geleiten - sog Gracchus noch einmal tief die weihrauchgeschwängerte, vom Atem der Untergründigen durchzogene Luft in die Lungen. Nicht nur die Lebenden waren gekommen, an der Seite der Aurelia Prisca - welche selbst in rituellen Zeiten der Trauer nichts von ihrer Eleganz einbüßte - hatte er einen Augenblick seinen Vetter Piso ausgemacht, ernst blickend und doch mit einem Anschein seines sonnigen, stets wohlgestimmten Gemütes auf den Lippen, in einem Schatten nahe einer der Säulen des Atrium glaubte er seinen Vater zu wissen, im Rücken der Trauerweiber war für einige Herzschläge Leontia vorüber gegangen und hatte ein wissendes Nicken ihm zuteilwerden lassen, und hinter den Flammen der Feuerkörbe war ihm gewesen als hätte er unter anderem Quintus und Minervina erblickt. Nur die Gewissheit, dass sie am heutigen Tage nicht seinetwegen waren gekommen, dass während die Lebenden Antonia verabschieden, die Toten sie in ihren Reihen begrüßten, ließ all diese Schatten ihn halbwegs gefasst tolerieren. Mit einem Wink gab Gracchus seinem Vilicus ein Zeichen, dass die rechte Zeit gekommen war. Sciurus wies die Bahrenträger an, Aufstellung zu nehmen, und die Musiker, ihre getragenen Klänge anzustimmen. Von diesen angelockt ließen auch die Klageweiber ab von dem Leichnam und positionierten sich an der Spitze der sich formenden pompa funebris, nicht weniger herzzerreißend dort fortfahrend zu klagen. Für einen kurzen Augenblick hernach blieb Gracchus beinahe das Herz stehen als Claudia Antonia aus dem Hintergrund trat, um ihren eigenen Leichenzug anzuführen, doch es war dies nur die archimima, die Schauspielerin, welche dazu war angehalten die Verstorbene darzustellen - welche gleichsam auf den zweiten Blicke doch nur wenig hatte gemein mit der Claudia und so sehr sie sich auch mühte eine stille Erhabenheit auszustrahlen, sie konnte kaum auch nur in die Nähe Antonias Perfektion gelangen.
    "Minimus, Titus"
    , forderte Gracchus schlussendlich als die Träger die Leichenbahre anhoben seine Söhne auf, welche gewissenhaft neben ihm hatten ausgeharrt, und trat selbst hinter das feretrum, nur einen kurzen Blick darauf achtend, dass auch Flamma von ihrer Amme zur Familie wurde gebracht. Langsam setzte der Zug sich in Bewegung und wie in einem Traum, respektive einem Albtraum, folgte Gracchus dem stillen, schönen Antlitz seiner Gemahlin, deren Leib zum letzten Male aus der Villa Flavia wurde getragen.

  • Das Lamentieren der Klageweiber verfehlte seinen Effekt bei Manius Minor nicht, wie sich während der Sammlung der Trauergemeinde zunehmend offenbarte, denn obschon die Proximität zu den an der Bahre deplorierenden Weibern es ihm versagte, derer Krokodilstränen ansichtig zu werden, so rührte das Flehen und Heulen der Frauen doch auch aufs Neue an jenem Schmerz, welchen er im Laufe des Tages noch hinter einer Maske hatte verbergen können.
    Als indessen sein Vater ihn zum Aufbruch mahnte, hatten Tränen neuerlich seine feisten Wangen benetzt, während sein Geist wieder zur Gänze eingetaucht war in das Meer des Schmerzes, die Remineszenzen an freudige Momente auf dem Schoße Antonias, an liebende Worte und sanfte Küsse und die bittere Gewissheit, dass all dies nunmehr definitiv und indiskutabel der Vergangenheit angehörte. Kein Ton entfleuchte seinen Lippen, lediglich bisweilen ein verstohlenes Schniefen war vernehmlich und doch war es zweifelsohne jedem offenbar, wie sehr der Knabe an dem maternalen Verlust laborierte, als er sich an der Seite seines Vaters und seines kurioserweise recht teilnahmslosen Bruders hinter dem Leichenbett einreihte, um die letzte Reise seiner Mutter zu geleiten.

  • Sehr teilnahmslos, geradezu unglaublich entrückt, nahm Flavius Furianus an der Bestattung der Claudia teil. Den Schmerz seiner Frau konnte er nicht ahnen, geschweige denn vergleichen, denn diese hatte ihm schon seit Wochen eine Kommunikationssperre auferlegt von der sie sich auch in solch trüben Stunden nicht zu lösen vermochte. Es war ihm auch, wenn er ehrlich zu sich selbst war, auch gerade recht.
    Durch die Krankheit miserabel in einen Zustand des geistigen Verfalls gerafft, musste er sich nicht sonderlich anstellen seine Trauer nach außen zu kehren. Er bedauerte diese Situation selbstverständlich. Nicht nur, doch vor allem für seinen Vetter. Die Kinder konnten einer neuen Mutter zugeführt werden, doch die Last, welche stets auf den Schultern aller Flavii seit den letzten Umbrüchen lastete, war groß genug. Seinem Vetter hätte er diese zusätzliche sicherlich nicht gewünscht.

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