Ein unscheinbares Officium - oder: Der Skorpion im Schlangennest

  • Oh Ewiger Serapis. Geduld. Geduld und Sphinxgleiche Gelassenheit...
    Mit Daumen und Zeigefinger rieb ich mir die Nasenwurzel, und ließ mir wiederum nichts anmerken, als Cornelius wiederum das Gesagte zu neun Zehnteln ignorierte, den Rest als Ausgangspunkt für Abschweifungen nutzte, die dieses Gespräch keinen Deut weiterbrachten, und konkrete Aussagen oder gar konkrete Lösungen wiederum tunlichst vermied.
    Manius' wirklich konstruktiven und überzeugend vorgebrachten Vorschlag würgte er schlichtweg ab. Ohne selbst einen besseren zu machen.
    "Senator Flavius sprach nicht von Neutralität. Neutralität gibt es nicht in dieser Angelegenheit. Ein jeder Römer fand sich entweder auf der einen oder der anderen Seite der Kluft wieder, die der Bürgerkrieg durch das Reich geschlagen hat." bemühte ich noch ein weitere Mal die treffende Metapher. Es gab zwar Feiglinge, die tatenlos zugesehen hatten als das Reich im Chaos versank, und die erst abgewartet hatten bis ganz deutlich war, dass Palma der Sieg zugeschrieben war, bevor sie sich auf die Seite seiner Anhänger, und damit die Seite der Kriegsprofiteure, geschlagen hatten. Aber das machte sie nicht zu Neutralen.
    "Wenn du diese Kluft überwinden willst, Cornelius, und die Aussöhnung des Reiches ernsthaft vorantreiben, dann wird es sich nicht vermeiden lassen, der anderen Seite die Hand zu reichen, konkrete Angebote zu machen, und diese Signale auch öffentlich zu geben. Indem du beispielsweise, wie gerade schon gesagt, die Greueltaten bei der Einnahme der Stadt entschlossen ahndest. Indem du beispielsweise die Männer, die lediglich ihre Pflicht taten als sie Rom verteidigten, wieder in die ihnen gebührenden Positionen einsetzt. Indem du beispielsweise eine Reihe von Sühneopfern abhältst, um den Schatten der unzähligen Toten, die deiner Machtergreifung zum Opfer gefallen sind, Ehre zu erweisen."


    Auf den langen Monolog, und die bedeutungsschwangeren Fragen am Ende, erwiderte ich ebenso bedeutungsschwanger: "Allerdings. Wer Soldaten gegen Rom schickt muß notwendigerweise und realistischerweise damit rechnen, dass sie in Rom plündern und morden, da gebe ich dir ganz recht. Und wer das herrschende Kaisergeschlecht ermordet, muß notwendigerweise und realististischerweise damit rechnen, das Reich ins blutige Chaos zu stürzen."
    Kriegsverbrechen waren in einem Krieg nicht zu vermeiden. Darum zettelte man nun mal keinen Krieg Römer gegen Römer an, nur weil man mit des Kaisers Stellvertreter unzufrieden war. Cornelius war mit keiner Silbe auf den Fakt eingegangen, den ich zuvor benannt hatte: dass sie die Ulpiermorde begangen hatten, als Vescularius lediglich Stadtpräfekt gewesen war, ein schlecht gewählter Stellvertreter, kein allmächtiger Tyrann, und dass sie damit ja erst den Weg freigemacht hatten, für einen Kaiser Vescularius. Dass es vollkommen absurd war, ihren Putsch als "bellum iustum" verkaufen zu wollen.
    Aber genug davon. Entweder: Cornelius war fähig zu dieser Einsicht, doch zu stolz es in meiner Gegenwart zuzugeben – dann hatte ich schon längst genug gesagt. Oder: ihm waren Gemetzel, Leid und Unrecht die er verschuldet hatte wirklich einfach nur vollkommen gleichgültig – dann mußte ich hier nicht weiterhin gegen Wände reden.
    Manius, ganz im Gegensatz dazu, schien tatsächlich den Mut aufgebracht zu haben, diesen Weg zu gehen, diese Einsicht mochte sie noch so schmerzlich sein, zu wagen. Er stand zu seinen Taten (jedenfalls hier in diesem Rahmen), und er schien mir wirklich darum zu ringen, den Hauch von Wiedergutmachung, der möglich war, auch zu leisten. Bei der Tiefe meines Grolles, bei der Bitterkeit des Argwohnes, den ich gegen ihn hegte, und obgleich ich so vehement geschworen hatte, ihm nie wieder auch nur ein einziges Wort zu glauben... war es merkwürdig, dass es mir doch verdammt gut tat, zu hören, wie er sich für mich einsetzte, und meine Taten würdigte.


    Ich zwang mich, keine Miene zu verziehen, bei Cornelius weiteren Fragen - er schien, das fiel mir erneut auf, einen Hang zu Fragen zu haben, die bereits ausführlich beantwortet waren - und ruhig zu erwidern:
    "Die Vergangenheit läßt sich nicht mehr ändern. Was deine Rolle angeht, Cornelius, so glaube ich, wie gesagt, dass die Frage viel entscheidender ist, was für ein Herrscher du in der Zukunft sein wirst. Das liegt in deiner Hand. Nach all dem Leid und Blutvergießen schuldet du es dem Reich, ein wirklich guter Kaiser, und vor allem ein Kaiser aller Römer zu werden. - Was mich angeht... so bin ich, wie gesagt, bereit dich, trotz allem Vergangenen, um dieser Zukunft willen darin zu unterstützen. Ich habe mein ganzes Leben lang als Soldat und Kommandant dafür gekämpft, Rom zu beschützen, vor Gefahren von aussen wie auch von innen, und das will ich auch weiterhin tun."
    Als Manius zu mir in den Tempel gekommen war, da hatte er mir gesagt, er habe Cornelius davon überzeugen können, dass es nicht im Sinne ihres Handelns gelegen habe, dass ehrbare Römer dadurch zu Schaden kamen, und dass Soldaten geächtet wurden, weil sie ihre Pflicht für Rom getan hatten. Er hatte mir gesagt, dass er Cornelius habe überzeugen können, dass es ihre Pflicht sei, mich an meinen rechtmäßigen Platz zurückzubringen. Dies hatte er mir in Aussicht gestellt, und darum hatte ich in diese Treffen eingewilligt. Leider war von Cornelius bisher in diesem ganzen langen Gespräch noch gar kein Angebot in diese Richtung gekommen. Warum? Worauf wartete er? Vielleicht darauf, dass ich ihm ein konkretes Angebot machte?
    Ich war zermürbt von der aufgezwungenen Untätigkeit seit Cornelius Machterreifung. Zermürbt davon, als Eques, der ich mein ganzes Erwachsenenleben Soldat gewesen war, der ich in langen harten und entbehrungsreichen Jahren die gesamte Militia Equestis bis zu ihrem höchsten Gipfel erklommen hatte, der ich auf zahlreichen Schlachtfeldern für Rom gekämpft hatte, nun, mit all meinem Können, meinen Verdiensten und meiner Erfahrung zum Nichtstun verurteilt zu sein. Jahrelang, Jahre lang auf Eis zu liegen, während die Prätorianergarde, einstmals die besten der besten, dezimiert und führungslos den Bach runterging.
    Ich leerte mein Glas. Wenn er mir kein Angebot machte, mußte wohl ich ihm eines machen.
    "Ich biete dir an, auf meine alte Position zurückzukehren. Ich werde die Prätorianergarde wieder zur alten Stärke hin aufbauen, und ich werde das alte Netzwerk wieder aktivieren, mit dem du Informationen aus allen Winkeln der Welt erhalten wirst können." Das war ein Trumpf, den kein anderer bieten konnte. Ich kannte die verborgenen Strukturen des Spionagenetzwerkes, hatte das Vertrauen der Schlüsselpersonen, konnte aus dem verbliebenen wieder aufbauen.
    "Es wird eine hohe Symbolkraft haben, wenn wir uns die Hände reichen. Ich werde dir loyal dienen, dir als Kaiser aller Römer, um der Eintracht willen, um die Gefahr eines neuen Bürgerkrieges zu bannen, zum Wohl des Reiches."

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  • Ein wenig nachdenklich vernahm Gracchus die Worte des Kaisers bezüglich Belagerungen und Plünderungen, Feldherren und Generationen, und obgleich zweifelsohne Wahrheit darin lag, so schien ihm doch eine empörende Differenz zwischen einer beliebigen römischen Siedlung - allfällig noch am Rande einer fernen Provinz gelegen - und der Wiege des Imperium Romanum, dem Zentrum der Macht, den Grundfesten des Reiches - Rom. Nur wenige römische Feldherren hatten je vor dem Problem gestanden, Roms Plünderung durch ihre eigenen Soldaten verhindern zu müssen, so dass allfällig eine Abbitte eher in der Singularität dieser Gegebenheit zu suchen war als in ihrer militärischen Häufigkeit. Am Ende seiner Erklärungen indes endete der Imperator neuerlich mit einer Frage für Serapio, doch gleichsam hallte sie auch im Geiste des Flaviers wider. Wie auch immer Cornelius sich selbst mochte sehen, wie auch immer die Welt ihn mochte sehen, letztlich gab es nichts zu zweifeln an der Tatsache, dass er auf dem Throne Roms saß, dass er Kaiser über das mächtigste Imperium der ganzen Welt war, und dennoch beschlich Gracchus allmählich das Gefühl, dass Palmas Überzeugung im Inneren nicht gar so ehern war wie er nach außen sich gab, und auch er bisweilen von Zweifel wurde zernagt - doch allfällig war dies auch nur ein leises Sehnen des Flavius, um all den Zweifel, all den Hader und all den Zwiespalt ihres Unterfangens nicht allein tragen zu müssen, jenen Vorbehalten und Gewissensbissen nicht allein ausgeliefert zu sein, welche Serapio neuerlich schürte. Rückblickend betrachtet hätten sie in ihrem Unterfangen zweifelsohne das blutige Chaos einkalkulieren müssen, und Gracchus hatte mehr als einmal zu evaluieren gesucht, weshalb sie es nicht hatten getan, so dass womöglich in einem similären Säumnis die Verhinderung der Plünderungen lag, nachgerade in ihrer aller Säumnis und Verantwortung - und eben aus diesem Grunde musste Cornelius als Kaiser schlichtweg die Sühnung initiieren, musste Cornelius den ersten Schritt gehen, musste Cornelius aus seiner Position heraus Größe beweisen, um ihr Unterfangen zu rechtfertigen - und wären die Konspiranten eine Familie und Gracchus der pater familias dieser, er hätte Palma gepackt und geschüttelt bis dass dieser endlich seinen Fuß vorangesetzt hätte. Doch sie waren keine Familie, Palma der Augustus und Gracchus nur ein bedeutungsloser Mitverschwörer, welcher beständig der Furcht war verfallen, eines Tages als Bauernopfer zu enden - und während sie so in ihrem kleinen Verschwörerkreis verharrten, während sie erstarrt schienen durch den Blick der schrecklichen Medusa, welche sie erschaffen hatten, trat Serapio vor. Zum Wohl des Reiches. Beinahe wäre Gracchus ein Seufzen echappiert, denn obgleich es eben dies war, ob dessen er Faustus zu diesem Gespräch hatte gebeten, so hatte er nach dem Verlauf ihrer letzten Aufeinandertreffen doch viel eher befürchtet, dass der Decimer ihnen einen Dolch zwischen die Rippen würde stoßen. Zum Wohl des Reiches. Nun blieb nurmehr zu hoffen, dass auch Palma das Wohl des Reiches am Herzen lag.

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  • Wieder blieben manche Fragen unbeantwortet, aber der Ton erfreulich versöhnlich, trotz aller noch immer bestehenden Ausflüchte und Forderungen. Aber für eine endgültige Einigung sah Cornelius Palma weiter keine Basis.


    "Du nennst deine Forderung ein Angebot und verrätst damit deinen Charakter. Du gibst dich loyal für Rom und deinen Kaiser, aber letztlich kämpfst du nur für deine eigenen Agenda. Mal gibst du dich belehrend und fordernd, wohl wissend, dass ich nicht hier mit dir sitzen und vertraulich sprechen und zur selben Zeit ein öffentliches Sühneopfer abhalten kann. Mal gibst du dich philosophisch und theatralisch, obwohl du dich nicht für die Bühne oder einen Lehrstuhl, sondern ein Kommando bewirbst. Ich bezichtige dich nicht der Lüge, nicht des Verrats, nicht der Ehrlosigkeit. Ich glaube, dass du Ziele hast, zu denen du ehrlich stehst. Aber du bist schlicht nicht der Mensch, dem ich das Kommando über die Wache über nichts geringeres als mein Leib und Leben anvertrauen kann. Du bist einfach nicht der Typ Mensch und der Charakter, den ich mir für meinen Prätorianerpräfekten vorstelle. Männer vor mir haben dies offenbar anders gesehen und sie werden gute Gründe dafür gehabt haben. Männer nach mir mögen es wieder tun, wenn sie dich anders sehen als ich es tue. Aber ich vertraue dir nicht mein Leben an."


    Er sah in kurz fest an, blickte zu Flavius Gracchus und dann wieder zurück.


    "Andere haben unliebsame amtierende oder ehemalige Prätorianerpräfekten töten lassen. Ich tue das nicht. Es bringt mir nichts. In meinen Augen bist du frei, rehabilitiert und ein Mitglied des Ordo Equester wie jedes andere auch. Flavius Gracchus sei mein Zeuge, dass ich keinen Groll gegen dich hege und dir nichts schlechtes wünsche. Auf welchen Posten auch immer man dich bei mir empfiehlt, ich werde es wohlwollend prüfen. Doch nun lass uns dieses Gespräch beenden. Ich habe Opfer vorzubereiten."

  • Sim-Off:

    Da Elysiums-IDs bekanntermaßen nicht mehr schreiben können, gehe ich davon aus, dass Palma nach seinen Worten den Raum verlassen hat, um somit mit Abschluss dieses Threads auch anderweitig auf das Ableben des Kaisers reagieren zu können …


    Durchaus konnte Gracchus ein Stück weit die Argumentation des Cornelius nachvollziehen, dass er Serapio nicht vertraute und ihm darob sein Leben nicht wollte anvertrauen, doch als er schlussendlich jedes weitere Wort unterband und ohne den geringsten digitus des Entgegenkommens den Raum verließ, blickte der Flavier einige Augenblicke mit offenem Munde die hinter dem Kaiser wieder geschlossene Türe an. Mochte es auch Serapios Schicksal sein, ob dessen sie sich ursprünglich hier hatten eingefunden, so war dies in diesen Augenblicken Gracchus gänzlich unbedeutend, glich der Abgang des Imperators doch einem Schlag ins flavische Gesicht, glich die Überheblichkeit Palmas doch einem offenen Affront. Nicht nur an diesem Tage, auch bereits zuvor bei seiner ersten, wie zweiten kaiserlichen Audienz hatte Gracchus mehr als eindringlich diesem deutlich gemacht, wie viel ihm an Faustus' Schicksal lag, hatte ihn nachdrücklich ersucht, in seiner Macht die Widrigkeit der verzerrten Wahrheit zu tilgen, doch Palma - obgleich er sich verständnisvoll und gönnerhaft gebar - rührte nicht einmal den kleinen imperialen Finger, überging das Ansuchen des Flaviers als wäre er nur eine lästige Fliege auf den kaiserlichen Edikten. Wut stieg in Gracchus empor, Zorn und Ingrimm - denn ohne sein Zutun hätte der Cornelier nicht einmal von der Konspiration Kenntnis erlangt, wäre nach dem gescheiterten Attentat auf Salinator ebenso nur Zuschauer der Ereignisse gewesen wie viele andere Senatoren auch.
    "Dieser ho'hmütige Blender … "
    , knurrte Gracchus.
    "Möge er im Schlaf an seinen verlogenen Worten er..sticken!"
    Abrupt stand er auf, Serapios beinahe nicht mehr gegenwärtig. Obgleich er nicht genau wusste, was er zu tun gedachte - ganz zu schweigen davon, dass seine Feigheit und Furcht ohnehin ihm jegliche fanatische Tat würden zu verhindern wissen -, mochte der aufwallende flavische Furor in ihm nicht akzeptieren, dass er letztlich nur dazu hatte beigetragen, den einen Ignoranten gegen den nächsten auszutauschen. Zu viel hatten sie in Bewegung gebracht, zu viel Blut vergossen und zu viel Schrecken über das Imperium Romanum gezogen, als dass Gracchus sich in dieser Causa mit ein paar überheblichen Worten mochte abspeisen lassen.
    "Diese Angelegenheit ist noch nicht beendet!"
    fuhr er Serapio an als wäre es der Decimer gewesen, welcher ihn hatte diskreditiert, ehedem er sich zur Türe wandte und ungehalten den Raum verließ. Hätte Gracchus in diesem Augenblicke bereits geahnt, dass die unergründlichen Launen der Götter den Kaiser nur wenig später bereits im Schlaf tatsächlich an seinen Worten ersticken ließen und so dem Flavier jede Gelegenheit raubten, diese Angelegenheit zu einem Ende zu bringen - allfällig wäre er schlichtweg mit seinem Kopf gegen die verschlossene Türe gelaufen.

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  • Gütige Isis, ewiger Serapis! Dass Cornelius gegenüber Vernunft und logischen Argumenten ebenso immun war, wie seine höchst imposanten Heere unverwundbar gegenüber unseren Speeren und Schwertern gewesen waren – das war ja nichts neues.
    Doch dass er sich inmitten dieses Gespräches, gerade an der Stelle wo es endlich möglich gewesen wäre nach all dem vagen, ausweichenden Blabla, nach all dem zähen gegen Windmühlenflügel reden, endlich ein konkretes Ergebnis zu erreichen, dass er da nach einer blasierten Tirade abrupt aus dem Raum flitzte – das war schon ein neuer Gipfel der Seltsamkeit.
    Verstört schüttelte ich den Kopf, murmelnd:
    "Bona Dea. Wir hätten ebensogut mit der Wand reden können..."


    Manius war wutentbrannt – ich zuckte zusammen als er mich so anfuhr, ich hatte ihn noch niemals so zornig gesehen! Kein Wunder, musste ihm doch soeben vollends glasklar geworden sein, dass sie mit all ihren Machenschaften und all dem Blutvergießen nur einen skrupellosen Macht-Greis auf den Thron gebracht hatten, der schon recht senil erschien (oder war er vielleicht einfach furchtbar schwerhörig, war das der Grund?), und lieber seine persönlichen Ressentiments pflegte, als sich einen Feind zum wertvollen Verbündeten zu verwandeln, lieber zeterte als die Zerrissenheit des Reiches zu kitten, lieber Manius, den Mitverschwörer der um all seine dunklen Geheimnisse wusste, brüsk beleidigte als sich diesen kostbaren Pfeiler seines Machterhaltes bei Laune zu halten.
    Wie, so fragte ich mich, wie in aller Welt war es nur möglich dass eine Figur mit so lausigem politischem Instinkt Kaiser geworden war? Hatten die Verschwörer vielleicht den Einfältigsten aus ihrem Kreis für den Thron ausgewählt, in dem Irrglauben ihn später um so besser kontrollieren zu können?


    Doch diese Theorie reichte nicht aus, um auch die anderen zahlreichen merkwürdigen, schier unglaublichen Phänomene zu erklären, die den Aufstieg des Cornelius umschwirrten wie eine Wolke Fliegen den Unrat. Den Kopf in die Hände gestützt, die Ellbogen auf dem Tisch, sann ich verstört darüber nach:
    Seine unverwundbaren Heere, der gezielte Dauerregen auf unsere Truppen, das Verschwinden unserer Flotte in der Adria, die selbstmörderische Palma-Begeisterung die die Bauern der Po-Ebene wie ein Hirnfieber ergriffen, und dazu gebracht hatte eigenhändig ihre Dämme niederzureissen, die plötzliche Gleichgültigkeit zuvor ehrenhafter Männer angesichts des Giftmordes an der Kaiserfamilie, und nun dieser bizarre Auftritt – etwas stimmte da nicht, konnte eigentlich gar nicht sein, stimmte auf einen sehr tiefgreifende Weise nicht, vermittelte eine Ahnung davon wie brüchig unsere Wirklichkeit war. Und wie verletzlich. Wir lebten in unserer Wirklichkeit wie... in einer dünnen Schicht Glasur auf einem Kuchen, und darunter gab es Höhlen und Tunnel in denen etwas ganz anderes herumkroch, etwas von dem man nur hoffen konnte dem nie zu begegnen....
    Ein pochender Schmerz kroch in meine Schläfen, bei diesen grausigen Gedanken, und an den Rändern meiner Wahrnehmung begann die Welt auszufransen, abzublassen, sich zu verwandeln, in Worte und Stränge... Furchtsam schloss ich die Augen, schüttelte den Kopf, versuchte diese wahnsinnige Erkenntnis abzuschütteln, wieder zu vergessen! Ich wünschte, Manius wäre noch hier... doch er war schon hinausgestürmt. Vorsichtig öffnete ich die Augen wieder, fuhr mit der flachen Hand über die Tischplatte vor mir. Sie fühlte sich solide an, und echt. Und auch die Dinge in den Ecken erschienen wieder wie zuvor. Gut.... soweit...


    Langsam erhob ich mich, zog meine Leinentoga um mich, ging steifbeinig hinaus aus der Rhegia. So widersinnig dieses Treffen gewesen war... so bestürzend die Erkenntnis... ein gutes hatte es doch... überlegte ich losgelöst, während ich in mich gekehrt zum Tempel zurückging. Wenn Cornelius tatsächlich nur so etwas war wie... eine Anomalie im Gewebe der Wirklichkeit, ein Webfehler der Realität, ein seltsames Phänomen, so etwas wie eine ganz schlimme Getreidefäule oder eine Hirnfieber-Seuche oder ein Kalb mit zwei Köpfen... dann konnte dieses Phänomen nicht ewig währen. Seuchen liefen sich tot, und Kälber mit zwei Köpfen überlebten, meines Wissens nach, auch nicht lange. Zudem... war es, so betrachtet, wahrscheinlich gar nicht Manius' Schuld, dass er da in diesen Irrsinn, der doch gar nicht zu ihm passte, hineingeraten war, dass er, obgleich er doch ein Mann von Ehre und hoher Moral war, wie so viele andere auch diesem Wahn zum Opfer gefallen war... Ein seltsamer Gedanke. Und doch einer, der viel erklärte, und der es mir leichter machte, ohne Groll an Manius zu denken.

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