Tariq hatte Cimber beim Abschied am Tor noch müde zugewinkt – ihn würde er, wenn alles gut lief, spätestens bei der Ala irgendwann wiedersehen – und war Hadamar dann auf die Straßen Mogontiacums gefolgt. Sein Blick folgte gelegentlich der Hand seines Freundes, wenn dieser ihn auf etwas hinwies, aber so richtig aufnehmen konnte er es nicht. Was ihm auffiel, denn das war nun mal etwas, das man schlecht ignorieren konnte, war die Andersartigkeit der Behausungen … und natürlich die der Bewohner. Sehr viele waren größer als er selbst, sogar einige der Frauen, und auch, wenn es durchaus dunkelhaarige Menschen gab, sah er doch viele, die goldenes Haar hatten. Dies hatte er auf der Reise hierher ein ums andere Mal gesehen, in seiner Heimat jedoch nie, weshalb er immer noch staunend stehenblieb, um die Haarpracht des einen oder anderen Stadtbewohners oder insbesondere der einen oder andere Stadtbewohnerin zu betrachten. Er fragte sich, was der thrakische Händler Viridomarus zu einer solchen Haarfarbe sagen würde! Dass er seinerseits von den Menschen angestarrt wurde, weil sein Äußeres hier wiederum eine Seltenheit war, nahm er gar nicht so richtig wahr. Zu überwältigt war er von all den neuen Eindrücken und zu müde von der langen Reise.
Irgendwann ließen sie die Häuser der Stadt hinter sich und kamen zu einem Anwesen, das etwas abseits auf einer Hügelkuppe lag. Als ihm klar wurde, dass das das Anwesen von Hadamars Familie sein musste, wäre Tariq am liebsten stehengeblieben. Er tat es auch kurz, musste aber dann fast laufen, weil Hadamar der Anblick offenbar neue Energie gab und er noch schneller ausschritt als vorher. Tariq hingegen war überrascht. Gut, er hatte gewusst, dass Hadamar aus einer ziemlich wohlhabenden Familie stammte, aber etwas theoretisch zu wissen und jetzt dieses Haus mit umliegenden Ländereien zu sehen, war dann doch noch mal etwas Anderes. Zumal er Hadamar nicht als reichen Sohn kennengelernt und ihn auch später selten so erlebt hatte. Es hatte maximal in einige Gesprächen durchgeschienen, und er hatte eine entsprechende Bildung besessen, von der Tariq als sein Zögling ebenfalls profitierte, aber vom Verhalten her war Hadamar sehr … na ja, nicht so, wie er sich einen reichen Sohn vorstellte.
Während sie über das familieneigene Land schritten, sah Tariq sich neugierig um. Um diese Jahreszeit wirkte alles etwas trist – die Bäume, die ihre kahlen Äste in den grauen Himmel reckten, das braune Erdreich, das selbst in seinem aktuell schlummernden Zustand verriet, dass es fruchtbar sein musste. Zumindest im Vergleich zu allem, das Tariq von Zuhause gewohnt war. Auf einem der Äcker lief ein einsames Huhn herum, das offensichtlich ausgebüchst war. In Caesarea früher hätte er sich über die praktische Mahlzeit gefreut, aber die Zeiten, in denen er sich selbst um sein Essen hatte kümmern müssen, waren auch in Kappadokien längst vorbei gewesen.
Hadamar klopfte an eine Tür, die ebenfalls äußerst beeindruckend war. Auf der einen Seite war ein fremdländisch gekleideter Mann zu sehen, offensichtlich in einheimischer Tracht, nach allem, was er bisher gesehen hatte, der einem Römer auf dem anderen Türflügel die Hand reichte. Ehe er sich aber in die Details der Türschnitzereien oder der ebenfalls aufwändigen Verzierungen der vorgestellten Säulen vertiefen konnte, öffnete sich die Tür. Eine junge Frau stand dort und fragte nach ihrem Begehr. Er musterte sie kurz neugierig und nickte ihr dann zur Begrüßung zu, als Hadamar ihn vorstellte. Er war ein bisschen überrascht, dass Hadamar nicht erkannt wurde, aber andererseits war er schon sehr lange nicht mehr hier gewesen. Viele Jahre, wenn Tariq sich recht entsann.