Neues Leben unter einem fremden Dach

  • Mit der letzten Presswehe kam das Köpfchen ganz zum Vorschein und auch die Schultern waren schnell hervorgeholt. Sanft glitt das kleine Wesen in Alpinas Hände. Sie hob es hoch und prüfte mit einem kritischen Blick, ob auch alles dran war. Das kleine Mädchen tat einen tiefen Schnauferer und begann dann zu quäken.
    "Es ist ein gesundes, kleines Mädchen! Gratuliere zur Tochter, Octavena!", antwortete Alpina erleichtert auf die Frage der Mutter.


    Das Baby war noch mit wenig Blut, vor allem aber der Käseschmiere bedeckt, die alle Kinder im Mutterleib umgab. Seine Hautfarbe war rosig, die Haut warf die üblichen Falten, die jedes Neugeborene hatte. Alles war ganz normal. Perfekt, wie Mutter Natur diesen kleinen Menschen geschaffen hatte. Sie wickelte das Kind in eines der bereitliegenden Tücher und legte es der erschöpften Octavena in den Arm.
    "Sieh´ da, deine Tochter", sagte sie und konnte sich an dem Anblick der überglücklichen Mutter mit ihrer süßen Kleinen gar nicht sattsehen.


    Während sich Mutter und Tochter gegenseitig begrüßten, nahm Alpina aus dem Korb mit ihren Utensilien einen Bindfaden, mit dem sie die Nabelschnur abband. Dann holte sie ihr Etui mit den Instrumenten hervor. Ihr ganzer Stolz war ein Skalpell mit einer Silberschneide. Sie hatte es extra für die Entbindungen anfertigen lassen. Es galt als schlechtes Omen, die Nabelschnur mit einer Eisen- oder Stahlklinge zu durchtrennen. Der Aberglaube besagte, dass ein Kind, das mit Eisen von der Mutter getrennt wurde, auch von einer eisernen Klinge getötet werden würde. Neben dem Skalpell mit der Silberklinge enthielt das Etui aber auch ein Schilfrohr. Mit der scharften Klinge angeschrägt war es fast ebensogut geeignet, um einen glatten Schnitt zu machen. In ihrer Heimat Raetia bevorzugten die Einheimischen diese Methode.
    Sie fragte deshalb Octavena, wie sie die Abnabelung gerne hätte. Eine Schere lag schließlich auch noch parat, doch diese war aus Eisen gefertigt.

  • Ein Mädchen. Ihre Tochter. Ihr Kind.
    Einen Moment starrte Octavena nur erstaunt auf das kleine, rosa Bündel, das Alpina ihr in die Arme gelegt hatte, noch unfähig, alles richtig zu begreifen.
    Ihre Tochter. Die beiden Worte wiederholten sich in einer scheinbar endlosen Schleife bis endlich auch ihr Verstand hinterher kam und ein breites, glückliches Lächeln auf Octavenas Zügen erschien. Sie hatte es nicht nur geschafft, sie hatte eine gesunde, wunderschöne Tochter.
    "Hallo, meine Kleine", flüsterte sie leise, fast tonlos nach dem Geschrei der letzten Stunden und gab ein kleines, heiseres Lachen von sich.


    Auf Alpinas Frage wandte sie nur verwirrt den Kopf. "Was? Äh... Das Skalpell ist gut."
    Ihre Umgebung erschien irgendwie so unendlich weit weg, so unwichtig und unbedeutend, als gäbe es nichts, das sie noch berühren konnte, während ihr Blick wieder zu dem Baby in ihren Armen wanderte und sie nicht damit aufhören konnte es anzusehen.

  • Alpina nickte mechanisch und ergriff das Skalpell. Dann durchtrennte sie mit einem schnellen Schnitt die Nabelschnur und ließ sie in die bereitsgestellte Schüssel ausbluten. Eine Weile beobachtete sie die junge Mutter und ihr Kind und genoss den Augenblick, den sie an ihrem Beruf am meisten liebte: wenn Mutter und Kind diese tiefe, innige Beziehung knüpften, die ein ganzes Leben lang halten würde.


    Als Octavena ihren Blick wieder von ihrer Tochter lösen konnte, fragte sie: "Möchtest du stillen oder hast du eine Amme für dein Kind?"


    Es war nicht nur deshalb wichtig, weil sie Octavena zeigen wollte, wie sie das Kind am besten anlegte, sondern auch weil das Saugen des Kindes an der Brust die Austreibung der Plazenta anregte. Würde Octavena nicht stillen, musste sie mit gezielten Massagen das Austreiben des Mutterkuchens zusätzlich anregen.

  • Crispus schlief den Schlaf der Gerechten - zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Marsus begann nach Gunda zu rufen. Aber er stellte keine Verbindung zu Octavenas Schwangerschaft her - genaugenommen war er sich nicht einmal ganz sicher, ob ihr neunter Monat bereits angefangen hatte. Das waren doch irgendwie Frauenthemen, die ihn nicht allzu sehr interessierten - selbst bei Lucius war er ja erst zur Geburt gerufen worden, während er an der Schwangerschaft kaum teilgehabt hatte (immerhin war er damals noch Soldat gewesen). Als dann aber Octavenas Schreie durch die Casa gellten, wurde ihm doch klar, dass etwas nicht stimmte. Verwirrt stand er auf und öffnete die Tür zum Innenhof, wo er auch schon Marsus mit dem Wasser vorbeiflitzen sah. Wasser, Schreie - na klar, es ging los!


    Hastig eilte er zu der Tür, hinter der Octavena und Marsus ihr Zimmer hatten. Natürlich war sie geschlossen und Morag stand davor Wache.


    "Ist es so weit?"


    fragte Crispus, als auch schon der nächste Schrei seiner Nichte zu hören war.


    "Ja, die Amme is' schon da."


    bestätigte der Sklave das Offensichtliche. Auch Privatus kam herbeigeeilt, sodass letztlich die gesamte Familia versammelt war. Wieder ein Schrei und dann... ein Quäken! Das Kind war scheinbar da!

  • Zitat

    Original von Susina Alpina
    ...


    "Nein", erklärte Octavena und schüttelte den Kopf, "Ich werde sie selbst stillen."
    Sie suchte nach einer etwas bequemeren Position und ließ sich von Alpina zweigen, wie sie ihre Tochter am besten hielt, während sie trank, und beobachtete lächelnd diese erste Nahrungsaufnahme des Babys. Die Müdigkeit und Erschöpfung mochten ihr schwer in den Knochen liegen, aber in diesem Augenblick wurde Octavena nur noch von echtem, ehrlichen Stolz erfasst.


    "Alpina?", fragte sie, als irgendwann ihre Tochter versorgt war, "Tust du mir einen Gefallen und gibst meinem Mann Bescheid?"
    Langsam tauchten wieder erste andere Gedanken als die Kleine in ihren Armen in Octavenas Geist auf, die sie daran erinnerten, dass es auch noch eine Welt außerhalb dieses Zimmers gab. Und dass zu dieser Welt auch Witjon gehörte, der wahrscheinlich seit sie ihn am Morgen unsanft geweckt hatte zumindest während ihres Geschreis auf glühenden Kohlen gesessen hatte.
    Wenn er davon wieder runter geholt war, würde sie Gunda auch bitten können, die Laken zu wechseln und etwas Schlaf finden. Denn spätestens, wenn das Hochgefühl, das sie im Moment noch erfüllte, abzuklingen begann, würde auch die Erschöpfung sie endgültig einholen und dann wollte Octavena einfach zur Ruhe kommen und den Schlaf nachholen, der ihr durch ihr Wandeln durch die Casa in den frühen Morgenstunden entgangen war.

  • Alpina nickte.
    "Gerne hole ich deinen Mann. Er soll seine Tochter schließlich auch begrüßen dürfen. Doch leider muss ich dir sagen, dass die Geburt noch nicht ganz vorbei ist. Die Plazenta muss noch geboren werden und weil du bei der letzten Presswehe ein wenig eingerissen bist, werde ich die Wunde am Damm wohl auch noch mit ein oder zwei Stichen nähen müssen. Aber das können wir selbstverständlich ein wenig später machen. Jetzt hole ich den Vater."

  • Witjon war schwer gestresst. Vielleicht nicht so sehr auf körperliche Weise wie seine Frau. Aber der psychische Druck, den der duccische Sippenführer in der Zeit durchstand, in der Octavena mit der Entbindung beschäftigt war, war erheblich. Er hatte schlichtweg Angst. Todesangst. Er fürchtete sich, dass er wieder seine Frau verlieren könnte. Wieder verwitwen könnte. Auf der anderen Seite war er voller nervöser Vorfreude auf ein weiteres Kind. Endlich!


    Die Zeit vertrieb Witjon sich mit Frühstücken, etwas Bier und herumtigern. In einer Comic-Version des IR hätte Witjon im Atrium bereits einen tiefen Graben eingelaufen. Da das aber nicht der Fall war, nutzten sich nur seine Schuhe ein wenig mehr ab. Crispus kam schließlich ebenfalls hinzu.


    Octavenas Schreie wurden zunehmend angsteinflößender und Witjon brach der Schweiß aus. Er trank noch ein Bier. Er lief Runden durch das Atrium. Er nervte Morag, er nervte Crispus. Er betete zu Frigg, Iuno, Donar und Iuppiter. Schließlich hörten die Schreie auf. Witjon stürzte zur Tür, wagte jedoch nicht einzutreten. Er trat von einem Fuß auf den anderen, zögerte. Dann das Krähen des Neugeborenen. Witjon atmete erleichtert aus. Das Kind lebte also. Und die Mutter? Er warf Crispus einen ängstlichen Blick zu.

  • Alpina suchte den Kindsvater. Sie traf ihn in Gesellschaft an. Mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen gab sie ihm schon beim Eintreten zu verstehen, dass es Mutter und Kind gut ging.


    "Ich gratuliere! Du bist soeben Vater einer gesunden Tochter geworden! Jetzt beeil dich! Geh zu deiner Frau, sie wartet auf dich!"

  • Noch gut konnte Crispus sich an den Schrecken der Geburt erinnern - ihm war es damals nicht anders gegangen als Marsus, der ihn ständig mit ängstlichen Fragen traktierte, dass der alte Petronier sich kurz fragte, ob Callistus' Geburt eigentlich schon länger zurück lag als die von Lucius. Glücklicherweise redete der Duccier dazwischen aber auch immer wieder mal auf Morag ein, sodass Crispus die Möglichkeit hatte, allein still vor sich hinzufiebern - immerhin war Octavena nicht nur Marsus' Frau, sondern auch seine Nichte! Und unter seinem Dach sollte keine Petronierin im Kindbett verbluten!


    Als es dann endlich so weit war und man das Kind schreien hörte, fiel der Alte seinem "Schwiegersohn" in die Arme.


    "Es wird alles gut!"


    versuchte er ihn in seiner Anspannung ein wenig zu beruhigen. Und als dann die Alpina strahlend die Tür öffnete war klar, dass alles hervorragend gelaufen sein musste.


    "Herzlichen Glückwunsch!"


    gratulierte er zuerst Marsus, obwohl er kurz stutzte - natürlich war eine Tochter schön, aber ein Sohn war doch etwas mehr wert! Andererseits hatten die Duccier ja beileibe genügend Söhne und auch Marsus schon einen Stammhalter...

  • Alpina erlöste Witjon von seinen Sorgen. Sie gratulierte ihm zur Geburt seiner Tochter. Eine Tochter! Bevor Witjon sich überhaupt richtig freuen konnte, wurde er schon von Marcus beglückwünscht. Sprachlos grinste er den Hausherrn an, wobei er ein bisschen Pipi in den Augen wegblinzeln musste.


    Er klopfte dem alten Petronier einfach glücklich auf die Schulter und rauschte dann an Alpina vorbei in das Zimmer, in den seine Frau lag und ihrer beider Tochter im Arm hielt. Witjon konnte nicht mehr aufhören zu lächeln. Er trat ans Bett heran. "Oh Octavena...", brachte er heraus, dann verstummte er und betrachtete das Geschöpf in ihren Armen. Dieses zerknitterte matschige Etwas war zwar (noch) nicht schön. Aber es war seine Tochter. Sie war gesund und hatte seine Frau nicht umgebracht. Witjon war überglücklich. Er küsste erst das Neugeborene und dann seine Frau auf die Stirn.


    Schließlich fiel ihm das Wichtigste ein: "Ach, ich sollte vielleicht mal..." Den Satz ließ er unbeendet. Vielmehr streckte er seine Hände nach dem Neugeborenen aus, um es von Octavena entgegen zu nehmen. Das Wichtigste war nun nämlich, dass er als Vater das Kind als sein eigenes annahm.

  • Octavena nickte Alpinas Erklärungen, dass es noch nicht ganz vorbei sei, einfach ab. Wie die Hebamme gesagt hatte. Darum würden sie sich später kümmern. Eins nach dem anderen.
    Und nun war der nächste Punkt erst einmal ihr Mann, der Vater des rosa Bündels in ihren Armen.


    Mit einem kleinen Lächeln beobachtete Octavena Witjons Mimik, als er den Raum betrat und sie sich zwang, für einen Moment die Augen von ihrer Tochter zu wenden. Von der Aufregung, mit der er auch herein geeilt kam, zu dem Dauerlächeln, das sie noch einmal fast genauso glücklich machte wie das Kind, das sie noch immer in den Armen hielt, über den Kuss, mit dem er Mutter und Tochter bedachte.
    "Unser Mädchen", erklärte Octavena dann, obwohl sie vermutete, dass Alpina ihm das Geschlecht schon mitgeteilt hatte, und übergab ihm mit schon penibler Vorsicht das Neugeborene.

  • Kloß. Im. Hals. Witjon konnte nicht sprechen, er war nur dazu in der Lage sein Töchterchen anzustarren. Octavena hielt ihm das kleine Etwas hin, das so zerbrechlich wirkte. Witjon nahm das eingewickelte Kind mit äußerster Behutsamkeit an sich. Jetzt konnte er einen genaueren Blick auf das zerknautschte Gesicht werfen. Winzige Finger griffen ins Leere und seine Tochter ließ ein unbestimmtes Quängeln hören.


    "Frigg sei gepriesen", sagte er schließlich und ließ damit erstmal der Göttin Ehre zuteil werden, die hier maßgeblich mitgewirkt hatte. "Sie ist...", begann er dann wieder und kam doch ins Stocken. Er meinte das Kindchen in seinen Armen, doch es hatte ihm die Sprache verschlagen. Witjon lächelte nur, so überwältigt war er von diesem glücklichen Augenblick, den er am liebsten ewig festhalten wollte.


    Aber die Nornen sponnen ihre Lebensfäden stetig weiter und so vergeht auch der schönste Moment. Witjon sah seine Frau an. "Wie geht es dir?", fragte er in echter Anteilnahme. Er wollte sich gar nicht ausmalen, welche Strapazen Octavena hinter sich hatte. Die Schreie, die er gehört hatte, ließe es ihn aber ansatzweise erahnen.


    Er setzte sich zu Octavena auf die Bettkante. Während er ihre Antwort abwartete, konnte er nicht widerstehen mit seinem Zeigefinger die Hand seiner Tochter anzustupsen, um den Greifreflex ihrer Finger zu testen.

  • Nun, wo sie das Neugeborene an ihren Mann übergeben hatte, konnte Octavena eine ähnliche Szene wie schon zuvor Alpina beobachten: Der erste Kontakt zwischen Eltern und Kind. Ein vorsichtiges Kennenlernen begleitet von leisem Gequengel des Babys und dem faszinierten Blick des Erwachsenen, in dessen Armen es lag.
    Lächelnd ließ Octavena sich in die Kissen zurück sinken und sah einfach dabei zu, wie Witjon ihre gemeinsame Tochter betrachtete, so überwältigt, dass er seinen Satz abbrach als fehlten ihm die Worte, um das Bündel in seinen Armen angemessen zu beschreiben. Und in diesem Moment hatte auch Octavena das Gefühl, dass ihr Herz bersten wollte. Vor Glück. Vor Stolz. Vor Liebe und vor Rührung angesichts des Bildes, das sich ihr hier bot.


    "Soweit ganz gut", antwortete sie dann irgendwann schließlich auf seine Frage, auch wenn sie im Stillen doch etwas belustigt davon war. Wie sollte es ihr schon gehen? Sie hatte gerade Stunden schreiend damit verbracht, ein Kind zur Welt zu bringen. Zuckerschlecken war das sicher nicht gewesen. Ein Gedanke, den sie allerdings für sich behielt, denn Witjon meinte es ja doch nur gut.
    "Etwas Schlaf und Ruhe und ich bin bald wieder auf der Höhe."
    Ein Lächeln huschte über ihr müdes Gesicht, als sie zusah wie ihre Tochter ihre kleine Hand um seinen Zeigefinger schlang. "Mach dir da keine Gedanken."

  • Crispus schob sich hinter Marsus auch in den Raum - immerhin war er der Hausherr und ziemlich neugierig, wie das neueste Familienmitglied wohl aussehen würde! Allerdings hielt er sich vorerst im Hintergrund und beobachtete die Szenerie, bis Octavena und ihr Mann sich das kleine Ding ausgiebig angesehen hatten.


    Für den Alten war das natürlich nicht die erste Geburt, die er verfolgte - allerdings lag die erste und letzte schon fast zwanzig Jahre zurück und er hatte ganz vergessen, wie hässlich Neugeborene waren! Dieser schimmelartige Belag auf der Haut, die Zerknautschtheit, die ein Mensch erst wieder auf der Totenbahre hatte - alles in allem wirklich nicht unbedingt das Schönste! Das Mädchen brauchte ein Bad und viele Jahre, bis sie zur vollen Schönheit herangereift sein würde!


    Aber für Eltern war das alles natürlich anders und selbst das kalte Herz eines Primipilaris ließ sich vom Quäken eines Babys anrühren, sodass er auch milde lächelte und seine unfreundlichen Gedanken für sich behielt.


    "Habt ihr denn schon einen Namen?"


    fragte er dann doch in die traute Zweisamkeit des Paares.

  • "In Ordnung", sagte Witjon lächelnd. Er war mit Octavenas Antwort zufrieden, hatte nichts anderes zu hören gehofft. Er hatte sich versichert, dass alles in Ordnung war und war seinen Pflichten als Ehemann nachgekommen, indem er das Neugeborene als sein Kind angenommen hatte. Im Grunde genommen konnte er sich jetzt einfach wieder aus dem Zimmer stehlen und einer anderen Tätigkeit nachgehen.


    Marcus Petronius Crispus platzte sodann in die Szene herein. Witjon zeigte dem Petronier seine Tochter und antwortete: "Nein, noch nicht. Man wartet doch acht Tage bis zur Namensgebung, nicht wahr?" Er schmunzelte. Eigentlich wusste Marcus das als Pontifex ja. Octavena fragte er daraufhin allerdings: "Oder hast du dir schon einen Namen überlegt, den unsere Kleine hier bekommen soll?" Inständig hoffte Witjon, dass das Neugeborene so lange überlebte und noch viele Jahre mehr.

  • "Naja, offiziell - aber man darf ja schon vorher nachdenken..."


    meinte Crispus und grinste schief. Er hatte seinen Lucius damals gleich nach der Geburt benannt - nach dem alten Divus Iulianus. Aber andererseits war es natürlich auch nicht dumm, ein wenig zu warten, denn viele Kinder überlebten die ersten acht Tage gar nicht, sodass man dann wohl auch weniger Schmerz verspürte...


    Aber dann sah er auch interessiert zu Octavena, die hier trotz ihrer sichtbaren Erschöpfung scheinbar ein bisschen das Heft führte.

  • Natürlich hatte Octavena sich schon den einen oder andern Gedanken zu möglichen Namen für ihr Kind gemacht. Zumindest was den römischen Part anging, denn als Teil einer germanischen Familie würde ihre Tochter vermutlich wohl eine doppelte Benennung erfahren. Das war eines der Dinge gewesen, womit sie sich in ihrer Schwangerschaftsnervosität abgelenkt hatte.
    Trotzdem war das eigentlich eine Entscheidung, die sie nicht allein treffen wollte, und erst recht nicht wollte sie Witjon gegenüber ihrem Onkel vor vollendete Tatsachen stellen, auch wenn beide Männer sie nun fragend anblickten.
    Kurz überlegte sie, die Sache einfach zu verschieben und sich auf ihre eigene Müdigkeit zu berufen, aber dann blieb ihr Blick wieder auf ihrer Tochter in Witjons Armen haften und genauso schnell wie der Gedanke aufgekommen war, verschwand er wieder. Zwar mochte noch Zeit sein bis sie sich offiziell für einen Namen entschieden haben mussten, aber es bestand - egal wie sehr Octavena es zu verdrängen suchte - immer noch die Chance, dass alle Gebete nutzlos sein und ihre Kleine nicht einmal diese wenigen Tage überleben würde. Aber selbst dann sollte sie doch nicht namenlos sterben. Und schließlich hatte Crispus ja auch Recht: Man durfte doch mal wenigstens darüber nachdenken.
    "Was hälst du von Camelia?", entschied Octavena sich also der bleiernen Müdigkeit in ihren Knochen zum Trotz für den Mittelweg und formulierte ihren Vorschlag absichtlich als eine Frage an ihren Mann, um ihm auch noch eine Möglichkeit zum Widerspruch zu bieten, während sie selbst weiter den Blick kaum von dem Neugeborenen in seinen Armen wenden konnte, "Oder willst du sie nach jemandem benennen?"

  • Camelia. Witjon wiederholte den Namen ein paar Mal in Gedanken. Camelia. "Camelia", sprach er es dann nochmal nachdenklich aus. "Ja, das ist ein schöner Name. Duccia Camelia." Witjon nickte zustimmend.


    Auf Octavenas Frage hin legte er den Kopf schief und erklärte zurückhaltend. "Hmm, ich dachte wir geben ihr als germanischen Namen den meiner Mutter: Ildrun. Duccia Camelia, auch genannt Ildrun. Ich finde das klingt wirklich gut." Witjons Blick auf seine Frau konnte man deutlich die Frage entnehmen, ob sie damit einverstanden wäre. "So hätte jeder von uns einen Namen beigesteuert", bemerkte er schmunzelnd. Geschlechtergerechtigkeit auf duccisch, sozusagen. :D


    Marcus' Frage müsste damit jedenfalls hinreichend beantwortet sein, befand Witjon anschließend.

  • Alpina fand, dass es an der Zeit war, die frisch gebackenen Eltern stören zu dürfen, um ihre Arbeit fortzusetzen. Sie klopfte energisch an die Tür und als ihr geöffnet wurde, schickte sie die Männer freundlich aber nachdrücklich aus dem Zimmer.
    "Entschuldigt bitte, aber Octavena braucht jetzt Ruhe. Außerdem sind noch nicht alle Vorkehrungen getroffen. Wenn ihr uns also bitte noch einmal alleine lassen würdet..."


    Sie nahm dem verduzten Vater das Mädchen aus der Hand und ging zu Octavena hinüber. Ihr legte sie den Säugling in den Arm.
    "Spürst du die Nachgeburtswehen? Es müsste bald soweit sein, dass die Plazenta geboren wird. Es ist ungemein wichtig, dass sie unversehrt und in einem Stück geboren wird. Außerdem werde ich deinen Damm noch mit ein oder zwei Stichen nähen müssen."
    Sie versuchte es sanft und vorsichtig zu sagen, auch wenn ihr klar war, dass Octavena die Vorstellung nicht gefallen würde.
    "Anschließend bade ich deine Tochter noch, verbinde den Nabel und wickle sie entsprechend. Dann bist du mich für heute los. Ich werde aber in den kommenden Tagen immer wieder nach dir sehen, den Heilungsverlauf kontollieren und sehen, ob sich die Kleine gut entwickelt. Die ersen Tage sind immer kritisch für Mutter und Kind..."


    Während sie auf Octavenas Antwort wartete, richtete Alpina ihre Instrumente her und schickte Gunda erneut heißes Wasser zu holen und eine kleine Wachwanne für das erste Bad der Kleinen zu richten.

  • Octavena nickte nur stumm auf den Namensvorschlag ihres Mannes hin, zum einen weil sie tatsächlich nichts dagegen hatte, zum anderen hätte sie aber wahrscheinlich auch keine Diskussion begonnen, wenn dem nichts so gewesen wäre, denn Erschöpfung und Müdigkeit hatten nun endgültig das erste Hochgefühl, das sie beschlichen hatte, vertrieben und im Grunde wünschte sie sich nur noch Ruhe. Und das so schnell wie möglich.


    Glücklicherweise war Alpina es, die Octavena die unschöne Aufgabe abnahm, die Männer aus dem Raum zu komplimentieren, und die auch weiter wie schon in den Stunden davor sanft und freundlich, aber bestimmt, Anweisungen gab. Diese Art sanfter Gewalt ließ auch Octavena in Kombination mit der Müdigkeit, die in ihren Gliedern wohnte, einfach alles hinnehmen, was die Hebamme sagte.
    Nicken und gehorchen beziehungsweise alles über sich ergehen lassen.
    Nach den letzten Stunden überraschte es sie dann fast wie schmerzlos die Plazentageburt von Statten ging und auch danach ließ sie schläfrig wie sie sich inzwischen fühlte Alpina einfach weiter gewähren.
    Octavena wollte sich nur noch ausruhen. Wieder Kräfte sammeln. Nur noch schlafen.

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