[Taberna Medica Alpina]

  • Seit der Nachricht über Corvinus Tod war nichts mehr wie es vorher gewesen war. Alpinas Trauer über ihn hatte einen Keil zwischen die beiden frisch Verliebten getrieben. Die Raeterin spürte, dass Massa unsicher war, sich zurückzog. Sie sahen sich weniger als zuvor. Das Verhältnis war reserviert.


    Nun schien es endgültig zum Bruch zu kommen. Sie sah ihn traurig an.
    "Entschuldige, Massa. Ich dachte, dass Corvinus mich verlassen hätte und war sehr enttäuscht. Als ich nun erfuhr, dass er auf dem Weg zu mir und Ursi starb, hat mir das gezeigt, dass ich ihm unrecht getan habe. Das hat zwar mit uns nichts zu tun, aber hat mich doch mehr ins Grübeln gebracht als ich geahnt hatte. Ich glaube ich bin nicht noch einmal bereit hinzunehmen, dass der Mann, den ich liebe von heute auf morgen verschwindet, abkommandiert wird oder im Einsatz stirbt. Es tut mir leid, Massa."


    Auch er schien frei sein zu wollen. Sie antwortete noch auf seine Äußerung von der "Schuld" in der er sich fühlte.
    "Du stehst längst nicht mehr in meiner Schuld. Denn du hast sehr viel für mich getan. Ich danke dir sehr herzlich dafür und in Ursis Namen ebenfalls."


    Dann wurde Massa ganz geschäftsmäßig. Alpina spürte einen Kloß im Hals. Doch dann gelang es auch ihr umzuschalten.
    "Um welche Art Wunde handelt es sich? Eine offene Wunde, großflächige Schürfwunde oder bereits verheilte Wunde, die aber noch verschorft oder empfindlich ist? Oder eine Brandverletzung?"

  • Beinahe hätte er noch etwas dazu gesagt. Das der dem sie Nachhing ein Deserteur war , ein Feigling, der sich seiner Strafe nicht wie ein Mann gestellt hatte. Es war für ihn anhand er Indizien und Beweise sonnenklar, dass der Mann den sie gefunden hatte genau der Corvinus, der Deserteur gewesen war.
    Und diese Ausreden verschwinden, abkommandieren und im Einsatz sterben, er konnte sie einfach nicht mehr hören.


    Leise und bestimmt antwortete er dann doch. „ Behalte deine Ausreden. Behalte deinen Dank. Den kannst du an den Toten weitergeben. Bedanke dich bei ihm oder bei dem nächsten der kommen wird. Da bin ich mir übrigens ganz sicher. Der hoffentlich nicht verschwinden, abkommandiert oder im Einsatz sterben wird.“ Massa sah sie an in seine Augen nur Trauer. „ Ich will einfach nur vergessen.“


    „ Um welche Art von Wunde? Ich zeig sie dir. Da, da drin, ganz tief da drin.“ Er zeigte auf seine Brust. „ Dafür hast du bestimmt nichts da.“ Er drehte auf dem Absatz um und verließ die Taberna.

  • Dass Massa enttäuscht war konnte Alpina verstehen, doch sie sah die Schuld nicht nur bei sich. Die Kommunikation zwischen ihnen war mehr als mangelhaft gewesen. Sein Unverständnis gegenüber ihrer Trauer tat ein übriges. Aber eine Szene war nun gar nicht das was Alpina brauchte.
    "Ja so ist es. Dafür habe ich nichts. Dafür ist die Zeit zuständig. Sie heilt alle Wunden. Tempus facit aerumnas leves."


    Auch ihr tat es weh, jedoch hatte sie eine andere Art und Weise damit umzugehen.


    Und wenn er nicht selbst sofort zur Tür hinausgerauscht wäre, hätte sie ihm nun definitiv die Tür gewiesen.

  • Das Türglöckchen kündete von einem Besucher. Massa blieb an der Tür stehen. Er rechnete damit, dass sie ihn gleich wieder hinauswarf. Ihr gutes Recht. Sein Auftreten beim letzten Besuch gab ihr allen Anlass dazu.

  • Als die Türglocke einen Besucher ankündigte räumte Alpina gerade das Regal hinter dem Tresen auf. Sie drehte sich um und erkannte Massa. Der Herzschlag beschleunigte sich, ihre Kehle wurde trocken. Was wollte er hier? Sie erneut beschimpfen? Wieder ein vermeintliches Heilmittel für seinen Liebeskummer besorgen?
    Alpina war unsicher, wie sie das Gespräch beginnen sollte, entschied sich dann für eine neutrale Begrüßung.


    "Salve, Massa. Wie kann ich dir helfen?"

  • Sie blieb unerwartet ruhig. Kein Schreien, kein Beschimpfen, nichts kam geflogen, kein Rausschmiss. Diese Ruhe brachte ihn total aus dem Konzept. Ihren Blicken wich er aus. „ Ich habe da ein Ziehen in der Schulter.“ - - Du jämmerlicher Feigling. Du Egoist. Kannst du dir nicht vorstellen wie sie sich fühlt??? Bringst du es nicht mal fertig dich zu entschuldigen?!?!? Männer in den Tod schicken. Sich selbst den Kopf einschlagen lassen. Aber nicht dazu im Stande, sich bei einer Frau zu entschuldigen. Was für ein Schwächling. - - Dröhnte es in seinem Kopf. „Hättest du eventuell eine Salbe dafür?“ Ihm wurde warm. Er fühlte sich so erbärmlich.

  • Ein Ziehen in der Schulter also? Alpina musterte Massa nachdenklich. Was sollte sie tun? Ihn der Lüge bezichtigen? Ihn rauswerfen? Oder ihn behandeln wie jeden anderen Hilfesuchenden in der Taberna medica.


    Ebenso feige wie er, entschied sie sich für letzteres.
    "Selbstverständlich!"


    Sie drehte sich um und holte aus dem Regal, das sie eben eingerichtet hatte eine Dose mit einer Heilsalbe heraus. Sie ergriff die wärmende und Durchblutung fördernde Salbe, die Rosmarin, Beinwell und Arnika enthielt.
    "Das hier ist eine wärmende und Durchblutung fördernde Salbe. Die sollte dir helfen."


    Ein Blick in seine dunklen Augen offenbarte, dass die schmerzende Schulter wohl nicht der Grund seines Besuches war.
    "Und wie geht es dir sonst?", fragte sie vorsichtig.

  • Eine fertige Salbe. Eine fertige Salbe half ihm nicht weiter. Er brauchte Zeit! Er nickte bei ihrer Erklärung. Nicht diese Frage. Wie antworten? – Blendend! Sag ihr dir geht‘s blendend! Und vergiss nicht dich zu entschuldigen. „Ganz Gut. Ich….“ Er sah auf seine Hände. „ Ich brauche was gegen raue Hände.“ Massa holte tief Luft. Sah für einen Moment zu ihr. „ Ich wollte… ich will mich bei dir entschuldigen. Für das was alles passiert ist. Es tut mir leid. Ich weiß nicht warum, ich. Ich habe mich geirrt. Es war alles ein Fehler von mir.“ Es war raus. Sollte er fragen wie es ihr ging. Vielleicht ging es ihr jetzt besser. „ Wie gehts dir?“

  • Bla, bla, bla... allgemeines Gewäsch. Alpina begann wütend zu werden. Raue Hände... ja klar! Was kam als nächstes? Hämorrhoiden?


    Dann aber kam die Überraschung. Massa entschuldigte sich. Schnell, fast eilig. Er reihte eine Menge kurzer Sätze aneinander. Entschuldigen...leid tun...weiß nicht warum... geirrt... Fehler...


    Alpina starrte ihn an. War das sein Ernst? Es klang nicht wirklich sehr überzeugend. Aber immerhin - er entschuldigte sich.


    Dann kam die Frage, wie es ihr ging....


    Ja, wie ging es ihr? Vor allem jetzt, nach dem Geständnis? Was sollte sie antworten? Ganz gut, wenn man davon absieht, dass ich vermute von dir schwanger zu sein... Nein! Ausgeschlossen! Was dann? Gut? Weit gefehlt! Gut ging es ihr nicht, aber sollte sie ihm das auf die Nase binden?


    Die Raeterin starrte ihn an. Um Zeit zu gewinnen drehte sie sich wieder zu ihrem Regal. Sie holte eine weitere Dose mit einer Salbe gegen raue Hände. Als sie sich zurückdrehte, sah sie wie schwer es ihm fallen musste, diesen Schritt zu tun.
    "Nun, wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich gut. Aber interessiert dich das überhaupt?"

  • Massa stand da, die Hände zu Fäusten geballt. „ Das ist nicht gut. Und ...JA, es interessiert mich sehr, Alpina.“ Wie machte er ihr begreiflich, dass er…. Sie war in sein Leben getreten. Sie war für ihn wie ein neuer Anfang. „ Alpina, ich kann es nicht. Ich kann das, was zwischen uns war nicht einfach so ablegen und vergessen.“ Er liebte sie. Egal was in der Zwischenzeit passiert war. Er würde sie nicht aufgeben. Sie konnte ihn ablehnen, ihren eigenen Weg gehen. Er würde sie trotzdem weiter lieben. „ Du kannst nichts dagegen tun und ich werde damit leben.“ Vielleicht war da in ihr noch ein kleiner Funke. Nur so viel, dass sie ihm wenigsten verzieh. Ihm wäre lieber, er könnte die Zeit zurück drehen.

  • Das Geständnis, das nun folgte, ließ Alpinas ganze Wut verpuffen.
    Ja, auch sie hatte ihn geliebt. Die erste Zeit ihrer Beziehung war wundervoll gewesen. Die Nacht, die sie gemeinsam verbracht hatten, war überaus erfüllend gewesen. Doch in der Folge waren so viele Dinge passiert. Massas Unverständnis über ihre Trauer als sie von Corvinus Tod erfahren hatte und auch sein andauerndes Nachbohren wie und auf welche Art er zu Tode gekommen war hatten ihr Vertrauen in ihn in seinen Grundfesten erschüttert. Sie wollte dass die Manes von Corvinus ihre Ruhe fanden.


    Die ganze Geschichte hatte nicht nur Massa zum Zweifeln gebracht, ob die Beziehung von Dauer sein konnte, sondern auch sie. Alpina zweifelte ob des erlebten Verschwindens und schließlich bestätigten Todes ihres Lebensgefährten Corvinus daran, dass sie noch einmal einen Soldaten als Partner haben wollte. Die Gefahr, dass sie ihn plötzlich und ohne Vorwarnung wieder verlieren konnte, war einfach immer gegeben, wenn ein Mann sich dem Exercitus verschrieben hatte und unter dem Adler diente.


    Alpina hatte in den vergangenen Wochen Zeit gehabt über ihre Wünsche für die Zukunft nachzudenken. Sie hatte beschlossen, keine feste Beziehung mehr einzugehen und stattdessen ihre ganze Aufmerksamkeit der Erziehung ihrer Tochter Ursicina zu widmen. Doch wie sollte sie das nun Massa sagen?
    "Es tut mir auch leid, dass die Umstände einen Keil zwischen uns getrieben haben. Das ist nicht mein Wunsch gewesen. Glaube mir, auch ich kann nicht vergessen was zwischen und war. Und ich will es auch gar nicht. Dafür war es zu schön und außergewöhnlich. Ich habe mich lange nicht so wohl gefühlt wie in deiner Gegenwart. Wollen wir versuchen, das was uns verbindet auf eine andere Stufe zu stellen? Wollen wir uns einfach so nehmen wie wir sind? Du der Tribun einer Legion, ich eine Peregrine ledige Mutter einer Tochter, die ihr selbstständiges Leben führt?"

  • Ihr Wunsch selbstständig zu Leben. Als ledige Mutter. „ Wie du willst. Ändern kann ich nichts daran.“ Für sich sah er es anders. „Ich bin aber nicht als Tribun hier. Ich bin als einfacher Mann hier, der dich liebt.“ Er zückte seinen Geldbeutel. „Was ist dir der Tribun für die Salben schuldig? Der Tribun darf hoffentlich weiterhin deine Hilfe als Kräuterfrau in Anspruch nehmen?“ 10 Sesterzen zählt er auf den Tresen. „ Falls du Hilfe vom Tribun brauchst und nicht zu Stolz bist sie anzunehmen. Du weißt wo du ihn findest.“ Keine Frage, er würde ihr helfen. Innerlich widerstrebte es ihm sie so gehen zu lassen, aber es war ihr Wunsch.

  • Alpina spürte den verletzten Stolz und sie wusste, dass sie Massa weh tat. Aber der Verlust von Corvinus hatte ebenso weh getan. Noch einmal wollte sie das nicht erleben.
    Sie schob ihm die Sesterzen zurück.


    "Weder der Tribun noch der Mann schulden mir etwas. Ich hoffe sehr, dass wir eine Möglichkeit finden, abseits einer Liebesbeziehung, freundschaftlich und respektvoll miteinander umzugehen. Ich würde dich gerne zu einem Essen in die Casa einladen. Ursi würde sich auch freuen, dich zu sehen. Möchtest du nicht in ein paar Tagen zur Cena kommen? Dann könnten wir einen Neustart wagen."


    Es war ein wager Versuch, Massa als Freund zu behalten, wenn sie ihm auch klar machen wollte, dass eine Beziehung in dem Sinne, wie er es sich wünschte, nicht möglich sein würde.

  • Als Freund bezahlte er seine Schulden. Die Sesterzen blieben unbeachtet auf dem Tresen liegen. Ein feines Lächel umspielte seinen Mund. An diesen neuen Zustand musste er sich erst gewöhnen. Er schüttelte den Kopf. Das war nicht so leicht von heute auf Morgen umzuschalten. „ Es wäre nicht gut für uns beide. Im Frühsommer lässt sich darüber reden. Lass einen Monat ins Land gehen. Dann habe ich es vielleicht akzeptiert. Bis dahin, werde ich immer mal wieder bei dir vorbei schauen und sehen wie‘s dir geht.“
    Für ihn war es so die bessere Lösung. Die Einladung annehmen, wäre zum jetzigen Zeitpunkt falsch. Er würde immer noch zu viele Erinnerungen der letzten Wochen mit dem Besuch verknüpfen.

  • "Wie du meinst, Massa", antwortete die Raeterin. "Ich freue mich, wenn du vorbei kommst. Ob du dann zum Essen bleiben willst oder nicht, bleibt dir überlassen. Vale bene!"
    Dann gab sie dem Tribun seine Salben mit.

  • Die Tür war noch offen. Massa betrat die Taberna, begleitet und angekündigt durch das Glöckchen an der Tür.
    Ein kleines Paket trug er bei sich. Für Ursi die obligatorischen Honigkekse. Er war 10 Tage nicht hier gewesen und wollte wissen wie es Alpina ging.

  • An diesem Tag saß Ursi bei Alpina auf dem Tresen. Sie spielte mit den Münzen aus Alpinas Kasse während die Mutter verzweifelt versuchte den Überblick zu behalten und einen Kassensturz zu machen.
    "Uris, bei Merkur! Lass die Münzen bitte da vo ich sie hingelegt habe. Ich brauche den Überblick! Die sind bereits gezählt! Neeeiiiin!!!! Nicht schon wieder!"


    In diesem Moment ging die Tür auf und das Glöckchen überschlug sich halb. Ein Strahlen erschien auf dem Gesicht der Kleinen und sie ließ sofort von ihrem Tun ab. Mit glockenheller Stimme begrüßte sie den Tribun der Eintrat. "Massa!"
    Beide Arme ausstreckend ließ sie offen ob die Freude nur seinem Erscheinen galt oder aber dem Kekspaket in seiner Hand.


    Alpina musste lächeln. "Salve, Massa! Du kommst wie gerufen!"

  • Das helle Stimmchen war nicht zu überhören. Er sah sie auf dem Tresen sitzen. „ Na du Wirbelwind komm her.“ Er nahm sie auf den Arm und hielt ihr das geöffnete Kekspaket hin. „ Salve Alpina. Was hast du für ein Problem. Diesen kleinen Wildfang hier? Oder schlimmeres?“ Ursi saß auf seinem Arm. Er sah die Münzen verstreut auf dem Tresen liegen. „ Wie geht‘s dir? Und was macht das Geschäft? Hat dir Ursi beim zählen geholfen?“ Er grinste.


    Heute und die vergangenen Tage hatte die Sonne es gut mit ihnen gemeint. Ein schöner Frühling, fand Massa so war Germanien nicht hässlich und unfreundlich. „ Warst du draußen im Wald oder am Fluß? Das Wetter bietet sich förmlich an.“

  • Es war schön zu sehen, dass sich Ursi so über Massas Besuch freute. Alpina schüttelte lachend den Kopf auf seine Frage hin.
    "Nein, nichts Schlimmeres als dieser kleine Racker. Ich komme nur nicht voran solange sie mir alles durcheinander bringt. Ich zähle die Tageseinnahmen und wenn immer wieder irgendwo eine Münze weg und woanders wieder dazu gelegt werden, dann werde ich nie fertig. Ich habe wirklich viel zu tun im Augenblick. Trotz des schönen Wetters sind viele Menschen erkältet und Magen-Darm-Beschwerden gibt es eigentlich immer. Ich würde aber bei dem schönen Wetter auch lieber draußen im Wald oder am Fluss spazieren gehen."


    Sie sah ihn an. "Hast du Zeit? Hättest du Lust auf einen Spaziergang?"

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