ZitatOriginal von Ein Praetorianer
Blöder Gaul.
Jetzt nur nicht aus dem Konzept bringen lassen. Ich machte sowas ja nicht zum ersten Mal. - Beziehungsweise... doch. Zwar hatte ich eine Menge Kaiser wechseln sehen, doch eine Imagoweihe, wirklich mit allem Pomp groß zelebriert, die erlebte auch ich zum ersten Mal. Und man hörte ja so einiges über die Macht dieses Rituals. Eine verdammt große Ehre war es ausserdem, hier, stellvertretend für die Einheit und direkt beim Kaiser, der Frontmann beim Voropfer zu sein. Und darum hatte heute verdammt nochmal alles glatt zu gehen.
Ruhig Blut, Faustus.
Beruhigend war auf jeden Fall die Gewissheit, dass Manius mit seiner ungeheuren Erfahrung als der Pontifex alle Abläufe der komplexen Zeremonie im Blick hatte.
Age.
Hochaufgerichtet an den Altären stehend, der Linie der Gardefeldzeichen zugewandt, nahm ich meinen attischen Helm ab, und zog eine Ecke meines Paludamentums, in dessen Schwärze silbrig die Konturen des Skorpions eingewirkt waren, über den Kopf. Die mitwirkenden Offiziere taten es mir gleich, bedeckten ihre Häupter mit dem Sagum.
Für heute hatte ich meinen schönsten Paradeharnisch gewählt, ein brüniertes Kunstwerk mit silbernen Intarsien, welche den Sieg römischer Legionäre über parthische Kataphrakte darstellten, dazu Medusenhäupter und das Wappen meiner Gens. Der einzige Farbtupfer meiner Erscheinung war die rote Tribunenschärpe darüber. Auch mein Subarmalium darunter war höchst modisch, mit schnittig zulaufenden, von einem Mittelgrat betonten Pteryges. Meine schönste Zierde waren aber meine auf Hochglanz polierten Auszeichnungen, die ich heute stolz zur Schau trug (und meine patriotischste Zierde waren sicherlich die Narben, die ich im mir Kampfe für Kaiser und Reich zugezogen hatte, aber von denen bekam das Publikum ja nur ein bisschen was zu sehen.) Um den Hals trug ich zu meinem Serapis-Amulett auch mein altes Mars-Amulett, das kleine Ancile das Tante Lucilla mir damals mit an die Front gegeben hatte.
Ich überblickte von meiner erhöhten Position die massive schwarze Formation der Garde, die bunte Menschenmenge darum, die 'bessere' Gesellschaft auf den Rängen der Tribüne, den schneeweißen Fleck ganz vorne wo die vestalischen Jungfrauen Platz genommen hatten... und griff nach der ersten Handvoll Weihrauchkörner (die allerauserlesenste Sorte, versteht sich), streute sie über den reichverzierten zentralen Glutrost, was sogleich aufgegriffen wurde von den zahlreichen Opferdienern, welche den Offizieren ebenfalls Weihrauch reichten und Glutschalen umhertrugen, so dass die Centurionen und Decurionen nun ebenfalls eine Menge Weihrauchschwaden aufsteigen ließen, und all unsere Feldzeichen gebührend einnebelten, so gründlich, als wollten wir gleich als raffinierte Kriegslist aus unserer eigenen Nebelbank heraus angreifen. Auch zwischen den Reihen der Garde liefen Opferhelfer mit Weihrauchschwenkern entlang und verteilten den Rauch bis zur hinterletzten Kohorte und Turma...
"O Mars, mächtigster Streiter, unüberwindlicher Vorkämpfer Roms,
O Mars, Vater der Krieger, stets obsiegender Lenker der Schlacht,
O Mars, Wächter des Reiches, verlässlich beschirmender Hüter...."
begann ich, während der Weihrauch emporstieg und verwirbelte, die erste Anrufung. Mit volltönender Stimme und in Exerzierplatz-Lautstärke natürlich. Kurz zogen die Erinnerungen an die mannigfaltigen Marsopfer der Vergangenheit an mir vorüber... fast könnte man sagen 'ich sah mein Leben im Spiegel meiner Marsopfer' – von episch, bis knapp, bis tiefempfunden, bis zum richtungsweisenden allerersten vor langer Zeit.
"Io Mamarce!
Sieh Deine streitbaren Söhne, sieh auf uns, die prätorianische Garde. Wie oft haben wir Dir gehuldigt im blutigen Kampf. Heute jedoch sind wir im Frieden aufmarschiert, hier auf dem Dir geweihten Felde, um das Bildnis unseres Imperators, das Bildnis unserer Augusta, das Bildnis unseres Caesar für unsere Feldzeichen zu empfangen.
Wir erbitten von Dir, Vater Mars: Gewähre uns Deine Gunst. Möge unser Mut Dich stolz machen, möge unsere Kampfeskraft Dich mit Wohlwollen erfüllen! Auf dass wir Prätorianer, Dir folgend und Dich ehrend, o Allgewaltiger, unserem Herrscher und seiner Familie stets stählerner Schild und Schutz sind - sowie trefflichste Waffe gegen jedweden Feind.
Io Mamarce!"
schloß ich die erste Anrufung des Gottes. (Manius hatte mich nämlich dazu verdonnert, mich kurz zu fassen, weil es ja nur das Voropfer war. Und ich selbst hatte mich ganz bewusst dazu entschieden, den Aspekt des rächenden Mars ultor nicht mit heraufzubeschwören. Wegen der neuen Zeit und so...)
Die versammelten Offiziere stimmten ein, so wie der Chor im Theater, und rauh und kraftvoll erscholl der alte Name des Kriegsgottes aus ihren Kehlen:
"IO MAMARCE!!"
Doch nur kampfstark und mutig zu sein war ja bekanntlicherweise nicht ganz ausreichend für des Kaisers Garde. Auch rebellieren und putschen konnte man kampfstark und mutig, darum war ich mit der Litanei noch nicht am Ende.
Das nächste Räucherwerk wurde gereicht, und sowohl auf den Altären als auch um die Feldzeichen herum verbrannt. Ladanum, das Harz der kretischen Zistrose, verbreitete seinen honigschweren Duft...