Audienz für die Decimi (und Plinia Chrysogona)

  • Für die Besprechung mit den beiden Decimern (Vater und Sohn) hatte der Kaiser das Triclinium herrichten lassen. Das war zwar immer noch völlig überdimensioniert für eine Unterredung zwischen drei Männern (von dem zusätzlichen Besucher ahnte er ja nichts), aber wenn man die zahlreichen Klinen wegräumte, die bei großen Festen hier standen, und stattdessen drei (nach imperialen Mäßstäben) schlichte Esssofas aufstellte, war es doch etwas ungezwungener als vom Thron herunter.


    Dorthin führte man Serapio, Livianus - und die Plinierin, die die beiden im Schlepptau hatten.

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  • Bei allen Göttern des Olymp, Chrysogona war nervös! Äußerlich die Ruhe selbst, schlotterte sie innerlich förmlich vor lauter Aufregung. Ihr Verstand war höchst alert. Heute kam es darauf an, dass sie einen guten Eindruck hinterließ. Es würde sicher nicht leicht werden, den Kaiser zu überzeugen, dass er sein Wohl und das seiner Familie in die Hände einer Frau legen sollte.


    Schon der Aufstieg zum Palatinum war dem Erklimmen des Olymp gleich gekommen. Von hier aus hatte der erste Mann im Staate die Zügel in der Hand, blickte auf seine Stadt - den Nabel der Welt - und leitete die Geschicke des Reiches, das sich bis weit über das Mare Nostrum und die Alpes ausgedehnt hatte.
    An der Seite der beiden Decimi war die Medica ohne Aufenthalt bis in die Räume der Domus Flaviana vorgedrungen. Die Pracht und Herrlichkeit der Räume verschlug ihr die Sprache. Es gab so viel zu sehen, dass es wohl Wochen dauern würde allen Schmuck des Palastes und seines Exterieurs gebührend zu betrachten.


    Chrysogona trug wie immer ein schlichtes, langes, Gewand im klassisch-griechischen Stil. Es war reinweiß. Das hochgesteckte dunkle Haar bedeckte sie zunächst mit einem zartblauen Schleier, den sie nach Betreten des Hauses auf die Schultern zurückschlug. Chrysogona war sich bewusst, dass sie mit ihrer Kleidung auffiel. Keine Frau in Rom trug eine derartig archaische Kleidung. Die meisten kleideten sich aufwändig und farbenfroh. Mit ihrer Kleiderwahl unterstrich die Medica, dass Äußerlichkeiten keine Rolle spielen sollten. Sie wollte den Kaiser nicht bezirzen, sondern mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten überzeugen. Er sollte keine Frau in ihr sehen sondern nur ihre medizinische Fachkenntnis.


    Als sie in Begleitung der Decimer das Triclinium betrat, hielt sie sich dezent im Hintergrund. Sie überließ den Männern das Reden und ihre Vorstellung.

  • Alleine die Tatsache, dass Livianus gemeinsam mit seinem Sohn zu einer Audienz in den Palatin gelanden wurde, überraschte ihn zur Genüge, da die offizielle Einladung, wie immer, sehr nichtssagend ausgefallen war und daher einen breiten Raum für Spekulationen bot. Vielleicht wichtige Staatsfragen oder betraf es eher die Sicherheit des Kaisers…. oder gar Roms? Etwas stutzig wurde Livianus, als sein Sohn ihm mitteilen ließ, dass auch der neue Gast des Hauses, die Gelehrte Plinia Chrysogona die beiden Decimer zur Audienz begleiten würde. Er wusste, dass Serapio dem Kaiser die junge Frau als Medicus vorgeschlagen hatte, doch ging er nicht davon aus, dass seine Anwesenheit nur wegen der Vorstellung dieser Frau bei Hofe notwendig war. Vielleicht hatte der Kaiser ja mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und wollte nach einer Untersuchung durch die Medizinerin auch gleich den Stadtpräfekt um sich wissen, um über das weitere Vorgehen zu sprechen. Doch der Kaiser sah in letzter Zeit eigentlich gar nicht so schlecht aus?


    Bevor er sich noch tiefer in irgendwelchen abstrusen Theorien verlor, besann sich Livianus wieder seiner Umgebung und nickte der jungen Frau aufmunternd zu, da sie, im Gegensatz zu den beiden Decimern, sichtlich nervös und angespannt wirkte. Wie konnte man ihr es auch verübeln, trat sie in kürze dem mächtigsten Mann der bekannten Welt gegenüber. So alltäglich dies für Livianus und Serapio im Laufe ihrer langen Karrieren geworden war, so außergewöhnlich musste es für einen Menschen sein, der den Kaiser bisher nur von Bildern oder Erzählungen kannte. Nun hieß es für alle drei auf diesen Mann zu warten und sich anzuhören, weshalb er sie zu sich kommen hatte lassen.

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    Sorgsam strich ich meine Toga zurecht, bevor wir eintraten in die feudale Halle, die hier Triclinium genannt wurde. Und bestärkend nickte auch ich kurz Plinia zu, die sich mit einem feinen Gespür für die Etikette unaufdringlich zurückhielt. Ich war selbst höchst erwartungsvoll, diese aussergewöhnliche Persönlichkeit dem Kaiser – wenn der richtige Moment gekommen war – vorzustellen. Doch nur drei Klinen, kein Korbstuhl, standen da bereit. Konnte es sein, dass die Kanzlei meinen Brief, Plinia ankündigend, nicht zur Kenntnis genommen hatte?
    Eingedenk meiner ersten Audienz, bei der der unser, die Befindlichkeiten des Senates hoch achtender, neuer Kaiser sich über meine militärische Erscheinung ein wenig mokiert hatte, trug ich heute zivil. Auch wenn es wirklich schade war, dass meine Armilae und die anderen Auszeichnungen aus den vielen Jahren meines Dienstes an den verschiedenen äusseren und inneren Fronten unseres Imperiums, zu einer Toga kombiniert nicht tragbar waren. Zumindest zierte ein eingewebtes Muster stilisierter Skorpione meine elegant drapierte Eques-Toga, welches sich auf den kunstvollen Punzierungen meines Gürtels und meiner Calcei wiederholte.
    An der Seite meines Vaters wartete ich, voll Neugier, aber natürlich mit stoischer Miene, auf das Erscheinen des Imperators.

  • Nachdem die Gäste sich angemeldet hatten, schickte man nach dem Kaiser, der natürlich niemals Zeit damit vergeudete, in einem leeren Raum auf Besucher zu warten. Entsprechend kam er wieder einmal einen Augenblick später als diese herein. Man hatte ihn auch über den dritten Gast unterrichtet. Der Name hatte ihm nichts gesagt, aber sein Privatsekretär, der ihm auch jetzt noch auf dem Fuße folgte, hatte den Bezug zum Schreiben des Tribuns hergestellt.


    Insofern war Severus noch ein wenig unsicher, wie er sein Anliegen und das Serapios am besten miteinander verband, als er eintrat und sofort sein freundliches Gästelächeln aufsetzte. "Avete, Decimus Livianus und Decimus Serapio. Und salve, Plinia." Sein Blick blieb an der Medica haften. Immerhin würde er sie in Zukunft häufiger um sich haben. Falls sie seinen Ansprüchen genügte.


    Das galt es am besten sofort herauszufinden, wie der Kaiser nun einer plötzlichen Intuition folgend entschied: "Wie ich hörte, besitzt du trotz deiner jungen Jahre einen hervorragenden Ruf. Erzähle mir ein wenig von dir! Wo hast du deine Ausbildung erhalten? Welchen Lehren hängst du an?" Natürlich war der Aquilier kein Fachmann für Medizin. Aber grobe Unterschiede kannte er natürlich.

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  • Als der Kaiser den Raum betrat, spürte Chrysogona sehr deutlich die Extrasystole, die sich in ihren sonst so regelmäßigen Herzschlag mischte. Der erste Mann im Staate war mittelgroß und bereits ergraut. Er machte einen sehr dynamischen Eindruck. Die elegante Erscheinung passte zu dem Bild, das sich die Medica anhand der Darstellungen auf Münzen und in Form von Statuen vom Imperator gemacht hatte.
    Der Kaiser kam näher und begrüßte die Gäste. Sein Blick war unverholen neugierig. Chrysogona errötete, auch angesichts der Vorschusslorbeeren, die er sogleich in den Raum warf und blickte tugendhaft zu Boden.
    "Mein Kaiser!", ihre Stimme zitterte ein wenig, auch wenn sie sich fest vorgenommen hatte, selbstbewusst aufzutreten. "Die geflügelte Fama ist mal wieder schneller gewesen als das Schiff mit dem ich anreiste, scheint mir. Mögest du selbst urteilen, ob die Gerüchte stimmen."


    Mit dem letzten Satz hob Chrysogona die Augen und blickte den Kaiser an. Er kam sogleich zur Sache, wollte von ihr und ihrer Ausbildung hören. Die Medica straffte den Rücken. Nun klang ihre Stimme schon selbstsicherer.
    "Mein Vater ist Gaius Plinius Phoebus. Er war der Leibarzt von Kaiser Valerianus. Meine Mutter verstarb bei meiner Geburt. Dieser Umstand führte wohl dazu, dass niemand es meinem Vater ausredete, mich ins Museion von Alexandria mitzunehmen. Dort hörte ich die medizinischen Vorlesungen meines Vaters und seiner Kollegen. Als mein Vater schließlich nach Rom berufen wurde, schickte er mich zur weiteren Ausbildung nach Kos. Am Asklepieion von Kos hatte ich die Freude bei solch herausragenden Medici wie dem Archiatros Gaius Stertius Tychicus zu lernen."


    Chrysogona machte eine Pause und versicherte sich, dass ihr Gegenüber noch zuhörte.
    "Im Laufe meiner Ausbildung habe ich alle gängigen Lehren kennengelernt. Ich bezeichne mich jedoch weder als Empirikerin, noch als Methodikerin oder Pneumatikerin. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir aus allen Lehren dasjenige herausgegriffen, was sich in der jahrelangen Praxis als segensreich erwiesen hat."
    Schonungslose Ehrlichkeit war das Kredo der Griechin. Der Kaiser sollte wissen woran er war. Er musste entscheiden ob sie für die Aufgabe geeignet war. Machte er sich falsche Hoffnungen oder erwartete er andere Therapieschwerpunkte, würde sie schnell in Ungnade fallen. Es war sicherer sich nicht besser darzustellen als man war.


    "In den vergangenen Jahren habe ich mich vor allem in der Phytotherapie, der Diätetik und der Bädermedizin weitergebildet sowie die besondere Heilmethode der Inkubation für mich entdeckt. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nur eine mäßige Chirurgin bin und mir in der Augen- und Zahnheilkunde nur wenige Meriten verdienen konnte. Der vielleicht wichtigste Makel, den ich habe aber ist ...."
    Sie machte eine eine Pause, hob das Kinn und blickte den Imperator aus ihren tiefbraunen Augen offen an. ".... ich bin eine Frau!"

  • Der Kaiser lauschte interessiert. Als Kaiser Valerianus erwähnt wurde, lächelte er kurz ironisch. Valerianus hatte sich nicht gerade bester Gesundheit erfreut. Was das über die Qualität seines Leibarztes aussagte, war offen. Aber immerhin hatte er reichlich Gelegenheit zum Praktizieren gehabt.
    Als sie ihre Methode erklärte, nickte er zufrieden. "Ein Eklektikerin also gewissermaßen." Ein Begriff, der eigentlich eher aus der Philosophie kam. Zum Schluss zeigte sich dann wieder ein Schmunzeln. "Das ist mir schon aufgefallen. Aber ich nehme an, eine Frau mehr in meiner Umgebung wird mich nicht umbringen, nicht wahr?" Er lächelte in Richtung seiner beiden Gäste, wobei ihm einfiel, dass er noch nie etwas von einer Ehefrau Serapios gehört hatte. Vielleicht hatte er dann doch nicht so viel Verständnis für seinen Scherz.


    Aber sie waren sowieso nicht hier um zu scherzen. Deshalb wandte der Kaiser sich nun direkt an den Tribun. "Sie wurde also für zuverlässig und vertrauenswürdig befunden?" Die Speculatores hatten die Medica personalis sicherlich eingehend durchleuchtet!

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  • Zackig hatte ich den Kaiser gegrüßt, verfolgte dann gespannt wie er Plinia sogleich unter die Lupe nahm. Sie schlug sich wacker, es lief gut. Die trockene Entgegnung des Kaisers auf ihr offen angesprochenes Manko ließ auch mich ein wenig schmunzeln. Darauf folgte anscheinend ein Scherz... nur was daran komisch war wollte mir irgendwie nicht einleuchten...? Ich überspielte mein Unverständnis mit einem amüsierten Lächeln, dann ging es zum Glück wieder um Fakten.
    "Jawohl Imperator, das wurde sie." versicherte ich überzeugt. Wenn dem nicht so gewesen wäre, dann hätte ich ja den Pluto getan, sie ihm zu empfehlen.

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  • Zitat

    Original von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS:
    Als sie ihre Methode erklärte, nickte er zufrieden. "Ein Eklektikerin also gewissermaßen." Ein Begriff, der eigentlich eher aus der Philosophie kam. Zum Schluss zeigte sich dann wieder ein Schmunzeln. "Das ist mir schon aufgefallen. Aber ich nehme an, eine Frau mehr in meiner Umgebung wird mich nicht umbringen, nicht wahr?"


    Auf die Feststellung des Kaisers, dass sie gewissermaßen eine Eklektikerin war, nickte Chrysogona. So war es - aus Erfahrung wurde man klug. Was half es nur einer Theorie anzuhängen und sei sie auch noch so stimmig, wenn sich in der Praxis doch auch andere Methoden als hilfreich erwiesen. Chrysogona glaubte tatsächlich, dass es nicht nur eine Wahrheit gab. Das galt im übrigen auch für andere Bereiche, nicht nur für die Medizin. Aber vorerst hielt sie ihre persönliche Meinung zurück.


    Dann aber kam ein ein eher rhetorische Frage, die Chrysogona zusammenzucken ließ. War sie eine Anspielung auf ihren Vater? Schließlich hatte es Gerüchte gegeben, die besagten, so ein Giftmord könnte nicht ohne das Wissen des Leibmedicus durchgeführt worden sein. War es also eine Anspielung darauf, dass sie den Kaiserr umbringen wollen könne? Oder mißtraute er seiner Gattin? Chrysogona kannte die Kaiserin nicht und hatte auch noch nicht in Erfahrung bringen können, wie es um das Verhältinis der beiden zueinander stand. Sie nahm sich aber vor, die erste Frau im Staate bei der ersten sich bietenden Gelegenheit einem ausführlichen Persönlichkeitstest zu unterziehen.
    Den beiden senkrechten Falten zwischen ihren Augenbrauen war zu entnehmen, dass Chrysogona diese Frage eigenartig fand und den Scherz des Kaisers, so es einer gewesen war, nicht als solchen erkannt hatte.


    Als der Gardetribun dann auf die letzte Frage des Kaisers nach der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Medica versicherte, dass sie überprüft worden sei, entspannten sich ihre Gesichtszüge wieder. Sie sah den Kaiser erwartungsvoll an. Würde er sie zu seiner Leibmedica machen?

  • Kaiser zu sein bot den Luxus, dass die eigenen Witze nicht besonders gut sein mussten, um schallendes Gelächter zu ernten. Dass das diesmal ausblieb, irritierte Severus kurz, dann ging er aber einfach darüber hinweg.


    Knapp nickte er dem Tribun zu, dann wandte er sich an die Plinierin. "Dann sollten wir es miteinander versuchen. Ich schlage vor, mein Vilicus zeigt dir die Räumlichkeiten hier. Sofern du es wünscht, darfst du auch eine Dienstwohnung auf dem Palatin beziehen." Er drehte sich kurz zu einem seiner Sklaven und nickte ihm kurz zu. Er würde sofort loseilen und den Vilicus holen. Und damit wäre die Medica elegant beschäftigt, sodass die Herren sich der hohen Politik widmen konnten.

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  • Der Kaiser war kurzentschlossen. Das gefiehl der Chrysogona ungemein.
    Mit einem Satz beendete er die Unsicherheit der Griechin. "Dann sollten wir es miteinander versuchen."


    Ehe sie sich versah, stellte der Imperator ihr seinen Vilicus zur Seite, der ihr die Räumlichkeiten im Hause zeigen würde. Sogar eine Dienstwohnung bot man ihr an. Chrysogona nickte irritiert, weil nun alles so schnell ging.
    "Ich denke, ein Zimmer im Palatin wäre sinnvoll", antwortete sie also noch kurz, bevor der Kaiser sie mit dem Vilicus entließ.

  • "Ich bin sicher, wir werden uns in Kürze sehen." erwiderte der Kaiser und nickte seiner neuen Leibmedica nochmals zu.


    Dann wandte er sich den beiden Herren zu und bedeutete ihnen, auf den Klinen Platz zu nehmen. Er selbst platzierte sich in ihrer Mitte und sah von einem zum anderen. "Ich habe euch beide eingeladen, weil ich eine Thematik mit euch besprechen möchte, die mich sehr beschäftigt."


    Er machte eine kurze Pause und seufzte hörbar. "Ich stehe vor einem gewissen Dilemma: Es ist allgemein bekannt, dass wir einen neuen Praefectus Praetorio benötigen und ebenso, dass du, Decimus Serapio, diesen Posten nicht nur hervorragend ausgefüllt hast, sondern auch bestens geeignet wärst, ihn wieder zu besetzen. " Er sah wieder zu Livianus. "Nun haben wir aber das Problem, dass sein Vater, also du, werter Decimus Livianus, nicht nur sein Vater bist, sondern ebenso der Praefectus Urbi und damit der Kommandeur der zweiten großen Militäreinheit hier in Rom. Das wiederum bedeutet, dass ich, wenn ich Serapio zum Praefectus Praetorio mache, mein Leben und das von ganz Rom in die Hände von Vater und Sohn gebe." Er sah lauernd in die Gesichter seiner beiden Gäste. Damit waren sie direkt in medias res und er war gespannt, was die beiden Decimer dazu sagen würden.

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  • Nachdem Livianus sich auf der Liege niedergelassen und den Worten des Kaisers aufmerksam gelauscht hatte, huschte ein amüsiertes Lächeln über seine Lippen.


    "Auf diese Frage gibt es eine recht einfache Antwort. Weil du damit zwei Männer an deine Seite stellst, die weder dich, noch sich gegenseitig mit Neid und Missgunst betrachten.


    denn dies ist ein Problem, mit dem sich bereits so manch Kaiser vor dir beschäftigen musste. Wie allgemein bekannt waren wir Decimer in den letzten Jahrzehnten fast durchgehend, einmal mehr, einmal weniger stark in den höchsten Ämtern des Imperiums vertreten. Ich Erinnere mich noch gut an die Zeiten in denen mein Cousin Meridius Statthalter von Germanien und ich Legat der Legio I war. Auch schon damals gab es Stimmen im Senat, die uns vor den Toren Roms und einen Decimer auf den Kaiserthron wähnten. Und passiert ist damals........ nichts.


    Denn damals wie heute kann ich guten Gewissens sagen, dass wir keine Ambitionen in diese Richtung hegen. Wie du sicher noch sehr gut weißt, hatte ich wie du meine Chance, mich für dieses Amt anzubieten. Und ich denke meine Chancen waren dabei nicht die schlechtesten. Doch ich habe diese Ehre bewusst und nach reiflichen Überlegungen ausgeschlagen. Warum sollte ich also nun danach trachten dieses höchste Amt auf so unehrenhafte und schändliche Art und Weise an mich zu reißen, wenn ich es mir damals vollkommen legal und ehrenvoll vom Senat überantworten lassen hätte können.


    Was kann Rom und seinem Kaiser also besseres passieren, als die Verantwortung zwei Männern zu übertragen, die weder Ambitionen auf den Kaiserthron hegen, noch versuchen sich gegenseitig in politischen oder bürokratischen Kleinkriegen zu schädigen, um ihren Ehrgeiz zu stillen. Damit bleibt sehr viel Tatkraft für unsere eigentlichen Aufgaben über. Oder?"

  • Entschlußfreudig nahm der Kaiser Plinia in seine Dienste. Ein Schritt zu mehr Sicherheit, sehr gut! Aber zum Gratulieren und Schulterklopfen würde später Zeit sein, jetzt ging es um (zumindest für mich) noch viel wichtigeres.
    Endlich rauschte es mir in den Ohren.
    Endlich bestand Aussicht darauf, diese unsäglichen Jahre von giftiger Verfemung und despotischer Degradierung endgültig hinter mir zu lassen.
    Endlich. Doch ich war in der Zeit der Ächtung viel zu argwöhnisch geworden, um mir in dem Augenblick schon so was wie Zuversicht zu erlauben. Jetzt nur nicht den Kopf verlieren, wie der Dulder Odysseus, als er zum ersten Mal Ithaka schon in Sicht hatte... und dann doch noch viele weitere lange Jahre heimatlos herumirren mußte.
    Ruhig Blut Faustus.


    Mein Vater ergriff beredsam das Wort. Ich überlegte. Wenn unser Kaiser das 'Dilemma' tatsächlich als echten Hinderungsgrund betrachtet hätte, dann hätte er uns ja wohl gar nicht erst herbestellt.
    Was also wollte er wirklich? Was konnten wir ihm anbieten? Beziehungsweise was noch, nachdem Livianus ihm den Thron überlassen hatte, und ich die Garde mit aller Macht auf ihn eingeschworen hatte. Wir hatten unsere Loyalität beide mehr als bewiesen.
    Bei Kronos, fuhr es mir durch den Kopf, wie leid bin ich es doch, im Schatten meines Vaters zu stehen... -


    "Diese Bedenken kann ich natürlich nachvollziehen, Imperator," begann ich, nachdem mein Vater geendet hatte, und strich Aquilius, passend zu seinem theatralischen Seufzen, etwas Honig um den schöngekräuselten Bart,
    "Zeichnet es doch den weitblickenden Herrscher aus, die Säulen des Reiches bedachtsam zu wählen und sorgsam zu prüfen. So kann ich meinem Vater nur beipflichten: die Vergangenheit hat uns Prüfungen unterzogen, die unsere Absichten in aller Klarheit offenlegen. Gerade in der Zeit der Kaiserwahlen – der Thron verwaist, mein Vater Präfekt der Stadtkohorten, ich Tribun der Garde - lag beträchtliche Macht in den Händen von Vater und Sohn. Die wir nutzten, allein dazu den friedlichen Übergang der Herrschaft in deine Hände entschieden zu unterstützten. Unsere Berufung ist es, und wird es auch in Zukunft immer sein, dem Reich zu dienen! Mit aller Erfahrung und militärischen Expertise. - Und um das Band absoluter Ergebenheit noch fester zu schmieden, und auch in den Augen der Welt die letzten Bedenken in aller Form zu zerstreuen... so würde ich dich, Imperator, höflich um die Ehre bitten, als Präfekt der Garde zugleich dein treuer Klient zu sein."

  • Der Kaiser strich sich durch den Bart und hörte nachdenklich zu. Die Worte des älteren Decimers schienen die Zweifel zerstreuen zu können. Doch war das hier doch eine ziemlich heikle Angelegenheit, in die er auf keinen Fall unbedacht einwilligen durfte. "Es ist natürlich beruhigend zu wissen, dass keiner von euch Ambitionen auf meine Position hegt." Er hob die Hand. "Aber nicht nur der Tiber ist ständig im Fluss: Was, wenn ihr nächstes Jahr eure Meinung ändert? Oder plötzlich einen Usurpator unterstützt, weil ihr ihn für geeigneter für den Kaiserthron haltet?" Das Gespräch war unangenehm, da der Aquilier alle Masken der Höflichkeit und des Republikanismus ablegen musste. Aber es ging hier nicht nur um ihn. Es ging um seine Familie. Seine Dynastie.

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  • Livianus ließ die Worte des Kaisers diesmal etwas länger auf sich wirken, ehe er zu einer neuerlichen Antwort ansetzte. Das die Bedenken des Mannes mehr als gerechtfertigt waren, konnte dabei auch er nicht von der Hand weisen. Vermutlich..... nein..... ziemlich sicher sogar, hätte er ganz genau so gedacht und gehandelt, würde er heute als Kaiser in einer solchen Runde sitzen. Doch zum Glück war er nicht Kaiser und musste sich daher auch nicht mit derlei schwierigen und unangenehmen Fragen beschäftigen. Denn das dieser Angelegenheit nicht gerade zu den angenehmsten zählte, mit denen sich der Kaiser heute beschäftigen musste, war ziemlich offensichtlich. Und auch wenn er noch einmal ohne großem Nachdruck versucht hatte, den Kaiser vom Gegenteil zu überzeugen, so hatte er nicht wirklich mit einer anderen Reaktion darauf gerechnet.


    Ganz im Gegenteil war der alte Decimer heute sogar in der mehr als angenehmen Situation als einziger dieser kleinen Runde dieses Problem zur Zufriedenheit aller aus der Welt zu schaffen. Er wusste seit langem, dass diese Frage irgendwann im Raum stehen musste und hatte daher auch dementsprechend Zeit sich seine Gedanken über dieses Thema zu machen. Weder hatte er vor den Kaiser vor den Kopf zu stoßen, noch der Karriere seines Adoptivsohns im Wege zu stehen.


    "Du hast natürlich Recht Aquilius. Mehr als ein Versprechen und wohlgemeinte, wenn auch aufrechte Vorsätze können wir dir nicht bieten und an deiner Stelle wäre mir das vermutlich auch zu wenig."


    Er atmete noch einmal durch und dachte mehr an die Formulierung seines Vorsatzes, den er sich bereits vor einiger Zeit genommen hatte, als dass er ihn noch einmal in Zweifel ziehen wollte. Letzten Endes entscheid er jedoch es einfach gerade heraus zu sagen.


    "Ich halte meinen Sohn für einen sehr fähigen und engagierten Offizier und die beste Wahl, die du beim Besetzen dieses Postens treffen kannst. Ich wäre daher durchaus bereit meinen Platz zu Räumen und damit dieses Dilemma für dich aus der Welt zu schaffen."

  • Mit so viel Entgegenkommen hatte der Kaiser nicht gerechnet. Aber vielleicht unterschätzte er wieder einmal den Einfluss, den er inzwischen einfach aufgrund seines Amtes genoss und der ihm entgegeneilenden Gehorsam einbrachte. Umso besser.
    "Oh." entfuhr es ihm zuerst einmal etwas überrascht. Aber da er diesen Vorschlag auch selbst hatte einbringen wollen, konnte er recht schnell reagieren: "Natürlich möchte ich auch sehr ungern auf deine reiche Erfahrung verzichten, Decimus Livianus. Ich könnte dir daher anbieten, dich als Curator Rei Publicae einzusetzen und in meinem Namen ein Auge auf die Städte Italias zu haben. Ich habe kürzlich Germanicus Aculeo zum Curator Kalendarii ernannt, sodass ihr hier gewinnbringend kooperieren könntet." Er dachte kurz nach und fügte dann an: "Alternativ könntest du natürlich auch in Rom bleiben. Auch der Posten des Curator Aquarum ist vakant." Zwar besetzten schon ehemalige Aedile dieses Amt, aber früher waren es grundsätzlich Consularen vorbehalten gewesen, sodass es wohl keine Beleidigung war, es dem Consular vor ihm anzubieten. "Wie du sicher weißt." fügte er rasch an, da der Praefectus Urbi als Vorgesetzter über eine solche Lage ja sicher im Bilde war.
    Während Livianus Zeit zum Nachdenken hatte, warf der Aquilier einen Seitenblick auf dessen Adoptivsohn, um seine Reaktion abzuschätzen.

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  • Ein Schelm wer Arges dabei denkt.
    Mit der allergrößten Verwunderung mußte ich erkennen, dass unser Kaiser, den in der Vergangenheit die Fragen der Sicherheit im allgemeinen keinen Pfifferling interessiert hatten, jetzt, wo es um meine Rehabilitierung ging, eine plötzliche Wendung hingelegt hatte.
    Eine seiner ersten Amtshandlungen war es ja gewesen, mit seinem Dekret zum Zivil die Möglichkeiten der Garde, ihn zu schützen, deutlich einzuschränken. Berechtigte Sorgen um seine Sicherheit hatte er abgebügelt. Noch leichtsinniger war es gewesen, dem verräterischen Wendehals Duccius "meine-Unterstützung-dem-Meistbietenden" Vala, der schonmal gegen einen rechtmäßigen Kaiser rebelliert hatte, die waffenstarrende Provinz Germanien zu überlassen. Dann hatte er sich eine kriminelle Querulantin als Procuratrix in die Kanzlei geholt... dies alles schien für unseren Kaiser gar kein Problem zu sein.
    Doch halt - genau in dem Moment in dem es darum ging, meine längst... (...) mehr als überfällige Wiedereinsetzung in die Tat umzusetzten, da entdeckte unser bisher so überaus entspannter Kaiser plötzlich und spontan sein Herz für die Frage der Sicherheit. Er malte Probleme an die Wand die keine waren, und schien taub für unsere Argumente. Wie konnte das sein? Was war da los? Was lief hier falsch?
    Welche kleinlichen Schicksalsmächte da wohl gerade am Werk waren, und unserem Kaiser diesen schikanösen Floh ins Ohr gesetzt hatten?
    Ein Schelm wer Arges dabei denkt.


    Ich biss die Zähne fest zusammen, als dazu noch die grobe Beleidigung kam, uns Wankelmut und Verrat, potentiell gleich nächstes Jahr, zu unterstellen. Als wären wir irgendwelche dahergelaufenen... Mein hispanisches Temperament kochte auf, ich wurde blass vor Zorn um die Nase, und konzentrierte mich einfach nur darauf... jetzt.... nichts.... zu sagen..... um... jetzt... nichts... falsches.... zu sagen....
    Mein Vater, gestählt von den Debatten im Senat, die sich ja auch beständig unter der Gürtellinie abspielten, war es wohl gewohnt Beleidigungen wie diese einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er blieb ganz gelassen. Bot... Bona Dea.... bot er gerade etwa an, selbst zurückzutreten?! Ich war entgeistert. Und gerührt. Entgeistert. Zornig, dass er wieder mal als mein Retter daherkam. Gerührt, dass er wieder mal als mein Retter daherkam. Mein Vater eben.


    "Vater." Ich schüttelte den Kopf, und sprach – gemessen, doch jedes Wort von Intensität durchdrungen: "Das kann doch nicht sein, dass deine Absetzung der Preis für meine Wiedereinsetzung ist! Ich sehe den Großmut deiner noblen Geste, aber... es wäre ein empfindlicher Schaden für Rom, einen Offizier von deinem Format als Stadtpräfekten zu verlieren. Genauso wie es ein Schaden für die Garde wäre, meine Wiedereinsetzung noch länger hinauszuzögern."
    Ruhig Blut, Faustus.
    Ich wandte mich dem Kaiser zu.
    "Imperator, es ist doch kein Zufall dass mein Vater und ich uns beide für die Präfekturen der Stammeinheiten am besten qualifizieren. Es ist die Berufung unserer Familie, Rom im Exercitus romanus hervorragend zu dienen, und dem folgen wir mit vollem Einsatz. Soll unsere Familie dafür abgestraft werden, sich in so hohem Maße um das Reich verdient gemacht zu haben?
    Zeigt nicht gerade die Bereitschaft meines Vaters zum Verzicht ganz deutlich seine edle Größe?
    Wäre die Einsetzung von uns beiden nicht auch ein Ansporn für andere Gentes, uns nachzueifern, und sich in ebenso großem Maße tätig für Rom einzusetzen?
    Und vor allem: sollten die Positionen der Präfekten Roms nicht danach besetzt werden, wer sie an Tatkraft, Kompetenz und Kaisertreue am besten ausfüllen kann?
    Bei allem Respekt Imperator - wir sind kein wankelmütiger Fluss, auf dessen Wellen man nicht bauen kann. Wir sind Männer von Ehre und Entschiedenheit, und wir haben in der Vergangenheit wieder und immer bewiesen dass auf uns felsenfest Verlass ist."

    Leiser, doch noch immer sehr eindringlich fügte ich hinzu:
    "Die Treue zum rechtmäßigen Kaiser, die stetige feste Herrschaft ist das wichtigste. Das wissen wir sehr gut, und das haben wir, wenn du dir unsere Biographien betrachtest, wirklich mehr als bewiesen. Und zwar nicht nur in den Schönwetterphasen des Reiches, wenn sowieso jeder ein kaisertreues Gesicht aufsetzt - sondern dann wenn es hart auf hart kam! Dann, wenn sich das wahre Wesen eines Menschen zeigt!
    Ich war Kaiser Ulpius Valerianus treu bis über den Tod hinaus, so sehr dass ich nicht davon abgelassen habe den Mord an ihm und seiner Familie aufzuklären und die Wahrheit darüber ans Licht zu bringen, auch wenn das mir persönlich empfindlich geschadet hat. Ich war Kaiser Vescularius Salinator treu, noch als schon alle Ratten das sinkende Schiff verließen, habe all die Einladungen zum Hochverrat gegen ihn ausgeschlagen, habe noch in seinem Namen die Garde ins Feld geführt, versucht Rom gegen den blutigen Umsturz zu verteidigen...
    Die Treue des Soldaten zum rechtmäßigen Kaiser ist die Basis, ist die Grundlage für eine solide Herrschaft, für Frieden, für das Wohl aller, sie ist etwas heiliges! Was ich bei der Imagoweihe zu Fides sprach, dazu stehe ich. -"

    Ich war da wohl etwas altmodisch.
    "Nun haben wir DIR unsere Treue geschenkt, Imperator. Mein Vater im Senat, während ich mit meinen Kohorten Wacht hielt, damit die Kaiserwahl sicher vonstatten gehen konnten. Sogleich nach deiner Wahl haben eben jene Kohorten dich lautstark akklamiert. Die Stammeinheiten wurden sofort, noch bevor von einem Donativum überhaupt die Rede war, auf dich eingeschworen, haben den friedlichen Übergang der Herrschaft in deine Hände gesichert."
    Einem klugen Mann wie Aquilius war doch hoffentlich klar, was für ein Schwein er da mit uns gehabt hatte. Andere hatten sich erst mal dumm und dämlich zahlen müssen, bis die Stammeinheiten gespurt hatten. Unterstützer wie uns durch so beleidigende Unterstellungen von der Bettkante zu stoßen war nicht klug. Loyalität verspielte man am effektivsten dadurch indem man sie mißachtete.
    "Und kürzlich erst wurde bei der Imagoweihe die Garde nicht nur mit aller Macht auf dich eingeschworen... auf meine Initiative hin fanden auch die Bildnisse der Augusta und des Caesars ihren Platz in den Standarten, verankern so den Gedanken gesicherter Thronfolge deines Herrscherhauses fest in den Köpfen der Gardesoldaten.
    Was ich damit sagen will, Imperator – Du meintest einmal zu mir, du wolltest ein Herrscher sein, der ein Zeichen des Vertrauens setzt. Wer, wenn nicht wir, hat sich bewährt, deines Vertrauens würdig zu sein? Und wer, wenn nicht wir, hat es verdient, mit deinem Vertrauen ausgezeichnet zu werden?"

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  • Tragischerweise war der Kaiser der Schelm, der Arges dabei dachte. Nur leider nicht im Interesse von Decimus Junior. Denn dass dieser offenbar wie ein Löwe darum kämpfen wollte, seinem Vater einen Posten zu erhalten, den dieser selbst angeboten hatte (obwohl es nach Severus' Vorstellungen über innerfamiliären Gehorsam nicht unbedingt angemessen war, seinem Vater vor den Augen des gemeinsamen Vorgesetzten zu widersprechen), stimmte den Kaiser nachdenklich.


    Denn für den Kaiser gab es nur zwei Erklärungen, warum Serapio sich so verhielt. Der eine war, dass seine wortreichen Beteuerungen Lügen waren, mit denen er sich klammheimlich in eine Position bringen wollte, um seinen Dienstherrn unter Druck setzen zu können. Der zweite war, dass er alles genau so meinte, wie er es sagte. Dann zeigte er damit einerseits, dass er sehr von sich und seiner Familie eingenommen war und sich daher auch für unersetzlich hielt. Andererseits offenbarte er damit, dass er keine Ahnung von Politik und der harten Realität des Lebens hatte, wo jeder schnell herausfand, dass nichts unbedingt war: Kein Glück. Keine Macht. Keine Loyalität.


    Beide Alternativen (und er wusste noch nicht, für welche er sich entscheiden sollten) waren Grund genug, ein tiefes Stirnrunzeln zu zeigen. Aber die Einsichten in politische Zwänge und Unvollkommenheiten jeder Position machten auch vor dem Kaiser nicht halt und so musste er doch eingestehen, dass die beiden Decimer bisher durchaus loyale und begabte Verwalter gewesen waren, die er trotz aller Unzulänglichkeiten gern in seinen Diensten sah. Daher blieb er bei einem versöhnlichen Ton, als er sich zu Serapios Worten Stellung bezog, noch ehe Livianus einen Rückzieher machen konnte: "Decimus, Decimus, ich habe bereits mehrfach gesagt und bezeugt, dass ich euch zutiefst vertraue: Ich habe deinen Vater über Jahre als meinen Stellvertreter in der Urbs bestellt. Manche möchten behaupten, im einflussreichsten Amt, das ein Senator inne haben kann. Ich plane dich zum Kommandeur meiner Leibgarde zu ernennen. Ich wäre ein Narr, wenn ich diese Position jemandem geben würde, dem ich nicht völlig vertraue. Denn beide Positionen allein würden für einen Verräter wohl ausreichen, mir das Leben schwer zu machen oder mich sogar heimtückisch zu ermorden."


    Er kam seufzte. "Es ehrt dich ebenso, stets loyal zu dem gestanden zu haben, der in deinen Augen den legitimen Anspruch auf den Thron hatte, und ist auch ein entscheidender Faktor, warum ich dich für den geeigneten Mann für das für dich vorgesehene Amt halte. Doch weiß ich genauso, dass andere andere Vorstellungen von der Legitimität deines Kaisers hatten und beide Parteien haben gute und einleuchtende Gründe vorgebracht. Wie ich schon sagte, will ich diese Frage auch nicht entscheiden. Aber ich habe doch meine Lehren daraus gezogen und bin zu dem Schluss gekommen, dass auch Legitimität ein Gut ist, das nicht absolut ist. Ebenso Loyalität. Dein Vater wird dir in einer ruhigen Minute sicherlich weitere Beispiele dafür liefern können, wie oft in der Politik unverbrüchlich erscheinende Bündnisse brachen oder vermeintlich klare Rechtslagen plötzlich fraglich erschienen." Er sah versöhnlich zu Livianus, dem er gleich die Möglichkeit einräumen wollte, sich selbst zu äußern.
    Zuvor galt es dem designierten Prätorianerpräfekt aber noch einen weiteren Aspekt vor Augen zu führen, den es in der Politik zu beherzigen galt. "Im Übrigen habe ich auch zu berücksichtigen, dass es nicht nur darum geht, was ich denke. Dir wird bewusst sein, dass deine Familie genauso umstritten ist wie jede der führenden Familien Roms. Wenn ich euch, Vater und Sohn, die beiden mächtigsten Posten Roms gebe, wird das Eifersucht und Misstrauen bei anderen sähen, die euch in weniger positivem Licht sehen. Und das würde letztlich auf mich zurückfallen." Die Prätorianer konnten den Kaiser schützen. Aber nicht vor allem.


    Ein wenig erschöpft von dieser kleinen politischen Lehrstunde fiel der Kaiser ein wenig in sich zusammen. Jetzt war es an der Gegenseite, Stellung zu beziehen. Er wollte beide Decimer im Dienste seiner Herrschaft, denn sie waren offensichtlich loyal und erfahren. Aber es ging nicht nur um sie, er musste auch andere Aspekte berücksichtigen.

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    CENSOR - CURSUS HONORUM

    PONTIFEX MAXIMUS - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Ziemlich überrascht sah Livianus aus seinen Gedanken gerissen zwischen den beiden anderen Männern hin und her. Zuerst zu Serapio, der sich dafür stark machte, dass er selbst in seinem eben angebotenen Amt bleiben konnte und danach der Kaiser, der wiederum Serapio belehrte. Serapio war tatsächlich immer schon ein wesentlich besserer Offizier als Diplomat gewesen und es war nicht das erste Mal, dass er froh darüber war, dass sein Sohn keine Laufbahn in der Politik eingeschlagen hatte. Denn nach Jahrzehnten auf diesem oft glatten Parkett war dem alten Decimer durchaus bewusst, dass ein Schritt zurück oftmals in Wahrheit einen Schritt vorwärts bedeutete. In diesem Fall sah er die Möglichkeit dem Kaiser bei seinem sogenannten Dilemma entgegenzukommen und dafür vielleicht eines Tages seinerseits einen Gefallen einfordern zu können. Der Preis dafür war gewiss nicht klein, immerhin ging es um eines der höchsten Ämter die ein Senator in seiner langen Laufbahn erreichen konnte, doch vor Salinator war es nicht unüblich, dass das Amt des Stadtpräfekten in fast regelmäßigen Abständen neu besetzt wurde. Somit war es lediglich eine frage der Zeit, wann er seinen Platz hätte räumen müssen. Warum also nicht jetzt mit der Aussicht auf ein neues Amt und in Form eines Entgegenkommens, das unter Umständen eines Tages ebenso wohlwollend erwidert wurde. Er hob daher beschwichtigend die Hand und sah zuerst zu seinem Sohn.


    "Ich bin mir sicher, dass der Kaiser bereits einen würdigen und fähigen Nachfolger an der Hand hat, der mein Amt reibungslos übernehmen wird. Ich bitte dich daher die Entscheidung darüber mir zu überlassen mein Sohn. Wie gesagt kommt die Frage meiner weiteren Berufung für mich nicht wirklich überraschend."


    Dann wandte er sich dem Kaiser zu. Das schnelle Gegenangebot hatte ihm ein wenig überrumpelt, doch eine Entscheidung war eigentlich leichter getroffen als ursprünglich angenommen. Beide Ämter hatten ihren Amtssitz in Rom und beide waren mitunter mit Reisetätigkeiten innerhalb Italias verbunden. Es gab aus seiner Sicht nur einen großen Unterschied, den er gerne auch offen aussprach.


    "Ich werde meinem Nachfolger bestimmt während der Zeit seiner Einarbeitung mit Rat und Tat zur Seite stehen, sofern er dies wünscht, doch ich könnte mich wohl nicht damit anfreunden darüber hinaus unter ihm als Curator zu dienen. Daher möchte ich das Angebot annehmen, mich in deinem Namen als Curator Rei Publicae um die Provinz Italia zu kümmern."


    Damit war die Entscheidung - die letztendlich einzig und alleine Livianus persönlich betraf - getroffen und er hoffte mit einem vielsagenden Blick zu seinem Sohn, dass dieser es nun so auch hinnahm und akzeptierte. Die klare Entscheidung seines Vaters vor dem Kaiser erneut in Frage zu stellen, wäre trotz aller guten Absichten die Livianus darin erkannte, mehr als ungebührlich und entehrend für den alten Decimer.

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