Funus Iuliae Torquatae

  • Vom Atrium Vestae aus erreichte der kleine Trauerzug die Rostra auf dem Forum Romanum und Dives war in diesem Augenblick fast schon ein wenig froh, dass der Weg bis hierher nicht sonderlich weit gewesen war. Denn zwar hatte seine heute zu Grabe zu tragende Adoptivtochter im Laufe ihres Lebens ganze drei (!) Väter gehabt. Aber dennoch war das Gefolge, welches der Iulier hier zu Ehren Torquatas versammeln konnte, insgesamt doch überschaubar. Doch diese kleine quantitative Schwäche, so redete sich Dives ein, würde gewiss mehr als ausgeglichen durch die Qualität derer, die dem Trauerzug angehörten...


    Die vorweg marschierenden Musikanten kündigten mit ihren getragenen Trauermelodien schon frühzeitig den Leichenzug an. Ihnen folgten zweimal fünf Klageweiber mit verzweifelten Trauergesängen, die links und rechts einen fahrbaren Untersatz flankierten, auf welchem anmutig und zugleich unnahbar eine von Lucius Paris empfohlene Darstellerin die junge Vestalin Torquata darstellte. Dahinter schloss sich bereits die weiße mit Blumen geschmückte Trage an, auf welcher der leblose Körper Torquatas in ein strahlend weißes Gewand gehüllt ruhte, bevor mangels eigener Freigelassener - ihr Iulianus Selenus hatte diese Welt noch vor ihr verlassen - in angemessenem Abstand bereits der Platz für die beiden Väter und ihre Familien sowie selbstredend auch die vestalischen Schwestern wäre, so sich auch jene in diesen Trauerzug einzureihen gewillt waren. Dahinter zuletzt konnten die iulischen Klienten und alten Freunde, neuen Freunde, ehemaligen Freunde und sonstigen Freunde, wohin man sich auch einordnen mochte, ihre Plätze in diesem Leichenzug finden.


    An der Rostra zuletzt teilten sich die Menschen wieder auf. So positionierten sich die Musikanten, Klagefrauen und sonstigen Darsteller auf der vom Publikum aus rechten Seite, während für die Klienten und zuvor mitlaufenden Freunde, soweit es ausreichte, die linke Seite zur Verfügung stand. Wer sich im weiteren Sinne zur Familie Torquatas zählte, durfte selbstredend nicht übersehen werden. Für all jene waren entsprechend Plätze auf der breiten Rostra hinter dem Blumenbett Torquatas angedacht, auch wenn wohl nur einer von ihnen gleich sprechen und zur Trauerrede für seine Adoptivtochter ansetzen würde...

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  • Es war nur ein kurzer Weg vom Atrium Vestae zur Rostra, die dem traurigen Anlass entsprechend vorbereitet war. Doch wurde der kurze Weg ganz durch den iulischen Trauerzug eingenommen. Abseits von den Musikern, die rhytmisch-schwere Trauermusik spielten und den Klageweibern in schwarze Kleider gehüllt und mit wirrem Haar, die laut und klirrend ihre Klagerufe und -gesänge über den Platz hallen ließen, schwiegen die meisten Begleiter in den Reihen der Klienten respektvoll. Die wenigsten konnten von sich sagen, Iulia Torquata, Tochter des Marcus Dives von den Iulii Capiones, persönlich gekannt zu haben. Auch Severus hatte die junge Frau nicht kennenlernen dürfen, zumal sie ja ohnehin den letzten Abschnitt ihres Lebens abgeschlossen im Atrium Vestae verbracht hatte. Dennoch kam der Helvetier hier seiner Pflicht nach und betrauerte die junge Iulia, die Tochter seines Patrons, auf ihrem letzten Weg mit ernstem Gesichtsausdruck und langem Schweigen. Auch ließ er seinen Blick nicht schweifen, sondern hielt ihn nach vorne auf den Wagen gerichtet, auf dem eine junge Darstellerin die Iulia darstellte. Daher nahm er auch kaum war wer um ihn herum , geschweige denn wer hinter ihm lief.


    An der Rostra angekommen nahm er einen Platz zur linken der Rostra ein. Dort war etwas Platz für Klienten und Freunde gemacht worden, wobei man sehen musste, ob dort auch alle Platz fanden. Severus zumindest hatte seinen Platz dort gefunden und blickte nun hinauf zur Rostra wo der zweite Teil der öffentlichen Trauerfeier stattfinden würde.

  • Der Kaiser folgte mit ernstem Gesicht dem Totenbett der Vestalin, neben sich die Augusta, gefolgt vom Caesar. Außerdem begleiteten ihn natürlich einige Praetorianer in zivil, die den Herrscher des Imperiums auch in stiller Trauer abschirmten.


    Vor der Rostra angekommen nahm er auf dem für ihn vorgesehenen Sitz Platz, von wo aus er einen guten Blick auf das bereits ein wenig eingefallene Gesicht des vestalischen Mädchens hatte. Wie schade um dieses junge Leben.

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  • Serena folgte ihrem Mann heute traditionell in ein Tunika aus einem dunklen blau gefertigt gehüllt. Die Harre wurden von einem gleichfarbigen Tuch bedeckt. Auf Schmuck jeglicher Art hatte sie heute verzichtet. So saß sie nun mit ernster Mine, den Blick zu Boden gerichtet neben ihrem Mann. Es war einer dieser Anlässen, zu denen sie lieber mit Abwesenheit geglänzt hätte. Sie war noch zu jung um über den Tod nachdenken zu müssen, doch waren es genau solche Situationen, die ihr vor Augen führten, wie vergänglich das Leben war. Sie griff vorsichtig nach der Hand ihres Mannes. Auch wenn sie die Vestalin die da vor ihnen lag nicht gekannt hatte, so ging ihr deren junger sinnloser Tod doch nah.

  • Es dauerte nur kurz, bis der Leichenzug an der Rostra angekommen war. Aber der Weg reichte dennoch aus, um dem Caesar zweimal beiläufig ein kleines Lächeln zu schenken. Denn wenn ich ihn in letzter Zeit schon so oft zu Gesicht bekam (auf der Hochzeit Flavia Domitillas, zur Cena in der Domus Flaviana, bei seinem Auftritt als Iudex vor Gericht und jetzt also auch hier), dann musste ich mich ihm gegenüber natürlich von meiner besten Seite präsentieren (auch wenn ich zugeben musste, dass die Tradition mit den zerzausten, offenen Haaren mir nicht gerade optimale Voraussetzungen zum Glänzen bot). Außerdem musste ich natürlich auch auf meine Rolle achten. Erstens. Treusorgende Mutter. Dafür hatte ich zum Glück auch etwas Unterstützung zweier Sklavinnen, die den kleinen Marc trugen und beschäftigten. Zweitens. Schwangere Ehefrau. Dafür musste ich zum Glück nicht viel machen. Meinen runden Bauch sah man ja, sodass man sich denken konnte, dass ich wieder "in freudiger Erwartung" war. Und drittens. Trauernde Stiefmutter. Das war der schwierigste Teil, auch wenn ich mich für die Variante der Trauer in würdevoller Zurückhaltung entschieden hatte. Aber trotzdem war es natürlich nicht leicht, Trauer für jemanden zu zeigen, um den man eigentlich nicht trauerte, nicht mal ein bisschen.


    Auf der Rostra angekommen setzte ich mich ebenfalls auf einen der Plätze. Den kleinen Marc, der auf dem Weg hierher von einer seiner Erzieherinnen getragen wurde (mir als Schwangeren mutete das hoffentlich auch keiner zu), nahm ich jetzt auf meinen Schoß. Seine beiden Erzieherinnen stellten sich wenige Schritte entfernt etwas im Hintergrund auf (so ähnlich wie das die Leibwachen der Kaiserfamilie taten). Dann wartete ich darauf, dass auch dieser Teil des Programms hoffentlich einfach nur kurz und schmerzlos und schnell vorüberging.

  • Die Zeit schien gekommen, zur vorbereiteten Trauerrede anzusetzen, auch wenn der Platz vor der Rostra noch nicht ganz mit mehr oder weniger mitfühlenden Schaulustigen gefüllt war. So baute sich Dives folglich an geeigneter Stelle auf, atmete noch ein letztes Mal tief durch und begann sodann:
    "Quiriten." Er ließ eine künstliche Pause. "Römer.", setzte er anschließend fort, nur um sogleich abermals eine Pause zu lassen. "Volk von Roma!" Diese Anrede inform eines Trikolon mit Climax - denn rein inhaltlich mochten alle drei Glieder sich kaum unterscheiden voneinander, äußerlich jedoch gab es in der Anzahl der Worte sehr wohl Unterschiede - ließ Dives einen Moment lang wirken. Er richtete seinen Blick auf Torquata, bevor er hernach in die Menge zurück schaute.


    "Mein Name ist Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius und Enkel des Censoriers Cicero Octavius Anton. Ich bin ein Bürger, eingeschrieben in die Tribus Fabia." Diesen Schritt in der Tat hatte er unternommen, nachdem der Augustus ihn mit Land beschenkt und in den Senat berufen hatte. Zwar spielten die Tribus dieser Tage kaum eine Rolle noch, doch war es dem Iulier dennoch ein Anliegen gewesen, sich aus seiner städtischen Tribus zu lösen und als Senator Platz in einer der ländlichen Tribus zu finden. "Ich bin ein Senator unserer ewigen Stadt. Und ich bin" Ein weiteres Mal blickte Dives zum leblosen Körper seiner Adoptivtochter, während er eine spannungssteigernde Pause ließ. "ein Vater, versunken in tiefe Trauer." Er sah zurück zum Volk, streckte dabei seinen Arm und zeigte auf Torquata. "Denn dort liegt Iulia Torquata, ein junges Mädchen, meine Tochter!" Er ging einige, wenige Schritte.
    "...und natürlich auch die Tochter des ebenso erschütterten Pontifex Maximus.", fügte er anschließend an. "Denn Iulia Torquata, dieses junge Mädchen, sie war eine pflichtbewusste Dienerin der Vesta, eine treue Hüterin des ewigen Feuers, eine der sechs vestalischen Jungfrauen, die so selbstlos ihr ganzes Leben geben und es nur einem einzigen Zwecke widmen - dem Wohle Vestas, dem Wohle Romas, unser aller Wohlergehen!" Wieder ließ Dives diese Worte einige Augenblicke wirken und bewegte sich ein paar wenige Schritte auf der Rostra. Dann erhob er mahnend seinen rechten Zeigefinger.


    "Und doch gab es in der Vergangenheit den einen oder anderen", zeigte der Iulier nun mit seinem Finger einmal nach links und einem nach rechts in die Menge, "der nicht nur gezweifelt hat an ihr, sondern gar die unsäglichsten Gerüchte verbreitete, dieses unschuldige junge Mädchen, Iulia Torquata, anzugreifen, zu beschädigen und zu diffamieren - SIE, die noch so unschuldig und jung war; SIE, die dennoch so bereitwillig all die Vorzüge eines Lebens als gewöhnliche Senatorentochter hergab, nur um zu unser aller Wohlergehen als vestalische Jungfrau in die Dienste der hohen Vesta zu treten; SIE, die nun hier liegt, tot.", klagte Dives an und ließ seinen Blick anschließend mehrere Male aufmerksam über das anwesende Volk schweifen.
    "Wie kann das sein, frage ich mich. War es womöglich die hohe Göttin selbst, die hier nach all der Zeit eine mir als Vater bislang verborgene Wahrheit in diesen Gerüchten erkannte und Iulia Torquata hernach in ihren jungen Jahren auf diese Weise aus dem Leben beförderte?", fragte der Iulier provokant in die Menge. "Nein! Ich glaube kaum, dass die Göttin ein so schweres Vergehen an ihr mit einem so raschen und leisen Tod vergolten hätte." Laut und vor aller Öffentlichkeit vom tarpeischen Felsen gestoßen zu werden oder gar bei lebendigem Leibe begraben zu werden, diese irdischen Strafen wären in diesem Fall wohl eine wesentlich passender Vergeltung gewesen. "Stattdessen bin ich davon überzeugt, dass dieses junge und unschuldige Mädchen, meine Tochter Iulia Torquata, nur deshalb einer einfachen Krankheit so tragisch erlag, da ihr die Kraft zum Kämpfen fehlte. Sie hatte ihre Kampfeskraft ja gerade erst verbraucht, um gegen all diese unsäglichen, haltlosen, falschen Gerüchte zu bestehen." Dives ließ seinen Blick ein weiteres Mal über die Menge schweifen, während er leicht zu nicken begann.


    "Ja, dieser Kampf war es, den sie nie führen wollte, er hat sie am Ende ihr erst noch so junges Leben gekostet.", brachte er nach der kurzen Zäsur noch einmal auf den Punkt. "Und dennoch möchte ich nicht hier stehen und anklagen und als Vater beim Stein des Iuppiter Rache und Vergeltung schwören. Das möchte ich nicht." Der Iulier schüttelte verneinend seinen Kopf. "Stattdessen stehe ich, um einerseits zu mahnen. Ich mahne jeden der heute hier Anwesenden, Iulia Torquata und ihr tragisches Schicksal nicht zu vergessen. Ich mahne jeden der heute hier Anwesenden, die Kraft der Worte niemals zu unterschätzen - denn Worte können Kraft geben und beflügeln; Worte können verletzen und das Leben nehmen; Worte können zur richtigen Zeit gesprochen Schmerzen lindern und alte Wunden heilen." Kurz zögerte Dives, bevor er mit seinem Blick weiterhin beim Volk vor der Rostra blieb. "Und ich mahne jeden der heute hier Anwesenden, aus dem Schicksal meiner Tochter zu lernen, auf dass Roma, das Imperium und wir alle im Sinne unseres erhabenen Aquilius Augustus", bezog sich der Iulier an dieser Stelle auf die Rede des Princeps zu seinem kaiserlichen Amtsantritt, "zurückfinden zu einem Gefühl der Einigkeit und gegenseitigen Verbundenheit, das keinen Platz lässt für die Bildung irgendwelcher Gräben und Fronten, für die Verbreitung haltloser Gerüchte und für das Aushecken sonstiger infamer Intrigen!" Er warf einen Seitenblick zu seiner Frau, die sich hier gewiss nicht ausnehmen sollte, und winkte sie zu sich in der Hoffnung, dass sie dieser kleinen Aufforderung folgte.


    "Nicht als Ankläger, sondern als Mahner stehe ich also einerseits hier.", griff er hernach noch einmal auf. "Und andererseits stehe ich hier, um meiner Tochter Iulia Torquata den Abschied von dieser Welt zu bereiten, der ihr gebührt. Dazu spreche ich sie ein letztes Mal - für allemal - mit aller Entschiedenheit los von all den infamen Gerüchten gegen sie. Dazu erinnere ich jeden der heute hier Anwesenden, wie wichtig trotz allem, was ich durch den Verlust meiner Tochter an Leid erfahre, Familie und Kinder wie mein kleiner Marcus sind. Denn die Kinder sind unsere Zukunft. Stirbt eines von ihnen, so stirbt unweigerlich ein Teil unserer Zukunft - und das schmerzt. Verzichten wir jedoch aus ebendiesem Grund in Gänze auf Kinder, so steht von Beginn an fest, wir _haben_ keine Zukunft." In ebendiesem Sinne galt es daher nicht zuletzt auch für den Iulier selbst, seinen Blick erneut seinen Kindern und der Zukunft zuzuwenden. "In diesem Sinne möchte ich zuletzt an den diversen Ständen am Rande des Forums im Namen meiner Tochter Iulia Torquata und der Familia Iulia Dives kotenlos einiges Brot verteilen. Möge es die Saat säen für eine friedlichere Zukunft, eine harmonischere Zukunft, eine bessere Zukunft - für unsere Familien und Kinder!" Bei diesen Worten legte er seinen rechten Arm um seine schwangere Frau und ihre gemeinsame kleine Familie, während er mit seiner linken Hand das Zeichen dazu gab, dass die Brotverteilungen an den Ständen beginnen konnten...


    Sim-Off:

    Wer möchte, darf sich gerne auch in der WiSim an der iulischen Brotspende bedienen.

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  • Der Caesar hatte an diesem Trauertag seine Schwierigkeiten, die angemessene Miene aufzusetzen. Natürlich war ihm bewusst, welche Bedeutung der Vestakult für Rom hatte. Ihm war auch wichtig, dass diese religiöse Tradition stets vorbildlich gepflegt wurde und war deshalb auch besorgt gewesen über die Tatsache, dass überhaupt Gerüchte über eine der Vestalinnen umgehen konnten. Letztlich machte der Tod der iulischen Vestalin ihn dennoch betroffen, wenn auch nicht übermäßig traurig.


    In dunkler Trauertunika folgte Appius Aquilius Bala deshalb heute Imperator und Augusta im kurzen Leichenzug zur Rostra, wo er ebenfalls Platz nahm. Das Lächeln, das Sergia Fausta ihm zwischenzeitlich zuwarf, irritierte den Caesar kurzzeitig zwar, ebenso wie ihr mittlerweile allzu runder Bauch, aber es war ihm möglich schnell wieder ein ernstes Gesicht zu machen. So verfolgte er denn auch die Rede des Marcus Iulius Dives, in der dieser vehement die Unbescholtenheit der Verstorbenen hervorhob. Bala fand das nicht ungewöhnlich, denn die Leute sollten Iulia Torquata ja in guter Erinnerung behalten. Dass der Iulier letztlich noch Brotspenden - für eine friedlichere Zukunft - verteilen ließ, hielt der Caesar schließlich noch für einen klugen Zug, der gewiss auch mit einem gewissen Kalkül hinsichtlich der nächsten Wahlen zum Cursus Honorum getätigt wurde.

  • Neben ihrem Mann war Valentina der Trauergemeinde gefolgt. Wie gebannt hatte sie der Darstellung der Frau beobachtet, die da vor ihnen getragen wurde. Sie kannte Iulia Torquata nicht und hatte so wenigstens das Gefühl sie ein klein wenig kennen zu lernen.
    Dann nahm Valentina neben Serapio Platz, sie fühlte sich immer noch niedergeschlagen, denn auch wenn sie die junge Frau nicht kannte. Ein Leben war vorbei und noch dazu so ein junges. Das könnte auch eine ihrer Nichten sein. In einem Moment in dem sie sich unbeobachtet fühlte, strich sie Serapio kurz über die Hand. Sie brauchte seine Nähe bei Gelegenheiten wie diesen.
    Schweigend und mit großer Bewunderung hörte sie dann de Rede von Dives zu. Es war wahrlich ein Können seine Worte so zu wählen, wie er es tat. Er erwähnte diese schrecklichen Gerüchte und Valentina empfand Mitleid. Nicht nur für die Verstorbene, auch für Dives und ohne, dass sie es wollte, wanderte ihr Blick zu Dives Frau. Auch Valentina wäre um ein Haar Opfer einer ihrer Intrigen geworden und dann säße sie jetzt nicht hier. Wie weit würde diese Frau wohl noch gehen?
    Serapio konnte einen leichten Druck spüren, als Valentina bei diesem Gedanken seine Hand fester hielt. Dives rief Fausta zu sich und das war wohl der Moment in dem sich auch Valentina wieder beruhigte. Brot zu verteilen war eine weiße Entscheidung und etwas, dass die junge Quintilia nur befürworten konnte.

  • Scipio war mit Valentina und Serapio gekommen, auch wenn er weder die Verstorbene kannte, noch mehr über ihren Vater wusste als den Namen und dass er Senator war. Mit ruhiger Miene verfolgte er was passierte und lauschte den Worten von Iulius Dives. Auch wenn der Inhalt ihm nur wenig sagte, er hatte ja nichts von diesen Verleumdungen gehört, so wirkte seine Rede sehr positiv auf ihn. Auch wenn er die Hintergründe nicht kannte, so war er sich sicher dass Iulia Torquata nichts unrechtes getan hatte, sondern hier ein Opfer unglücklicher Umstände wurde.


    Intrigen waren immer noch das große Gift, welches diese Stadt in seinem Griff hatte. Beschuldigungen, böse Worte, so etwas hörte man jeden Tag an jeder Ecke. Nicht nur bei den Patriziern oder Plebejern, selbst das freie Volk und die Sklaven diffamierten sich untereinander. Es war eine Gemeinsamkeit aller Menschen, man könnte dem anderen einfach nichts. Da kamen Scipio die Worte seines Großvaters in den Sinn, lange verblasste Erinnerungen seiner Kindheit.


    "Merke dir etwas Marcus: Alle Menschen sind neidisch, niemand wird dir auch nur den Schmutz unter deinen Fingernägeln gönnen wenn du auch nur einen kleinen Erfolg hast. Wenn du es also zu etwas bringen willst brauchst du vor allem zwei Dinge: Eine zähe Haut und einen wortgewandten Mund um das Volk mit deinen Worten von dir zu überzeugen."


    Beides traf auf Iulius Dives zu. Er war nicht umsonst Senator geworden, denn seine Worte konnten die Herzen der Zuhörer ergreifen. Ein Blick in das anwesende Volk war dafür Bestätigung genug.

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    Primär galt meine Aufmerksamkeit den Gardisten, die die kaiserliche Familie absicherten. Sie waren natürlich die Besten der Besten (der Besten) und hatten die Lage im Griff, keine Frage, und selbstverständlich hielt sich unweit davon eine noch größere Anzahl in Bereitschaft, zudem hatten wir Prätorianer incognito in der Menge, dazu einige Posten und Schützen auf den umliegenden Gebäuden. Aber ein paar eisenklirrende Turmae direkt um den Kaiser herum hätte ich weitaus beruhigender gefunden, um die Sicherheit des Herrn der Welt zu garantieren. Wenn es irgendeinem Hochverräter (oder parthischen Attentäter/dakischen Rächer/machtgeilen Verwandten/Wahnsinnigen...) durch irgendeinen dummen Zufall, durch irgendeinen Schluckauf des Schicksals, doch gelänge, Aquilius zu ermorden?! Nur weil unserem Kaiser sein "Zeichen des Vertrauens" wichtiger war als gründliche Sicherheitsmaßnahmen. Dann würden es am Ende wieder heißen die Garde sei schuld.... ganz abgesehen davon, dass wieder Blut und Tod über das Reich kommen würden.


    Diese Gedanken ließen meine Miene angemessen düster erscheinen, als wir uns bei Pulk der Freunde und Gefolgsleute der Iulier links der Rosta einfanden. Ein kräftig gebauter junger Mann mit breitem Schädel befand sich direkt neben mir, und sah in würdevolle Trauer gehüllt hinauf zu dem Redner. Valentinas Berührung holte mich zurück in ihre Gegenwart. Es war angenehm, sie an meiner Seite zu haben. Ich erwiderte den Druck ihrer Hand und lauschte der Leichenrede... Dives hatte seine Stimme wiedergefunden, oh ja das hatte er, und hielt eine Rede die sich gewaschen hatte! Formell äusserst gekonnt ergoß er einen Schwall sentimentalen Humbugs über das Forum. Hätte dieser große Mahner doch besser mal sein Töchterchen gemahnt, auf nächtliche Abenteuer zu verzichten, und seine Frau ermahnt, die Finger von mörderischen Intrigen zu lassen.
    Stoische Miene, Faustus. Unterkiefer zurück in Position - jetzt. Stoische Miene, Faustus.
    "Bona Dea. Er kann's nicht lassen." murmelte ich zwischen den Zähnen ganz leise zu meiner Verlobten. Der junge Scipio daneben – dem ich ja sogar noch empfohlen hatte, Dives Rednertalent zu studieren – sah recht angetan aus. Auch sonst traf die Rede, wie mir schien, sehr genau das zum Kitsch genauso wie zum Klatsch stets geneigte Volksempfinden. Sie kam gut an. Dives hatte es einfach drauf.


    Das Mitgefühl, das ich gerade im Atrium Vestae noch mit ihm verspürt hatte, verflüchtigte sich rapide. Erst ein Mädchen, dem es am Talent zur Keuschheit mangelte, in die Laufbahn einer Vestalin drängen. Dann ihren Leichenzug inszenieren mit einem Pomp als wäre die kleine Novizin die Virgo Vestalis Maxima selbst gewesen. Und zuletzt die Trauer zu abgeschmacktester Selbstdarstellung instrumentalisieren, die nächste Wahl fest im Blick.
    Wie zerfressen von Ehrgeiz Dives sein musste, hinter seinem gefühlvollen Auftreten. So sehr war mir das früher nie ins Auge gesprungen. Seine stürmische Zuneigung von einst, und sein Talent zu süßer Hingabe, hatten meinen Blick doch arg getrübt. Ich hatte sogar (vor längerem allerdings) mal geglaubt, er sei das arme Opfer seiner Gattin, und gemeint ihn vor ihren Klauen erretten zu müssen. Doch jetzt, wo ich die beiden so sah, zusammengeschweißt von ihrer unbändigen Geltungsgier, ging mir erst auf, wie perfekt Iulius Dives und Sergia Fausta zusammenpassten. Betreten wandte ich den Blick ab.

  • Die schrecklichen Gerüchte über Iulia Torquata hatten selbstverständlich auch den Kaiser als ihren Tutor erreicht und erschüttert. Insofern konnte er die Bitterkeit in den Worten Dives' nachvollziehen, selbst wenn sie in einer Mahnung zur Eintracht verpackt waren, die ihm zusätzlich schmeicheln sollte.


    Einer spontanen Eingabe folgend beugte er sich zurück, wo sein getreuer Privatsekretär bereit stand, der sich eifrig zu ihm herabbeugte und seinen geflüsterten Befehl entgegennahm. Er eilte davon und kam kurz darauf mit einigem Brot wieder, das er an den Aquilier, seine Gattin und seinen Sohn verteilte.


    Das Brot in der Hand erhob Severus sich dann und ging zu Dives hinüber. "Ich danke dir, eine sehr ergreifende Rede." murmelte er dem adoptivkinderlosen Vater ins Ohr.


    Dann drehte er sich zur Menge. Mit der Rechten hob er das Brot in die Höhe: "Wie Iulia Torquata mit ihren Schwestern das Heilige Feuer nährte, so möge dieses Brot in uns Frieden und Eintracht nähren. Denn am Ende leben wir nicht nur von der Nahrung, sondern auch von gegenseitiger Eintracht und wechselseitigem Respekt! Möge Iulia Torquata uns allen in guter Erinnerung bleiben!" Damit griff er zu dem Brot und nahm demonstrativ einen Bissen. Vielleicht nicht seine beste Rede, aber immerhin.

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  • Die Rede begann. Und wie zu erwarten gewesen war, verherrlichte Marcus mit jedem einzelnen Wort seine adoptierte Tochter. Denn eine pflichtbewusste, treue Jungfrau? Jungfrau war sie beim Eintritt bei den Vestalinnen hoffentlich noch gewesen. Das ließ sich ja überprüfen und ich wusste: Ich hätte sowas sicher immer überprüft, wenn ich die Obervestalin des Vereins gewesen wäre. Nur Pflichtbewusstsein und Treue (gerade zu ihrer neuen Familie), das hatte ich nicht gesehen, als sie für einen netten Flirt in der Nacht unbemerkt aus dem Haus geschlichen war.... Aber ich zwang mich, darüber nicht mehr nachzudenken. Ich konzentrierte mich nur auf meine Rolle als Stiefmutter, die in würdevoller Zurückhaltung trauerte.. und ein Auge auf ihren Sohn hatte.. und das andere gelegentlich dem Caesar zu warf.. und sich streichelnd um ihren Schwangerschaftsbauch kümmerte. "Lass ihn reden.", sagte ich mir und versuchte einfach nur mit halbem Ohr hinzuhören, wenn er diese unschuldige Iulia wieder mal über den goldenen Klee lobte.


    (Eigentlich. Eigentlich war sie bei genauerer Betrachtung ja gar nicht mal so unschuldig an ihrem "Kampf gegen alle anderen". Mich hatte sie schon am ersten Tag mit ihrem Auftreten gegen sich aufgebracht. Dass sich niemand freuen würde, wenn rauskam, dass sie nachts heimlich irgendwelche Soldaten traf, war die große Überraschung auch nicht. Und wer wusste schon, was sich die Iulierin hinter den Mauern des Vestalinnen-Hauses noch hatte zu Schulden kommen lassen. Darüber konnte man nur spekulieren.)


    Erst als Marcus mich auf einmal so ansah und zu sich winkte (kurz nachdem er irgendwas von gemeinen Intrigen geredet hatte), wurde ich wieder aufmerksamer. Ohne zu wissen, was mich erwartete, stand ich auf und ging gemeinsam mit unserem Sohn zu ihm. Denn ich konnte ja jetzt schlecht in aller Öffentlichkeit aus meiner Rolle fallen und die Eigensinnige spielen. (Genauso wenig eigentlich wie er mich jetzt in aller Öffentlichkeit für den Tod seiner Tochter verantwortlich machen konnte. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf beruhigte ich mich und ging ein kleines bisschen selbstsicherer.) Am Ende wars dann auch halb so schlimm. Marcus legte viel Gewicht auf Kinder (um die gings in fast jedem Satz) und weniger Gewicht auf die Familie (die kam immer nur mal mit dazu). Das fiel mir natürlich auf. Ich versuchte trotzdem zu lächeln, als er hier von der besseren Zukunft sprach. Was sollte ich auch sonst anderes tun?


    Der Kaiser als auch irgendwie Vater schloss sich der Aussage meines Mannes mit ein paar eigenen Worten an, während die Brotausgabe so langsam anfing. "Ich möchte mich wieder hinsetzen.", sagte ich Marcus nach einer Weile ins Ohr und strich mir symbolhaft über den Bauch. Das Stehen war anstrengend und ging sehr auf meinen Rücken. Außerdem wollte ich auch den letzten Teil der Bestattung einfach nur noch hinter mich bringen, um dann Iulia Torquata endlich vergessen zu können und mich voll und ganz auf meine Kinder zu fokussieren. Ganz genau.

  • Der Iulier hatte die vorbereitete Leichenrede gesprochen und vorgetragen, da begann er allmählich zu realisieren, dass er damit nun also einen weiteren Schritt des schweren Weges gegangen war, seine Adoptivtochter Torquata loszulassen, sich von ihr zu verabschieden und sie schlussendlich zur letzten Ruhe zu geleiten. Es war der Princeps, der in diesem Augenblick neben Dives trat und ihm einen kleinen Dank aussprach. Anschließend erhob auch der Aquilier seine Stimme zum Volk, einige Worte an jenes zu richten, bevor es hernach der Iulier war, der mit traurigem Lächeln dem Augustus dankte:
    "Ich habe dir zu danken, Pontifex Maximus, für die Möglichkeit mich in diesem Rahmen von Torquata zu verabschieden, für die Möglichkeit selbst die Leichenrede für Torquata sprechen zu können, und für die Möglichkeit das Grab Torquatas mit deiner Erlaubnis selbst bestimmen zu dürfen. Für all dies danke ich dir - sehr.", betonte der iulische Senator. Auf die nachfolgenden Worte seiner Frau nickte er hernach nur verstehend, da sie wohl letztlich eh tat, was sie wollte, und Dives für eine Diskussion mit ihr gerade am heutigen Tage keine Kraft aufbringen konnte und wollte.


    Unterdessen wurde auf dem Forum von fleißigen Helfern das Brot unter die Leute gebracht, während mehrere Sklaven die nötigen Vorbereitungen trafen, den iulischen Leichnam im Anschluss in einem wesentlich kleineren und intimeren Rahmen zur Porta Capena und von dort das letzte Stück über die Via Appia zum neu errichteten Familiengrab der Familia Iulia Dives zu transportieren. Dort letztlich würden die sterblichen Überreste der verblichenen Vestalin traditionsgemäß den Flammen übereignet, bevor man ihre erkaltete Asche schlussendlich in eine verzierte Urne aus Bronze füllte, die ihre letzte Ruhe hinter einer marmornen Grabplatte finden würde.

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  • Mit ernstem Gesichtsausdruck hatte Severus die Rede des Iuliers und die anschließende, etwas kürzere Wortmeldung des Kaisers, den er hier nun das erste Mal wirklich von Nahem sehen durfte, verfolgt. Beide hatten den Aufruf zu Eintracht und gegenseitigem Respekt. Die Rede des iulischen Quaestorius ging aber deutlich weiter. Dives ging auf die familiären Werte ein, aber viel wichtiger, er rottete Gerüchte um die moralische Fragwürdigkeit - oder gar Unkeuschheit! - seiner vestalischen Adoptivtochter an der Wurzel aus. Natürlich war damit auch eine Agenda für die Unterstützer und Klienten des Iuliers gesetzt, darauf zu achten, dass solche Gerüchte gar nicht erst wieder aufkommen konnten. Severus nickte zustimmend, sowohl zu den Kernthemen der iulischen, als auch der Forderung der kaiserlichen Ansprache.

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