[Officium] Praefectus Urbi Herius Claudius Menecrates

  • Lurco hörte seinem Praefectus aufmerksam zu und nickte zustimmend. Niemand konnte wissen, was Cerretanus Rom erreichen würde, oder ob er überhaupt Rom erreichen würde. Der Weg war weit und wer wusste, ob Cerretanus nicht etwas roch und sich lieber aus dem Staub machte. Sollte er tatsächlich schuldig sein, dafür sprach fast alles, dann war dem Mann durchaus bewusst, weshalb er zurück nach Rom beordert wurde. Oder er konnte es sich zumindest denken.


    Die Fakten mussten vorliegen, bevor Cerretanus hier aufschlug, dass stand fest. Nur fragte sich Lurco ehrlich, wo er anfangen sollte. Prioritäten setzten. Aber hing nicht alles gleichmäßig zusammen? Natürlich nicht der Püppchenmord. Dennoch musste auch diesem nachgegangen werden. Möglich war sogar, dass sich mehrere Fälle am Ende zu einem vereinten, wie man bei den Krähen gesehen hatte. Und genau um die Krähen, den Anschlag auf die Statio und den Mord an Caesoninus ging es.


    Nur wer lieferte den entscheidenden Fakten und wie wurde kam man an die Personen die verschwunden waren?

    Wie man jemanden suchte, dass war kein Problem. Das Finden schon eher. Sie alle konnten sich sonstwohin abgesetzt haben. Sogar die Spur von Anis dem Wahrsager verlief sich hinter seiner Haustür. In der Subura sprach niemand mit den Urbanern. Denn die Bewohner lebten stets dort, Urbaner kommen und gingen. Sie hatten also damit zu leben und ihre Aussage auszubaden, sollte man sie dabei erwischen. Daran würde hoffentlich die neue Statio etwas ändern, dass auch die redlichen Bewohner der Subura zu den Cohortes Urbanae Vertrauen fassten.


    Lurco dachte über die Worte des Praefectus nach.


    "Praefectus, Kyriakos war jener Mann der in den Magen geschlagen wurde. Das ist richtig. Allerdings war er nicht nur das. Kyriakos war jener Mann, dessen Lupanar von der Sklavin Eireann angezündet wurde. Jener Sklavin die damals Optio Furius gehörte. Jener Sklavin die eine Krähe war. Der Zusammenhang zwischen Kyriakos und dem Brandanschlag auf sein Lupanar und Optio Furius ist größer als der Magenhieb.


    Tiberios war ebenfalls Sklave der Furia zur Zeiten als es Eireann gewesen ist. Er hat diese Sklavin mehrfach verteidigt und einmal vor unserer Castra randaliert. Auf seine Aussage könnten wir verzichten. Vorrangig, er könnte ebenso involviert sein, tauchte aber nicht im Zusammenhang mit den Krähen auf. Vielleicht war er nur ein liebeskranker Tropf.


    Gens Furia, da fehlt mir schlicht der Ansprechpartner. Wer aus der Gens könnte sachdienliche Hinweise haben, außer der Tatverdächtige selbst? Und wer der Gens würde gegen das eigene Familienmitglied aussagen? Bestenfalls wissen sie von nichts, schlimmstenfalls decken sie ihren Verwandten. Wen soll ich aus der Gens befragen Praefectus? Ein Gensmitglied auf gut Glück oder alle? Sprich hier bin ich am überlegen und weiß nicht, an wen ich mich dort wenden soll", antwortete Lurco nachdenklich und teilte Menecrates damit seine Gedanken mit.


    Nicht das sein Boss noch meinte, er hätte sich die ganze Zeit vor der Arbeit gedrückt oder heimlich auf den Latrinen versteckt, so war es ja nicht. Wobei dass wäre jedem aufgefallen, Lurco kannte sich, er hätte die Latrine säubern müssen. Selbst wenn er sich scheinbar vor der Arbeit verstecken wollte, hätte er gearbeitet, stellte er fest.

  • Menecrates besaß eine Liste, auf der die angesprochenen Namen standen. Ohne diese Notizen würde er bei den vielen Fällen den Überblick verlieren, denn die Akten lagen im Archiv und boten keine schnelle Orientierung. Optio Purgitius nahm einen nach dem anderen durch. Bei dem ersten - Bordellbesitzer Kyriakos - nickte Menecrates mehrfach. Warum auch immer, alles, was mit dieser Person zusammenhing, hatte er sich gemerkt.

    "Das ist richtig, der Zusammenhang zwischen Kyriakos und dem Brandanschlag auf sein Lupanar sowie Optio Furius ist größer als der Magenhieb. Gleichzeitig wurde Kyriakos schon einmal befragt. Was erhoffen wir uns von einer weiteren Vernehmung?" Die Antwort würde über den Platz auf der Prioritätenliste entscheiden.


    Als nächster wurde der Sklave Tiberios durchgenommen. An dessen Bedeutung im Zusammenhang mit dem Brandanschlag erinnerte sich Menecrates nicht, daher hörte er aufmerksam zu. Dem Resümee, auf eine Aussage zu verzichten, stimmte er mittels Kopfnicken zu. Er strich den Namen auf seiner Liste und widmete sich den Ausführungen zur Gens Furia.

    Er benötigte in diesem Fall wieder die Rücksprache mit Purgitius, weil ihm nicht von selbst einleuchtete, inwiefern die Familie des Offiziers ihnen weiterhelfen konnte. Dem Resümee seines Ermittlers stimmte er zu.

    "Sie sind alle befangen. Ihre Aussagen können nicht als neutral angesehen werden, daher streiche ich sie von der Liste." Der Griffel zog eine weitere Furche in das Wachs der Tafel, dann fiel ihm etwas ein und er hob den Kopf. "Moment! War es nicht so, dass wir dort eine Hausdurchsuchung geplant hatten, in der Hoffnung, Beweise zu finden? Wir wollten zunächst versuchen, ob uns freiwillig die Türen geöffnet werden." Er glaubte, sich richtig zu erinnern. "Eine Durchsuchung müssen wir vornehmen." Er griff zu einer Wachstafel und formulierte einen schriftlichen Befehl, bevor er die Tafel zu Purgitius schob.

    "Das hat Priorität eins. Nimm dir Männer mit, bitte um den freiwilligen Zutritt und falls der verwehrt wird, oder niemand zu Hause ist, geh durch den Hintereingang - notfalls gewaltsam. Die Haupteingangstür sollten wir nicht beschädigen.

    Bliebe noch die Gens Iulia."

    Von einer Befragung versprach sich Menecrates Aufklärung über die Mordgründe. Eine Durchsuchung könnte Material zutage bringen, was ihnen bei der Bandenbekämpfung half, aber auch Hinweise über die Zusammensetzung der Krähenbande lieferte. "Wir wissen nicht, ob Iulius Caesoninus Notizen hinterlassen hat, aber das sollten wir herausfinden. In diesem Fall kein Durchsuchungsbefehl, ich erwarte Kooperation. Priorität zwei."

  • Lurco war froh darum, dass sie die Sache noch einmal in Ruhe besprachen. Er wusste zwar wie er vorzugehen hatte, aber ab dato war da ein schwarzer Fleck auf seiner Landkarte des Vorgehens. Wie ab hier weiter? Wie ansetzen und das korrekt, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen? Manchmal dachte es sich zu zweit leichter, als wenn man in den eigenen Gedankenmustern seine Schleifen drehte oder gefangen war.


    "Praefectus, von der Befragung mit Kyriakos hatte ich mir erhofft, dass er sich rückblickend an etwas mehr erinnert. Manchmal ist man sich allen Erinnerungen gar nicht bewusst. Er war gerade in der Situation und den Konsequenzen selbst gefangen, vermutlich hat er das eine oder andere übersehen, da er erstmal seine Existenz zu retten hatte. Nachdem sich alles gesetzt hat, dachte ich wäre es gut ihn erneut zu befragen. Mit etwas Abstand und Ruhe zurückblickend fällt ihm vielleicht noch etwas Relevantes ein. Es ist nur eine vage Hoffnung Praefectus.


    Was die Gens Furia angeht, ja da hast Du Recht. Sie sind alle befangen, selbst wenn uns jemand aus ihrer Familie helfen wollen würde, er könnte es nicht. Er würde sich selbst in Gefahr bringen, auch wenn er unschuldig ist. Eine Hausdurchsuchung? Nein wir wollten sie zuerst befragen, sie und die Gens Iulia. Aber Du hast Recht, sie werden uns nicht freiwillig einen Verwandten ausliefern. Eine Durchsuchung ist eine sehr gute Idee. Wer weiß in welchem Zusammenhang in dieser Familie noch einige mit den Krähen stehen? Möglicherweise überhaupt nicht, aber wir suchen schließlich die Wahrheit. Be- und Entlastendes werden wir sicherstellen und werten. Und auch was wir nicht finden, sagt einiges aus.


    Danke Praefectus so machen wir es. Zuerst die Durchsuchung, ich werde einige Männer aus meiner Baracke mitnehmen. Wir werden so umsichtig wie möglich vorgehen, niemand soll grundlos das Gesicht verlieren. Dennoch können wir nicht auf alles Rücksicht nehmen, falls die Familie Gegenwehr leisten sollte. Dann werden wir entsprechende Maßnahmen ergreifen.


    Bleibt die Gens Iulia. Du hast Recht, möglicherweise hat Caesoninus Schriftstücke aufbewahrt die uns weiterhelfen könnten. Ich vermutete, dass der Mann etwas Wichtiges wusste, wofür er letztendlich ermordet wurde. Das ihm selbst nicht einmal bewusst gewesen ist, welche Tragweite dieses Wissen für andere haben könnte. Ich gehe davon aus, dass die Gens ebenfalls an einer Aufklärung des Mordes interessiert ist und kooperiert.


    Heißt unsere Prioritäten lauten, zuerst die Durchsuchung bei der Gens Furia. Zweitens die Befragung der Gens Iulia. Rest hinten an", bestätigte Lurco und nahm die Tafel an sich.


    "Kennst Du die Gens Iulia? Hast Du einen Ratschlag wer am Besten als Ansprechpartner geeignet wäre?", fragte Lurco, froh darüber dass sie gemeinsam die Gedanken sortiert hatten.


    "Wann glaubst Du haben wir mit dem Erscheinen von Optio Furius zu rechnen? Meine Befürchtung ist, sollte der Mann tatsächlich schuldig sein, dass er Wind von der Sache bekommt und sich absetzt. Erscheint er tatsächlich hier, bin ich gespannt was er zu alle dem zu sagen hat. Wie er uns sein Verhalten erklären möchte oder ob er das Rückgrat hat zu gestehen", fügte Lurco grübelnd an.

  • Menecrates hörte zu und nickte zuweilen. Es gab keinen Grund, Einwürfe zu machen. Auf die Frage nach einem Ansprechpartner bei der Gens Iulia blies er Luft durch die Lippen.

    "Ich kenne reichlich Ansprechpartner, nämlich zwei Klienten und einen Tiro, aber leider ist keiner von ihnen in Rom. Caesoninus gehörte meiner Factio an, aber als einziger Iulier, und damit haben wir ein Problem." Ganz bestommt gab es eine Reihe weiterer Familienmitglieder, die Menecrates nicht kannte und somit nicht empfehlen konnte. Er dachte nach und erinnerte sich an eine Hochzeitsanzeige.

    "Es spielt eigentlich keine Rolle, wer dir Zutritt zur Casa Iulia verschafft. Wir setzen dort auf Kooperation. Wenn ich mich recht erinnere, hat vor einiger Zeit eine Iulia den Senator Annaeus Florus Minor geheiratet. Wenn sie auch selbst nichts weiß und bei einer Befragung nicht weiterhelfen kann, in die Casa Iulia könnte sie euch einlassen. Sicherlich wohnt sie nicht mehr dort, sondern in der Casa Annaea, aber sie wird für eigene Besuche sicherlich einen Zugang haben. Die Suche nach Hinweisen und im besten Fall das Sichern von Beweismitteln ist dort ohnehin primäres Ziel."


    Wann der angeforderte Optio eintreffen würde, wussten nur die Götter, daher zuckte Menecrates auf die Frage hin mit den Schultern. "Wir können nichts machen, außer abwarten. Auf sein Auftreten bin ich selbst sehr gespannt. Ich kann mich nicht an den Mann erinnern." Unteroffiziere mussten sich hervortun, um bemerkt zu werden. Natürlich funktionierte das Hervortun nicht nur auf löbliche Weise, sondern auch dann, wenn sie negativ auffielen. Zeit, über den ausbleibenden Mann nachzudenken, nahm sich Menecrates nicht. Es gab genügend aktuelle Dinge, die er im Kopf behalten musste.


    Die Marschroute war besprochen, es bedurfte nun der Umsetzung. Bevor Menecrates den Optio entließ, schnitt er aber ein weiteres Thema an.

    "Nächster Punkt unserer Besprechung ist deine Disziplinarstrafe. Lass uns einen Blick auf die vergangenen Wochen und Monate werfen. Wie hast du diese Zeit erlebt und was nimmst du bisher aus ihr mit?" Vielleicht klang es nach einem Abschlussgespräch, aber so genau wusste das Menecrates selbst noch nicht. Im Verlauf des Gespräches würde er sich entscheiden. Selbsteinschätzungen mochten die wenigstens, aber sie sagten viel aus. Er musterte Purgitius und beobachtete dessen Reaktion.

  • "Senator Annaeus Florus Minor ist mein Patron Praefectus, ich könnte mich hilfesuchend an diesen wenden. Möglicherweise kann er uns somit über seine Ehefrau Zutritt zu der Casa Iulia verschaffen. Falls nicht, sprich falls uns niemand Einlass gewährt, dann werden wir wohl den einfachen, wenn auch weniger schmeichelhaften Weg gehen müssen. Wir werden nach Hinweisen, Beweisen und allen anderen Fakten suchen.


    Dazu fällt mir noch etwas ein, hatte Caesoninus ein Officium außerhalb seines Hauses? Wenn ja, weißt Du wo? Möglicherweise finden wir dort ebenfalls Hinweise. Es wäre auf alle Fälle wert, der Sache nachzugehen.


    Also zuerst lautet mein Vorgehen:

    1. Priorität - Durchsuchung bei den Furia, keine Kooperation zu erwarten, Gens befangen.

    2. Priorität - Zutritt zum Haus der der Iulia verschaffen, zwecks Ermittlung von Hinweisen, Beweisen, auffinden von weiteren Fakten.

    3. Priorität - alles weitere.


    Du wirst den Optio kennenlernen Praefectus, Du bist im Bilde wie er dienstlich gehandelt hat. Menschlich möchte ich nicht vorweg greifen, mache Dir selbst ein Bild von ihm und ordne ihn entsprechend ein. Alles was ich Dir gesagt und vorgelegt habe, bezog sich auf den Dienst. Auch wenn es im weiteren Rahmen mit dem Dienst zu tun hatte Praefectus", erklärte Lurco freundlich und dachte über die Frage bezüglich, seiner Strafarbeit nach.


    "Meine Disziplinarstrafe, war keine Strafe Praefectus, sondern eine Chance die mir vermutlich kaum jemand gegeben hätte. Was ich davon mitgenomme habe ist, sind mehrere Dinge. Das erste was ich gelernt habe ist, dass man mit allem zu Dir kommen kann. Am Besten bevor man selbst unüberlegt handelt. Allerdings habe ich in dem Zusammenhang auch gelernt, dass sehr viel von einem guten Vorgesetzten abhängt, zu dem man auch gehen möchte. Das heißt, sollte ich jemals in den Genuss kommen, dann werde ich es genauso handhaben. Ich werde mit dem Beispiel vorangehen, dass ich mir selbst gewünscht hätte damals. Etwas das Du geleistet hast, Du hast mir zugehört und Dich unserer Sache angenommen. Meine Strafe in dem Zusammenhang war gerechtfertig und sie fiel milde aus. Dafür danke ich Dir.


    Zudem haben wir mehr Arbeit, als mir bis dato tatsächlich bewusst gewesen ist. Sprich es greift mehr ineinander, als auf den ersten Blick ersichtlich ist und man muss die Augen und Ohren überall haben. Meine Aufgaben haben mir Freude, aber auch einiges an Kopfzerbrechen bereitet. Es war eine lehrsame und gute Zeit.


    In dem gesamten Zusammenhang ist mir allerdings auch etwas klar geworden und zwar, dass wir als gesamte Cohortes Urbanae einen Erfolg benötigen.

    Einen Erfolg der uns alle motiviert als Einheit zu fungieren und weiter daran zu arbeiten. Mehr noch, ein Erfolg wurde auch Rom und seinen Bürgern zeigen, dass wir als Urbaner wieder da sind. Zurück in neuer, besserer Form. Das wir uns zu jenen Urbanern gewandelt haben, die sie benötigen und die wir uns selbst wünschen zu sein. Eines Tages werden sich die meisten hier einschreiben, weil sie Urbaner werden und etwas bewegen möchten. In der Vergangenheit wurde den Cohortes gefühlt als Sprungbrett beigetreten.


    Und wie gesagt, dafür haben wir einen Erfolg nötig. Nicht nur dass, dieser Erfolg würde auch unsere Daseinsberechtigung untermauern.

    Und Praefectus, diesen Erfolg hätten wir offiziell schon haben können, wäre ich die Sache mit den Krähen offiziell angegangen. Den Erfolg habe ich uns verwehrt. So bleibt es auch vorrangig an mir, diesen Schnitzer wieder gut zu machen. Ein Ermittlungserflog muss her", antwortete Lurco respektvoll.


    Er überlegte einen Moment und fügte etwas an.


    "In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage Praefectus. Ist es möglich, dass uns die Prätorianer Fälle wegschnappen? Sind sie ebenfalls mit Ermittlungsarbeiten betraut, oder nehmen diese an in einigen Fällen? Sprich greifen sie jene Fälle ab, in denen ein Erfolg schnell zu verzeichnen ist und überlassen uns jene, mit Kopfzerbrechen? Das würde mich persönlich interessieren".

  • << RE: Posteingang der Cohortes Urbanae


    Auf dem Schreibtisch des Praefectus Urbi lag auch ein Brief:




    Praefectus Urbi

    Herius Claudius Menecrates

    Castra Praetoria

    Roma


    Roma, ANTE DIEM IV ID OCT DCCCLXXI A.U.C. (12.10.2021/118 n.Chr.)


    Bitte um ein persönliches Gespräch


    Verehrter Praefectus Urbi Claudius Menecrates,


    im Zuge des Beginns meiner Magistratur als Tresvir capitalis bitte ich um eine persönliche Unterredung, um die Arbeit aufeinander abzustimmen.


    Mit vorzüglicher Hochachtung


    306-8321fda9.png

    ch-vigintivir.png

    TRESVIR CAPITALIS


  • "Senator Annaeus Florus Minor ist mein Patron Praefectus, ich könnte mich hilfesuchend an diesen wenden.

    "Na, das trifft sich doch hervorragend!" Menecrates freute sich über den Zufall. "Senator Annaeus ist dein Patron." Er schüttelte den Kopf. "Manchmal ist Rom ein Dorf. Machen wir es so: Du wendest dich an deinen Patron, schilderst den Sachverhalt. Ich bin sicher, seine Ehefrau hat Zugang zu Casa Iulia und verschafft ihn dir. Senator Annaeus hat keinen Grund, nicht zu kooperieren. Andererseits kannst du unter diesen Umständen nicht in die Casa der Iulier gewaltsam eindringen, sollte dir wider Erwarten der Zutritt verwehrt werden. In diesem Fall erstattest du mir Bericht. Dann muss ich weitersehen."

    Die Frage nach einem Officium außerhalb der Casa stellte Menecrates vor ein Problem. Die Amtszeit lag viele Jahre zurück und Caesoninus kam immer zu ihm und nicht umgekehrt. Claudius sah keine Chance, sich an mögliche Bemerkungen zu erinnern, und schüttelte den Kopf.

    "Ich weiß es nicht. Vor Jahren führten etliche Magistrate, die keinen festen Amtsstuhl bekleideten und häufig unterwegs waren, den Schriftverkehr von Zuhause aus. Irgendwo muss er ein Officium gehabt haben, suchen wir erst einmal bei ihm zu Hause. Mit zwei Officia rechne ich nicht."


    Anschließend begann die Auswertung der Disziplinarzeit. Das von Lurco aufgeführte Ausmaß an Einsicht übertraf Menecrates' Erwartungen. Angesichts dessen sparte er sich jeden Kommentar, zumal er augenfällige Veränderung längst registriert und bei sich vermerkt hatte. Er zog eine Wachstafel heran und notierte Stichpunkte für eine Bekanntmachung. Er musste sich beeilen, denn Lurco sprach weiter. Schreiben und gleichzeitig zuhören vermochte der Claudier nicht, aber anfangs zählte der Optio auch nur die Reihenfolge im weiteren Vorgehen auf.

    Trotzdem bekam Menecrates zu spüren, dass ihm der Anfang der nachfolgenden Thematik fehlte. Wollte Purgitius die Rekrutierungsquote steigern oder meinte er, die Urbaner würden nicht genügend von der Bevölkerung wahrgenommen oder wertgeschätzt? Am Ende glaubte der Präfekt zu verstehen. Purgitius übte unnötigerweise Selbstkritik.

    "Wo siehst du einen Mangel an Wertschätzung uns gegenüber?" Berechtigung als Einheit da zu sein, gab es aus Menecrates' Sicht genug, also konnte es sich bei Purgitius' Problem nur um ein von ihm empfundenes geringes Ansehen der Urbaner handeln.


    "In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage Praefectus. Ist es möglich, dass uns die Prätorianer Fälle wegschnappen? Sind sie ebenfalls mit Ermittlungsarbeiten betraut, oder nehmen diese an in einigen Fällen? Sprich greifen sie jene Fälle ab, in denen ein Erfolg schnell zu verzeichnen ist und überlassen uns jene, mit Kopfzerbrechen? Das würde mich persönlich interessieren".

    Die Überlegungen kamen unerwartet und Menecrates musste zunächst nachdenken, um keine falschen Aussagen zu tätigen, würde er spontan antworten. Nach Momenten der Stille schüttelte er langsam den Kopf und erhöhte am Ende das Tempo. "Mir sind keine Fälle bekannt, die auf unserem Tisch hätten landen müssen, es aber nie bis zu uns geschafft haben. Natürlich schließt das nicht aus, dass es Fälle gibt, die erst gar nicht für uns sichtbar an die Oberfläche treten." Er überlegte weiter. "Vielleicht hat die Garde den Vorteil, zuweilen eine Beauftragung zu erhalten, wo nur Verdachtsmomente bestehen. Sie ermitteln längst, bevor das Delikt verübt wird, und teilweise können sie es sogar verhindern, während wir immer erst dann mit unserer Arbeit beginnen, wenn wir mit einer Tat konfrontiert sind. Wir müssen uns alles erst erarbeiten: Den Täter, das Motiv, die Zusammenhänge und mögliche Hintermänner."

    Menecrates schmunzelte, als er fortfuhr: "Lassen wir der Garde den Vorsprung, offensichtlich brauchen sie ihn." Zwar schätzte der Praefectus Urbi nicht die gesamte Einheit so ein, aber wirklich viel hielt er nur von wenigen Prätorianern.

  • Lurco nickte zustimmend, als sein Praefectus davon sprach, dass sie aufgrund er persönlichen Beziehungen anders vorgehen mussten. Sein oberster Boss hatte da ein besseres Händchen für, als er selbst. Eine gute Beziehung war durch eine unbedachte Äußerung oder Handlung sehr schnell zerstört, dies wollte Lurco auf keinen Fall bei seinen Patron riskieren. Er schätzte den Mann sehr und hatte ihn tatkräftig beim Wahlkampf unterstützt. Zum Glück hatte Praefectus Claudius noch vor jeder Amtshandlung das mögliche Fettnäpfchen erkannt. War die Handlung auch rechtmäßig, sie hinterließ trotzdem einen üblen Beigeschmack. So konnten sie das Problem möglicherweise auf andere Weise lösen.


    "Du hast völlig Recht Praefectus, eine unbedachte Handlung den Iuliern gegenüber könnte ich meinem Patron gegenüber nicht rechtfertigen. Mag die Amtshandlung auch rechtens sein, er würde zu Recht fragen, weshalb ich mich nicht hilfesuchend an ihn gewandt habe. Eine einvernehmliche Lösung, die niemanden in Misskredit bringt, sollte zumindest versucht werden. Ich werde schnellstmöglich bei ihm vorsprechen, Danke für Deine Umsicht.


    Bezüglich des Officium haben wir hoffentlich Glück, dass auch Caesoninus seinen Schriftverkehr von Zuhause aus erledigte und dort alles notwendige aufbewahrte. Dies wäre ein immenser Vorteil. Falls dem nicht so ist, weiß möglicherweise eines der Familienmitglieder bescheid oder sogar mein Patron. Ich werde ihn danach fragen. Mehr als dass er auch nichts weiß bezogen auf das Officium kann dabei nicht geschehen", antwortete Lurco freundlich.


    "Der Mangel an Wertschätzung offenbarte sich am Anfang in Ausübung unserer täglichen Arbeit. Ich spreche offen Praefectus, kein Urbaner hat je Dankbarkeit verlangt, dafür dass wir so manchem Römer seinen Hintern gerettet haben. Allein durch unser Auftauchen, unsere Anwesenheit oder durch konkretes Eingreifen. Aber was sich zu meinem Dienstanfang auf den Straßen zugetragen hat, war purer Hohn. Sklaven pöbelten uns an, spielten sich auf und versteckten sich dann hinter den schützenden Namen ihrer Herren. Die selbst nicht gewillt waren, einzuschreiten. Bürger Roms waren nicht besser. Gefühlt waren wir die Adresse für jeden frustrierten Unmut, von dem irgendein Römer geplagt wurde.


    Natürlich war dies nicht bei jedem so. Aber wenn wir in Erscheinung treten Praefectus, dann tritt der Staat höchstpersönlich in Erscheinung, wir sind die Verkörperung von Roms Sicherheit. Wir erwarten keinen Dank, wir erwarten den uns gebührenden Respekt. Wer sich von Sklavinnen oder frustierten anderweitigen Subjekten beleidigen lässt, bringt uns alle in Verruf. Es heißt währet den Anfängen. Solch ein Verhalten muss rigoros geahndet werden, wir unterstehen ausschließlich dem Militärrecht. Wer uns beleidigt, persönlich oder durch seinen Sklaven beleidigten lässt, muss die Konsequenzen tragen.


    Leider sehen einige Kollegen genau dass sehr lasch. Auch hier muss ich auf einen Spruch zurückgreifen Praefectus. Wo das Versagen des Einzelnen den Tod aller bedeuten kann, darf es keine Gnade geben. Heute noch winkt der Kollege ab, weil eine Sklavin ihn ankeifte. Morgen steht sie mit einem ganzen Mob vor unserer Castra und zündet sie an. Hätte der Kollege richtig reagiert und ihr das Wort Staatsgewalt verdeutlicht, hätte diese Sklavin eine Lektion gelernt. Eine sehr wichtige sogar und diese Lektion hätte sich herumgesprochen.


    So hatte sich etwas ganz anderes herumgesprochen Praefectus. Urbaner sind Fallobst, mit denen kann man es ja machen. Mit denen kann man herumdiskutieren. Dass dem nicht so ist, dass haben meine Barackenbrüder und ich auf die Straßen Roms getragen. Ab dato wehte wie man so schön sagt ein anderer Wind. Für mich ist das nur eine Brise, aber ich würde gerne dafür sorgen, dass es ein Orkan wird.


    Dazu gehört ebenso, dass wir unseren Ruf auf andere Weise verteidigen und zwar mit Leistung.

    Weisen wir einen Erfolg vor, oder einen Erfolg nach dem anderen, dann wird sich dies ebenso in Rom herumsprechen Praefectus. Diese Männer verschaffen sich Respekt und er gebührt ihnen. Wer sich wie ein entschuldige "Kackschwamm" verhält, sich an der Nase herumführen lässt und sich dann in der Castra versteckt und seine Dienstzeit absitzt, der darf nicht erwarten, dass man ihn mit Respekt behandelt. Er selbst hat ja keinen vor sich.


    Genau das ist uns sauer aufgestoßen. Und aus jenem Grund möchte ich einen ersten Erfolg für uns abliefern. Einen Erfolg von dem wir sagen können, wir haben diesen Mord aufgeklärt. Etwas worauf wir mit Stolz verweisen können. Das ist mir wichtig und dahin möchte ich uns bringen", versuchte Lurco seine Gedanken in die richtigen Worte zu fassen. Scato war darin wesentlich besser als er, aber Scato war nicht hier um seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen.


    Die Ausführungen seines Praefectus ließen Lurco einen Moment lang nachgrübeln.

    "Mit allem gebührenden Respekt Praefectus, aber sollten wir uns nicht diese Aufgabe zu eigen machen? Sollten wir nicht auf allen Ebenen für die Sicherheit Roms sorgen? Ob durch Abschreckung durch Präsenz, durch Prävention und durch aktives Handeln? Mir persönlich gefällt der Gedanke nicht, dass die Schwarzröcke einen derartigen Ruf haben. Wäre er gerechtfertigt - bitteschön. Aber was haben sie geleistet, für ihren Ruf?


    Sie fischen in unseren Gewässern Praefectus. Sie sind mit der Bewachung des Palastes betraut. Sie sind die Palastgarde. Wir sind mit der Bewachung und dem Schutze Roms betraut. Nun dass sie diesen Vorsprung benötigt scheint mir auch so, aber anstatt sich unserer Arbeit zu widmen und sich mit fremden Lorbeeren zu schmücken, sollten sie da nicht ihrer tatsächlichen Aufgabe nachkommen und den Palast bewachen? Vielleicht denke ich da auch in flaschen Bahnen, aber sie sind Palastgarde und nicht Romgarde nicht wahr", schmunzelte Lurco gut gelaunt.


    Das er die Schwarzröcke für überbewertete und überbezahlte Türsteher hielt, verschwieg Lurco lieber. Das wusste nur einer und zwar Scato.

  • Die Besprechung beanspruchte mehr Zeit, als Menecrates dachte, zumal sie gerade die Hälfte aller Themen angerissen hatten. Er erhob sich daher, lehnte sich vor und angelte nach der Wasseramphore. Becher standen auf dem Tisch verteilt, einer in der Nähe, also ließ er sich wieder zurückfallen. Während Lurco nochmals das Vorgehen im Fall Iulius Ceasoninus durchnahm, schenkte sich Menecrates ein. Mit einer Geste lud er den Optio dazu ein, es ihm gleichzutun, sofern dieser wollte.

    Beim Thema Wertschätzung unterließ Menecrates sämtliche Handgriffe. Er hörte zu, obwohl Lurco recht weit in die Vergangenheit zurückging, während der Präfekt aktuelle Ereignisse erwartet hatte. Menecrates wusste, dass der Optio gern redete und einmal in Fahrt, kam er nicht so schnell zu einem Ende. Zwischenzeitlich hörten sich die Ausführungen sogar wie Belehrungen an. Der Menge an Informationen war es geschuldet, dass sich Menecrates am Ende nicht mehr an alles erinnern konnte, was angesprochen wurde.

    Der Claudier stieß einmal die Luft aus und begann.

    "Möchtest du damit ausdrücken, dass du seit deinem Dienstanfang bis heute keinen einzigen Erfolg verbuchen kannst?" Menecrates blickte Lurco ernst an. "Willst du damit zum Ausdruck bringen, dass du ohne Leistung befördert worden bist?" Im Endeffekt lief es darauf hinaus. Der Präfekt stellte provokative Fragen, weil er beabsichtigte, dass Lurco nachdachte, dass er tiefer schaute und nicht nur an der Oberfläche kratzte.

    "Jetzt sage ich dir mal etwas. Solange DU glaubst, die Cohorten fahren keine Erfolge ein, wird das auch kein Bürger glauben. Ändere deine Wahrnehmung, dann wirst du anders wahrgenommen." Menecrates hatte mit dem Optio viel vor, aber dessen Selbsteinschätzung bzw. die der Einheit konnte er dabei nicht gebrauchen. Sie verhinderte gute Leistungen.


    "Möchtest du darauf etwas sagen? Es steht dir natürlich frei, aber ich möchte dich bitten, dich in allem etwas kürzer zu fassen. Derart lange Ausführungen kann sich kein Mensch merken. Also, ich jedenfalls nicht." An dieser Stelle zog sich Menecrates' rechter Mundwinkel in die Höhe - die Andeutung eines Lächelns.

    "Du kannst es natürlich auch wirken lassen und später darauf reagieren. In diesem Fall machen wir mit dem nächsten Thema weiter." Er wartete auf Lurcos Reaktion, während er ihn beioabchtete.

  • Lurco hielt inne und dachte über die Fragen von Menecrates nach. Ob er grundlos befördert worden war? Er hoffte nicht, aber sein Praefectus hatte Recht, die Eigensicht wurde vielleicht von anderen gespiegelt. Er hatte sich bezüglich der Krähen einen Schnitzer erlaubt, einen gewaltigen und er hatte ihn zu korrigieren. Möglicherweise hatte er sich falsch ausgedrückt. Hatten sie Erfolge gehabt? Ja. So manch ein Verbrechen war verhindert worden und so mancher hatte den Carcer von innen gesehen. Aber hatten sie ein Endergebnis? Nein. Das stand im Falle des Anschlages auf der Statio und im Püppchenmord noch aus. Erfolg und Ergebnis klang zwar ähnlich, bedeutete aber grundsätzlich etwas anderes.


    "Verstanden Praefectus, ich fasse mich kürzer", stimmte Lurco zu. Immerhin saß er bei seinem Praefectus im Officium und war im Dienst, sie saßen nicht bei ihm Zuhause und diskutierten. Sein Boss hatte genug um die Ohren und ganz andere Dinge zu klären. Lurco rief sich innerlich zur Ordnung.


    "Wer eine bessere Sicht von anderen erwartet, sollte zuerst an der eigenen arbeiten, damit hast Du völlig Recht. Zu Deiner Frage ob ich ohne Leistung befördert wurde, nein das wurde ich nicht. Meine Arbeit leistete ich gut und gerne. Streiche bitte das Wort Erfolg, es ist ein Endergebnis, dass ich mir wünsche. Ich würde gerne ein Ergebnis im Falle der Ermittlungen bezüglich des Anschlages der Doppelstatio und des Püppchenmordes vorweisen können. Manches braucht seine Zeit und bei der Vorgehensweise hast Du mir geholfen. Das ist alles was ich anmerken möchte", antwortete Lurco und wartete ab, was sein Praefectus als nächstes ansprechen wollte.


    Er selbst musste Menecrates bezüglich der gesamten Vorfälle warnen. Gut möglich, dass alles nur Zufälle waren, aber ein Großteil was sich ereignet hatte, fand im Umfeld des Praefectus statt. Es war also durchaus möglich, dass jemand bewusst dem Praefectus Urbi schaden wollte.

  • Menecrates nickte zufrieden. "Ermittlungen brauchen Zeit. Manche Dinge klären sich erst nach Jahren und nur per Zufall. Wichtig ist, wie eine Zecke dranzubleiben." Er schmunzelte nun deutlicher, indem er den rechten Mundwinkel bevorzugt nach oben zog, was dem Gesicht einen listigen Ausdruck verlieh.

    Tatendurstig - zumal sich die Besprechung in die Länge zog - ließ er die flachen Hände auf die Tischplatte fallen. "So, und nun kommen wir zum ernsten Teil." Damit deutete er an, dass für ihn ab jetzt in besonderem Maße Tacheles gesprochen wurde.

    "Wieso kennst du dich mit den Hintergründen dieser Fischanhänger der Christen so gut aus?", konfrontierte er Purgitius ohne Vorwärmen. Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte den Optio. Er wollte Purgitius signalisieren, dass er überzeugende Gründe erwartete und kein Rumgeeier.

  • Lurco schaute seinem Praefectus unverwandt in die Augen als er antwortete.


    "Mit Christen kenne ich mich nicht aus, dafür mit Rätseln. Der Fisch ist ein Akronym, sofern mein Verdacht stimmt. Akronyme entstehen dadurch, dass Worte auf ihre Anfangsbestandteile verkürzt werden und ein Neues bilden. Beispiel - Pup für potentiell unerwünschte Person", antwortete Lurco ernst.


    Scheinbar hatte er einen Hang zu Löwen, wie es aussah bekam er doch noch seinen eigenen. Nur auf völlig andere Weise. Die Warnung die ihm auf der Zunge gelegen hatte, schluckte er lieber herunter. Fälschlicherweise konnte sie auch als Drohung missverstanden werden. Purgitius beschloss lieber zu schweigen und selbst die Augen offen zu halten.

  • Menecrates gab sich noch nicht zufrieden.

    "Gut, dieser Teil leuchtet mir ein. Um aber die Anfangsbuchstaben zu wissen, muss man den Wortlaut der Botschaft kennen. Wie kommt es, dass du den kennst? Wie hieß der noch einmal?" Er bestand aus Wörtern, die Menecrates nicht benutzte. Alleine der begriff 'Heiland', den er sich nur merken konnte, weil er Hei mit 'lustig' verband und dort das bekannte Wort 'Land' anfügte, stellte Nonsens für ihn dar.

    Er blieb in abwartender Haltung. Lurco hatte ihn noch nicht davon überzeugt, selbst kein Christ zu sein.

  • "Der Anhänger war ein Fisch. Was sagt er uns als Rätsel? Ein Akronym dass auf das Wort FISCH passt? Keines, jedenfalls keines das ich hier erwähnen möchte oder zu einem religiösen Kult passt. Versuchen wir es mit er Lateinischen Variante - Piscis. Gibt kein Rätsel oder Wortspiel her. Viele Worte werden von Gelehrten in griechisch verwendet. Ichthys. Akronym was zu dem Wort passt. Und genau dass passt meiner Meinung nach.


    I - Jesous, CH - Christos, TH - Theou, Y - Hyos, S - Soter. Zusammen Ichthys was auf griechisch Fisch heißt. Jesous Christos Theou Hyos Soter heißt als Satz übersetzt Jesus Christus, Gottes Sohn, unser Heiland - Helfer - Retter - Erlöser.


    Nein dazu muss man den Wortlaut nicht kennen, man muss nur versuchen einen hinein zu interpretieren. Ein Erkennungssymbol darf nicht soweit hergeholt sein, dass kein anderer das Rätsel lösen kann. Sonst wäre der versteckte Hinweis zu gut versteckt. Du könntest in jedes Wort bei Willen etwas hineininterprtieren. Lurco - Leidender Urbaner reinigt Cohortes. Ob meine Vermutung stimmt, kann ermittelt werden. Wie viele Christen tragen einen Fisch?


    Meine Unschuld kann ich ebenso beweisen. Niemand ist weniger Christ als ich, mein Gott ist Mars und in seinem Namen handele ich. Vielleicht in der Vergangenheit etwas unüberlegt, zugegeben. Es steht jedem Urbaner frei gegen mich zu ermitteln und mich und meine Handlungsweise zu hinterfragen. Ich habe nichts zu verbergen", gab Lurco offen zurück.


    Schon seltsam, dass ein Rätsel das er versucht hatte zu lösen derartige Panik auslöste. Die Handlungen hingegen von Cerretanus und seiner Sklavin hatten jeden kalt gelassen. Nun er war nicht Cerretanus und er war kein Sklave mit Narrenfreiheit. Sollten sie doch gegen ihn ermitteln, das einzige was er je öffentlich gezeichnet hatte, war das mannshohe Götterbild mit Mars in der Mitte in ihrer Baracke.


    Warum Scato ständig einen Anfall bekam, sobald er ihm etwas erzählte wurde Lurco so langsam klar. Scato fragte sich sicher täglich, was er sich da für einen Trottel angelacht hatte. Und Manius musste ihm Recht geben.

  • Menecrates brummte. Er wenig beruhigten ihn die Ausführungen, aber zur Entspannung reichten sie nicht. Er konnte kein Griechisch und sträubte sich dagegen, eine Fremdsprache zu lernen. Vor den Hintergründen des Christenglaubens hatte er sich bisher erfolgreich gedrückt, selbst zu der Zeit der Verbrennungen. Er hatte damals Verus, der ermittelte. Menecrates erhielt die Resultate und das reichte ihm. Im Grunde ähnelte die aktuelle Situation der damaligen, nur dass Menecrates bei Verus sicher wusste, dass der regelrecht stur den römischen Traditionen anhing. Lurcos Haltung hingegen kannte er nicht, das verunsicherte ihn, aber es kam auf einen Test an. Er würde sich einen ausdenken müssen.


    Bereits zur Audienz beim Kaiser hatte Menecrates einen Plan gefasst, den er nur noch ausfeilen musste. Eine Andeutung konnte er aber bereits fallen lassen. "Du wirst deine Haltung gegenüber Christen unter Beweis stellen können. Wenn der Plan steht, gibt es einen Aushang." Ob Menecrates wirklich einen Aushang anbringen würde, blieb dahingestellt. Erfolgreiche Zugriffe benötigten den Überraschungseffekt. Er musste alles bis ins Kleinste durchdenken.


    "Gut, haben wir noch was?" Er hatte noch mehr auf dem Zettel, aber seine Gedanken drifteten immer wieder zurück zur Prioritätenliste. Die Situation mit den vielen wartenden Fällen machte ihn unzufrieden. Bereits morgen konnte Optio Furius überstellt werden und dann gäbe es ein Problem.

    "Planänderung! Ich werde die Untersuchung der Casa Furia an Cornicularius Octavius übertragen. Er verfügt über Kapazität." Die Ermittlungen im Fall der getöteten Vestalin standen kurz vor dem Abschluss, zumindest was die Befragungen anging. Für den Rest der Aufklärung wollte Menecrates sorgen, denn das stand außerhalb von Frugis Möglichkeiten. "Die Einführung in den Fall müsstest du vornehmen. Cornicularius Octavius verfügt über keinerlei Vorkenntnisse." Der Präfekt hielt Frugi dennoch für den besseren Mann, weil sich einerseits die Fälle bei Purgitius stapelten und der andererseits auch nicht vorwärts kam.

  • "Mit Verlaub Praefectus Urbi Claudius, meine Haltung gegenüber Christen habe ich bei der Sklavin Eireann verdeutlicht und werde es jederzeit erneut tun. Allerdings kann ich nur beweisen wer und was ich bin. Was ich nicht bin, dafür kann ich keine Beweise herbeischaffen. Einzig und allein die Ausschlussregelung würde hier greifen. Wer mich kennt, weiß zu wem ich bete und wie ich zu Rom stehe. Es steht jedem Urbaner frei in dieser Frage bezüglich meiner Person und den Christen zu ermitteln", antwortete Lurco sachlich und neutral.


    Purgitius hatte nichts zu verbergen, weder hatte er, noch seine Familie je mit den Christen etwas zu tun gehabt. Das Bild in der Baracke VII sprach für sich. Er war ein Luperci und er hatte die Kollegen im Namen Mars gerächt. Letzteres war im Grunde nie geschehen, aber alles andere sprach für sich. Ebenso der Bericht in dem er erwähnt hatte, das Eireann möglicherweise eine Christin war. Allerdings fand man in jeder Suppe ein Haar, wenn man lange genug den Kopf schüttelte. Wer wollte, konnte dies natürlich auch umdrehen und als falsches Alibi auslegen. Handlungen, Mitgliedschaften die er nur zur Tarnung eingegangen war. Es würde sich zeigen, ob nach der Wahrheit gesucht wurde, oder nach einem Schuldigen.


    "Verstanden Praefectus, ich werde Cornicularius Octavius mit sofortiger Wirkung die Ermittlungen in Sachen der Gens Furia übergeben. Die Einsatzberichte hierzu sollte der Kollege zu Rate ziehen. Daraus ergibt sich alles Wesentliche. Sollten noch Fragen offen sein, stehe ich Cornicularius Octavius zur Verfügung", antwortete Lurco höflich.


    Möglicherweise war es besser, dass er nicht weiter in die Ermittlungen rund um den Anschlag an der Statio und die damit verbundenen Morde beauftragt war. Er war zu nah am Geschehen. Es hatte ihn nicht nur als Urbaner getroffen, dass Kollegen ermordet wurden und ihr Leben im Dienst gelassen hatten, nein es hatte auch die Privatperson Lurco unter der Rüstung des Urbaners getroffen. Nicht umsonst hatte er privat zur Waffe gegriffen. Mit Abgabe des Falles, gab er die Altlasten ab. Frugi würde sein Bestes geben. Für ihn selbst war es Zeit sich eine professionellere Sichtweise zuzulegen und diese hieß dienstliche Distanz. Eine Leiche war dienstlich eine Leiche, keine Person mehr. Keine Person und kein Kamerad. Ermittlungen sollten neutral durchgeführt werden, ohne Ansehen der Person... oder Leichen.

  • Purgitius mühte sich redlich, den Verdacht der Christennähe nicht auf sich sitzenzulassen, was Menecrates registrierte. Sicherlich wäre es auch im Laufe der Zeit durchgesickert, wenn einer der Soldaten oder Offiziere eine Affinität zu dieser Sekte an den Tag legte. Abtun wollte der Präfekt die Angelegenheit trotzdem nicht, weil jedem in der Castra bewusst sein sollte, dass er Glaubensabtrünnige im Visier behalten würde.

    Bei Purgitius zweifelte er im Grunde nicht. Im Gegenteil: Wer sich derart anstrengte, die aufgekommene Skepsis auszuräumen, demonstrierte Abscheu gegen diesen Glauben. Es wäre dennoch einfältig, einzig Beteuerungen zu glauben, trotzdem beschwichtigte Menecrates mittels Handbewegung.

    "Ich musste nachfragen, weil ich mir in der Sache mit den Christen keinen Fauxpas leisten kann. Sie bedrohen unsere Ordnung und Sicherheit." Rom wurde bereits aus den Angeln gehoben und sie rangen gemeinsam um Schadensbegrenzung. "Stell dir mal folgende Schlagzeile vor." Er hob die rechte Hand und zeichnete die nachfolgenden Worte als imaginären Balken in die Luft. "PU beauftragt gläubigen Christen mit den Ermittlungen gegen die Christianersekte."

    Er lachte auf, obwohl ihn ein Ausrutscher dieser Art zu Fall bringen konnte. Zeit blieb nicht, sich Sorgen zu machen. Er musste abliefern - stets und ständig. Zwar hatte er die Lage im Griff, durfte aber zu keiner Zeit und an keiner Stelle nachlassen.


    "Gut, anderes Thema." Er musste überlegen, denn heute arbeitete er mit dem Kopf und nicht mittels Notizen. Glücklicherweise brachte ihn Purgitius zum vorhergehenden Thema zurück, und der Präfekt nickte zu den Ausführungen, die Übergabe der Akten betreffend.

    "Die Abgabe der Akte Furia bedeutet für dich nur eine Teilentlastung. So leid es mir tut", er hob bedauernd die Hände, "ein Fall rückt nach. Ich weiß, wir arbeiten alle am Limit. Wollen wir hoffen, dass die Aufstockung Entlastung mit sich bringt." Er griff zum Becher und nahm einen Schluck. Anschließend fuhr er sich über die Stirn und spürte, wie angenehm die Hand kühlte.

    "Ich bin dieser Tage auf den offenen Fall 'Püppchen' gestoßen. Eine Befragung in dieser Sache ist mehr als überfällig und da du ohnehin zu Senator Annaeus gehst, könntest du bei der Gelegenheit diese Befragung gleich mit erledigen. Wir müssen uns dringend freischaufeln."

  • "Deine Nachfrage verstehe ich. Du kannst es so sehen, ein Mann weiß scheinbar etwas über Christen, sprich über diesen Fisch. Es gibt mehrere Möglichkeiten Praefectus. Der Mann könnte ein Christ sein, richtig. Oder jemand der ein bisschen griechisch versteht und Rätsel löst. Dein Einwand ist richtig, wie sähe es aus, würdest Du einen Christen losschicken, Christen aufzuspüren. Der Erfolg wäre wohl ehr gering. Das wäre ein Fauxpas.


    Ein Fauxpas wäre es allerdings ebenso, wenn Du mitten in einer Audienz beim Kaiser bemerkst, Dein Begleiter könnte ein Christ sein. Welchen Eindruck hättest Du hinterlassen, hättest Du einen Christen bis zum Kaiser geführt und er hätte sein eigenes Leben verachtend, den Kaiser gemeuchelt? Du hättest in diesem Fall sogar dem Mann Tür und Tor geöffnet und bei den Prätorianern am Tor für ihn gesprochen.


    Also entweder ist dieser Mann ein mutmaßlicher Christ und Du hättest ihn umgehend nach Verdacht entfernen müssen, allen voran aus dem Dunstkreis des Kaisers.

    Oder der Mann ist kein Christ. Nun oder Du hast Deine eigenen Gründe, warum er blieb wo er war. Ich stelle schließlich keine Befehle oder Weisungen meiner Vorgesetzten in Frage. Aber das Gedankenspiel dass dann wohl bei einigen aufkäme, wäre sehr unschön.


    Die Frage ist also nicht nur, bin ich ein Christ.

    Die Frage lautet auch, wenn Du meinst ich könnte einer sein, warum hast Du mich an Deiner Seite vor dem Kaiser belassen?


    Zudem Praefectus Urbi Claudius, Du bist eine der wenigen Personen, denen ich von meiner Vogeljagd erzählt habe. Sah das für Dich nach dem Werk eines Christen aus? Ich gebe zu, ich hätte mich nicht zu dieser Handlung hinreißen lassen sollen, aber dennoch spricht diese Tat doch wohl eine andere Sprache, als das ich ein Christ wäre. Ausgezogen bin ich im Namen von Mars, von Ultor.


    Mehr werde ich zu der Anschuldigung nicht mehr sagen. Wie gesagt, ermittelt gegen mich und überzeugt Euch selbst, alle miteinander.


    Der "Püppchenmord" wird aufgeklärt, wir müssen herausfinden wer der... die Leiche war. Ich werde mich mit meinem Patron in Verbindung setzen und ihn befragen. Meine Vermutung und meine bisherigen Ergebnisse habe ich in meiner Fallakte zusammengefasst. Bezüglich des Falles hoffe ich, dass jemand etwas zu der Puppe sagen kann. Ansonsten muss kann ich nur darüber spekulieren. Ihr Fundort zeigt jedoch eindeutig, dass jemand den Toten zum Schweigen bringen wollte. Also als der Mann noch lebte natürlich, drum ist er tot", gab Lurco nachdenklich zu bedenken.

  • Während Purgitius redete, fuhr sich Menecrates erneut über die Stirn und schloss dabei die Augen. Das Gespräch strengte ihn an. Der Optio redete viel und er redete sich auch einiges ein, denn von Ermittlungen gegen ihn war nicht die Rede. Der Präfekt beschloss, das Gespräch zu beenden. Er zeigte ein gequältes Lächeln.

    "Optio Purgitius, wenn ich eine Nachfrage zu deiner Person habe, dann erwarte ich eine Erklärung zum Sachverhalt. Die hast du mir auch gegeben. Was ich nicht erwarte, sind Hinweise, wie ich etwas zu sehen oder wie ich die Situation zu bewerten habe." Durch die Resignation in Mimik und Stimme ließ sich erahnen, dass die erhaltenen Ratschläge nicht unbedingt Freude ausgelöst hatten. Menecrates erhob sich.

    "Wir haben dann alles. Bleib an den Fällen dran und fertige abschließend einen Bericht. Du kannst dann wegtreten." Er wartete, bis Lurco das Officium verlassen hatte. Danach setzte er sich. Sein Blick suchte die Ferne. Wolkenberge türmten sich am Himmel und er sah Momente lang zu, wie sie zogen. Das Gespräch mit Frugi stand noch aus.

  • "Verstanden Praefectus Urbi Claudius", antwortete Lurco mit allem gebührenden Respekt aber bar jeder Emotion. So konnte man sich natürlich auch herausreden. Er hatte seinem Vorgesetzten weder etwas vorgeschrieben, noch gesagt wie er etwas zu sehen hatte. Er hatte nur mögliche Sichtweisen aufgezeigt.


    Entweder war er ein Christ, dann hätte sein Vorgesetzter ihn bei Zweifel von der Audienz entfernen und Alarm schlagen müssen, oder er war keiner.

    Oder er war schlichtweg unerwünscht, aus welchen Gründen auch immer. Einmal mehr stellte Lurco fest, dass er besser hätte schweigen sollen. Schweigen zu den Anschlägen auf die Statio, schweigen dazu was ihn bewegte, schweigen dazu was er mit den Krähen getan hatte und was die Christen betraf.


    Diesmal schwieg er und zwar was seine Vermutung und die Warnung an seinen Vorgesetzten anging.

    Er grüßte nach Dienstvorschrift und verließ das Officium.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!