Lange Jahre hatte der junge Flavius seinen Vater für einen Feigling gehalten, ja geradehin sich in einen Hass über jenen Kleinmut hineingesteigert, welchen dieser während des Bürgerkrieges hatte an den Tag gelegt. Doch nun, da er von seiner Furcht hinsichtlich etwas vermeintlich derart Harmlosem wie der Ehe gestand, vermochte der Jüngling ihn keineswegs zu verurteilen, da er ja similäre Gefühle hegte, welche doch zumindest, wie es schien, gänzlich natürlich waren. Verglich er jene Furcht mit der des Kriegsmannes, so schien es ihm in seiner Situation ja durchaus agreabel, die Ehe mehr als das Schlachtfeld zu fürchten: Denn selbst wenn man hier den leiblichen Tod starb, so wurde man, wie die Ehrung der Gefallenen nach dem Sklavenaufstand hatte bewiesen, doch durch seinen Einsatz unsterblich und mochte im Elysium gar ewiger Freuden teilhaftig werden. Dort hingegen drohte unter dem Regiment einer potentiellen Xanthippe, als welche er ja auch seine Stiefmutter einschätzte, ein Leben in Unglück und Bedrängnis, womöglich verbunden mit dem Naserümpfen des eigenen Umfeldes ob der Fruchtlosigkeit oder Dissonanz des eigenen Haushaltes, das faktisch einem sozialen Tod gleichkam, welcher weder dem eigenen Hause Ehre einbrachte, noch dem Einzelnen einen Platz im Elysium verhieß.
"Ridikulös, dass meine Kandidatur zum Quaestor, ja selbst mein Auftritt bei den Spielen mir nicht mehr Furcht bereitete, als dieses vermeintlich so freudige Ereignis."
, bemerkte er daher und mühte sich zu einem schicksalsergebenen Lächeln. Das Geständnis seines Vaters mochte seine Furcht nicht annihilieren, doch kalmierte es ihn doch in gewisser Weise, selbst wenn er nicht zu imaginieren wusste, an welcher Stelle seine Verlobte Potentiale zu verbergen imstande sein sollte.
Officium | Manius Flavius Gracchus Minor
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Der ältere Gracchus lächelte freudlos.
"Nun, ridikül ist wohl eher, dass du in einigen Jahren rückblickend feststellen wirst, dass all diese Fur'ht gänzlich unbegründet war und du dir dein Leben, respektive deine Ehe nur unnötig schwer gemacht hast."
Durchaus sah er seine eigene Ehe bisweilen als noch immer nicht ganz einfach für sich selbst, doch längst schätze und genoss er gar die Vorzüge, welche diese Verbindung mit sich brachte. Kurz sann er darüber nach, ob der Zeitpunkt geeignet war auch Minors politische Zukunft zu thematisieren, entschloss sich indes dagegen. Die Herausforderung der bevorstehenden Ehe schien dem Vater vorerst ausreichend, um seinen Sohn zu beschäftigen, gleichwohl würde die Vorbereitung des Aedilates Minor ohnehin einfacher fallen sobald er in den Senat erhoben wurde - was wiederum von seiner Ehe abhing. Er erhob sich darob, um Minor seinen Vorbereitungen zu überlassen.
"Lasse es mich wissen, wenn du noch Hilfe benötigst." -
Wieder dachte der junge Flavius an die Lehren seines alten Philosophen, der ebenfalls die Furcht hatte zur Irrationalität erklärt, da wohl auch in diesen Angelegenheit der 28. Lehrsatz zu gelten: Die Erkenntnis brachte uns die Gewissheit, dass nichts Furchtbares ewig oder lange Zeit dauert. Womöglich würde Philonicas und seine Fremdheit sich in der Tat mit den Jahren mindern, wie sein Vater es prophezeite. Oder vielleicht würde seine Gattin eines Tages das Zeitliche segnen und ihn damit freisprechen von jener Last, welche das Schicksal ihm hatte auferlegt. Zweifelsohne war es das Klügste, sich mit der Lage zu arrangieren und lediglich jenen Dingen sich zuzuwenden, welche nicht unabänderlich ihm bevorstanden wie der Tod.
"Ich danke dir, Vater."
Einen Augenschlag legte er die Stirne in Falten, um zu erwägen, ob die finale Offerte ihm gleich zupass käme.
"Du könntest mit Scapula sprechen. Ich glaube, die von ihm projektierte Gästeliste nimmt ein wenig überdimensionierte Ausmaße an."
Dies zumindest hatte sich bei ihrem letzten Gespräch angedeutet und da der junge Gracche selbst wenig Freude an seiner Hochzeit empfand, wollte er nicht durch ein einen übertriebenen organisatorischen Aufwand dieser hinreichend unangenehmen Pflicht weitere Last hinzufügen. Dem Wort seines Freundes würde Scapula zweifelsohne mehr Gehör schenken als dem seines insekuren Schwiegersohnes in spe. ...und ließ uns erkennen, dass die Sicherheit gerade unter schwierigen Bedingungen vor allem durch Freundschaft gewährleistet ist vollendete er gedanklich den Lehrsatz des Samiers und zeigte ein sublimes Lächeln ob der Einsicht, dass Epikurs Lehrgebäude womöglich trotz seiner augenscheinlichen Irrungen ihm die ein oder andere Lebensweisheit hinterlassen hatte.
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