Atrium | Der Kaiser zu Besuch

  • Seit Tagen liefen die Vorbereitungen für den anstehenden Besuch des Kaisers. Heute sollte der besondere Tag sein und Menecrates hoffte, dass alle seine Familienmitglieder und alle Sklaven ihr Bestes gegeben hatten, um den Besuch zu einem runden und schönen Erlebnis für alle werden zu lassen.
    Nach einem ausgiebigen Bad hatte sich Menecrates ankleiden lassen. Er trug dem Anlass entsprechend eine seiner feinsten Tuniken, edles Schuhwerk, Ringe und selbstverständlich eine feine Toga. Das zwar etwas unbequeme Kleidungsstück galt heute als Muss - des Anlasses und des Gastes wegen. Menecrates war sehr gespannt, ob die gesamte Kaiserfamilie zu Besuch kommen würde, aber das blieb abzuwarten.
    Interessiert schaute er sich um, als er das Atrium betrat. Gespannt darauf, was seine Enkel mit Hilfe der Sklaven auf die Beine gestellt hatten.

  • Magrus war mit dem Transport aller schwerer Gegenstände beauftragt worden. Es war eine große Aufgabe, weil natürlich dem Anlass entsprechend alles aufgeboten werden musste, was zur Verfügung stand. Es war ein Glück, dass ihm etliche andere Sklaven zur Verfügung standen. Er war gerade dabei, alles noch einmal zu überprüfen, als er sah, dass Herius Claudius Menecrates das Atrium betrat. Er wollte offensichtlich prüfen, ob alles zu seiner Zufriedenheit war. Magnus wollte wissen, ob man mit seiner Arbeit zufrieden war und so fasste er sich ein Herz und trat vor Herius Claudius Menecrates hin, verbeugte sich und sprach:


    "Dominus, ist die Anordnung der großen Gegenstände so in Ordnung oder willst du etwas geändert haben? Wenn etwas fehlt, werde ich mich umgehend darum kümmern, dass es sofort herbei geschafft wird."


    Er blieb auf eine Antwort wartend mit gesenktem Haupt vor seinem Herrn stehen.

  • Nachdem Menecrates angesprochen wurde, ließ er den Blick schweifen. Die Klinen standen korrekt, die Statuen und Skulpturen konnten im Grunde auch so bleiben. Da Marcellus die Verantwortung für die Klinen trug und Silana für die Skulpturen zuständig war, wollte sich Menecrates auch im Großen und Ganzen nicht einmischen.


    "Es kann alles so bleiben, mit einer Einschränkung. Gewiss ist, dass der Kaiser kommt; ungewiss aber, ob die Kaiserin und der Caesar. Wir müssen notfalls schnell handeln. Das bedeutet, sobald der Kaiser eintrifft, flitzt ein Sklave von der Porta hierher und übermittelt die Personenzahl. Kommt die Kaiserfamilie zu dritt, bleibt alles so stehen wie jetzt. Kommen sie zu zweit oder kommt der Kaiser alleine, dann werden flugs und möglichst geräuschlos ein oder zwei Klinen weggetragen. Halte Hilfe bereit, fang nicht erst mit Suchen nach Helfern an, wenn die Auskunft über die Personenzahl eintrifft."

  • Magnus war erleichtert, dass alles in Ordnung war. Selbstverständlich wollte er auch sofort daran gehen, den neuen Befehl des Herius Claudius Menecrates umzusetzten.


    "Dominus, ich werde sofort 2 oder besser 3 Helfer aussuchen und sie entsprechend positionieren. Sie werden von mir entsprechend instruiert. Du kannst dich auf mich verlassen."

  • Der Gang vom Peristyl zum Atrium bot genügend Platz, damit Menecrates neben dem Kaiserpaar laufen konnte. Mosaike schmückten den Boden, ohne ihn zu überladen. Masken und ein Gemälde zierten die Wände. Vor ihnen tat sich das Atrium auf, in dessen Mitte sich ein großzügiges Impulvium befand. Marmor kleidete das Wasserbecken aus. In einem abgetrennten Becken schwammen farblich schöne Zierformen von Speisefischen - der neueste Trend. Wer präsentieren wollte, hielt Zierfische. Menecrates liebte weniger den Pomp. Das Becken war ein Zugeständnis an sein Mündel.

    "Hier ist übrigens ein weiteres Betätigungsfeld meiner Nichte Sisenna." Seine Hand wies zum Fischbecken. In seiner Stimme lagen sowohl Bewunderung als auch Unverständnis wegen der ausgefallenen Ideen seines Mündels.

    An der rechten Atriumwand stand eine Sitzgruppe aus geflochtenen Korbsesseln mit gedrechselten Beinen. Unweit davon luden Clinen zum Liegen ein. Runde Beistelltische aus Metall befanden sich im Atrium verteilt. Auf ihnen standen bereits mit Leckereien gefüllte Schalen und Teller. Sklaven standen zur Bedienung befreit.

    "Ich bitte, Platz zu nehmen", lud er ein, indem er erst das Kaiserpaar ansah und anschließend zu seinen Enkelkindern blickte.

  • Sassia war die ganze Zeit in der Nähe ihres Großvater geblieben, als nun die Kaiserin den Wunsch geäußert hatte, war sie sofort wieder in ihre Rolle geschlüpft und hatte den Sklaven leise Anweisungen gegeben. So wurden nun Getränke und kleine Vorspeisen aus allen Winkeln des Reiches im Atrium bereit gehalten. Die Sklaven des Hauses heute alle in schneeweiße Tuniken gekleidet standen aufgereiht da und würden sobald alle ihren Platz gefunden haben mit dem servieren beginnen. Sassia war zufrieden als sie nach dem Kaiserpaar und ihrem Großvater das Atrium betrat. Alles war genau so vorbereitete worden, wie sie es angewiesen hatte. Die Dekoration hatte sie noch kurz vor dem Eintreffen kontrolliert. Aber das nun auch die Sklaven wie perfekte Statuen aussahen und sich so perfekt in das Bild einfügten und fast wie Stauen wirkten freute Sassia ungemein. Genau so hatte sie es sich vorgestellt. Es sollte alles dezent und nicht aufdringlich wirken und doch sollte der größtmögliche Luxus geboten werden. Sie warf ihren Großvater eine nBlick zu und hoffte, das es ihm auch gefiel, was sie vorbereitet hatte.

  • Die unterschwellige Kritik der Augusta an Menecrates war für Vespa ebenso unnachvollziehbar, wie es für den Claudier schwierig war, damit umzugehen. Er hatte eine glorreiche militärische Karriere als Feldherr und Kommandant hinter sich und in dieser Zeit Männer befehligt, die ohne Murren seinen Anweisungen gefolgt waren. Jetzt sollte der in die Jahre gekommene Exmilitär seine Enkeltochter erziehen, welche anscheinend wenig von Anweisungen und Ermahnungen hielt und sich somit schwer mit Grenzen tat. Der Decurio hatte noch nicht darüber nachgedacht, was seine Familienplanung anging, aber vermutlich würde er sich ebenfalls schwer damit tun.


    Nach dem kleinen Ausflug in den Garten sollte nun das Essen beginnen. Der Gastgeber lud das Kaiserpaar ein, ihn in das Atrium zu begleiten. Mit einem Blick und gewissen Handzeichen deutete er seinen Männern, die sich an verschiedenen Punkten im Garten postiert hatten, den sich in Bewegung setzenden Trupp zu begleiten bzw. sich in den Gängen und im Atrium zu postieren. Vespa folgte dem dem Kaiserpaar, dem Gastgeber und dessen Enkelin Sassia in gebührendem Abstand.


    Im Atrium angekommen überprüfte er die Positionen seiner Männer und nahm seinen Platz hinter der Sitzgruppe in etwas weiterem Abstand und einer lockeren Haltung mit verschränkten Händen hinter dem Rücken ein - das Kaiserpaar sollte sich nicht unnötig gestört fühlen, immerhin war dies eine Cena in der Villa Claudia und nicht auf dem schwieriger überschaubaren Forum Romanum. Die Claudier hatten alles getan, um dem Kaiserpaar den ihnen gebührenden Luxus zu ermöglichen. Sogar die Sklaven trugen schneeweiße Tuniken.

  • Scheinbar hatte der Kaiser nicht gut aufgepasst. Auf dem Weg zum Atrium fand er die älteren Claudierinnen zumindest wieder. Außerdem folgte ihm natürlich der Prätorianerdecurio, dem Severus zufrieden zunickte. Die Männer in ihren Ziviluniformen waren (relativ) unauffällig. Zumindest so unauffällig, wie durchtrainierte Männer in schwarzer Tunica und einfacher Toga mitten in einem patrizischen Anwesen sein konnten.


    Mit halbem Ohr hörte er von den Fischen. Dieses Mädchen war ausgesprochen tierlieb, in der Tat. "Hübsch." bemerkte er und ging dann schnell weiter. Nicht, dass seine Frau noch einmal das Thema ansprach.


    Schließlich legte er sich auf die Kline und sah den Gastgeber erwartungsvoll an. Ob das Essen hier gereicht werden würde?

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  • Als Menecrates die Bemerkung des Kaisers zum Fischbecken hörte, dachte er an sein Mündel. Die Kleine hätte sich sicherlich gefreut, aber sie konnte es nicht hören, weil sie irgendwo im Garten weilte. Der Claudier nahm sich vor, nicht länger über das Kind nachzudenken. Er konzentrierte sich auf seine Gäste und die bevorstehende Cena. In dem Maße, wie Sisenna in den Hintergrund trat, rückten seine Enkelkinder und das hergerichtete Atrium in den Vordergrund seiner Wahrnehmung. Er registrierte die vornehm und zugleich dezent gekleideten Sklaven, die heute alle wie aus einem Guss wirkten. Speisen wurden herangetragen. Der erste Gang beinhaltete kleine Happen, teils warm, teils kalt. Süße Düfte mischten sich mit süßsauer-herzhaften und fruchtigen. Menecrates musste schlucken, weil er durch die Dürfte angeregt, seinen Hunger spürte.
    Das offene dach des Atriums sorgte indess für ein angenehmes Klima. Weder Speisengeruch noch Sommerhitze verwandelten sich zu einer unangenehmen Dichte. Abgemildert zwar, aber dennoch hörbar, erklang Vogelgezwitscher.


    Menecrates legte seiner Enkelin Sassia die Hand auf die Schulter und neigte sich zu ihrem Ohr: "Sehr schön arrangiert", lobte er. Er schenkte ihr ein Lächeln und nahm anschließend Platz. Natürlich wählte er die Kline neben dem Kaiser.


    Als auch die Kaiserin und seine Enkelkinder ihren Platz gewählt hatten, gab er den Sklaven ein Zeichen, mit dem Anbieten der Speisen zu beginnen. Teller und Schälchen wurden bereitgehalten und so mussten sich die Cenateilnehmer nur aussuchen, wonach ihnen gerade der Sinn stand.
    Zwischen Meeresfrüchten, eingelegten Eiern, halbierten Äpfeln und Birnen - teils kandiert, sowie drei verschiedenen Süppchen konnte gewählt werden. Andere Sklaven machten die Runde mit Weinamphoren und Kannen, in denen Alternativgetränke auf das Ausschenken warteten.

  • Die Kaiserin nahm in einem der bereitgestellten Korbsessel Platz. Ja das war eindeutig bequemer als sich seitlich auf eine der Clinen zu legen. So konnte sie sich zurücklehnen und damit ihre Bein, die dringend einer Entlastung bedurften, etwas schonen. Als nun die Sklaven, welchen sich wirklich perfekt in das Gesamtbild einfügten, mit dem servieren begannen, nahm sie sich ein etwas von den eingelegten Eiern, halbierten Äpfeln und Birnen. Sie kostete und lobte umgehend den Gastgeber. „Senator, du versteht es wirklich vortrefflich deine Gäste zu verwöhnen.“

  • Marcellus hatte bemerkt, dass seine Anfrage den Kaiser nicht vollkommen überzeugt hatte und hätte er die Gedanken des Princeps lesen können, wäre er wohl noch nervöser geworden. Ein wenig hilfesuchend hatte er zu Menecrates gesehen und dann auch den Blick auf Livineia gerichtet, die ihm freilich in dieser Situation auch nicht helfen konnte. Das hätte er auch gar nicht gewollt. Er musste das hier selber durchstehen, vielleicht kam ja später noch eine Gelegenheit um sich beim Kaiser etwas besser zu verkaufen.


    Zunächst sprach Menecrates mit dem Imperator über seine eigene politische Laufbahn, ein Ergebnis gab es bei diesem Gespräch nicht wirklich. Ja und dann, ja dann schämte sich Marcellus wieder in Grund und Boden. Sisenna, diese kleine verzogene Göre beschämte wieder einmal die gesamte Familie. Menecrates musste wirklich an seinem Auftreten arbeiten, es ging doch nicht an dass bei einem Besuch des Kaisers von Rom! die eine Tochter des Hauses miesepetrig herum stand wie eine Ziege, während eine weitere den Imperator um Grundbesitz anbettelte. Hätte sie auf diese Weise bei ihrem Großvater um eine Süßigkeit gefragt, wäre es das eine gewesen. Aber beim Kaiser? Und dann gleich so etwas? Marcellus wäre am liebsten im Boden versunken vor Scham.


    Dann aber war auch dieser Zwischenfall irgendwie abgewendet und es ging zurück ins Atrium, wo man sich auf Clinen und Sesseln verteilte und die Sklaven die ersten Häppchen und Getränke verteilten. Eigentlich hatte Marcellus keinen Hunger. Er war viel zu nervös und seine Gedanken kreisten viel zu sehr darum, wie er sich selbst beim Kaiser in ein etwas besseres Lich rücken könnte. Aber wenn er nervös auf seiner Cline lag und nichts aß, dann würde das sicherlich nicht passieren. Er sah noch einmal zu Menecrates und zu Livineia, dann nahm er sich einen halben Apfel und blickte zum Kaiser. Sie hatten sich niedergelassen, es gab gerade kein Gesprächsthema... vielleicht war das nun ein guter Augenblick?


    "Imperator, ich hörte neulich dass es in Dakien wieder Unruhen gab? Ich kenne die Daker nicht, vielleicht könntest du mir etwas über dieses Volk berichten?" ich spielte natürlich darauf an, dass der Kaiser in den Dakerkriegen gekämpft hatte. Ich wollte das Gespräch ein wenig zum militärischen lenken und hoffte auf diesem Gebiet ein paar Punkte machen zu können. Außerdem waren die Daker wirklich ein Volk von dem ich kaum etwas wusste. Und die Völker an unseren Grenzen hatten mich immer schon interessiert und auch fasziniert.

  • Tatsächlich kamen die ersten Speisen, von denen der Kaiser kostete. Er ließ sich auch ein Schüsselchen für die Suppe reichen, als Marcellus wieder das Wort an ihn richtete.
    "Unruhen?" fragte er etwas verwirrt, ehe er sich an entsprechende Gerüchte erinnerte und lächelte. "Sulpicius Cornutus berichtete mir bereits, dass alles in bester Ordnung ist." Solche Gerüchte kamen schnell auf. Aber sie entpuppten sich glücklicherweise meist ebenso schnell als Falschmeldungen.
    "Seit ich damals Decebalus besiegte, sind die Daker glücklicherweise eher ruhig." Er nahm die Suppe aus der Hand eines Sklaven entgegen und betrachtete sie einen Augenblick versonnen. "Sie sind keine so tumben Barbaren, wie man oft hört. Unter Decebalus bildeten sie ein einheitliches Reich, beherrscht von einem König, einem Hohepriester und einer Aristokratie. Sie verfügten über ein Heer, eine Hauptstadt und sogar eine eigene Münzprägung. Überhaupt sind sie im Bergbau und er Metallverarbeitung sehr geschickt." Er griff nach dem Löffel und nahm einen Schluck der Suppe. "Natürlich kann man sie nicht mit uns oder den Griechen vergleichen."

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  • Natürlich war sie höflich mit ins Atrium gekommen. Silana hatte die Gespräche zurückhaltend verfolgt und war überrascht, wie herzlos ihr Großvater doch agierte und dies vor dem Kaiser. Die kleine Sisenna litt offenbar darunter und auch Silana war enttäuscht. Die junge Claudia trat nah an ihren Großvater heran und beugte sich sanft in seine Richtung, damit sie ihm direkt ins Ohr sprechen konnte: "Ich werde mich um Sisenna kümmern und sie überzeugen, doch mit uns zu kommen." Sie nickte dem Kaiserpaar entschuldigend zu und entfernte sich dann wortlos, um die kleine Sisenna zu suchen. Denn ihr war nun das Glück des Kindes wichtiger, als vermeintlich wichtige Politik. Hier ging es um wahre Werte, wie Familie und Mitgefühl. Im Gehen warf sie Sassia noch einen vielsagenden Blick zu, indem sie mit den Augen rollte.

  • Der erste Wein wurde dem Kaiser und Menecrates gereicht, während die Kaiserin Wasser, gepressten Saft und Wein zur Auswahl angeboten bekam. Anschließend sorgten sich Sklaven um die beiden Geschwisterpaare.
    "Es war mein Ziel, meine Gäste vortrefflich zu verwöhnen", antwortete Menecrates der Kaiserin. "Ich hatte jedoch genug Unterstützung von all meinen Lieben hier, als es um die Planung ging." Er lächelte dankbar. Die vielen ausführenden Helfer blieben unerwähnt, was nicht bedeutete, dass der Claudier einen zuverlässigen Hausstaat nicht zu schätzen wüsste.


    Er hob seinen Becher. "Mögen die Götter Rom, unsere kaiserliche Familie und meine auf all unseren Wegen beschützen." Er nickte zuerst dem Kaiser, dann der Augusta und anschließend seinen Enkelkindern zu, bevor er einen Schluck des edlen Falerner auf den Boden kippte. Er nahm einen Schluck und lauschte dem aufkommenden Gespräch zwischen dem Kaiser und Marcellus, als Silana zu ihm trat. Ihr Vorschlag erfreute ihn.


    "Ich wäre dir sehr dankbar", versicherte er. Er legte die Hand auf Silanas Unterarm und ließ in dieser Geste und seinem Blick seine Hilflosigkeit erkennen. Er wusste nicht, was er alles bei Sisenna falsch machte und vor allem wusste er nicht, wie er es besser machen konnte. Erwachsene Kinder konnte er beschützen und ihnen helfen, weil er ihre Wünsche und Verhaltensweisen nachvollziehen konnte. Sisenna hingegen verstand er nicht und er besaß auch nicht die Fähigkeit, sich in ein kleines Mädchen hineinzuversetzen. Er wusste nur, wen er alles durchgehen ließ, verlor er am Ende. Das Ergebnis wäre ein verzogener, dekadenter und egoistischer Nachwuchs.
    Irgendetwas müsste sich ändern, er wusste nur noch nicht was. Spätestens morgen wollte er darüber nachdenken. Heute stand die Feier im Vordergrund und vielleicht würde es Silana gelingen, Sisenna wieder dazuzuholen.


    In Schalen, Schüsseln und auf Tellern wurden Fleischhappen, Fischstückchen und Brot kredenzt. Nachdenklich griff Menecrates zu einem Stückchen Brot.

  • Ein wenig ärgerte sich Marcellus, dass er nun einem falschen Gerücht aufgesessen war. Aber sein Ärger war wirklich nur sehr gering, denn ob es nun Unruhen gab oder nicht, er hatte mit dem Kaiser ein Gesprächsthema gefunden, bei welchem er sich möglicherweise profilieren konnte. Scato war in Sachen Dakien offenbar ebenfalls falsch informiert gewesen, aber was machte es schon.


    Marcellus lauschte interessiert den Worten des Kaisers, ehe er sich eine Antwort überlegte. Menecrates tuschelte gerade etwas mit Silana, was den jungen Claudier nicht interessierte. Vermutlich ging es um dieses ungezogene Ding, Sisenna...


    "Also keine grobschlächtigen Barbaren, wie die Germanen oder die Skythen?" fragte Marcellus nach und seine Stimme klang fast etwas enttäuscht. "Dann werden sie sich ja sicherlich glücklich unter die römische Herrschaft fügen." Es war schon ungewöhnlich, dass dieses Volk so ruhig war. Andererseits hatten sie vielleicht die Vorteile der römischen Herrschaft erkannt. Und die stärke der römischen Armee. Marcellus versuchte sich vorzustellen, wie er handeln würde sollte Rom von einem fremden Volk unterworfen werden... Doch der Gedanke war zu abwegig. Rom war zum herrschen bestimmt, Rom war das Zentrum der Welt!


    "Würdest du sagen, Imperator, dass sie ein gefährlicherer Feind als die Germanen waren?" die Germanen, das waren für Marcellus Zeit seines Lebens Schreckensgestalten aus dem Norden gewesen. Barbaren, die Menschen fraßen und die so groß und stark waren, dass sie zehn Männer zugleich unter ihren Fäusten zermalmen konnten. Ja, früher hatte Marcellus Angst vor Roms nördlichen Feinden gehabt. Heute faszinierten sie ihn. Die Legionen im Norden beschützten das Reich mit ihrem Leben und Marcellus wollte an die Grenze. Er wollte Rom verteidigen und nicht in der Hauptstadt vor staubigen Pergamenten sitzen und irgendwelche Listen abschreiben! Aber er würde versuchen dem Kaiser dieses Feuer zu vermitteln, welches in seinem Inneren brannte!

  • Schweigend verfolgte der Kaiser das Trankopfer. Dass die Götter in diesem Haus so gewissenhaft geehrt wurden, gefiel ihm. Dann wandte er sich wieder dem jungen Claudier zu. Menecrates sprach mit seiner Enkelin, doch waren diese Worte scheinbar Interna, sodass er höflich weghörte.


    Stattdessen antwortete er mit einem milden Lächeln auf die Schlüsse Marcellus'. "Nun, so würde ich es auch nicht beschreiben. Glücklicherweise wagt nicht jeder, der mit unserer Herrschaft unzufrieden ist, sofort den Aufstand. Nur die Mutigsten und die Dümmsten." In seinen langen Statthalterschaften hatte der Aquilier erfahren, dass die simple Teilung zwischen Barbaren und Kultivierten nicht sehr sinnvoll war. Jedes Volk hatte seine Kultur, in jedem Volk gab es Kluge und Dumme, überall Mut und Feigheit, überall Kultivierte und Primitive. "Und oft ist es einfacher, die simplen Geister zu beherrschen als die Klugen: Aufstände gehen normalerweise von den Eliten einer Gruppe aus, die uns am kultiviertesten erscheinen mögen. Decebalus war die größte Gefahr in Dacia, so wie Arminius zu Zeiten des Divus Augustus in Germania. Letzterer hatte Rom als Offizier gedient und galt wohl als das, was wir heute kultiviert nennen würden."


    Damit waren sie bereits bei der zweiten Frage angekommen: "Insofern lässt sich nicht pauschal sagen, welches Volk gefährlicher ist. Ich habe nie gegen die Germanen Krieg geführt, aber wie man hört, sind sie mindestens so tapfer und kriegserprobt wie die Daker." Er hob mahnend den Zeigefinger. "Entscheidend für die Gefährlichkeit einer Armee ist aber nicht nur der individuelle Mut und die Kampferfahrung des einzelnen Soldaten, sondern vor allem Organisation, Koordination und Führung. Arminius schmiedete aus den verfeindeten Stämmen der Germanen eine Allianz und wurde damit zur Bedrohung des Imperiums. Decebalus verfügte über eine eingespielte Armee und ein Königreich, das ihm Ressourcen für den Krieg zur Verfügung stellte - das war es, was ihn zu einem gefährlichen Gegner machte."

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  • Als Silana dem Garten zustrebte, um Sisenna zu suchen, schenkte Menecrates der Unterhaltung zwischen dem Kaiser und seinem Enkel volle Aufmerksamkeit. Er stieg ein, als es um die Gefährlichkeit verschiedener Völker ging, wobei es offensichtlich nur um Germanen und Darker ging.
    Mut und Kampferfahrung auf der einen Seite, auf der anderen Organisation Koordination und Führung. Das eine kam nicht ohne das andere aus, darüber teilte Menecrates die Meinung des Kaisers. Er selbst besaß mehr Bezug zu den Germanen, weil er in dieser Provinz mehrere Jahre eine Legion befehligte.
    "Ein bemerkenswerter Schachzug und ein Kunststück zugleich, die verfeindeten Stämme Germaniens zu vereinen. Trotzdem denke ich, das reichte nicht allein. Wir selbst haben ihm in die Karten gespielt, wenn auch unbeabsichtigt und unwissend. Er besaß unser Vertrauen, wir hinterfragten nicht in ausreichendem Maße, was er trieb. Wir trauten ihm noch nicht einmal zu, dass er die Stämme einen könnte. Wir haben ihn schlicht unterschätzt und, wie gesagt, weitreichend vertraut. Ich denke nicht, dass uns das ein zweites Mal passiert. Und ich denke ebenfalls nicht, dass ihm ein weiterer vergleichbarer Sieg gelingen wird, jetzt, wo wir wachsam sind."

    Menecrates kam ein Gedanke, den er zugleich äußerte.
    "Sein Kapital, die Allianz der Stämme, ist nicht in Stein gemeißelt. Eine Allianz kann bröckeln, wenn sie untergraben wird. Arbeiten wir daran?"
    Eine ausführliche Antwort erwartete Menecrates nicht. Sie saßen hier nicht im Senat, sondern in geselliger und bunt gemischter Runde.

  • Sim-Off:

    Huch, da hat doch glatt der Kaiser mal was vergessen! Bitte erinnern, wenn das wieder vorkommen sollte. Oder nochmal eine fragende Miene posten ;)


    Es dauerte einen Moment, ehe der Kaiser antwortete. Hatte er den alten Claudier falsch verstanden oder wurde dieser langsam ein bisschen senil. Alte Männer lebten ja gerne in der Vergangenheit, obwohl auch Menecrates sicherlich nicht Arminius, den Sieger über den unglücklichen Varus noch persönlich erlebt hatte.
    "Nun, Arminius wird uns sicherlich nicht mehr weiter bedrohen und soweit man weiß, starb seine Allianz mit ihm." bemerkte er deshalb schließlich trocken. "Aber das letzte Jahrhundert hat natürlich immer wieder ähnliche Verbindungen gesehen, beispielsweise den Aufstand der Bataver während des vorvorletzten Bürgerkriegs." Auch in diesem Fall hatten sich nicht nur die Bataver erhoben, bis Divus Vespasianus dem Bürgerkrieg und schließlich ihrem Aufstand ein Ende gesetzt hatten. "Die Kontrolle der Stämme jenseits des Limes ist vor allem Aufgabe des jeweiligen Statthalters an der Grenzprovinz. Cocceius Briganticus und Duccius Vala an der germanischen Grenze vor allem." Er nahm einen Schluck. "Ich denke, dass sie solche Dinge im Auge haben. Gerade Duccius Vala ist dafür ja prädestiniert, denn seine Familie stammt ja aus der Region und versteht sich besonders gut, wie die Fürsten jenseits des Rhenus ticken." Die letzten Berichte aus Germania waren zumindest alle positiv gewesen. Fast zu positiv, wie Vala treffend angemerkt hatte...

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  • Insgesamt zeigte sich Menecrates zufrieden mit der Antwort. Er dachte in Teilen ähnlich.


    "Uns wurde demonstriert, dass scheinbar Unmögliches wahr gemacht werden kann. Ich denke auch, wir sollten den Norden im Auge behalten, denn Nachahmer finden sich immer, wenn sich Möglichkeiten bieten." Ob gerade Vala der geeignete Mann für diesen Zweck im Norden war, bezweifelte Menecrates zwar. Dessen Charakter war ihm suspekt.


    Fortan widmete sich Menecrates wieder dem Mahl. Er wollte nicht das Gespräch an sich reißen, denn im Mittelpunkt sollte nach wie vor Marcellus stehen.
    Für diejenigen unter den Gästen, die bereits auf den abschließenden Gang warteten, ließ der Hausherr süße Gerichte kredenzen - verschiedenste Backwaren und natürlich Obst. Er selbst griff zu den Nüssen, die ihm weitaus wohlschmeckender erschienen. Übertriebene Süße lehnte er ab.

  • Nachdem niemand mehr etwas zum Thema sagen wollte, wie es aussah, wandte sich auch der Kaiser dem Essen zu. Nach den vielfältigen Hauptspeisen war ihm nach Obst. Also aß er und dachte über die Konstellation des heutigen Abends nach. Manches war vielleicht nicht ganz so gelaufen, wie der alte Claudier sich das erhofft hatte: Seine Enkelinnen zeigten sich eher widerspenstig und sein Enkel nicht unbedingt als großer Smalltalker. Aber das musste man ja auch nicht sein. Menecrates selbst war ja auch ein geradliniger Mann, der keine großen Worte machte. Trotzdem war er erfolgreich.

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