Die Dämmerung neigte sich bereits über den Rhenus, als die Truppen sich zum Campus Drusi aufmachten: Sämtliche disponiblen Milites hatten sich aufs Prächtigste ausstaffiert, um Nero Germanicus Drusus Germanicus zu ehren, dessen Ruhm noch immer auf das Exercitus Germanicus strahlte gleich dem Schein jener hunderten Fackeln, welche die Legionäre an den Rändern der Kolonne trugen und damit eine mystische Stimmung verbreiteten, wie der junge Flavius sie selten bei einer kultischen Prozession verspürt hatte.
Im Licht der lodernden Flammen spiegelten sich vor ihm hunderte glänzende Helme in der anbrechenden Dunkelheit des Abends der Iden des September, an dessen folgenden Morgen jener ruhmreiche Feldherr fern des Limes in den Landen der Cherusker gefallen war. Hunderte Pila glitzerten unstet in ihrem Licht, während die Cornicen eine triste Melodie intonierten, wie Manius Minor sie von den Leichenzügen seiner Anverwandten bekannt war. Noch trefflich vermochte er sein erstes Begräbnis zu memorieren, als seine Tante Flavia Vera zu Grabe getragen worden ward und er als innocenter Knabe, inkapabel die vehementen Emotionen seiner Anverwandten wahrhaftig zu erfassen, schlicht aufgrund der betrüblichen Stimmung seine Tränlein vergossen hatte. Derselbe Marsch war jedoch ebenso geblasen worden, als sie vor weitaus weniger Lenzen die sterblichen Restanten seine geliebte Mutter den Flammen überantwortet hatten und er in jenes tiefe Loch war gestürzt, an deren Boden ihn Opium und närrische Philosophien erwartet hatten. Einzig Claudia Antonias unsterbliche Seele hatte es vermocht, ihn aus jenem Tal der Tränen zu erheben, um ihn, nicht sonderlich glücklicher, doch immerhin zielstrebiger denn zuvor, wieder in die Welt der Lebenden zu integrieren.
Ihrem guten Geist allein verdankte er es, überhaupt jetzt wieder auf seinem von einem Burschen geführten Ross Trautwin zu sitzen, gerüstet mit funkelnden Beinschienen, einem ebensolchen Helm und dem Muskelpanzer, gegürtet mit dem Cinctorium, an welchem jener Gladius hin, den Manius Maior ihm zu seinem sechzehnten Wiegenfeste hatte geschenkt, geschmückt mit der Feldherrnbinde um die Brust und dem Paludamentum um die Schultern. Obschon noch immer ein Bäuchlein des Wohlstandes sich unter der in Metall gearbeiteten Muskulatur seiner Rüstung wölbte, so gab er doch einen respektablen Offizier ab, dem das Halbdunkel des Abends und das Untergehen in der Schar der similär ausstaffierten Stabspersonen in seinem Umfeld schmeichelte.
Jenes Haupt der gesamten Legion rangierte inmitten des Zuges an dritter Stelle, nachdem die Legionsreiterei samt der zweiten Kohorte die Vorhut mimte und hinter ihren Signa sowie einer Reihe von Fackelträgern aus der Stadt voranzog. Hinter ihnen erst passierte der junge Flavius mit den übrigen Tribunen, dem Praefectus Castrorum und dem Legaten, dem Legionsadler und dem Imago Augusti die Porta Borbetomaga, ehe die übrige Legion unter dem dröhnenden Schritt ihrer Caligae folgte. Diesjährig war die Legio II Germanica es, welche die Ehre hatte die Decursio Militum anzuführen, sodass sämtliche übrigen Einheiten, die an dieser gewaltigen Demonstration militärischer Potenz und heroischer Memoria partizipierten, sich erst hinter ihr einreihen durften.