Arbeitsraum des Consul H. Claudius Menecrates

  • Schon schien der Consul die Unterredung zu beenden und Manius Minor fürchtete, mit einer jener berühmt lakonischen Repliken abgespeist zu werden, als er sich doch besann und nochmals Platz nahm. Wie bereits bei seinen vorherigen Worten wirkte er melancholisch, ja geradehin desillusioniert, was auch den jungen Flavius betrübte, da er Menecrates doch als engagierten, wenn auch bisweilen ein wenig zu eigenwilligen Politiker hatte erfahren, dessen Aufrichtigkeit stets eine erfrischende Alternative zu den oftmals klandestin taktierenden Charakteren hatte geboten, deren Bekanntschaft der Quaestor im Laufe seiner noch jungen politischen Laufbahn hatte gemacht. Nachdem bereits Tiberius Verus ihn vor jenem Schlangennest hatte gewarnt, welches Roms Machtapparatur darstellte, schien nun auch der Consul gleichsam aus einer Innenperspektive zu mahnen. Doch wie es dem Claudius selbst impossibel war, sich dem Rat Epikurs zu ergeben und der Vita activa den Rücken zu kehren, so war dies auch Manius Minor verwehrt, was eine neuerliche Verbundenheit ihn zu dem greisen Soldaten verspüren ließ.


    "Nun, mein Weg vorerst ist zweifelsohne bis auf weiteres klarer determiniert: Ich habe. Cornelia Philonica versprochen, sie zu ehelichen und hoffe sodann in den Senat aufzusteigen."
    , verbalisierte er dann sein unabänderliches Vermächtnis.
    "So werden wir wohl beide schlicht unserer Pflicht zu folgen haben."
    , resümierte er sodann ihrer beider Schicksal.

  • Während der junge Gracchus von seinen Plänen berichtete, drängte sich Menecrates unwillkürlich die Frage auf, ob er selbst wohl gern Erfahrung und Alter gegen ein Stück Jugend eintauschen würde. Nochmals zu heiraten und in den Senat aufzusteigen, lockten ihn nicht sonderlich, aber er kam nach kurzer Überlegung zu dem Schluss, gern einen Teil der Jahre hergeben zu wollen. Allerdings entpuppte sich die Chance, die Ehe besser zu führen und an der Kindererziehung teilzuhaben, als Trugschluss, denn ohne die gemachte Erfahrung würde er doch wieder die gleichen Fehler machen.


    Menecrates glaubte außerdem, selbst wenn er sich für beides mehr Zeit genommen hätte, wäre er kaum ein besserer Vater und Ehemann gewesen, weil er sich diesbezüglich nicht für ein Naturtalent hielt.


    "Beides große Schritte", kommentierte er. "Sowohl Frauen als auch Senatoren sind nicht unbedingt leicht zu händeln." Seine Gedanken schweiften in erste Ehejahre ab. Mit der Mutter seiner meisten Kinder teilte er kaum mehr Zeit als für den Zeugungsakt nötig. Vermutlich deswegen empfand er diese Ehe deutlich angenehmer als seine zweite, was auch an der exzentrischen Art seiner zweiten Ehefrau lag. Es gab Senatoren, die ihn an Ofella erinnerten, was sie gleichermaßen schwierig machte. "Beide wollen häufig genug Recht haben und es kostet Mühe, nicht unterzugehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man die größte Ruhe findet, wenn man nicht alles sagt, was man denkt. Um ehrlich zu sein, traue ich dir aber zu, stets die richtigen Worte zu finden."


    Zu beiden Lebenssituationen hätte Menecrates noch lange Redeströme vergießen können, aber er hielt sich nicht für den besten Senats- und Eheberater. Vor allem Letzteres nicht.


    Auch auf das Resümee hin gab Menecrates noch einen Gedanken zum Besten. "Vielleicht ist es ratsam, ein Gleichgewicht zwischen Pflicht und Vergnügen zu finden und es zu halten." Er lächelte - etwas müde zwar, aber das Lächeln kam zusätzlich von innen.
    "Ich wünsche dir persönliches Glück, Erfolg und stets der Götter Segen auf deinen Wegen. Ich freue mich auf jeden Fall, dich sehr viel näher kennengelernt zu haben als es ohne unser beider Amt möglich gewesen wäre."

  • "Nun, ich hoffe, dass sich noch mehrfach die Gelegenheit wird ergeben, uns besser kennenzulernen."
    erwiderte der Jüngling und lächelte seinerseits. Selbstredend war ihm wenig über die Ehegeschichte des greisen Claudius bekannt, ja da es ihn in ehrlicher Staunen versetzte, wie zahlreich seine Kinder und Kindeskinder waren, argwöhnte er gar, dass Menecrates eine durchaus emotionale Relation zu seinen Gattinnen hatte gepflegt.


    Doch all dies verbalisierte der Consul nicht und so war es auch nicht an dem jungen Flavius, ihn diesbezüglich zu interrogieren. Vielmehr erweckte die Offerte jener Aurea mediocritas, welche bereits Aristoteles propagiert hatte, in ihm neuerlich Reminiszenzen an seine eigenen Fehltritte, welche jene Mäßigkeit verletzt hatten, sodass sein Lächeln erstarb.
    "Gelang es dir, jenes Maß zwischen Pflicht und Vergnügen zu finden? Oder fiel bei dir beides in eines?"

  • Menecrates nickte stumm. Insgeheim wünschte er sich ebenfalls, es mögen sich weitere Gelegenheiten ergeben, in denen eine Fortsetzung der Zusammenarbeit stattfinden würde.


    "Nein, das Maß der Dinge untereinander zu finden, gelang mir bisher nicht - zumindest nicht auf Dauer. Du hast also jede Chance, es besser als ich zu machen." Nun erhob sich Menecrates erneut. Er glaubte, alles Wichtige sei gesagt, kam hinter seinem Schreibtisch hervor und legte die Hand auf Flavius' Schulter.
    "Du wirst deinen Weg gehen, da bin ich sicher!"

  • Inständig hoffte der junge Flavius, dass die Worte des greisen Claudius der Wahrheit entsprachen, selbst wenn ihm die privaten Tragödien in dessen Hause lediglich peripher bekannt waren. Doch schien der Consul naheliegenderweise nicht sonderlich geneigt zu sein, sich in Melancholien zu ergehen, sodass auch der junge Quaestor es nicht wagte, ihm neuerlich zuzusetzen.
    "Wohin immer er führen mag."
    , erwiderte somit er ein wenig nachdenklich und folgte seinem Dienstherrn aus dem Officium, um ebenfalls seinen nächsten Obliegenheiten nachzukommen.

  • "Ach, wahrscheinlich wandelt er noch auf Amtswegen. So ist das, wenn man im Cursus Honorum mitmischt." Menecrates dachte nach, kam aber auf keinen grünen Zweig.
    "Ich kann unmöglich für Galeo einspringen", murmelte er vor sich hin. "Ich leite den Konkurenzrennstall."


    Er rieb sich die Stirn.
    "In seinem Zimmer ist er also nicht. Hast du nachgesehen?" Er konnte auch auf WC gewesen und nunmehr zurückgekehrt sein.

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