In strömendem Regen also machte die Festgesellschaft sich von der Domus Cornelia aus auf den Weg durch die Gassen Roms, um zeitig die Villa Flavia Felix zu erreichen, wo das Fest würde ausklingen, während das Brautpaar sich in seine Gemächer zurückzog. Nicht allein der Regen drang jedoch auf das Brautpaar ein, sondern ebenso jene anzüglichen Reime, die zu diesem Anlass gesungen zu werden pflegten, wobei Lucretius Carus, der Jugendfreund des Bräutigams, den Anfang machte:
"Wo Hermesstab die Wölfin findet,
wo Gänserich die Gans sich bindet,
zieh'n Hitze, Glut und Wollust ein
und zeugen viele Kinderlein!"
Sehr wohl erkannte der junge Flavius die Anspielung auf jenes kleine Gedichtlein, mit welchem die Hochzeitseinladungen waren eingeleitet worden, was womöglich in anderen Umständen seine Admiration hätte evoziert. Doch stattdessen erschien es ihm als Mahnung, dass der Vollzug der Ehe keineswegs ewiglich zu prokrastinieren war, sondern dass nicht allein die Gesellschaft Roms, sondern ebenso seine Ahnen und die Götter erwarteten, dass ihrer Ehe auch Kinder entsprangen. Gewiss war es möglich, einen Erben zu adoptieren, doch würde auch dies einen Schatten der mangelnden Frugalität auf ihr Haus werfen. Im Grunde würde ein einziges, erfolgreiches Mal genügen, doch wusste Manius Minor von diversen Gesprächen mit Patrokolos und anderen, dass ein Zeugungsakt allein regulär keineswegs genügte, sondern dass es, einer Lotterie gleich, für gewöhnlich mehrerer Anläufe bedurfte, um den Hauptgewinn zu erringen, wobei manche Gynäkologen argwöhnten, dass die Lust der Frau sich dabei als dienlich erwies.
Als hätte er die Gedanken des Bräutigams gelesen, meldete in jenem Augenblick ein weiterer Gast mit einem Spottvers zu Worte, welches lautstark er durch die Gassen krakeelte:
"Statt Rosen regnet's Wassermassen -
die Braut kann doch ihr Glück kaum fassen:
Denn nass wird heut' nicht nur das Dach -
sonst gibt's am Hochzeitsmorgen Krach!"
Die weibliche Lust mochte ein Tabu darstellen, da doch ihr Leib nicht mehr war denn eine Ackerfurche, in welche der Mann seinen Samen legte, doch waren auch Manius Minor die Differenzen einer lustvollen Vereinigung und einer egoistischen Triebbefriedigung dessen, der das Weib bestieg, wohlbekannt, zumal in seinem Myrmidonenkreis einige Jünglinge waren gewesen, welche sich auf die Befriedigung ihrer Partnerinnen geradezu kapriziert und dies bei ihren regelmäßigen Gastmählern wortreich hatten erörtert. Bei einer wunderschönen, aufreizenden Gespielin, von welchen er als finanzkräftiger Aristokrat sowohl in Alexandria, als auch in Roma er mit zahlreichen hatte das Bett geteilt, war auch bei ihm bisweilen eine diesbezügliche Motivation erwacht, doch würde es ihm bereits genügen, wenn ihm bei der tropfnassen Gestalt zu seiner Rechten, welche in ihre Gewänder und den Mantel gehüllt mehr einem Gespenst als einer Person aus Fleisch und Blut glich, zumindest die Insemination gelingen würde.
"Talassio!"
, rief aufs Neue die Versammlung und Philonica hielt an, um einem passierenden, augenscheinlich bereits ein wenig alkoholisierten Mann eine Nuss zu reichen. Als sie neuerlich sich in Bewegung setzten, geschah endlich das Erwartete: Der Calceus des jungen Flavius stieß gegen einen falsch eingeschätzten Stein auf dem Boden, er verlor das Gleichgewicht, griff panisch um sich und bekam den Mantel der Cornelia zu fassen, glitt auf dem nassen Boden aus und stürzte mit einem Ruck zu Boden, wobei er auch die Braut, welche einen spitzen Schrei ausstieß, mit sich riss. Sogleich eilten Sklaven herbei, doch das Paar lag bereits in einer Pfütze.
"Muss denn alles schiefgehen an diesem verfluchten Tag?"
, zeterte Philonica mit weinerlichem Timbre, als sie beide wieder auf ihren Füßen standen und den Schmutz auf der erlesenen Toga und dem feinen Mantel sowie der darunter vorscheinenden Tunica recta inspizierten, welchen selbst Manius Minor bei Dunkelheit zu identifizieren imstande war.
"Du musst sie ja nicht mehr tragen heute."
, mühte sich der junge Flavius sie zu trösten, obschon neuerlich die Imagination, dem entblößten Körper des Mädchens gegenüber zu stehen, ihm Gänsehaut bereitete. Dennoch fragte auch er sich, ob all jene Missgeschicke nicht waren als böse Omen zu ponderieren, welche eine eiligste Scheidung forderten. So oder so hatte er versagt, seiner unschuldigen Gattin einen erquicklichen Tag zu bereiten, obschon die größte Desillusion sie noch erwartete.
"Im Freien schon liegt Frau auf Mann,
weil er es nicht erwarten kann!"
, erfolgte prompt der wenig erbauliche, scherzend intendierte Kommentar eines Hochzeitsgastes.