Montes Lucretili – Omnia vincit Amor(?) – Szenen einer Jagdpartie


  • Velox amoenum saepe Lucretilem / mutat Lycaeo Faunus et igneam
    defendit aestatem capellis / usque meis pluuiosque uentos
    - Horaz


    (Geschwind und oft tauscht Faunus den lieblichen Lucretilis gegen den Lykaion ein
    und hält die Glut des Sommers und Regenwinde von meinen Ziegen fern....)


    Nur eine Tagesreise von Rom, in den lieblichen Bergwäldern der Montes Lucretili, liegt unter felsigen Gipfeln eine einsame Jagdhütte...

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Früher einmal hatte Gracchus die Ausritte zu Pferde geliebt, und auch der Jagd war er nicht abgeneigt gewesen. Damals war er mit Caius über die weiten Wiesen Achaias geritten, an der Küste entlang oder durch lichte Olivenwäldchen. Jedoch, seit er als junger Mann nach Rom war zurückgekehrt hatte er weniger und weniger Zeit auf einem Pferderücken verbracht, und dies rächte sich nun. Nach einigen Stunden schon tat ihm sein Hinterteil weh, sein Rücken meldet es sich ein wenig später. Auf dem Landgut nahe Tibur hatten sie nur eine kurze Rast eingelegt und einen der treuen Sklaven eingeweiht, wo Gracchus im Falle der Niederkunft seiner Gemahlin zu finden war und was der Haushalt einem Boten aus Rom zu berichten hätte: die Ungereimtheiten auf dem Landgut hatten glücklicherweise sich als Missverständnis offenbart, und ganz zufällig war Gracchus auf seinen Freund Serapio getroffen (Mehercule! Fortunas Launen sind stets überraschend!), welcher unterwegs war zu einer Jagdpartie. Da er bereits aus Rom fort und im Haus dort für seine Gemahlin ohnehin nicht vonnutzen war, hatte er die günstige Gelegenheit für ein wenig Zerstreuung genutzt. Im besten Falle jedoch würde diese Geschichte niemals erzählt werden müssen und Gracchus wäre noch vor der Geburt seines Kindes wieder zurück in Rom. Nur Sciurus hatte seinen Herrn begleitet, und ein Stück nördlich von Tibur hatten sie Serapio getroffen und waren weiter in die Berge geritten. Gracchus versuchte sein Elend zu Pferde sich nicht anmerken zu lassen, die Schönheit des Waldes und die Anwesenheit seines Geliebten zu genießen. Doch je weiter der Nachmittag verrann, desto leidlicher gelang ihm dies.
    "Wir sind da", ließ sich endlich Sciurus vernehmen, der von Voluptarianus Suavis Privatsekretär die genaue Beschreibung von Weg und Hütte hatte erhalten.
    "Ah! Endlich!"
    entfuhr es dem Flavier erleichtert, doch vor ihnen im Walde sah er nur eine hölzerne Hütte, zur Seite ein Unterstand angebaut - beides zusammen so groß - oder klein -, dass es ohne Bedenken in das flavische Atrium hätte gepasst, vielleicht sogar in das große Triclinium.
    "Ist dies ... alles?"
    fragte er irritiert. Allfällig war dies nur der Stall oder ein Badehaus und das eigentliche Anwesen befand sich dahinter.
    "Ja, das ist die Hütte", kommentierte der Sklave nüchtern, der immerhin eine genaue Vorstellung davon hatte, was sie erwartete: eine Jagdhütte.
    "Oh"
    , echappierte Gracchus, und die Ernüchterung, allfällig gar ein wenig Konsternierung war der Couleur seiner Stimme deutlich zu entnehmen. Nun erst wurde er sich dessen gewahr, dass all seine früheren Jagdpartien stets an einem Landgut der Familie oder von Freunden hatten begonnen, wie auch geendet, und er zuvor nie in die Verlegenheit einer solchen Jagdhütte gekommen war - einer Jagdhütte deren Bezeichnung tatsächlich für das stand, was sie war: eine Hütte. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

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  • "Was für eine herrliche Aussicht!"
    Der sanfte Schwung der Hänge, das satte Grün der Steineichen, getupft mit rot und gold, die Schattierung in die bläuliche Ferne, begeistert ließ ich meinen Blick darüber schweifen, atmete tief ein, die frische Luft, waldig und würzig.
    "Und die Bergluft, ein Gedicht."
    Der Ort erinnerte mich an das Haus meiner Großeltern in der Sierra Teixeta, da hatte man auch so weit blicken können. Ich hatte ja befürchtet, dass Voluptarianus' Jagdhütte ebenso protzig wie sein Stadthaus sein könnte, aber den Göttern sei dank, sie war einfach nur rustikal. Und wildromantisch!


    Wir waren zwar den ganzen Tag, aber dafür in gemütlichem Tempo unterwegs gewesen. Ich ritt einen leichtfüßigen hispanischen Hengst mit grauen Fell und herrlich schwebendem Gang. Gut dass ich nicht, wie zuerst erwogen, meinen Jagd-Streitwagen mitgenommen hatte, es war hier einfach zu steil und die Pfade zu schmal für solch ein Gefährt.
    In fühlte mich gutgekleidet in meiner nagelneuen Jagdgarderobe, die in dunklem Grün gehalten war, die Schmuck-Clavi rostrot mit Jagdmotiven bestickt und an den Rändern (mehr dekorativ) mit Pelz verbrämt. Dazu trug ich feminalia - weil das beim Reiten einfach praktischer war, und ich mich in Nabataea ans Hosentragen gewöhnt hatte – und hochgeschnürte Jagdstiefel.
    Als Begleitsklaven hatte ich mich für den Custos Armastan entschieden. Der exotische Garamant war zwar noch nicht lange in meinem Besitz, aber gehorsam, schweigsam und schön anzusehen. Er ritt hinter mir und führte das Packpferd mit Proviant und Waffen. Ursprünglich hatte ich den jungen Silas mitnehmen wollen, aus ästhetischen Gründen, aber dieser Stultissimus schien ja tatsächlich ausgerissen zu sein. Ich hoffte nur, dass Akadios und Pelias ihn wieder auftreiben würden und sich bei meiner Rückkehr in die Casa alles schon in Wohlgefallen aufgelöst haben würde.


    Doch die Sorgen der Casa rückten weit fort, ganz Rom rückte weit fort, denn ich war hier mit meinem Geliebten in einer herrlichen Bergidylle, endlich einmal nur wir, ohne äußere Zwänge, ohne Familie, ohne die Notwendigkeit stets vor prüfenden Blicken und lästernden Zungen auf der Hut zu sein. Strahlend schwang ich mich vom Pferd.
    "Oh Manius, das hast du wunderbar organisiert!"
    Er saß noch im Sattel, sah nicht so begeistert aus, bestimmt war er müde vom langen Ritt.
    "Wir werden hier ein paar ganz besondere Tage verleben!" versprach ich, sah zu ihm auf und streichelte liebevoll sein Bein. Allein so kleine Gesten nicht unterdrücken zu müssen, das machte mich schon ganz trunken vor Glück.


    Mit einem metallischen Scharren drehte sich der Schlüssel im Schloss vor der Hüttentüre. Es gab nur einen einzigen Raum, großzügig für eine Jagdhütte eingerichtet, aber ohne den neureichen Schnickschnack, der Voluptarianus' Stadtvilla prägte. Alles was man brauchte, war da, und an der Wand hingen alle möglichen Trophäen. Auf dem Boden vor dem Ofen lag ein großes zottiges Bärenfell, was mich gleich auf Ideen brachte.
    Aber erst mal trug ich die Vorräte und das Gepäck in die Hütte. Armastan versorgte die Pferde, in dem Unterstand neben der Hütte. Unweit, etwas den Berg hinauf, sprudelte eine klare Quelle, dort holte ich Wasser und füllte alle Eimer auf. Eigentlich hätte ich damit gerechnet, dass Manius' Sklave sich auch etwas nützlich machen würde, aber er war immer nur Manius rum. Na ja.
    Es gab einen großen Vorrat an trockenem Holz, so feuerte ich schonmal den Ofen an, denn hier in den Bergen würde es bestimmt kalt werden in der Nacht.


    Dann suchte ich aus den Vorräten für die paar Tage (aufs Jagdglück wollte ich mich nicht verlassen) einen Laib Brot, verschiedene Käse, Dörrfleisch, Wurst und Oliven und einen einfachen Landwein heraus. Vor der Hütte gab es zwei Bänke und einen Tisch, mit grandioser Aussicht, dort stellte ich das Essen hin – für alle vier, denn es gab eben nur diesen einen Tisch.
    Sogar das Geschirr in der Hütte war mit Jagdbildern verziert. Auch das Brotmesser, eine lange und scharfe Klinge, die auch als Hirschfänger hätte durchgehen können, mit dem ich Scheiben von dem Laib schnitt, trug im Horngriff Einlegearbeiten. Ich betrachtete das kleine Kunstwerk genauer, es dichter vor meine Augen haltend, denn die Sonne war schon im Sinken begriffen, und das Tal lag bereits in tiefem Schatten.
    "Herkules, wie er den eurymanthischen Eber erlegt." erkannte ich, und drehte das Messer, um auch die Szene auf der anderen Seite zu begutachten, konnte sie aber nicht gleich mythologisch zuordnen. "Hm..." machte ich fragend, und reichte das Messer weiter an Manius.

  • Serapio war weitaus enthusiastischer über die Szenerie als Gracchus, welcher noch die Begeisterung in sich - tief, tief in sich - suchte. Mehrere Tage sollten sie nun in dieser Hütte verbringen - was hatte ihn nur zu diesem Ausflug getrieben? Er atmete tief durch. Letztlich ging es nur um Faustus und ihn, nur um sie beide. Kein Preis konnte zu hoch sein. Zudem war immerhin Sciurus bei ihm, um ein wenig seines gewohnten Standards zu gewährleisten. Gracchus suchte ein wenig Abenteuerlust aus seinen tiefen Tiefen zu fördern - deplorablerweise gab es dererlei der Begeisterung similär nicht sonderlich viel - und trat hinter Serapio ein. Und wollte sogleich wieder umkehren. Im Inneren schien die Hütte noch viel kleiner als von außen betrachtet! Es gab nur einen einzigen Raum! Ein wenig verloren stand der Flavier herum als sein Freund bereits in Aktion verfiel, ließ sich von Sciurus den dünnen, wollenen Mantel abnehmen, ein wenig die Schultern massieren und die Reitstiefel zu bequemen Sandalen wechseln.
    "Gibt es ... eine Latrine?"
    , wagte er kaum zu fragen.
    "Einige Fuß den Bach entlang. Ein Eimer mit deiner Bürste steht neben dem Haus", wusste der flavische Vilicus. Gracchus wunderte sich nicht, woher er dies wusste, sondern trat schicksalsergeben aus der Hütte, nahm den Eimer und folgte dem Bach. Einige Fuß weiter ärgerte er sich, dass er seine Stiefel bereits hatte abgelegt, und noch einige Fuß weiter fand er die 'Latrine'. Rechts und links einer kleinen Kuhle am Bachufer waren zwei Steine platziert, darüber ein Brett gelegt mit einem Lartinensitzloch in der Mitte.
    "Nur... einige... Tage..."
    , murmelte der Flavier und widmete sich seinem Geschäft. Nicht nur die körperliche Erleichterung, auch das Plätschern hinter ihm und das idyllische Grün in all seinen differenten Facetten um ihn her hatten eine kalmierende Wirkung, dass er beinahe wieder ausgeglichen war - bis dass er die Bürste in das Wasser hatte getaucht und an seine Haut führte. Das Wasser war eiskalt.
    "Bona Dea!"
    entfuhr es ihm, der er halb in die Höhe fuhr und beinahe die Bürste hätte fallen lassen.
    "Nur ... einige... Tage ..."
    Missmutig und mit zusammengebissenen Zähnen beendete er seine Sitzung. Er würde Sciurus anweisen, das Wasser zu erwärmen. Dies war schlussendlich kein Luxus, sondern ein menschliches Grundbedürfnis! Als er zur Hütte zurückkehrte war Faustus im hütteneigenen 'Hortus' zugange, und Gracchus setzte sich zu ihm. Serapio bewunderte ein Messer und reichte es ihm fragend. Der Flavier kniff die Augen zusammen und drehte die Klinge ein wenig ins Licht.
    "Dies ist Orion mit seinen Jagdhunden Sirius und Procyon beim Versu'h alle wilden Tiere des Erdkreises zu erlegen - hier, siehst du, darum sind Hirsch, Wolf und Hase auf dieser gebogenen Linie angeordnet. Und dies dort hinter dem Jäger ist der Skorpion, welchen Gaia ihm hernach sandte, um ihn an seinem Unterfangen zu hindern. Eine sehr kunstfertige Arbeit."
    Er reichte das Messer zurück und wies auf die Gedecke auf dem Tisch, die linke Braue fragend erhoben.
    "Erwarten wir Gäste?"
    Gracchus konnte nicht verhindern, dass neuerlich ein wenig Missmut in seiner Stimme mitschwang, hatten sie sich doch darauf geeinigt, niemanden in diesen Ausflug einzuweihen, sofern es nicht zwingend notwendig war.

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  • Von Manius konnte man immer etwas lernen. Ich mochte das, und ich fand ihn heiß wenn er über Kleinigkeiten so ins Dozieren kam.
    "Mhm." Jetzt wo er es gesagt hatte, sah ich natürlich den Skorpion. "Dann hoffen wir doch mal, dass ein Fünkchen von Orions Jagdglück morgen mit uns ist."
    Gäste? Verwirrt blickte ich ihn an. Er sah geradezu ungehalten aus.
    "Ich dachte... Armastan und Sciurus... " Sie waren sicher auch hungrig nach dem langen Ritt und von der Bergluft. Mir dämmerte, dass mein nobler Erastes es wohl nicht gutheißen würde, mit Sklaven an einem Tisch zu sitzen. "... aber sie können ja auch woanders essen... oder nach uns."
    Kleinlaut räumte ich die Teller weg. Hätte ich mir ja gleich denken können. Ich fand es ein bisschen albern, solche Umstände zu machen, beim Jagen oder beim Reisen. Zu Hause aß ich, wenn es schnell gehen musste, auch manchmal meinen Puls einfach morgens in der Küche bei Candace, wo auch die Sklaven aßen. Außerdem fühlte ich mich in der Pflicht, gut für meinen Custos, der mir treu diente, zu sorgen. (In Anbetracht dessen, dass er bei diesem Ausflug einen noch tieferen Einblick in meine dunklen Geheimnisse bekam, als er es sowieso schon hatte, war es wohl auch in meinem Interesse, mir seine Loyalität zu bewahren.) Ich reichte beiden Sklaven schon mal ein Stück würziges Dörrfleisch, bevor ich mich wieder zu Manius auf die Bank setzte.


    Beschwichtigend legte ich den Arm um ihn und kraulte ihm den Nacken. So angespannt war er... bestimmt war er mit den Gedanken noch in Rom und bei seiner grausigen, aber nichtsdestotrotz seiner Gattin.
    "Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dass es geklappt hat. Dass wir nun gemeinsam hier sind, in diesem Paradis, nur wir beide." Ich drückte ihm einen Kuss auf den Hals, seitlich, und dann noch einen, lehnte meinen Kopf in die Beuge seines Halses und erzählte ihm, so wie es mir gerade in den Sinn kam.
    "Rebhühner soll es hier viele geben, köstliche Rebhühner. Aber ich sage dir gleich, ein besonders guter Jäger bin ich nicht. Aber mein Custos dafür... wobei, der ist eine andere Landschaft gewöhnt. Weißt du, mein Großvater hat mich früher, als ich noch ein Junge war, manchmal mitgenommen in die Sierra, aber ich wusste das damals noch nicht so zu schätzen. Er wollte, dass ich die Kaninchen aus den Schlingen... selbst töte und ausweide und häute. Im Nachhinein verstehe ich, dass er mich abhärten wollte, aber damals fand ich das scheußlich." Mein brummiger iberischer Großvater hatte wohl sein bestes getan, Vaterstelle an meinen Geschwistern und mir zu vertreten. Aber abgehärtet hatte mich erst die Legion.
    "In Parthien habe ich mir einen Sklaven gefangen, der konnte einer Fliege das Auge wegschießen. Ein Halunke war er außerdem. Er hat mich unterrichtet mit Pfeil und Bogen, und als ich dann später in Ägypten war, da gab es grandiose Jagdgründe, da bin ich gerne herumgestreift. Was ich auch faszinierend dort finde: die Jagd mit zahmen Geparden, oder mit Raubvögeln..."

  • In seinen Gedanken sah Gracchus den jungen Faustus - schon damals ein ansehnlicher Hephaistion - mit seinem Großvater durch die Sierra jagen - gleichwohl er zu dieser Zeit weder den einen, noch den anderen hatte gekannt oder jemals die Sierra gesehen -, streifte an seiner Seite durch Parthien mit Geparden und Raubvögeln.
    "Ich war schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr auf der Jagd"
    , bekannte er kleinmütig. Mit Caius und Marcus war dies gewesen, vielleicht sogar noch bevor er in den cursus honorum war eingestiegen? Er wusste es nicht mehr genau.
    "Von mir darfst du darob nicht er..warten, dass ich auch nur die Fliege im Gesamten treffe"
    , schmunzelte er. Tatsächlich war er nicht einmal sicher, ob er den Bogen ordentlich würde spannen können, denn die Kraft in seiner Rechten war nie wieder zur Gänze zurückgekehrt. Seit sie den Plan hatten gefasst hatte er ein wenig üben wollen, doch stets waren andere Dinge vor der Abreise dringlicher gewesen, dazu war er vorgeblich immerhin nicht einmal zur Jagd aufgebrochen, so dass er dem auch keine Dringlichkeit hatte schaffen können.
    "Du wirst also unser Meleagros sein müssen - in Hinblick auf das Jagdglück."
    Ohnehin war eben die ganze Jagd nur ein Vorwand, gleichwohl etwas substantiellere Gerichte als das vor ihm stehende Angebot in den kommenden Tagen angenehm wären. Indes, durch die Reise zu Pferd und Faustus' Anwesenheit mundete Gracchus die einfache Cena durchaus und seine Laune stieg zusehends.
    "Lasse uns noch ein wenig die Umgebung erkunden"
    , schlug er darob nach dem Mahl vor, und Arm in Arm folgten sie dem Pfad, welchen sie gekommen waren weiter in den Wald hinein.
    "Sieh nur, die Medusa"
    , wies Gracchus scherzend auf eine alte Baumwurzel, welche ihre verdorrten Ausläufer in die Höhe reckte und entfernt an eine Gorgone erinnerte. Dann wieder entdeckte Serapio ein Eichhörnchen zwischen den Ästen über ihnen, ein zartgrünfarbener Moosteppich spornte ihre Pläne an für die kommenden Tage - ein Picknick im Moosbett! - und in einer verwachsenen Baumrinde meinten sie eindeutig ein F und M umschlungen von einem Herzen zu entdecken. Ob der allmählich versinkenden Sonne hatten sie bereits entschlossen, baldig umzukehren, als sie mit einem Mal zwischen einem Gestrüpp aus Storaxbäumen hervortraten und am Rande einer Schlucht standen, an deren Grund ein Fluss seine wilden Bahnen zog.
    "Wie schön!"
    freute sich der Weltenbummler Serapio, während Gracchus mit offenem Mund und großen Augen neben ihm stand. Er hatte nicht viel gesehen von der Welt, und was er kannte war selten weit weg von einem festen Gemäuer oder zumindest einer gepflasterten Straße. Wenn schon hier, nur eine Tagesreise von Rom entfernt derartige Spektakel zu finden waren - was hatte er noch alles verpasst?
    "Das ist ... magnifik"
    , bestaunte er ehrfurchtsvoll den felsigen Abhang auf der gegenüberliegenden Seite, die rauschenden Wassermassen unter ihnen und den grandiosen Ausblick in das Tal, welches mitten in die Landschaft geschnitten war als hätten die Titanen einst das Land mit einem göttlichen Pflug durchfrucht. Kaum wohl hätte Gracchus sich von diesem Anblick lösen wollen, suchte er doch noch die Großartigkeit in seinem Gedankengebäude festzuhalten, doch Serapio hatte einen Blick für die fortgeschrittene Stunde und vertröstete den Geliebten auf die kommenden Tage. Den Abend verbrachten sie so am prasselnden Kamin, in trauter - und doch so ungewohnter - Unbefangenheit, scherzend, philosophierend und sich liebend.


    ~ ~ ~

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  • Ein sanftes Rauschen von Regen, der auf das Dach prasselte, erfüllte den Raum, als ich erwachte. Ich schlug die Augen auf, sah im grauen Morgenlicht die knorrigen Holzbohlen, zerwühlten Decken, und auf dem Boden neben dem Bett unsere Kleidung in einem wilden Haufen. Ganz an den Rand des Bettes hatte ich mich gelegt, um Manius nicht zu stören in der Nacht, denn ich war ein unruhiger Schläfer, träumte nicht selten vom Krieg und viele Bettgenossen hatten sich schon bitterlich beschwert. Aber heute Nacht hatte ich tief und fest geschlafen. Vorsichtig richtete ich mich zum Sitzen auf und blickte auf meinen Geliebten, wie er da so neben mir lag, das dunkle Haar verwuschelt, den Kopf in die Mulde des Kissens gegraben, eine Schulter frei, wie sein Atem langsam und regelmäßig seine Brust hob. Ein überströmendes, gewaltiges Glück war in mir, ich wollte ihn umschlingen und meine Nase in sein Haar graben und ihn lieben und atmen – aber natürlich wollte ich ihn auch nicht wecken, darum hob ich bloß vorsichtig die Hand, näherte sie seiner bloßen Schulter bis auf zwei Fingerbreit und fuhr in diesem Abstand die Kontur nach.


    Ein Knarren der Bohlen ließ mich innehalten und aufsehen. Es kam von der Türe, diese war noch geschlossen, aber durch eine der ganz schmalen Ritzen zwischen den Brettern, wo in milchigen Linien das Licht herein sickerte, zeichnete sich kurz der Schatten einer Bewegung ab. Die Sklaven waren wohl auch schon wach.
    So leise wie ein samtpfotiger Jagdleopard schlich ich mich aus dem Bett, klaubte mein Lendentuch aus dem Klamottenhaufen, schlang es um mich und stahl mich nach draußen. Tiefe Wolken hingen zwischen den Bergen, dunkel stand der Wald, und der Regen rauschte, plätscherte vom Vordach der Hütte in dicken Wasserstrahlen auf das Gras. Die feuchte Luft roch nach Erde, nach Kräutern und Harz.
    Ich reckte mich und streckte mich, vergegenwärtigte mir, dass ich wirklich hier war, mit Manius! Glückselig erinnerte ich mich an den vergangenen Tag, und lächelte strahlend vor mich hin bei dem Gedanken, dass wir noch mehrere vor uns hatten.


    Mal abgesehen von der Geheimhaltung, war es wohl ganz gut, dass wir gerade nur für uns waren, denn nach den langen Jahren der nur flüchtigen - oder uns ganz vom Schicksal verwehrten - Begegnungen waren wir hier und jetzt in unserem gemeinsamen liebestrunkenen Glück wahrscheinlich für jeden anderen vollkommen unerträglich. Nur unsere beiden Sklaven, die mussten eben damit klarkommen. Armastan kam gerade in seine Paenula gehüllt tropfend von der Quelle, und Sciurus war unter dem Vordach damit beschäftigt, Manius' Stiefel sauber zu machen, nein, auf Hochglanz zu polieren.
    Ich grüßte die beiden. Sie grüßten zurück. Sciurus' Blick fand ich scheel dabei. Mir kam der Gedanke, ob er vielleicht eifersüchtig war. Er war ja wohl sonst Manius' Bettgefährte, nahm ich zumindest an, und hatte nun bei den Pferden schlafen müssen anstatt in der warmen Stube. Oder lag es nur an seinen merkwürdig hellen Augen, dass sein Blick mir so dubios dünkte? Die hatten mich immer schon an Fischaugen erinnert. Davon abgesehen war er ja wirklich gutgebaut, hatte wohldefinierte Muskeln und so was heroisch-markiges in seinen Zügen. Ob ich Manius mal einen Dreier vorschlagen sollte? Aber nicht heute, heute wollte ich ihn einfach nur für mich allein.


    Und das hatte ich auch, Eros und Anteros sei Dank! Der Regen machte keine Anstalten aufzuhören. So verbrachten wir diesen langen herrlichenTag einfach zusammen im Bett, und ich kann versichern, es wurde uns keinen Moment dabei langweilig.


    ~ ~ ~

  • Alle Geräusche des Waldes drangen durch die dünnen Wände der Hütte, so dass ein Konzert aus Vogelstimmen sie am nächsten Tage weckte. In der Nacht hatte es bereits aufgehört zu regnen und goldfarbene Strahlen der Sonne ließen die letzten Tropfen an den Blättern schimmern. Nach einem stärkenden Frühstück aus Puls mit Trockenfrüchten war alles bereit für die große Jagdpartie, welche sie zu Fuß und mit Bogen begehen wollten. Sciurus hatte alles vorbereitet, reichte ihnen die Waffen und wünschte seinem Herrn Jagdglück, was dieser jedoch kaum zur Kenntnis nahm, da er gänzlich beschäftigt war den Anblick Serapios in all seinen Facetten zu goutieren. Er sah stets aus wie ein Heroe - in Rüstung, in Jagdgewandung, ganz ohne Kleidung. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen folgte Gracchus darob seinem Meleagros ein wenig den Weg entlang und dann ins Dickicht hinein - einem Wildpfad folgend, wie Serapio fachmännisch ihm zuraunte. Während der Decimer die Spuren des Waldes las und tatsächlich zu wissen schien, was er tat, folgte ihm der Flavier schlichtweg darauf vertrauend, dass irgendwann der bloße Zufall sie mit einem Stück Wild würde kollidieren lassen - ganz ähnlich wie kein Neuankömmling je durch Rom konnte flanieren ohne nicht mindestens einmal von jemanden angerempelt zu werden. Er war daher mehr in die Betrachtung der Natur versunken - das variable Grün etwa vom lichten Buchenblatt bis zur ledrigen Nadel der Stechpalme; die am Morgen noch aufgerollten Farne, deren Spitzen keinen Spiralen glichen; das Pochen eines Spechtes, welcher über ihnen an seiner Behausung arbeitete; dicke, schwarzfarbene Käfer mit für ihre Leiber überdimensionierten Greifzangen am Boden; ein ungunstiöser Odeur als sie eine Suhle querten; fanfarenartige Pilze, welche einen vermoderten Stamm am Wegesrand einhüllten. Gracchus nahm darob nicht wahr, dass Serapio sich verlangsamte, ein wenig in die Hocke ging und seinen Bogen in Anschlag nahm. Er sah nur mit einem Male ein kleines Reh, etwa acht passus vor ihnen am Rand einer Lichtung stehen.
    "Da!"
    rief er aufgeregt und deutete auf das Tier, welches ob des fremdartigen Tons augenblicklich den Kopf erhob und bereits im nächsten Moment im Wald verschwunden war.
    "Ach Manius!"
    fuhr Serapio enttäuscht zu ihm herum und legte bedeutungsvoll den Finger auf die Lippen.
    "Verzeih"
    , bekannte der Flavier kleinmütig.
    "Ich war lediglich ... verzückt ob seiner Er..scheinung."
    Da Gracchus sich sehr zerknirscht zeigte, konnte Serapio ihm nur etwa einen Wimpernschlag lang böse sein, so dass sie nach einem Schluck wässrigen Weins aus den ledernen Trinkschläuchen ihren Weg weiter fortsetzen. Tatsächlich dauerte es nicht sehr lange bis dass sie an eine weitere kleine Lichtung kamen, auf der friedlich ein Hirsch äste. Neuerlich war Gracchus überaus entzückt, mehr noch als bei dem Reh zuvor, denn das Tier hatte ein prächtiges Geweih auf seinem Kopf, doch er beherrschte sich, seine Freude und Aufregung nicht allzu deutlich zu zeigen. Neben Serapio duckte er sich in das Gebüsch und versuchte gleich diesem seinen Bogen ein wenig zu spannen, gleichwohl bereits sich mehr als bewusst, dass er lieber dem Freund den ersten Schuss würde überlassen. Er visierte den Hirsch an als neben ihm ein lautes Knacken ertönte.
    "Mala leche!"
    fluchte Serapio inbrünstig neben ihm in einer Sprache, welche dem Flavier fremd war, doch allein der Tonfall reichte aus, den Sinn dieser Worte zu transportieren. Da der Hirsch ohnehin bereits das Weite hatte gesucht, wandte er seinen Blick besorgt und sah seinen Freund, der grimmig auf seinen gebrochenen Bogen sah.
    "Zum Hades!"
    schimpfte Serapio,
    "Das kann doch nicht wahr sein!!"
    Gracchus musste laut auflachen.
    "Oh, mein Herkules! Mehr Kraft als Jagdglück!"
    Er konnte nicht aufhören zu lachen, da Serapio verbissen und argwöhnisch seinen Bogen inspizierte als wäre er ein Indiz in einem Mordfall.
    "Das ist nicht lustig! Hier, das sieht aus als hätte sich jemand an meinem Bogen zu schaffen gemacht! Da, siehst du, die helleren Stellen hier, die Kerben, da war doch jemand mit dem Messer dran!"
    Gracchus, noch immer amüsiert, blickte auf den Bogen, den Serapio ihm entgegen hielt. Er konnte an der Bruchstelle nichts Verdächtiges entdecken, indes war sein Auge für solcherlei auch nicht geschärft.
    "Aber wer sollte dies gewesen sein? Du hast doch er..wähnt, dass du deine Ausrüstung noch einmal extra selbst geprüft und aufpoliert hast. Und seitdem sind wir niemandem begegnet. Vermutli'h warst du einfach schon zu oft mit ihm auf der Jagd und hast ... den Bogen überspannt."
    Er musste ein neuerliches Auflachen unterdrücken ob dieses Wortwitzes, bei dem Serapios Lippen schmal wurden, dann jedoch wurde er ernst und legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter.
    "Hier, carbunculus meus, gräme dich nicht weiter, nimm meinen Bogen. Ich werde ohnehin nicht unser Meleagros sein, und er ist zwar nicht ganz so erprobt wie der deine, doch dur'haus von guter Qualität."

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  • Den Bogen überspannt. Was für ein Kalauer. Wenn es etwas gibt, was ich gar nicht haben kann, dann ist es ausgelacht zu werden. Zudem war es ein Jammer, dass uns dieser kapitale Hirsch durch die Lappen gegangen war! Was für eine schöne Trophäe wäre das gewesen.
    Grimmig und aufgebracht blickte ich zu Manius, der mir soeben großmütig seinen eigenen Bogen anbot. Seine Hand auf meiner Schulter war fest und wie ein Anker, der mich auf den Boden der Tatsachen zurückholen wollte.
    "Hmpf." Skeptisch begutachtete ich noch einmal die Bruchstücke. Ich wüsste schon, wen verdächtigen! Cui bono? Aber vielleicht sah ich wirklich Gespenster. Neulich erst hatte ich vollkommen überreagiert, als Cascas Blondchen in meinem Zimmer Staub gewischt/rumgeschnüffelt hatte, da hatte ich tatsächlich im ersten Augenblick in Betracht gezogen, sie könne eine Attentäterin sein. Ich konnte nicht leugnen, dass mein Dienst mich... bisweilen... wohl ein wenig paranoid machte. Ein Rest von Argwohn blieb, ich steckte die Bruchstücke in meine lederne Umhängetasche, um sie mir später noch einmal genauer anzusehen
    "Danke. Das ist ein sehr guter Bogen." Gerührt nahm ich ihn an, spannte ihn probeweise und schoß ein paar Pfeile auf ein Stück Rinde, um ein Gefühl für den Bogen zu bekommen.


    Dann pirschten wir weiter durch Feld und Flur. Nach einiger Zeit und einem steilen Aufstieg erreichten wir eine Hochebene, wo helle, im Sonnenlicht fast weiß gleißende Steine in langen Reihen auf dem grünen Gras lagen. Wie künstlich angeordnet, fast wie eine Parkanlage sah das aus. Merkwürdig! Dazwischen wiegten sich in der leichten Brise Bergblumen, filigrane kleine Orchideen, purpurrot getüpfelt auf rosa Grund. Das hätte Valentina gefallen!
    Eine Gruppe von Kaninchen hoppelte herum und mümmelte Gras. Jetzt aber! Wenn Manius jetzt bloß nicht wieder auf den einzigen Ast weit und breit trat!
    Zack, traf mein Pfeil ein Kaninchen. Es zuckte nur noch schwach, als ich es aufhob und abstach.
    "Ha!" Für den Moment fühlte ich mich als Meleagros, auch wenn es bei genauerer Betrachtung ein ziemlich mickriges Tier war.
    Und das war's dann leider auch schon mit unserem Jagdglück. Obgleich die Gegend unheimlich wildreich war, voll Fährten und verheißungsvollem Geraschel im Gebüsch, brachten wir an diesem Tag nichts weiter zur Strecke.


    Als wir zur Hütte zurückkehrten, kam auch Sciurus gerade aus dem Wald. Er trug einen Korb voll prächtiger Pilze. Nicht schlecht. Zusammen machten wir uns daran, das Essen zuzubereiten. Wie früher mit meinem Contubernium, so fühlte ich mich beim gemeinschaftlichen Kochen. Sogar Manius machte sich heute zur Abwechslung auch einmal seine gepflegten Patrizierhände schmutzig, und nahm die "Jagdbeute" rasch und gekonnt aus. Eine wunderbare Pilzpfanne mit einem Hauch von Kaninchengeschnetzeltem stand schließlich auf dem Tisch.
    "Glücklicherweise war Sciurus nicht untätig," bemerkte Manius und griff zu, "so haben wir zumindest ein üppiges Mahl."
    Selbst noch frustriert über die magere Beute, wurmte mich das. Ja, Sciurus, der Held.
    Ich verbiss mir einen sarkastischen Kommentar. Sklaven zählten nicht, auf einen Sklaven eifersüchtig zu werden wäre die reine Torheit.
    Ruhig Blut, Faustus.
    "Was hältst du davon, wenn wir morgen das kleine Seitental weiter erforschen, das mit dem vielen Farn?" begann ich wieder mit dem Pläneschmieden. Zum Glück hatte ich, für meinen Custos eigentlich, einen zweiten Bogen dabei. "Oder wir schau'n mal, ob man bis zum Fluß absteigen kann." Wildromantisches Wildwasser lockte mich auch.


    An diesem Abend schenkten uns die Götter einen herrlichen Sonnenuntergang. Goldgeränderte Wolkenschleier, ein blutig glutrotes Glühen im Westen. Eng umschlungen saßen wir auf der Bank vor der Hütte, dieses Naturspektakel gemeinsam genießend.
    Ich sah den Moment gekommen, meine Syrinx auszupacken. Es gab da ein kleines Lied, das ich vorbereitet hatte, sorgfältig zu Hause geprobt, um Manius eine Freude zu machen. Die Sonnenscheibe war versunken, nur noch das letzte Abendrot lag auf den felsigen Gipfeln.
    "Hör mal. Das ist ein Lied aus meiner Heimat."
    Ich setzte die Syrinx an den Mund und spielte die wehmütige Liebesweise. Es gab auch eine Geschichte dazu, von einem Hirten und einer Berggöttin und ihrer fatalen Passion zueinander.




  • Gracchus konnte nicht verhindern, dass seine Braue ein Stück sich hob als Serapio seine Hirtenflöte hevorzog. Heimat. Lebte er nicht bereits viel länger in Rom als er je irgendwo sonst hatte gelebt? Die Weise, welche er spielte, klang einfach, rural, beinahe ein wenig larmoyant. Allfällig mochte dazu beitragen, dass Serapio zwar gut spielte, aber eben nicht meisterlich, an was das fIavische Ohr sonstige gewöhnt war, wiewohl Gracchus auch nur wenig Sinn für helles Flötenspiel besaß und etwa die tiefe Schwermut des Aulos bevorzugte, wenn nicht ohnehin eher Lyra oder Kithara. Er hatte selbst versucht in jungen Jahren das Spiel eines Instrumentes zu erlernen, war jedoch über das Tympanon nicht hinaus gekommen, und hatte letztlich entschieden, dass es besser war kein Instrument zu spielen als ein Instrument mäßig zu beherrschen - weshalb er es außer in reichlich angetrunkenem Zustande auch nie wieder versuchte. Serapios Töne wurden leiser, gleichwohl war Gracchus nicht sicher, ob er zu einem Ende kommen oder zu einer weiteren Strophe wollte ansetzen, ob dessen er ihm eine Hand auf den Arm legte.
    "Nett"
    , beurteilte er wenig enthusiastisch.
    "Gleichwohl ich kein Bewunderer der Flötenmusik bin. Doch wäre es der Szenerie, der Symphonie der Natur nicht ohnehin viel zuträglicher, sie nicht zu überdecken, sondern sie zu komplettieren? Würde dir konvenieren, den Klang des abendli'hen Waldes auszuschmücken mit schönen Worten? Sciurus ist ganz vorzüglich darin, die Eclogae des Vergilius darzubieten. Wenn er Tityrus und Meliboeus spricht hat es tatsächlich den Anschein als wäre er zwei Personen!"
    Er wandte sich um nach dem Sklaven, welcher neben der Hütte saß und sie beobachtete.
    "Sciurus! Die Eclogae des Vergilius!"
    Ohne eine Regung stand der Sklave auf, positionierte sich vor ihnen und tat wie geheißen. Tatsächlich hatte er nicht nur eine geschulte Stimme, sondern schlüpfte in die Rollen der Protagonisten aus Vergils Hirtengedichten als wären diese Kleidung, welche er sich nur überzustreifen brauchte. Wohlig lehnte Gracchus sich wieder an Serapio, Iegte seinen Arm um dessen Schulter und säuselte in sein Ohr.
    "Und, habe ich dir zu viel ver..sprochen? Ist dies nicht ergötzlich?"
    Das verstimmte Brummen seines Geliebten missdeutete er gänzlich als Zustimmung stiller Zufriedenheit, wiewohl Serapios baldige Eröffnung, dass er müde sei und ins Bett wolle, als Aufforderung den Tag in Vereinigung zu beenden - wie es denn auch nach ein wenig liebevollen und begehrlichen Drängens seitens Gracchus' geschah. Schon lange nicht mehr hatte der Flavier sich derart befreit und unbeschwert gefühlt wie in den zurückliegenden beiden Tagen.

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  • 'Das gefährlichste auf dieser Welt sind Wünsche, die in Erfüllung gehen', so hatte mal ein kluger Mann gesagt. Auch wenn mir gerade nicht mehr einfiel wer. Ich dachte jedenfalls über diesen schlauen Spruch nach, als ich mich am frühen Morgen des vierten Tages am schäumenden Wildbach wusch. Die Vögel zwitscherten lieblich, das Sonnenlicht funkelte silbrig widergespiegelt auf dem klaren Wasser. Eiskalt war es, ich prustete, als ich es mit einem Schöpfbecher über mich goss.
    Der gestrige Abend hing mir noch nach. Wie ich dieses wunderbaren, hochtalentierten Sklavens überdrüssig war! Ständig war es mir, als müsse ich mit ihm um Manius' Gunst konkurrieren, dabei war er doch nur ein Sklave... Die ergötzliche Vergil-Vorführung war echt quälend gewesen. Ich seufzte, goss mir entschlossen noch einen Schwall Wasser über den Kopf und wusch mich mit einem groben Schwamm von oben bis unten.
    Wahrscheinlich lag es an mir. Ich wusste, dass ich einen fatalen Hang zur Eifersucht hatte. Dabei konnte ich im Grunde doch froh sein, wenn Manius einen so vorzüglichen Leibsklaven hatte, der ihn in allen voll zufriedenstellte, so dass er gar nicht das Bedürfnis bekam, andere Affären anzufangen.
    Manius war... er war einfach meine große Liebe! Dann mochte er mein Syrinxspiel eben nicht, Pech für mich, auch egal. Ich war so unendlich glücklich, mit ihm zusammen zu sein, ich durfte ihn auf keinen Fall mit meiner blödsinnigen Eifersucht vergraulen. So oft schon hatte ich es in der Vergangenheit vermasselt... nein, nicht nur oft, jedesmal hatten meine Liaisons, die wirklich etwas bedeuteten, durch mein eigenes Versagen desaströs geendet. (Hannibal, dem ich die Welt hätte zu Füßen legen wollen, hatte ich damals mit meinen ungestümen Rettungsambitionen so sehr beschämt, dass er mich abservierte. Manchmal fragte ich mich noch immer, ob er... wenn damals alles anders gelaufen wäre... noch am Leben sein könnte. Massa wiederum, mein Achilles, hatte mir heroisch beigestanden, nach Tasheribat vom Opium wieder loszukommen... und hatte danach verständlicherweise das Weite gesucht. Und Dives.... ach Dives. Da wollte ich nicht mal dran denken. Kein Wunder, dass er nicht zurückschrieb. Und Borkan, mein Phantasos, mein Lebenselixier damals... war gegangen, weil ich den Dienst vor ihn gestellt hatte... und ihm fremdgegangen war, mit Manius.)


    Diesmal würde ich es nicht vermasseln. Ich hatte aus Fehlern gelernt. Ich musste einfach etwas disziplinierter sein und mich mehr anstrengen.


    Dieses Unterfangen begann ich damit, ein besonderes Frühstück vorzubereiten. Vor der Hütte kochte ich einen Puls, verfeinerte ihn mit etwas Sahne, schnitt alle Früchte, die wir noch hatten hinein. Mein Custos könnte ja später nach Tibur reiten und unsere Vorräte aufstocken. Diesen Luxus-Puls schmeckte ich sorgfältig mit etwas Zimt ab. Auf der Südseite der Hütte wuchs ein großes Brombeergestrüpp. Ich pfiff ein Marschlied vor mich hin, während ich dort eine Handvoll der letzten, ganz süßen Beeren pflückte, mit denen ich dann Manius' Schale dekorierte.
    Dies alles vorbereitet, trat ich leisen Schrittes wieder in die Hütte, wo er noch im Halbschlaf lag. In mich hineinlächelnd nahm ich die Phiole mit dem Öl zur Hand. Es war ein herrlich duftendes Nardenöl, von dem wir schon reichlich verbraucht hatten. Einen Schwung davon zerrieb ich zwischen meinen Händen, als ich zurück zu ihm unter die Decke schlüpfte. Seine Lenden liebkosend, begann ich, ihn auf die schönstmögliche Weise zu wecken.
    "Guten Morgen meum savium."





  • Genüsslich brummend drehte Gracchus sich auf den Rücken und blinzelte in den güldenen Morgen hinein.
    "Könnte nur jeder Tag mit einem Kuss Hephaistions beginnen"
    , murmelte er und ergab sich schicksalsergeben dem morgendlichen Beilager. Ein wenig besorgte ihn, ob er diese körperliche Leistungsbereitschaft noch lange würde aufrecht erhalten können, doch derzeit schien einzig die Anwesenheit Serapios alle Zweifel zu beseitigen. Nachdem sie beide wach waren, voller Euphorie und Tatendrang, und auch Gracchus gewaschen - selbstredend hatte Sciurus das Wasser über dem Feuer erwärmt -, nahmen sie zum Frühstück Platz, welches Serapio als besonders mit Liebe garniert hatte angepriesen. Der Tag kündete von mildem Wetter und herrlichem Sonnenschein.
    "Heute werden wir zweifelsohne einen prächtigen Hirschen erlegen!"
    sprach der Flavier und griff enthusiastisch zu seinem Löffel als wäre dies die Waffe seiner Wahl. Er nahm einen großen Bissen Puls - und spie ihn wieder aus, kaum dass sein Gaumen mit dem Getreidebrei in Berührung kam.
    "Uäh!"
    verlieh er seinem Ekel Ausdruck, das Antlitz zu einer Grimasse verzogen.
    "Was für ein ungunstiöses Gemisch!"
    Er suchte den salzigen Geschmack mit einem Schluck Wasser hinfort zu spülen, spie dies aber lieber auf den Boden aus als es zu schlucken, und schüttelte sich.
    "Wahrhaft degoutant! Ver..zeih, aber als Koch würdest du nicht viel taugen."
    Gleichwohl der Puls mehr als versalzen war sprach Gracchus durchaus im Scherz. Kochen gehörte schlussendlich ohnehin nicht zu den angemessenen Aufgaben eines Römers ihres Standes.
    "Allfällig sollten wir Sciurus wieder die Frühstückszubereitung überlassen ..."
    Der Sklave stand abwartend neben der Hütte, keine Regung auf seinem Antlitz zeigend, doch wer ihn kannte - was kaum jemand tat außer sein Herr, der keine Acht darauf hatte - mochte ein winziges Lächeln auf seinen Lippen entdecken.

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  • Das Gesicht in die Sonne gedreht, die Wärme genießend, wartete ich auf ihn, bis auch er seine langwierige Prozedur des sich frisch machens absolviert hatte und zum Frühstücken kam.
    Einen prächtigen Hirsch – ich schmunzelte in mich hinein bei diesem kühnen Plan.
    "Dein Wort in Dianas Ohr."
    Schließlich hatte er die besten Verbindungen. Aber wenn ich Armastan nachher nach Tibur schickte, zum Vorräte kaufen, würde ich ihm sagen, dass er uns auch eine fette Gans mitbringen sollte. Für alle Fälle.
    Mein kühner Plan für heute war es, einer weiteren Vergil-Tortur zuvorzukommen und Manius mit einem meiner Lieblingsbücher vertraut zu machen. 'Gitons Memoiren', ein pikanter Pseudo-Petronius, den ich immer wieder sehr anregend fand, und inspirierend... Vielleicht könnte ich ihn damit auch dafür begeistern, unser Liebesspiel mal etwas variationsreicher zu gestalten.


    Ich stützte den Kopf in die Hand und sah ihm erwartungsvoll zu, wie er zum Löffel griff und probierte und... ausspuckte....? Schimpfte...? Degoutant...?
    Ungläubig starrte ich ihn an. Nein, ich hatte mir keine Lobeshymnen erwartet, aber das... war ja wohl nicht die Möglichkeit!
    "Entschuldige mal! Wenn ich eines bei der Prima gelernt habe, dann wie man Puls kocht!" setzte ich mich irritiert zur Wehr. Sowie andere haushaltliche Qualitäten, sogar Nähen hatte mir mein Optio damals beigebracht. Es hatte sich noch nie jemand über meinen Puls beschwert. Eine hilflose Frustration stieg in mir auf.
    Tief durchatmen, Faustus.
    Das tat ich, die Stirn verkrampft auf die Finger gestützt, und sprach mühsam aber noch halbwegs beherrscht. "Es ist... Manius, du machst es nicht gerade leicht... ich ... - Du weißt, ich würde alles für dich tun, ich tue alles für dich! Aber... dir kann man ja wirklich überhaupt nichts recht machen! Immerzu rümpfst du die Nase, oder... sowas." Gekränkt blickte ich auf den ausgespienen Bissen und sein harsches 'degoutant!' klang noch in meinen Ohren.
    "Nichts ist dir gut genug!"





  • Gracchus' linke Braue hob sich empor in einer Weise, welche von deutlichem Missfallen kündete.
    "Immerzu? Was soll das bedeuten, immerzu?"
    fragte er unwirsch, unmittelbar in eine Abwehr verfallend, welche er über Jahre hinweg sich aus dem Konflikt mit seinem Vater hatte bewahrt. Immerhin ging es hier nur um einen versalzenen Brei.
    "Ein halbwegs wohlschmeckendes Frühstück ist wohl nicht zu viel ver..langt! Aber allfällig hast du zu viel Zeit zwischen Sand und Fels verbracht, um dir noch einen adäquaten Anspru'h an das Leben zu bewahren. Verzeih, wenn ich nicht geneigt bin, mich auf den staubigen Boden hinabzu..lassen!"
    Seine Stirn kräuselte sich einen Augenblick, dann setzte er nach, die Schultern straffend.
    "Nein, verzeih nicht, denn sich einen Anspru'h an das Menschsein zu bewahren bedingt keine Verzeihung! Mir ist sehr wohl vieles gut genug, doch zu..mindest akzeptabel sollte es dafür sein!"

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  • "Ja, manche verbringen Zeit zwischen Sand und Fels, damit andere in der Zeit in Rom sicher und gemütlich auf dem Hintern sitzen und ihrem gehobenen Lebensstil frönen können!" versetzte ich beißend. "Hörst du dich eigentlich mal selbst reden? 'Ein Anspruch an das Menschsein', dass ich nicht lache. Du bist vollkommen abgehoben, wirklich VOLLKOMMEN ABGEHOBEN!"
    Es war nicht nur das von eben, was sich da Bahn brach, bei weitem nicht. Ich war aufgesprungen und sagte ihm meinen Zorn ins Gesicht, wobei meine Hände ausladend gestikulierten.
    "Ach zum Cerberus, ich habe wirklich die Schnauze voll davon, dass du ständig so auf mich herabblickst. Dein Hochmut ist un-er-träg-lich! Du gebärdest dich wie der König der Könige! Wir sind hier in einer Jagdhütte, Mensch, nicht bei Hofe, aber nichts, wirklich nichts machst du selbst, nichts, dein Sklave muß dir ja sogar die Sandalen schnüren..."





  • Die wutentbrannte Stimmung Serapios evozierte wiederum in Gracchus um so mehr Zorn.
    "Oh, selbstredend, es geht immer nur um die Vo..rzüge unseres Lebensstils! Ein anständiges Frühstück und ein Sklave, der die Sandalen schnürt - was für ein königli'hes Leben! Abgehoben bin ich also! Du hast doch nicht den Schimmer einer Ahnung wie tief unten meine Welt liegt und welch Ent..behrungen und Mühewaltung sie ein Leben lang einfordert!"
    Auch Gracchus fuhr empor, um mit dem Kontrahenten auf Augenhöhe zu bleiben.
    "Ich glaubte, du wärst anders, würdest mich sehen, doch auch du siehst nur die Vor..züge, die schönen Masken und den glitzernden Tand meiner Herkunft, wirfst mit Plattitüden um dich und am Ende wirst du zer..fressen von Neid! Und genau dies ist der Grund, warum unsere Welten getrennt bleiben sollten!"
    Er unterstrich dies mit einen Schlag seiner Faust auf den Tisch.
    "Was für eine wahnwitzige Idee diese ganze Jagdpartie, was habe ich mir nur dabei geda'ht, dem zuzustimmen - dies war doch von Beginn ein hoffnungsloses Unter..fangen!"

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  • Diese Vorwürfe trafen mich zutiefst. Mir sowas elendes wie Neid zu unterstellen, auf seine degenerierte dünkelhafte Welt. Faszination vielleicht, eine gewisse morbide Faszination, so wie wenn man in einer ägyptischen Grabkammer stand, wo im modrigen Halbdunkel die Schätze längst in die Unterwelt gegangener Herrscher sich abzeichneten, während der schimmlige Leichengeruch sich beklemmend auf die Brust legte... Ich zuckte zusammen, als seine Faust auf den Tisch krachte, mir platzte der Kragen und ich brüllte zurück.
    "Neid?! Geht's noch??!! Wohl eher... ungläubiges Mitleid für jeden, der glaubt, er sei zu fein, um sich selbst die Schuhe zu binden! Ich sehe dich Manius, ich sehe dich Sonnengott, niedergestiegen zu den Sterblichen. Du verachtest meinen Stand, du verachtest mich!! Ich habe mir das lang genug schöngeredet und es runterschluckt und mich kleingemacht, weil... weil ich ein liebeskranker Idiot war... aber im Grunde ist doch ganz klar - du willst gar keinen Geliebten, niemand Ebenbürtigen, du willst nur Sklaven um dich.
    Überraschung: Ich bin nicht dein Sklave!! Und ja, ganz recht, es war Wahnwitz! Den wir jetzt beenden! Werde glücklich mit deinem speichelleckenden Lakaien! Adios!!!"

    Wutentbrannt machte ich auf dem Absatz kehrt und marschierte in die Hütte, warf die Türe hinter mir mit einer solchen Wucht zu, dass die Wände wackelten und der Staub von den Balken rieselte. Mit zornbebenden Händen und iberisch unflätig vor mich hinfluchend begann ich meine Sachen zu packen. Genug war genug!





  • Was zu viel war, war zu viel. Und diese haltlosen Unterstellungen waren zu viel. Dass Serapio keine Argumente mehr konnte vorbringen und das Schlachtfeld zurückweichend verließ, bestätigte für Gracchus nur die Haltlosigkeit. Mit einem
    "Pah!"
    drehte der Flavier sich beleidigt um und schnappten sich den Latrineneimer.
    "Ich brauche unverseu'hte Luft"
    , erklärte er sich mit zynischemTonfalle niemand bestimmtem - denn gegenteilig Serapios Ansicht tangierten ihn die Sklaven in gleichem Maße wie der Schuh selbst -, und stapfte in Richtung Latrine hinfort.

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  • Sciurus blickte seinem Herrn hinterher. Nun war der Augenblick gekommen, zu handeln. Dieser Zwist mochte nicht lange halten. Er schaut es sich nach Armastan um, der wie ein guter Sklave so tat als hätte er von alldem nichts mitbekommen.
    "Die kriegen sich schon wieder ein. Mach dich nützlich und geh Feuerholz holen, und zwar reichlich und möglichst trocken. Sonst haben sie heute Abend schlechte Laune wenn es nur kaltes Essen und eine kalte Hütte gibt."
    Der Custos war daran gewöhnt von ranghöheren Sklaven Befehle zu erhalten, nickte, nahm den Feuerkorb und trollte sich in den Wald.


    Kurz darauf kam Gracchus von der Latrine zurück. Sciurus setzte eine unverdrossene Miene auf. "Herr, Serapio möchte sich für seine unbedachten Worte entschuldigen. Er möchte dich mit einer ganz besonderen Geste um Verzeihung bitten. Dafür muss er jedoch einiges in der Hütte vorbereiten. Er bittet dich darum, noch einige Augenblicke in den Wald spazieren zu gehen. Etwa bis zu dem runden Fels den Berg hinab und dann wieder zurück."
    Sciurus kannte jede Regung seines Herrn und wie er nun die Augenbraue hob und dreinblickte zeigte, dass er noch immer erbost war. Mit einem verärgerten
    "Meinetwegen"
    stellte er den Eimer einfach dort ab, wo er gerade stand, wandte sich um und ging angespannt den Weg entlang, den sie vor drei Tagen gekommen waren.


    Sciurus wartete einige Augenblicke bis der Flavius nicht mehr zu sehen war und wandte sich dann zur Hütte. Nach einem Klopfen trat er ein. "Decimus, Herr, mein Herr bedauert zutiefst, dass sein hitziges Gemüt ihn hat kopflos agieren und falsche Worte sprechen lassen. Er möchte dich mit einer großen Geste um Verzeihung bitten und bereitet daher eine Überraschung vor. Er bittet dich, in wenigen Augenblicken zum Aussichtspunkt über die Schlucht zu kommen."
    Damit war alles vorbereitet. Sciurus schloss die Türe wieder und machte sich daran, die Überraschung vorzubereiten, einen gedanklichen Handel mit den Laren der flavischen Familie abschließend, dass sein Plan aufgehen möge.

  • Meine Bewegungen waren fahrig, als ich meine Sachen zusammensuchte und in den Mantelsack stopfte, als ich meine Reitklamotten anzog, meine Decke zusammenrollte und mit Riemen zu einem festen Bündel schnürte. In meinem Kopf herrschte ein einziges Durcheinander, und innerhalb eines Herzschlages kippte alles von Genug ist genug! hin zu Wenn ich jetzt hier wegreite, dann war's das! und wieder hin zu Ich hab die Schnauze sowas von voll von seiner Geringschätzung und zurück zu Aber es war doch so schön und wieder hin zu 'Unsere Welten sollen getrennt bleiben' sagt er... gesteh es dir ein, Faustus, das wird nichts mehr...'
    Welche Worte waren dem Gehege meiner Zähne entflohen, hatten ihm nicht wieder gut zu machende Kränkung zugefügt, was hätte ich dafür gegeben sie wieder einfangen zu können, oder noch besser, die Zeit wieder zurückdrehen zu können, bis zurück vorhin am Bach, vor diesem vermaledeiten Frühstück, als ich mir noch gedacht hatte, dass ich es diesmal nicht vermasseln würde.
    Überwältigt von der Angst... das wird nichts mehr, das wird nichts mehr, das wird nichts mehr echote es in meinem Kopf... von der Angst, ihn ganz zu verlieren... sank ich auf einen Schemel, die Ellbogen auf den Knien, das Gesicht in den Händen vergraben.


    Beim Eintreten von Sciurus richtete ich mich rasch auf, ich wollte ihm nicht die Genugtuung geben mich so zu sehen. Seine Miene war so ausdruckslos wie immer.
    Eine Entschuldigung?? Dass Manius sowas wie entschuldigen in seinem Repertoire hatte, das war mir neu... "Aha..."... aber ich wollte es für mein Leben gern glauben.


    Darum marschierte ich kurz darauf mit hastigen Schritten den Pfad hinter der Hütte hinauf. Der Wald war so lieblich wie in den Tagen zuvor, Sonnenflecken tanzten auf dem Moos, Efeu rankte sich um knorrige Eichen. Armastan kam mir entgegen mit einem Bündel Reisig. Er trat an den Rand des Pfades, um mich passieren zu lassen, und erst als ich schon eine Serpentine weiter war, fragte ich mich in meinem konfusen Kopf, warum er Holz sammelte, statt die Pferde zu satteln.... ging er denn davon aus, dass Manius und ich uns wieder versöhnen würden? Vielleicht war es ein gutes Zeichen, wenn zumindest mein Custos daran glaubte.


    Das Gestrüpp zerschrammte meine Waden, als ich mir achtlos den Weg zur Schlucht bahnte. Dann hörte ich das Wasser in der Tiefe rauschen, und trat auf den felsigen Rand, die atemberaubende Naturkulisse vor mir. Magnifik hatte er gerufen, als wir sie entdeckt hatten... hatte sich fast nicht losreißen können.... es stimmte gar nicht, dass ihm nichts gut genug war...
    Aber jetzt war kein Manius in Sicht, und auch keine große Geste. Ich ging um die mannshohen Felsbrocken herum, die aufgetürmt am Rande des Abgrundes lagen. Ein Thymianstrauch hatte seine Wurzeln in einen Riss im Fels gegraben, dort an der Kante, und geistesabwesend pflückte ich ein Zweiglein davon, zerrieb die Blätter zwischen den Fingern und roch den würzigen Duft.





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