~ Hortus ~ | Der Garten

  • "Da kann ich Dir einiges berichten. Eine Bande namens "die Krähen" trieben lange Zeit in Rom ihr mörderisches Unwesen. Zuerst erpressten sie Geschäftsleute in der Subura und bis dato ist noch nicht weiter aufgefallen.


    Dann kam es zu einem Brand im Lupanar Ganymed, wobei einige Menschen starben. Wir waren zur Unterstützung vor Ort und es konnte noch eine Person von einem Urbaner aus dem brennenden Ganymed gerettet werden. Einige schafften es selbst in Sicherheit, andere hatten leider nicht soviel Glück.


    Ein bis dahin oft negativ aufgefallenes Sklavensubjekt war damals auch vor Ort. Unversehrt und man nahm an, dass sie die Brandstifterin gewesen wäre. Später stellte sich heraus, dass es sich bei diesem Subjekt und vermutlich auch bei ihrem Herrn um Sympathisanten und Nutznießer der Krähen gehandelt hat aufgrund von Internaswissen der Sklavin.


    Jedenfalls folgte auf den Brand des Lupanars Ganymed etwas später ein Anschlag auf die sich im Bau befindliche Urbaner-Station in der Subura. Nicht nur auf unserer Baustelle, sondern auch in einem anliegenden Geschäft, wie auch auf offener Straße wurden rechtschaffene Römer von den Krähen ermordet. Der Zweck war Verwirrung und Choas zu stiften, so dass sie ihr schändliches Handwerk vollbringen und ungesehen entkommen konnten.


    Sie ermordeten sogar zwei ehrenwerte Mitglieder aus der Gens Iulia auf offener Straße und wieder entkamen sie wie durch Geisterhand scheinbar unerkannt.


    Nun einer hatte sie gesehen.
    Einer mit dem sich selbst die Krähen nicht hätten anlegen dürfen.


    Mein Optio Cerretanus ein guter und anständiger Mann hatte mir den Befehl erteilt, gegen die Krähen zu ermitteln. Diesen Befehl erteilte er direkt nachdem er die eingeschlossenen Kameraden aus der brennenden Urbanerstation gerettet hatte.


    Und so machte ich mich mit Kamerad Pullus auf die Suche. Alles was ich fand waren Leichen. Krähenleichen. An jeder Station wo mich meine Ermittlung hinführte.


    Spezifizierung der Funde:
    3 Krähen-Leichen in der Taberna blinder Esel
    2 Krähen-Leichen in der Gosse, darunter die Krähe der Unterweltboss -Besitzer des blinden Esels
    22 Krähen-Leichen vor und in dem Haus der Krähe in der Subura
    Gesamt: 27 Krähen-Leichen.


    Jemand hatte die Krähen gekonnt ausgeschaltet und mit einer derartigen Vehemens dass ich nur an Gottesfügung unseres Gottes Mars glauben kann. Den Frevel den sie an unseren Kameraden und an der Urbanerstation begangen haben, hat den Zorn Mars auf sie herabgeschworen. Eindeutig", erzählte Lurco und nahm einen Schluck Wein.

  • Die Krähen - hatte der Petronier nie davon gehört. Was aber nichts hieß, denn die Banden Roms waren früher nur selten in Erscheinung getreten und man hatte sie weitgehend sich selbst überlassen. Er erinnerte sich noch gut daran, dass er Claudius Menecrates geraten hatte, die Idee mit der Subura-Station sein zu lassen - es war einfach irrational, kostbares Soldatenblut zu vergießen, um dieses Dreckloch zu kultivieren. Sollten die Gangster sich doch gegenseitig abstechen, solange sie hinter der Mauer zu den Trajansmärkten blieben!


    Auch die ganzen Namen und Anspielungen sagten Lucius nichts. Weder kannte er einen Ganymed, noch konnte er sich an einen blinden Esel erinnern. Wie Lurco am Ende andeutete, war diese Bande aber sowieso Geschichte - oder nicht?
    "Verstehe ich das richtig, dass der Kopf der Krähen tot ist? Und die Bande damit Geschichte?"
    Nicht selten zerstreuten sich solche Banden zumindest, wenn der Oberbandit getötet war - glaubte der Petronier zumindest zu wissen...

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  • "Ganz genau, vom oberstens Boss bis zum kleinstes Speichellecker, alle Krähen sind tot. Abgeschlachtet von Fachhand. Kein einziger Vogel mehr übrig. Ich bedauere keinen von ihnen. Sie haben Kameraden von uns getötet. Sie hatten es nicht besser verdient. Ich weiß nicht ob die neue Station wieder aufgebaut wird, aber ich vermute es", antwortete Lurco.

  • Alle waren tot ... bis auf Einohr Cassivellaunus, den Lurco verschont hatte und der trotz seines miserablen gesundheitlichen Zustands sein Bestes gab, in der Casa Leonis zu helfen. Cassivellaunus hatte für seine Untaten mit seinem Ohr bezahlt und alle Informationen ausgespuckt, die er wusste. Ihm verdankte Lurco, dass er die Leichen hatte finden können. Dafür sollte Cassivellaunus seine zweite Chance bekommen. Seine letzte Chance.


    "Diese Bande ist Geschichte", bestätigte auch Scato. "Die Frage ist, welche andere Bande nachrutscht. So lange sie den zu erwartenden Bandenkrieg untereinander austragen, kann uns das nur nützen."

  • "Eine sehr gute Frage."
    Auch das war natürlich wahr - ebenso wie auf jeden Imperator Caesar Augustus ein neuer folgte, gab es auch in Roms Unterwelt nie lange ein Machtvakuum.
    "Das ist dann mit Sicherheit eine Aufgabe für die Urbaner, da aufzupassen, dass der Machtkampf die unbescholtenen Bürger Roms in Ruhe lässt."
    Wieder nahm sich Lucius einen Schluck Wein.
    "Gibt es denn Hinweise, wer diese ganzen Krähen ausgeschaltet hat?"
    Vielleicht steckten ja auch die Speculatores dahinter - noch gut erinnerte sich Lucius an diesen Tiberier, der die Truppe früher kommandiert hatte. Den hatte er nicht leiden können...

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  • "Nein nicht den geringsten Verdacht. Wir haben mit größter Sorgfalt ermittelt und dennoch keinen einzigen Hinweis auf Fremdeinwirkung gefunden. Und dennoch waren die Krähen tot. So blieb nur ein Rückschluss übrig, göttliche Fügung. Wer wenn nicht Mars selbst, wäre zu so einer Tat fähig? Ich bin der festen Überzeugung, er hielt an jenem Tag seine schützende Hand über uns. Jedenfalls war dies bei einem Großteil der Krähen der Fall.


    Die anderen haben sich selbst ermordet. Sie haben sich selbst vernichtet, eine Krähe die andere. Man sieht also, mit welchem Schlag von Unpersonen man es dort zu tun gehabt hat. Brandstifter, Erpresser, Mörder - niemand wird sie vermissen. Die ehrlichen Menschen können einen Moment aufatmen.


    Es ist an unseren Oberen nun dafür Sorge zu tragen, dass sich in der freigespülten Gosse nicht erneuter Dreck ansammelt. Und ich bin bester Dinge, dass sie alles Nötige schon bald in die Wege leiten werden um genau das zu verhindern", sagte Lurco mit felsenfester Überzeugung.

  • Es war natürlich völlig unlogisch zu glauben, Mars oder sonst eine Gottheit hätten hier plötzlich Vergeltung geübt - so etwas konnte nur einem abergläubischen Narren einfallen! Aber einfache Soldaten waren ja oft nicht mit dem schärfsten Verstand gesegnet... wahrscheinlich hatte die konkurrierende Bande sie vergiftet. Oder es waren doch die Speculatores gewesen...


    "Na, meine Erfahrung sagt mir, dass selbst Urbaner und Prätorianer zusammen leider nicht die Mannstärke haben, um die Gosse komplett sauber zu halten. Aber ich denke, wir können schon ganz glücklich sein, wenn wir wir die Hauptstraßen frei halten und den Dreck dort lassen, wo er hingehört!"
    belehrte er den jungen Mann auch in Sachen Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der Stadteinheiten: Mit gerade einmal 6000 Mann Sollstärke bei rund einer Million Einwohner - wobei gerade die Prätorianer ja noch andere Aufgaben übernahmen und sich kaum mit "gewöhnlicher" Kriminalität abgaben - war es irrational zu glauben, man könnte die organisierte Kriminalität wirksam ausschalten. Gerade in der Subura oder am Aventin gab es Gegenden, in die die Urbaniaci zu Lucius' Zeiten einfach nicht gegangen waren. Ebenso wenig wie das rechtschaffene römische Bürger taten... solange sich die Brandstifter, Erpresser und Mörder also dort gegenseitig bekriegten, konnte das Rom und dem Kaiser egal sein!
    "Aber gut, wenn wieder eine dieser dreckigen Banden das Handwerk gelegt wurde!"

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  • "Damit hast Du leider Recht. Aber wir müssen sie auch nicht alle aufreiben können oder ihrer habhaft werden. Wir sollten versuchen, den jeweiligen Schlangen den Kopf abzuschlagen. Oder sie derart mürbe zu machen, dass sie es sich zweimal überlegen, ob sie jemanden ausrauben, erpressen oder gar ermorden. Denn vielleicht sind sie die nächsten die mit dem Gesicht im Dreck in der Gosse liegen bleiben. Wer immer das getan hat, ob Mars selbst oder mit Mars Segen hat uns eine gute Richtung gewiesen.


    Du hast Recht, unsere Vorgesetzten wissen auch, dass viele unserer Tätigkeiten nicht mehr als der Tropfen auf dem heißen Stein sind. Aber der richtige Tropfen an der passenden Stelle zur korrekten Zeit, kann Stein sprengen nicht wahr? Das sollten wir nicht vergessen, das dürfen wir nicht vergessen. Jeder kleine Teilsieg ist ein Sieg. Und wenn wir das Geschmeiß nur in seinem Loch halten, dann ist es wenigstens unter sich versiegelt.


    Aber lasst uns nicht unser gemütliches Beisammensein mit trüben Gedanken vergeuden. Die Krähen sind tot, dass ist es was zählt. Ein Moment der Rache für unsere gefallenen Kameraden und die ehrlichen Bürger, die unter ihnen leiden mussten. Ein kurzes Aufatmen, einen kleinen Moment den es zu feiern gilt", sagte Lurco schlicht und nahm noch einen Schluck Wein.


    Oh ja und es würde noch mehr solcher Momente geben, denn es würde noch mehr Männer wie Kyriakos und ihn geben. Und genau nach dem Schema würden sie agieren. Hier und da eines dieser Ungeheuer stellen und in den Abgrund befördern. So wie der Rechtschaffene nicht wusste, ob ihn die Subura verschlang wenn er sie betrat, so würde auch nicht mehr der Bodensatz wissen. Denn in den dunklen Ecken lauerte jetzt nicht nur das Verbrechen - jetzt lauerte hier auch das Gesetz.

  • Die Hauptstraßen sicher zu halten, war sicher eine gute Herangehensweise, doch Scato stand es nicht zu, die Gedanken des Tribuns zu bewerten. So brachte er wertneutral seine eigenen Ansichten zum Ausdruck, die man als Ergänzung betrachten konnte.


    "Wir mögen nicht die Mannstärke haben, um die Subura auszuräuchern, aber wir haben zwei Vorteile, welche die Schlangen aus der Gosse nicht haben." Scato hob den Zeigefinger. "Eine professionelle Ausbildung." Er streckte den Mittelfinger dazu. "Und Zusammenhalt. Wenn wir mit direkten Konfrontationen nicht weitergekommen sind, könnte man über eine Anpassung der Taktik nachdenken, welche unsere fehlende Mannstärke ausgleicht."


    Scato nippte an seinem Wein, als Lurco das Thema wechselte. Warum, war klar. Scato schwieg also an dieser Stelle dazu, dass er zwei hochgiftige Nattern aus der Gosse kannte, die er für praktische Handlanger hielt, wenn es ihnen gelang, sie auf ihre Seite zu ziehen. Mit genügend Geld sollte sich jeder Unterweltabschaum ködern lassen.

  • Bei allen Sprachbildern hatte Lucius doch Zweifel, ob der "Tropfen" der Urbaniaci wirklich die weitverbreitete Kriminalität sprengen konnte - aber vielleicht waren diese beiden Milites mit mehr Glück als Verstand auch nicht die Gesprächspartner, mit denen man das rational diskutieren konnte. Immerhin glaubten sie an das, was sie gelernt hatten.

    Trotzdem ließ der Petronier sich dazu hinreißen, seine Position logisch zu begründen:

    "Ich habe damals im Sklavenaufstand gekämpft - gegen sowas gibt es Taktiken, seither wird beispielsweise Häuserkampf stärker trainiert bei uns. Aber die Strukturen der Kriminellen sind sehr viel komplexer, sie sind - gerade in der Subura - verwurzelt in der Bevölkerung, wenn man einen Kriminellen tötet, tritt ein anderer an seine Stelle."

    Mancher hätte wohl das Bild von der Hydra benutzt - aber Lucius hielt nichts von diesen Schauermärchen und er hatte auch noch nie ein vielköpfiges Tier gesehen!

    "Man muss einfach realistisch bleiben: Wir können verhindern, dass diese Banditen unbescholtene Bürger Roms belästigen, die unter ihresgleichen wohnen. Gegen Sümpfe wie die Subura würde es nur helfen, alles anzuzünden und das ganze Pack mit ihren Freunden, Hehlern, Huren und was sonst dort lebt auszulöschen."

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  • Scato nickte. Der Mann hatte natürlich einige Jahre mehr Einsatzerfahrung als er. Indes vermutete Scato, dass Lurco den letzten, wohl rhetorischen Vorschlag des Tribuns, die Subura niederzubrennen, begeistert aufnehmen würde, sollte er je tatsächlicher Befehl werden. Vermutlich würde er sofort loslaufen, um Brandbeschleuniger zu organisieren.


    "Gibt es schon konkrete Pläne für die Zukunft?", erkundigte Scato sich. "Zur besseren Sicherung der Hauptstraßen und so?"


    Vielleicht ließ der Mann ja ein paar Gedanken mehr aus sich rauskitzeln. Scato freute sich, dass er hier mit ihnen saß und Wein trank. Das war nicht selbstverständlich bei dem gewaltigen Rangunterschied, zudem waren Lurco und er auch deutlich jünger als der Tribun.

  • Lurco hörte Crispus aufmerksam zu. Wo war der Mann gewesen, als sie am dringensten gebraucht hatten? Wo auch immer, nun war er hier und er hatte genau die Erfahrung die sie benötigten. Der Sklavenaufstand, Lurco erinnerte sich noch gut an den durchgedrehten aufmüpfigen Dreck, der jetzt irgendwo in einer finsteren Zelle verrottete. Es konnte kein Zufall sein, dass ausgerechnet zu dieser Zeit wo alles einen furchbaren Lauf nahm, Cirspus zurück kam. Irgendwer hatte ihn geschickt, gleich ob man nun an die Götter oder das Schicksal glaubte. Jemand meinte es gut mit ihnen.


    Der Mann hatte zudem Recht. Alles hatte mehrere Seiten, allen voran die Wahrheit. Es gab deren Seite, ihre Seite, die Wahrheit und das was tatsächlich geschehen war. Personen die sie als Kriminelle beurteilten wurden von der Bevölkerung der Subura wie Helden gefeiert. Für die Bewohner der Subura waren sie vermutlich die Verbrecher. Crispus hatte Recht, man konnte die Subura nicht reinigen, es sei denn mit reinigenden Flammen die alles und jeden menschlichen Unrat verschlangen. Nur so konnte man die rechtschaffenen Bürger Roms vor diesem Gesindel bewahren.


    Doch solange nicht zu einer Grillfeier geladen wurde via Befehl, mussten sie ihren eigenen Weg finden den Schmutz zurück in die Subura zu kehren.


    "Alles was ich dazu sagen kann ist, Du hast völlig Recht Cirspus. Wir können froh sein, dass Du zurückgekehrt bist. Ein Mann mit Deiner Erfahrung hat hier gefehlt. Ich hoffe damit ergeben sich neue Wege und Möglichkeiten der Verbrechensbekämpfung", antwortete Lurco und wartete gespannt ob Crispus bereits Pläne hatte, nach denen Scato gefragt hatte.

  • "Mein Plan ist, wieder in den Militärdienst einzutreten, wie gesagt."

    antwortete Lucius erst einmal, bevor Scatos Nachfrage ihm klar machte, dass er ihn falsch verstanden hatte. Ein bisschen naiv klangen die beiden auch, aber es waren ja eben junge Burschen und neu in der Urbs. Trotzdem mochte der Petronier natürlich die Schleimerei...

    "Aber das entscheidet natürlich der Imperator. Wenn ich wieder bei den Cohortes Urbanae eingesetzt werden sollte, werde ich sehen, was wir tun können. Die Hauptstraßen sind nicht wörtlich gemeint - was unsere Aufgabe ist, ist zuerst einmal, die unbescholtenen Bürger zu schützen, wie gesagt. Das heißt zu verhindern, dass diese Messerstecher und Banditen zu frech werden, am hellichten Tag auf offener Straße ihren verbotenen Geschäften nachgehen und so weiter. Oder angesehene Mitglieder unserer Gesellschaft zu belästigen. Das funktioniert mit Abschreckung. Aber auch das können wir nur beschränkt leisten, wie gesagt."

    Crispus hatte eine gewisse Erfahrung als Offizier - schon in Alexandria war aufmüpfige Plebs ein Arbeitsgebiet von ihm gewesen und im Kampf gegen Zusammenrottungen konnte man auch konventionelle Militärtaktik anwenden. Das waren logische, berechenbare Aktionen - ganz anders als der Kampf gegen dieses ungreifbare Monster "organisierte Kriminalität"... wenn Lucius ehrlich wäre, hätte er wahrscheinlich zugeben müssen, dass er auch keine besseren Ideen dazu hatte als die beiden Milites!

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  • "Dann wollen wir hoffen, dass unser geliebter Imperator Dich so schnell wie möglich wieder in den aktiven Urbanerdienst schickt. Wie gesagt, wir brauchen Dich und Rom ebenso. Die ehrlichen Bewohner vor den Kriminellen zu schützen ist unsere Aufgabe. Aber eines ist klar, die Kriminellen sind in der Überzahl. Was wir also nicht mit Männern leisten können, müssen wir mit List leisten. Abschreckung? Ja, da hast Du Recht. Wer auch immer die Krähen geholt hat, ob Gott oder Sterblicher hätte einen der Vögel am Leben lassen sollen. Einen der die Botschaft in die Subura trägt, dass es jenen schlecht ergeht, die sich an Urbanern und den Unbescholtenen vergreifen.


    Eines Tages fällt jede miese Tat auf einen zurück, dass wäre ein Anfang gewesen. So wirkt die Abschreckung zwar auch, aber jeder von uns kennt doch die Legendenbildung.


    Wäre einer der Vögel so gerade mit dem Leben davon gekommen und uns wäre die Geschichte das nächste Mal zu Ohren kommt, hätte sie bereits die Ausmaße einer Rinderherde angenommen. Aus den 27 toten Krähen wären 70 Krähen geworden, die alle mit gezogenen, auf den oder die Angreifer gerichteten Waffen dastanden haben.


    Die Oberkrähe hätte den oder die Angreifer mit einer Bemerkung wie „Das wirst Du nicht überleben Du widerliches Miststück“ oder einer ähnlichen Schmeichelei beleidigt haben.


    Der oder die Angreifer würden unbehelligt zwischen Fausthieben und Messerstichen herumgetanzt sein, siebzig von den Typen niedergemäht haben und übers Wasser gewandelt sein, bevor der oder die Angreifer der letzten Krähe die Augäpfel aus dem Schädel gerissen hätten mit puren Händen! Ich sag Dir, die Werbung ist ein Scheiß gegen die Mundpropaganda aus der Unterwelt", lachte Lurco.

  • Da ging die Phantasie des Purgitiers wohl ein bisschen mit ihm durch - aber die Grundannahme war natürlich rational: Abschreckung funktionierte vor allem, wenn Zeugen von den Strafen erfuhren!

    "Na, ich weiß nicht, aber so in die Richtung."

    Er nahm einen Schluck aus dem Becher und überlegte, ob er den beiden Burschen gleich anbieten sollte, sie als Klienten zu gewinnen - sie waren zwar nicht so intelligent wie er und ein bisschen einfacher gestrickt, aber wenn sie auch bei den Urbanern dienten, waren sie vielleicht doch nützlich...

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  • Es kam, wie Scato geahnt hatte - Lurco begann zu schwelgen und kam aus seiner Schwärmerei überhaupt nicht mehr heraus. Je weiter er sich in seine Blutfantasien hereinsteigerte, umso mehr musste Scato darauf achten, dass sein Lächeln nicht immer mehr verkrampfte. Gegen Ende musste er einen Schluck Wein trinken. Betont langsam stellte er den Becher im Anschluss wieder auf den Tisch.


    "Dafür gibt es ja schon öffentlichkeitswirksame Hinrichtungsarten. Die könnte man vielleicht noch etwas häufiger und ... kreativer inszenieren. Vielleicht mal eine Schindung, das rückt sicher so manchem das Weltbild zurecht, wenn dem Lumpenpack der Pelz nicht nur im übertragenen Sinne über die Ohren gezogen wird."


    Aber nicht in Scatos Gegenwart bitte. Er mochte Blutbäder nur, wenn er hinterher die Wunden untersuchen und flicken durfte. Auf das Bewundern von Hinrichtungen konnte er verzichten. Wie beschaulich war es dagegen, hier im kleinen Kreis miteinander im Garten zu sitzen und gepflegt zu plaudern, während der Pfau vornehm über das Pflaster schritt und die Singvögel im Geäst des kleinen Granatapfelbaums wippten.

  • "Über die Form der Abschreckung lässt sich ja nachdenken. Mir persönlich gefällt das Kollosseum am Besten. Die Hinrichtung durch die Löwen. Aber in dem Fall ist das leider unnütz, denn welche Unterweltabschaum geht schon ins Kollosseum? Meine Vermutung ist keiner, deshalb sollte die Abschreckung für jeden sichtbar sein. Für die korrekte und öffentlichkeitswirksame Bestrafung sind andere zuständig, wir müssen uns als Urbaner darauf konzentrieren das Gezocks dingfest zu machen.


    Mein Vater sagte einst, es ist nicht wichtig gegen wen man kämpfen muss, sondern zu wissen wofür. Ist hier nicht anders, dass darf man nie aus den Augen verlieren", sagte Lurco nachdenklich und trank noch einen Schluck Wein.


    Und genau das durfte er niemals aus den Augen verlieren, gleich welche Genugtuung er dabei empfand den Mörder eines Kameraden zu holen. Auf der anderen Seite, was hatte er wirklich gefühlt? Zuerst Genugtuung, für die gefallenen Urbaner Kameraden. Danach Erleichterung, dass sie alle Feinde erledigt und überlebt hatten. Und dann? Ernüchterung.


    Er hatte darüber nachgedacht, was sich ändern würde. Nichts. Die Konstellation war die gleiche geblieben. Alles stand und fiel mit Kyriakos und ihm. Zwei kleine Lichter die sich erhoben hatten, gegen die gesamte Unterwelt. Ihr Chancen? Lächerlich gering. Sie hatten es versucht und gesiegt. Der Preis war schmerzlich, aber zu ertragen. Und dennoch saß er hier in seinem Garten und trank Wein. Mehr noch, ihm saß Lucius Petronius Crispus gegenüber, so als hätte jemand seinen Ruf erhört und diesen Mann zu ihnen geschickt.


    Die Karten wurden neu gemischt und es sah ganz danach aus, dass sie zu ihrem Vorteil fallen würden. Bei der Erfahrung die Crispus hatte. Er hatte nicht vor einen Großbrand in der Subura anzuzünden. Er hatte vor, jene die in den Flammen der Unterwelt umkamen zu retten und die Brandstifter zu richten.


    Lurco schmunzelte Scato an, damit dieser sein eingefrorenes Lächeln wieder auftauen lassen konnte.

  • Grausame Hinrichtungsrituale gefielen Lucius auch - seit dem Tag, als er Caius' überraschten Blick gesehen hatte, als dieser ihm sein Schwert in die Brust gerammt hatte, empfand er eine ziemliche Faszination für den Anblick von Blut und Sterbenden. Wie jemandem die Haut abgezogen wurde, hatte er allerdings noch nie erlebt - sicherlich auch medizinisch sehr interessant! Ehe er aber seine Einschätzung dazu geben konnte, bemerkte Lurco etwas zum Bestand.

    "Ach, es gehen mehr von ihnen ins Amphitheater, als man denkt!"

    "Brot und Spiele" waren immerhin seit Divus Augustus das Konzept, mit dem die Plebs zufrieden gehalten wurde!

    "Aber es stimmt, wir werden nur die hinrichten können, die wir erwischen! Da können wir auf jeden Fall weiterarbeiten!"

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  • Der Spruch von Lurco gefiel Scato, weshalb er eine Weile darüber nachgrübelte. Jetzt wollte er die Antwort wissen.


    "Es ist nicht wichtig, gegen wen man kämpfen muss, sondern zu wissen wofür", wiederholte er und starrte sinnierend in den Himmel. "Wofür kämpft ihr beide?"


    Die Frage mochte trivial klingen, doch das war sie ganz und gar nicht. Was brachte jemanden dazu, sich jeden Tag aufs Neue auf dem Exerzierplatz zu schinden und auf den Straßen sein Leben zu riskieren? War eine solche Arbeit wirklich nur mit dem in Aussicht stehenden Geld aufzuwiegen?

  • "Schutz, Förderung, Hingabe, Loyalität und Verpflichtung das Leben aller Römer zu schützen, zu beschirmen und die Lebensqualität aller Römer zu sichern. Ich kämpfe für jene die nicht selbst für sich kämpfen und einstehen können. Für den Traum, dass irgendwann niemand mehr kämpfen muss. Für die Werte die mir mein Vater beigebracht hat. Ich kämpfe mit meinem Dienst für jene die ich liebe.


    Lass Dir gesagt sein, für den Traum werden noch tausende Generationen kämpfen müssen und selbst die werden nicht ausreichen. Nicht einmal dann Scato, wenn die gesamte Welt römisch ist. Aber so lange es Leute wie uns gibt, ist weder der Traum noch die Hoffnung verloren. Rom wird ewiglich existieren, auf die eine oder andere Art. Das mag hochgestochen klingen, aber Du weißt wie ich es meine", antwortete Lurco freundlich.

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