Die Cubicula des Hausherrn Faustus Decimus Serapio

  • Die Gemächer des Hausherrn standen nach dem Rückzug des Senators Decimus Livianus nach Hispania lange Zeit leer. Doch schließlich hat sein Sohn Decimus Serapio diese anlässlich seiner Hochzeit umgestalten lassen, und ist aus seinem alten Cubiculum umgezogen.
    Die Räume liegen im ersten Obergeschoss des Hauses, in Richtung des Gartens und der Morgensonne. Sie sind untraditionell großzügig, und auch die Einrichtung zeigt einen eher ägyptisch/orientalischen Einschlag. Die Wände sind mit Trompe-l'œil -Malereien verziert. Ins Auge springen unter anderem: einige Theatermasken, ein buntgeknüpfter Seidenteppich als Wandbehang, die Vielzahl von Kleidertruhen, ein Rüstungsständer und ein sehr großer Spiegel im Ankleidezimmer, das elegante Zitrusholz-Mobiliar, ein wirklich breites Bett und eine Kiste mit Elfenbein-Intarsien, die Motive aus dem Osiris/Serapis-Mythos zeigt, und auf der sich ein Stapel ungelesener Schriftrollen auftürmt.
    Nur die treue Cubicularia Corythia und der Libertus Decimianus Icarion haben Zutritt zu diesem Reich.
    Über einen gemeinsamen Balkon, auf dem in Terrakotta-Töpfen sowohl Blumen als auch Hanfpflanzen gedeihen, sind die Gemächer der Hausherrin Quintilia Valentina zu erreichen.

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  • Wider den Tag / Ewig dem Rausch


    ~ der Soundtrack ~


    Durch die Nähte des ledernen Zeltdaches sickerte parthische Sonnenglut. Die Luft roch nach verbranntem Fleisch und Blut und Fäkalien. Benommen hob ich den Kopf von meiner Matte und sah, so von unten, einen Miles Medicus an mir vorübereilen. Er schleppte ein langes, zerquetschtes Ding, das einmal ein menschliches Bein gewesen war. Als wäre ich aus tiefem Wasser emporgetaucht, begann ich nun erst zu hören. Das Feldlazarett war voll verwundeter Kameraden. Manche schrien vor Schmerzen, manche rangen mit zerstochenen Lungen nach Luft. Manche wimmerten kläglich. Und manche gaben gar keinen Laut mehr von sich, waren bereits Passagiere auf Charons Kahn.
    Die Sanitäter und Legionsärzte hasteten mit Verbänden und Chirurgenwerkzeug umher.
    Stimmen:

    "Beißholz."

    "Wasser."

    "Nicht zappeln. Binde, schmal."

    "Kauter, glühend."
    Beißender Rauch stieg auf, als das Eisen zischend in eine Wunde sank. Da hindurch, wie eine Lichtgestalt, wandelte die Frau des Kommandanten, die Matrone Iulia Helena und spendete Trost. Gütig reichte sie mir einen Becher mit Wasser.
    Iulia Helena:

    "Es ist vorbei, niemand wird dir mehr etwas tun."
    Ich:

    "Mein Freund ist gestorben. Sie haben ihm den Hals aufgeschnitten. Noch heute morgen hat er mir Mut gemacht und jetzt ist er tot. Er hat mir noch... einen Gruß zugerufen, bevor... die Reiter...."
    Ich tastete nach meiner bandagierten Schulter, nach der zerschlitzten Wange. Wie konnte es sein, dass ich davongekommen war, ausgerechnet ich, während Lucullus und so viele andere nicht mehr lebten.
    Iulia Helena:

    "Ich bin mir sicher, du hast deinen Freund gerächt, und ehrenvoll gerächt. Wie war sein Name?"
    Ich:

    "Lucullus. Appius Iunius Lucullus. Aus der zweiten Centurie, so wie ich."
    Sie lächelte ruhig und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
    Iulia Helena:

    "Keine Sorge, Junge. Deinem Freund geht es gut. Sieh doch."


    Sie hatte recht. Am Ufer des Euphrates stand ich, neben einem hohen Berg staubiger Caligae. Ganz oben darauf saß Lucullus. Er grinste lässig auf mich herab.
    Lucullus:

    "Hey! Was auch passiert," Er zwinkerte mir zu. "...ich werfe ein Auge auf dich Blauauge."
    Verblüfft starrte ich zu ihm empor. Wie konnte das sein? Irgendetwas musste ich beträchtlich durcheinander gebracht haben!
    Ich:

    "Du lebst!" Unendliche Erleichterung breitete sich in mir aus. "Dabei dachte ich, du wärst gefallen. Ich dachte... wir hätten deinen Scheiterhaufen entzündet. Ich hätte eine Hymne auf dich geschrieben. Die Drecksparther hätten unseren Kaiser ermordet. Ich dachte... es wären Jahre, so viele Jahre ins Land gezogen, mein Stern wäre hoch gestiegen, ich hätte die Garde ins Feld geführt, im Bruderkrieg... den wir verloren. Und ich dachte wirklich, ich wäre alt geworden, und wir hätten schon wieder einen neuen Kaiser, einen Friedenskaiser, dem ich nun diente..."
    Lucullus:

    "Hahaha, Blauauge, was quatschst du für einen Unsinn?" Schwungvoll rutschte er vom Sandalenberg. "Du? Die Garde ins Feld geführt? Ja klar, und ich bin der Shah aller Shahs. Hast du etwa was genommen, ohne mich?"
    Ich:

    "Das würde ich doch nie tun." Schelmisch schlug ich vor: "Wollen wir dem Medicus etwas abluchsen?"
    Lucullus:

    "Schon geschehen."

    Auf seiner schwieliger Handfläche lagen zwei kleine, klebrig glänzende Opiumkügelchen, etwas heller getönt, mit rötlichen Schlieren - Zeugma-Qualität. Tief sog ich ihren betörenden Duft ein. Nur schade dass wir keine Ausrüstung zum Rauchen in unserem Marschgepäck hatten! Nun ja, es ging auch so.
    Ich:

    "Haut nicht so rein, hält aber länger. Lob und Preis Morpheus, sei unsere Parole."
    Lucullus:

    "Wider den Tag..."
    Wie beide:

    "...ewig dem Rausch!"
    Wir schluckten die Kügelchen.


    ~ ~ ~


    Als ich aus diesem Traum erwachte, legte sich wie ein Berg von Geröll die Last der Trauer auf meine Brust, der alten Trauer um Lucullus und um all die anderen Kameraden, die im Laufe der Jahre unter dem Adler ums Leben gekommen waren. Einst genauso lebendig wie ich, atmend, kämpfend und lachend an meiner Seite... jetzt nur noch Staub und Erinnerung.

    Es war stockdunkle Nacht. Ich hatte unheimlich Lust auf Opium...
    Wohlweislich hatte ich aber nichts da.

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  • Unruhig drehte ich mich auf die andere Seite und versuchte wieder einzuschlafen. Morgen stand die Strategiebesprechung mit meinem Kommandanten und dem Praefectus Urbi an, da sollte ich in Form sein. Vibulanus wartete doch offensichtlich nur auf eine Gelegenheit mich abzusägen.
    Doch meine Gedanken kreisten, so unaufhaltsam wie ein Schwarm Geier über einem verendeten Kamel...


    Generell schlief ich gar nicht gut, so einsam in meinem Bett. Es war sehr leer geworden, seitdem ich meinen schönen Britannier, meinen goldenen Barbaren hatte wegschicken müssen. Nach Cremona, in eine renommierte Gladiatorenschule, die auf Retiarii spezialisiert war, hatte ich ihn gesandt... und kürzlich dann erfahren, dass es dort während einer Überschwemmung - eine Mauer war wohl unterspült worden - einen größeren Ausbruch gegeben hatte. Von Angus fehlte seitdem jede Spur. Jedoch hatte ich das ganze verschwiegen, es mit mir selbst ausgemacht, und davon abgesehen, ihm Sklavenjäger hinterherzuschicken. Denn ehrlich gesagt... mochte ich Angus, in all seiner Widerborstigkeit. Er war keine Sklavennatur, war hier im Haus wie ein Löwe in einem Käfig gewesen. Ob er versuchen würde, auf seine Insel zurückzukehren? Ich sah ihn vor meinem inneren Auge von einer Schar verwegener, mit blauen Kringeln bemalter edler Wilder in Empfang genommen, und klammheimlich wünschte ich ihm viel Glück...


    Seit Angus fort war, war da niemand mehr, der mich von meiner Sehnsucht nach Kyriakos ablenken konnte.

    Ach, Kyriakos, fortwährend bist du in meinen Gedanken und doch weiß ich im Grunde nichts über dich!

    Ich war ein Narr, mir wie ein Jüngling den Kopf verdrehen zu lassen... in der Vergangenheit hatten alle, ausnahmslos alle meine Liaisons, die so glutvoll begonnen hatten, desaströs geendet... Dass Manius und ich noch zusammen waren lag nur daran, dass wir nach all unseren katastrophalen Zerwürfnissen und Trennungen einfach dann doch blindlings immer wieder neu angefangen hatten... Ich musste mit Manius sprechen. Nun aber wirklich. Zerrissen wälzte mich wieder auf die andere Seite, an Schlaf war nicht zu denken. Mein Privatleben war mal wieder ein einziges Chaos. (Ky-ri-a-kos... - allein die Silben fügten sich geradezu musikalisch zu einem unvergleichlichen Wohlklang zusammen...)


    Vor dem Fenster zwitscherte ein früher Vogel. Ich war allein in meinem breiten Bett und hatte noch immer verdammt Lust auf Opium. Einen Augenblick lang erwog ich, nach nebenan zu Valentina zu gehen und mich leise zu ihr zu legen. Es war sehr angenehm bei ihr zu sein – solange ich nicht mit ihr schlafen musste, doch wahrscheinlich würde sie genau das erwarten, wenn ich sie jetzt aufsuchte.
    Icarion hingegen mochte es nicht, wenn ich ihn in seinem Bett besuchte. Er hatte mir einmal, vor Jahren, in einem gefühlsseligen Moment in seltener Offenheit anvertraut, dass das für ihn der größte Luxus war: sein eigenes Bett für sich alleine zu haben, in dem er ungestört war.
    Wer mir hier im Haus noch gefiel, das war natürlich der spröde junge Silas. Doch seitdem ich ihn hatte bestrafen müssen, gebärdete der sich, wenn ich ihn nur anblickte, gleich wie ein verschrecktes Rehkitz. Und ich war ja kein Unmensch...


    Wieder kreisten meine Gedanken zurück zu dem Traum und kurz erschien es mir, als ob ich noch immer schliefe, als ob ich noch immer ein blutjunger Legionär wäre, in einem Fiebertraum gefangen, und wenn ich erwachen würde, dann wäre ich wieder im Feldlazarett nach der Schlacht von Edessa. Schwindelig war mir, als ob die Welt jeden Augenblick zur Seite wegkippen könne, mich zu einem freien Fall ins Nicht-Sein verurteilend...


    Schließlich stand ich auf, rieb mir die Augen, entzündete eine Öllampe, und suchte das Kästchen heraus, in dem ich meine Vorräte an getrockneten Hanfblättern, Styrax und eingelegtem Khat aufbewahrte. Draußen auf dem Balkon setzte ich mich auf eine Kline aus Korbgeflecht und bereitete mir eine ägyptische Hanfpfeife. Besser als nichts. Ein Bein angezogen, auf der Kline zurückgelehnt, rauchte ich langsam, Zug um Zug. Der Himmel färbte sich von schwarz zu nachtblau, dann fahlblau, während der Wirbel meiner Gedanken langsam zur Ruhe kam. Über dem Dachfirst stand Eosphoros, der Morgenstern.

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  • Als Hausherrin einer so großen Casa hatte auch Valentina erst in ihre neuen Aufgaben hinein wachsen müssen. Bisher hatte sie kaum eine Handvoll Sklaven beaufsichtigt, denn ihre Familie hatte kaum die Mittel gehabt sich viele davon zu leisten. So kam es auch, dass sie einige Aufgaben in ihrem alten Zuhause selbst übernommen hatte. Hier aber war das nicht nötig, sie musste nur etwas zu lange auf eine Stelle blicken und sofort kam einer der Diener um sich zu erkundigen was ihr denn missfiel. Auch hatte Valentina lernen müssen zwischen nötiger Strenge und die von ihr bevorzugter Güte die Balance zu halten. Hielt man sie für zu nachsichtig, war ihr Posten als Domina dieses Hauses stetes in Gefahr belächelt zu werden. Sie wollte aber auch nicht dafür gefürchtet werden, nun hier eingezogen zu sein. Alles nicht so einfach und auch wenn sie sich mittlerweile ihren Platz hier im Haus erobert hatte, nahm sie immer noch viele Dinge mit in ihr Gemach um darüber nachzudenken. Mit keinem Wort beschwerte sie sich jemals bei Serapio oder würde dieser ein Wort des Jammers von ihr hören. Wenn sie ihn zu Gesicht kam, war sie ihm die Frau, die er sich hoffentlich von ihr erwartete. Sie liebte ihn noch immer, spürte aber nur all zu deutlich, dass er nach ihrer gemeinsamen Hochzeitsnacht keinerlei Verlangen nach ihrer Nähe hatte. Vielleicht, so hoffte sie für ihn, würde er das ja auch nicht mehr müssen. Jeden Tag achtete sie auf die Zeichen ihres Körpers ob die Nacht bereits zu Veränderungen geführt hatte. Doch selbst ihre mittlerweile sehr lieb gewordene Leibsklavin Renenet konnte noch nichts feststellen.


    Und so lag Valentina auch in dieser Nacht noch lange wach, den Geparden neben sich im Bett um ihm den Kopf zu streicheln und sah in die Dunkelheit vor ihrem Fenster hinaus. Heute gab es seinen Streit in der Küche, bei der es hoch herging. Eine der neuen Sklavinnen wurde beschuldigt sich an den Speisen zu bedienen die eigentlich für Serapio und sie bestimmt waren. Die Küchenchefin hatte bereits Hand angelegt bis Valentina eingetroffen war und so musste sie erst einmal für Ruhe sorgen. Alle redeten durcheinander und in der Mitte das weinende Mädchen mit ihren bereits geschwollenen Wangen. Es war in diesem Durcheinander nicht heraus zu finden wer Recht hatte und wer nicht also hatte Valentina angeordnet, dass man die Neue erst einmal in ein Zimmer etwas abseits der Küche einsperrte. Was hoffentlich gnädiger war als sie gleich wieder dem Händler zurück zu geben. Am nächsten Morgen, würde sie eine Entscheidung treffen müssen.

    Der Gepard hob plötzlich den Kopf und hob die Schnauze als würde er etwas riechen. Auch Valentina nahm einen seltsamen Duft wahr. Sie schwang sich aus dem Bett und trat an die Türe, die auf den Balkon führte. Hier wurde der Duft noch stärker und sie öffnete diese. Als sie hinaus trat, sah sie jemandem auf einer der Klinen vor dem Gemach ihres Mannes liegen und als sie näher kam, erkannt sie ihren Gatten. Barfuß und nur bekleidet mit ihrem Nachtgewand trat sie hinter Serapio um sich dann vorzubeugen und ihm die Hände auf die Schultern zu legen. Jetzt wusste sie an was sie der Geruch erinnerte und es gefiel ihr nicht, dass er statt zu ihr zu kommen dachte er müsste sich mit anderen Dingen ablenken. Doch auch jetzt kam kein Wort des Vorwurfes über ihre Lippen. Statt dessen drückte sie seine Schultern etwas und gab ihm einen Kuss auf die Haare. "Gibt es etwas, dass ich für dich tun kann?"

  • "Carissima..." Mit einem verschleierten Lächeln legte ich meine Hand auf ihre, legte den Kopf in den Nacken und fand ihre Lippen für einen langsamen, freundschaftlichen Kuss.
    "Du riechst immer so gut!" stellte ich einfach nur als Tatsache fest. "Habe ich dich geweckt? Das tut mir leid..." Einladend rückte ich auf der Kline ein wenig zur Seite, bot ihr den Arm. "Komm, leg dich zu mir. Magst du auch? Es ist aus eigenem Anbau."
    Die Pfeife war aus Silber, reichverziert, mit einem stilisierten Ibis als Kopf. Bei jedem Zug glommen seine Glasaugen glutrot.

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  • Als er sich von ihr einen Kuss erbat, erwiderte Valentina diesen. Dankbar für jede Zuneigung, die sie von ihm bekam. Sie strich ihm mit der Hand durch die Haare und schenkte ihm ein Lächeln, als sie feststellte, dass sie gut roch. Eitel war Valentina wahrlich nicht, doch darauf nicht zu riechen als hätte sie den Tag auf den Straßen Roms verbracht, darauf legte sie großen Wert. "Na, du willst doch keine übel riechende Frau zur Gemahlin, nicht?" Erwiderte sie und legte sich dann zu ihm. Sie war ihm zugewandt doch sie schüttelte den Kopf. "Noch nicht." Sie wollte noch einen klaren Kopf bewahren, solange sie nicht wusste was los war.

    Dann schmiegte sie sich an ihn so gut es auf der Klinge möglich war. "Magst du mit mir erzählen, warum du hier draußen liegst?"

  • "Ach..." Genießerisch ließ ich den süßen Rauch aus meinem Mund quellen, legte den Arm um Valentina und fuhr ihr träge durch das Blondhaar. Für gewöhnlich bemühte ich mich redlich, meine liebe Frau nicht mit meinen Befindlichkeiten zu belasten – sie hatte es ja so schon schwer genug mit einem wie mir – doch in dieser Zwischenstunde war mir die Zunge gelöst.
    "Ich habe nur mal wieder so einen Blödsinn geträumt, von früher. Kennst du sowas auch... Träume die immer, immer wieder kommen? Als hätte irgendwas sie... festgehaftet in meinem Kopf. Manche sind wie eingefroren, immer gleich, andere wandeln sich mit den Jahren......"
    "Ich träume oft von Lucullus. Hab ich dir eigentlich schon mal von ihm erzählt...? Er war ein Kamerad von mir, bei der Prima... ein Freigeist... ein Spötter, sub aquila hatte ihn nur wohl nur eine unglückliche Liebschaft verschlagen. Er hatte... nicht viel Halt. Wir kannten uns gar nicht so lange, aber damals... damals war alles so unheimlich intensiv, als würde ein Tag soviel zählen wie sonst hundert. Er ist vor Edessa gefallen. Und kurz davor... kurz davor, als der Boden schon bebte von... deren Kavallerie... sagte er zu mir, dass wir uns dann auf der anderen Seite sehen würden. -
    Ich habe so viele Kameraden verloren. Aber Lucullus... manchmal frage ich mich, ob er tatsächlich irgendwo sitzt und wartet auf mich, noch immer genauso jung wie an den Tag...? Nein, ich glaub's nicht wirklich. Sicherlich überdauert etwas von uns, aber nicht die Gestalt, eher... ein Seelenfunken..."

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  • Sie ließ ihren Gemahl erzählen was ihm auf der Seele lag. Dabei unterbrach sie ihn mit keiner Silbe. Valentina sah ihn an und hörte aufmerksam zu. So wie es sich für jemanden gehörte die geschworen hatte für jemand anderen da zu sein. Während er sprach, wurde auch Valentinas Blick traurig. Solche Träume kannte sie nicht und sie hatte auch diesen Mann nie kennen gelernt von dem Serapio sprach. Doch er hatte ihm offensichtlich viel bedeutet. Und das alleine schmerzte die Quintilia. Sie hätte den Schmerz und die Trauer gerne von ihm genommen, wusste sie doch selbst nur zu gut wie es sich anfühlte jemanden zu verlieren, der einem lieb und teuer geworden war. Sie selbst hatte das auch schon auf die ein oder andere Art und Weise erleben müssen. Jedoch nie in einer schrecklichen Schlacht inmitten des Kampfgeschehens. Sie hob die Hand und strich mit ihren zarten Fingern eine Haarsträhne aus dem Gesicht ihres Gemahls. Dann beugte sie sich vor und küsste ihn zuerst auf die Stirn, dann auf beide Wangen und schließlich kurz auf den Mund. Wie gerne hätte sie ihm angeboten sich abzulenken, sie wäre bereit für ihn. Doch sie wusste, dass sie Serapio vieles geben konnte, doch nicht diese Art der Zuneigung. Sie hatte es an dem Tag akzeptiert an dem sie ihn geheiratet hatte. Und normalerweise kam sie gut damit klar, doch in Momenten wie diesen, in denen sie zum Nichtstun verdammt war, schmerzte es sie sehr. Die Kleider hätte sie ohne Scham abgelegt und ihm hier und jetzt ihre Liebe bewiesen. Doch nichts von alldem könnte ihn glücklich machen.

    Sie konnte nur für ihn da sein und ihm zuhören. "Ich bin mir sicher, er wartet auf dich und ihr werdet euch eines Tages wiedersehen. Wie könnte jemand dich vergessen? Aber..." Sie sah zu ihm auf und suchte seinen Blick. "...ist es vermessen von mir, wenn ich mir wünsche, dass dieser Tag noch in weiter Ferne liegt?" Sie schmiegte ihre Hand an seine Wange und legte ihren Kopf an seine starke Brust. "Jetzt da ich dich gerade erst wieder zurück habe und endlich ganz für mich."

  • Wie könnte jemand mich vergessen? Das ging mir runter wie Honig. Ach, Valentina war einfach die Beste! Wie gut tat mir das Mitgefühl meiner lieben und sanften Gefährtin. Ihre Lippen waren wie eine sachte Sommerbrise. Ich umfasste ihre Hand an meiner Wange und drückte sie, legte dann die Pfeife zur Seite und kraulte zärtlich Valentinas Blondschopf.
    "Das wünsche ich mir auch, mögen die Götter uns noch viele schöne Jahre gemeinsam schenken. Sag mir nur immer gleich, wenn ich was für dich tun kann, Liebes. Ich möchte, dass du glücklich bist."
    Vom zweisam drifteten meine Gedanken zum dreisam. Der Hanf lockerte mir die Zunge. "Valentinula, was ich dich schon lange fragen wollte.... hat eigentlich Borkan damals noch irgendwas zu dir gesagt, oder zu verstehen gegeben... bevor er gegangen ist, also, wohin er wollte oder... zu wem, oder... noch irgendwas über mich, oder sonstwas...?"
    Immer mal wieder fragte ich mich, ob Borkan wirklich der gewesen war, der er vorgab zu sein. Als hätten ihn die Götter gesandt, so perfekt war unser Zusammentreffen gewesen... oder eben, als hätte jemand ihn gezielt auf mich angesetzt. (Auch bei Kyriakos hatte ich mir schon diese Frage gestellt, aber den konnte niemand auf mich angesetzt haben, ich selbst war in Wirbel des Satyrentanzes auf ihn zu gegangen. Es könnte höchstens jemand im Nachhinein versuchen, ihn gegen mich einzusetzen - darum war es gut, dass er nicht wusste wer ich war.)

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  • Die Zärtlichkeiten, die Serapio ihr zukommen ließ, und fielen sie noch so gering aus, wurden von der jungen Quintilia in vollen Zügen genossen. Er war trotz allem immer zärtlich und liebevoll zu ihr und sie wollte es ihm genauso zurück geben. Sie schenkte ihm ein Lächeln als er seinen Wunsch aussprach und nickte. "Du hast doch bereits so viel für mich getan." Ihre Augen suchten seinen Blick und auch wenn dieser nicht mehr ganz klar war, hoffte sie doch, dass er wusste wie dankbar sie ihm für alles war. Dann beugte sie sich vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Nur kurz, wie eine sanfte Abendbrise und ohne ihn in Verlegenheit zu bringen diesen erwidern zu müssen. "Ich bin glücklich."

    Sie sichtete sich neben ihm wieder etwas auf und hörte seine Frage. Natürlich müsste sie lügen, wenn sie behaupten würde diese Nachfrage würde ihr nichts bedeuten. Auch sie hatte Borkan als Freund für sich gewinnen können und doch war er der Mann gewesen, den Serapio in Wirklichkeit geliebt hatte. Sein Weggang musste ihn schwer getroffen haben. Mit den Fingern strich sie über seinen Handrücken und schüttelte leicht das blonde Haar. "Nein, er hat leider überhaupt nichts mehr zu mir gesagt." Sie sah wieder auf und ehrliches Mitgefühl lag in ihrem Blick. "Es tut mir so leid."

  • Meine Valentina! Niemand konnte so gut zuhören wie sie. Ich hatte Lust, ihr etwas zu schenken... ach was, sie mit Geschenken zu überschütten... aber mit was nur... sie war so genügsam... - Am besten ich setzte Icarion darauf an, gleich morgen, der hatte immer gute Ideen.

    "Ach... Borkan..." Ich seufzte seelenvoll. "Es war meine Schuld. Ich war ihm nicht treu." Glasig schweifte mein Blick ins Leere. "Mein Meditrinalienfreund kam wieder, und dem konnte ich noch nie wiederstehen. Borkan ist besser dran ohne mich, hat das Weite gesucht, einen Schlußstrich gezogen... Es endet immer im Desaster. Er ist vorher gegangen, der Kluge. Ich hoffe er hat irgendwo... sein Glück gemacht, besitzt einen schönen Handelskontor, irgendwo an der Purpurküste, voll exotischer Waren, Spezereien, golddurchwirkte Stoffe und erlesene Kunstwerke und hat einen... - " Nein, selbst über die Zeit und Entfernung hinweg vermochte ich es nicht, ihm gnädig einen neuen Liebhaber zu wünschen. Sollte Borkan sich doch endlos nach mir verzehren – einfach zu verschwinden, ohne Nachricht! Zumindest eine Wachstafel hätte er mir hinterlassen können.
    "Alles vergeht, aber wir beide, Carissima, du und ich, wir bleiben einander. - Und ich dachte, dachte damals, ich könnte nicht ohne ihn sein. Weißt du, -" Ein kluger Gedanke hatte mich ereilt, ein funkelnder Geistesblitz, eine vorzügliche Metapher! " - das Herz ist wie eine Eidechse. Das Herz ist ein Eidechsenschwanz." schloss ich bedeutungsschwer.
    Und müde legte ich meine Wange an ihr seidiges Haupt. Über den Dächern von Rom verblasste der Morgenstern.
    "Ich habe wieder jemanden kennengelernt..." vertraute ich Valentina, schon im Halbschlaf, an, "einen wunderschönen Spartaner.... ein bisschen morbide, ein bisschen sehr asketisch, aber wahrhaft schön... ungeheuer intensiv... ein kühner Denker... und seelenerhebend schön..."
    Die rosenfingrige Eos erhob sich über den Horizont, während ich, an meine liebe Frau geschmiegt, endlich einschlummerte.

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  • Schweigend fuhr sie ihrem Ehemann langsam mit den Fingern durch das dunkle Haar. Valentina ließ ihn seinen Kummer von der Seele reden. Sie kannte Borkan nicht annähernd so gut wie Faustus, doch sie hatte ihn sehr gemocht. Es tat ihr leid, dass er verschwunden war. Faustus ließ gerade all seinen Gedanken freien Lauf. Sie kannte den genauen Grund nicht warum die Beiden sich damals getrennt hatte, sie standen damals ganz am Anfang ihrer vorgetäuschten Beziehung. Valentina war einfach nur froh jemanden gefunden zu haben, der ihr Schutz bieten konnte. "Er ist nicht besser dran." Versuchte sie ihn aufzumuntern und gab ihm erneut einen Kuss auf den Haarschopf. Im Rausch jedoch war Faustus nicht mehr zu bremsen und so ließ sie ihn weiterreden. War einfach für ihn da und hielt ihn fest.

    Er erwähnte sie beiden und Valentina nickte zustimmend. "Natürlich, wir bleiben einander." Über seinen philosophischen Einwand, schmunzelte sie. Für sie passte so ein schuppiger Eideschenschwanz nicht mit einer so guten Sache wie der Liebe zusammen. Doch ihr Mann war gerade nicht mehr in der Verfassung wirklich zuzuhören. Als er sich an sie lehnte, schmiegte sie sich ebenfalls etwas mehr an ihn. Ihre Arme umschlangen ihn fester und hielten ihn fest. Da sprach er weiter und was er ihr dann mitteilte hätte sie lieber nicht so genau gewusst.
    Valentina war klar, dass sie ihren Mann immer teilen musste, dass jedoch so direkt und ungeschönt gesagt zu bekommen war nicht angenehm. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet, auf den Morgenhimmel, der langsam immer heller wurde. Faustus schlief in ihrem Armen ein und aus Valentinas Augenwinkel löste sich eine Träne, die lautlos an ihrer Wange herab lief.

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