• Der Ritt vom Landgut seiner Eltern nach dem Hause des Magisters hatte länger gedauert, denn auf halbem Wege hatte Dexter ein Paar von Turmfalken erspäht, welches in einer Nische der Aqua Tepula nisteten. Fasziniert hatte er den Rüttelflug der gewandten Jäger beobachtet und darüber die Zeit vergessen. So traf er, begleitet von seiner Leibsklavin, der treuen Tanit, mit einer Viertelstunde Verspätung beim Cursus ein. In seinem Bestreben, sich auf das Wesentliche zu beschränken, war der junge Flavier wie stets betont schlicht und konservativ gekleidet, wenn auch in hochwertige Stoffe und mit maßgefertigten Calcei patricii an den Füßen.


    Von einem der Sklaven des Magisters geleitet, betrat Dexter das Peristylium. Wie ein Schatten folgte ihm Tanit, welche Tabula und Stylus sowie eine kleine Aufmerksamkeit für den Lehrmeister trug. Interessiert betrachtete der Flavier die höchst heterogene Gruppe während er den letzten Wortwechsel vernahm.

    "Eine Regel ist zuvörderst eine Grenzziehung."
    ergriff er zuletzt selbst das Wort, noch an der Frage des Magisters haftend.
    "Sie steckt, obschon in der Tat durchaus wandelbar, einen Raum des Erlaubten und oder Erwünschten ab gegenüber einem Terrain des Verbotenen und oder Missbilligten. Das Gelten einer Regel generiert somit ein Feld, in dem alles Tun, alles Denken und Sagen zwischen jenen zwei Polen eingeordnet, beurteilt und -"
    Dexter blickte zu seinem Vor-Vorredner.
    "- wie bereits erwähnt gegebenenfalls auch sanktioniert werden kann."
    Gravitätisch grüßte er daraufhin in die Runde.
    "Salvete. Sehr erfreut. Quintus Flavius Dexter ist mein Name."

  • Eine lebendige Gseellschaft hier heute Abend. Sehr schön.

    "Salve Dexter. Und willkommen in der Runde. Sehr gute Gedanken, wie sie auch von den anderen hier genannt wurden. Da war einiges dabei.

    Eine Regel als Übereinkunft ist eine interessante Idee. Besonders, dass du den Vertrag angesprochen hast, Aulus. Das klingt so schön harmonisch. Ein Konsens. Viele würden da natürlich ergänzen und sagen, Regeln sind meistens von einer wie auch immer übergeordneten Stelle aufgezwungen. Wir werden uns gelaube ich noch über beide Arten unterhalten. Der Vertrag und die Regel von oben nach unten.

    Auch denen Hinweis auf die Naturgesetze fand ich interessant, Ravilla. Gegen die Gesetze der Natur kann ein Mensch nicht verstoßen. Keiner von uns hier kann gegen den Tag-Nacht-Wechsel verstoßen. Andererseits ändern sich im Gegensatz zu den Naturgesetzen die Gesetze und Regeln der Menschen ständig und Leute verstoßen ständig gegen irgendwelche menschengemachte Gesetze.

    Und tatsächlich finden wir bei unserem wunderbaren Recht vor allem Recht, das vom Menschen für den Menschen gemacht wird. Obwohl sich unser Recht vor Urzeiten aus dem sakralen Bereich entwickelt hat. In der frühen Zeit vor hunderten von Jahren - viele unserer wunderbaren Rechtsinstitutionen sind uralt - wachten die Pontifices über die Prozessformeln. Diese waren ihr Geheimwissen. Standardisierte komplexe Spruchformeln und Gesten, die in einem Prozess exakt widergegeben werden mussten, sonst war der Prozess verloren. Sehr würdevoll, aber hoffnungslos unpraktisch. Für uns heute sind die nicht mehr besonders relevant, aber wenn wir hier Freunde der Rechtsaltertümer haben, kann ich da gerne auch weitere Ausführungen dazu machen.


    Auch die Diskussion um den Unterschied zwischen Recht und Moral klingt ja hier an. Es wurde auch viel über Gesetze gesprochen und wenn ich das mal zusammen füge, könnte man sagen, dass Gesetze Regeln sind. Aber nicht alle Regeln sind Gesetze. Es gibt auch die Regeln der Moral und die Regelungen, die Verträge unter den privaten treffen. Und für alle Regel gibt, dass sie anzeigen, was erlaubt oder erwünscht und nicht erlaubt oder nicht erwünscht ist."


    Er nahm einen Schluck von dem Wein.


    "Werden wir an dieser Stelle ein bisschen konkret. Welche Arten und Formen von menschlichen Gesetzen kennen wir in unserem römischen Gemeinwesen?"

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  • Ein wenig pikiert schaute Ravilla, als Quintus Flavius Dexter den Raum betrat, der augenscheinlich meinte, diese Lokalität sei seine Bühne. Da der gepeinigte Seius am heutigen Tage nur ein Schatten seiner sonstigen Pracht war, verschob sich das Gefüge der Aufmerksamkeit in einer für Ravilla ungünstigen Weise.


    "Zum einen kennen wir diverse Codices, die universellen - den namentlichen Codex Universalis - und auch die speziellen, wie den Codex Iuridicalis, welcher das Strafrecht definiert", antwortete Ravilla nun auf die Frage ihres Dozenten, den dargereichten Trunk schwenkend. "Auch der Codex Militaris ist in diesem Zusammenhang freilich zu erwähnen. Ergänzt werden diese durch regionale Gesetze, so kann die Rechtslage in Poleis bisweilen abweichen. Hinzu kommt das überlieferte Recht, zuvorderst gilt beispielhaft das Zwölftafelgesetz als wohl bekannteste Verschriftlichung überlieferten Rechtsgutes."


    Anaxis indes hatte einen Krug Weißwein gefunden und mischte seinem Herrn ein Getränk nach dessen bevorzugtem Mischungsverhältnis. Ein üppiger Löffel Honig rundete die Mixtur ab, da Ravilla meinte, das Bienengold würde die Pein solcher Tage zu lindern helfen.

  • Wiederum anerkennedes Nicken.

    "Codizes, regionales Recht und überleifertes Gewohnheitsrecht. Sehr gut. Codizes sind eine relativ neue Entwicklung. Noch vor einigen Jahrzehnten gab es solche praktisch überhaupt nicht. Sie sind auch kontrovers, kann ich euch sagen. Einige würden behaupten, dass die Codizes schlicht unrömisch sind. Sammelsurien, manche mehr oder weniger ausgegoren. Aber sie haben auch unbestreitbar Vorteile. Die Übersichtlichkeit zum Beispiel.

    Das überlieferte Gewohnheitsrecht spielt bei uns traditionell eine große Rolle.

    Traditionell spielen auch die Magistrate eine hervorragend wichtige Rolle bei der Rechtsbildung. So wird das Zivilrecht, das zwischen den Bürgern, zwischen Bürgern und Peregrinen und zwischen Peregrinen für private Angelegenheiten gilt, wesentlich durch die Prätoren und seit neuerem durch die Lex Mercatus auch durch den Aedil bestimmt.

    Jeder Praetor legt in seinem Album fest, welche Klagearten er zulassen möchte. Zum Beispiel die Klage des Käufers gegen den Verkäufer. Bei Bedarf kann er diese Liste auch ergänzen. Es ist dabei Praxis, dass jeder neue Praetor die Liste seines Vorgängers übernimmt, ohne Streichungen vorzunehmen. So ergab sich über die Jahrhunderte ein stetiger und gemessener Innovationsprozess, der das Recht den Gegebenheiten und Herausforderungen der Zeit anpassen konnte. Brillant.

    Codizes, Gewohnheitsrecht und prätorisches Recht sind jedoch nicht die einzigen Arten der Gesetzgebung in unserem hervorragenden Gemeinwesen." Tiberius sah fragend in die Runde.

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  • Brillant.

    Codizes, Gewohnheitsrecht und prätorisches Recht sind jedoch nicht die einzigen Arten der Gesetzgebung in unserem hervorragenden Gemeinwesen." Tiberius sah fragend in die Runde.


    Ravilla war selbst mit Kopfschmerzen schnell im Denken, dachte ich. Ich grüßte mit einem respektvollem Nicken Florus Minor.

    Dexter kannte ich nicht, aber es würde nicht ausbleiben, ihn näher kennen zu lernen.


    "Der Kaiser ist eine Appellationsinstanz. Und seine Decreta, kaiserliche Entscheidungen, können auch Gesetzeswirkung entfalten." warf ich ein - damit hatte ich in der Kanzlei schlicht am meisten zu schaffen.

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    Einmal editiert, zuletzt von Aulus Furius Saturninus () aus folgendem Grund: Rechtschreibfehler verbessert

  • Lurco grüßte mit allem gebotenen Respekt seinen Patron.


    "Ebenso sind Weisungen und Befehle unserer Vorgesetzen Regeln die wir zu befolgen haben. Befehle werden befolgt und nicht hinterfragt. Somit sind jene Weisungen und Befehle "Gesetze" die unsere Vorgesetzen sitiuationsbedingt aussprechen. Jenen Befehlen liegen natürlich rechtliche Gesetze zu Grunde. Demzufolge könnte man auch unsere Weisungen die wir zum Beispiel Bürgern erteilen, als Regeln und Gesetze betrachten. Wir stellen eine Regel auf, um eine Situation zu deeskalieren oder andere vor Schaden zu schützen. Ein Beispiel hierfür wäre ein Platzverweis. Eine klare Regel, die sofort einzuhalten ist, aber nicht von ewiger Dauer ist", warf Lurco ein.

  • Ich grüsste entsprechende standesgemäss zurück.


    Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Eine Weisung eines Vorgesetzten oder eines Urbaners als Gesetz zu bezeichnen halte ich für äusserst problematisch. Man könnte beginnen eine Hierarchie dieser Worte anzufertigen. Abmachung auf der untersten Stufe, Regel steht unter Weisung, Weisung ist niedriger als Befehl, Befehl steht deutlich unter Gesetz, etc.

  • Ravillas Geist kreiste um die Formulierung der Appellationsinstanz. Das Wort schien sich vom Appell abzuleiten, ergab indes mit der ihm bekannten Bedeutung im Sinne einer Mahnung keine zufriedenstellende Interpretation. Ravilla hatte sich auf den Cursus vorbereitet, jedoch war er kein ausgelernter Jurist und derartige Details nicht mit seinem laienhaften Verständnis herzuleiten. Saturninus mochte im Vorteil sein aufgrund seiner beruflichen Vorbildung. Ravilla gab Anaxis ein Zeichen, die Anmerkung von Saturninus zu notieren, sofern er es noch nicht getan hatte, so dass Ravilla zu Hause nachschlagen konnte, falls Valerius Flaccus den Sachverhalt nicht aufzuklären gedachte.


    Einstweilen lauschte er dem Dialog, welcher zwischen Florus Minor und Purgitius Lurco entstanden war. Seine Kopfschmerzen zwangen ihn noch immer zur Zurückhaltung, doch mit den Notizen seines Sklaven würde er notfalls die verpassten Dinge nacharbeiten können.

  • Donnerwetter, sogar der Senator Annaeus Florus, der unlängst seine Quaestur absolviert hatte, hatte sich heut hier eingefunden. Tiberius grüßte kurz um die Diskussion nicht zu stören und bot dem Senator einen Platz an.

    Dann sah er zu Lurco, ober er auf den Einwand noch etwas erwidern wollte.

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  • Lurco nickte zustimmend.


    "Betrachtet man die Weisung allein für sich, stimme ich Dir absolut zu, dass es problematisch wäre diese als Gesetz auszulegen. Unser Thema war jedoch, was kann als Regel oder Gesetz verstanden werden? Deshalb habe ich auch unsere Weisungen und Befehle aufgeführt. Eine Regel wird aufgestellt, um das Zusammenleben einer bestimmten Gruppe zu ermöglichen und zu vereinfachen.


    Betrachten wir unter fast gleichen Bedingungen die Cohortes, dann müssen auch wir beruflich eigenen Regeln folgen, um ein Zusammenleben und eine Zusammenarbeit zu gewährleisten. Aus diesem Grund sind unsere Regeln oder unsere Gesetze jene Befehle die unsere Vorgesetzten aussprechen. Sie selbst richten sich nach der tatsächlichen Gesetzeslage, welche die Grundlage für ihre Befehle sind. Jene Befehle dienen der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Castra und auch der ständigen Betriebsbereitschaft.


    Selbstverständlich ist eine Weisung kein tatsächliches Gesetz. Dennoch ist die Weisung in meinen Augen zumindest eine einseitig aufgestellte Regel, die den Dienstbetrieb und das Zusammenleben ermöglichen soll. Das war der Gedanke hinter meiner Überlegung", warf Lurco freundlich ein. Die Diskussion über Auslegungen freute ihn besonders.

  • Ich war grundsätzlich einverstanden, jedoch:


    Dann stellt sich mir jedoch die Frage, ob jeder Befehl und jede Weisung immer zwingend den geltenden Gesetzen folgt? Gibt es nicht auch Befehle und Weisungen, welche gegen Gesetze verstossen?


    Ich selbst hatte solche Dinge schon erlebt und alle Anwesenden wussten sicherlich eigene Geschichten aus ihren Familien aus dem Bürgerkrieg zu erzählen.

  • "Ja selbstverständlich gibt es immer Menschen die ihre Macht oder Befehlsgewalt missbrauchen. Im normalen Dienst mit ordungsgemäßen Befehlen, sind diese nicht zu hinterfragen, sondern zu befolgen. Dazu muss ich etwas ausführen. Grund hierfür ist nicht geleisteter oder gelebter Kadavergehorsam. Grund einen Befehl im normalen Dienstalltag sofort umzusetzen, ist oft die Truppen- und Eigensicherung. In Situationen wo ein einziger Augenblick über Leben und Tod entscheiden kann, darf es kein Zögern geben. Hier muss sich der Befehlsempfänger auf seinen Befehlshaber verlassen können, im Umkehrschluss selbstverständlich ebenso. Unser Beruf birgt große Risiken, Situationen können binnen Sekunden umschlagen. Dies kann Verletzungen oder sogar den Tod zur Folge haben. Für die Kameraden, für Bürger die wir schützen, aber auch für uns selbst.


    Nun kann es aber natürlich vorkommen, wie Du zu Recht einwirfst, was geschieht sobald jemand genau diese Macht missbraucht? Wenn er diese Regularien für sich missbraucht und nicht zum Schutze seiner Untergebenen, der Bürger oder zur Ausübung der dienstlichen Pflicht?


    Jeder Urbaner hat neben der Verpflichtung Befehlen Folge zu leisten, eine weitere Pflicht - die Pflicht der Wachsamkeit.


    Die Wachsamkeit ergibt sich für mich folgendermaßen. Vereidigt wurde ich auf den Kaiser. Meine Treue, meine Loyalität, mein Schwert gehört dem Kaiser und damit Rom. Repräsentiert wird der Kaiser somit durch jeden Urbaner der Rom schützt und verteidigt und zwar vom Höchsten bis zum Niedersten. Direkter Sprecher unseres Kaisers ist für die Cohortes unser Praefectus Urbi. Er führt das Kommando über die Urbaner. Jeder Urbaner über mir, ist also für mich als Sprachrohr des Kaisers zu werten.


    Die Wachsamkeit die man stets walten lassen sollte heißt hier, spricht dieser Vorgesetzte tatsächlich für den Kaiser und für Rom? Sollte dem nicht so sein, dient der Vorgesetze in dem Moment nicht dem Kaiser und erfüllt nicht sein Amt. Schlimmstenfalls richtet er sich sogar gegen den Kaiser und damit gegen Rom selbst. Dann haben wir einen Feind in den eigenen Reihen. In diesem Fall ist dieser Mann nicht mehr als Vorgesetzter zu betrachten und seinem Befehl auch nicht mehr Folge zu leisten. Er ist als das zu werten, was er ist - ein Feind.


    Die Befehlsverweigerung eines legalen Befehls ist ein Vergehen oft sogar strafbar.

    Die Befehlsverweigerung ist durchzuführen, wenn die Durchführung des Befehls selbst eine Straftat darstellen würde.


    Manchmal beinhaltet ein ungerechtfertigter Befehl zum Bespiel nicht die Aufforderung einer Handlung, sondern die Anweisung etwas zu unterlassen. Würde man diesem Befehl Folge leisten, wohlwissend dass dadurch Menschen zu schaden kommen oder sterben? Nein. In diesem Fall ist man verpflichtet zu handeln und sich über die widrige Weisung des Befehlshabers hinweg zu setzen.


    Diese Wachsamkeit muss von jedem Urbaner stets gegeben sein", erläuterte Lurco seine Sicht.

  • Und nicht bloss von einem Urbaner. Ich verlange dies von jedem Menschen. ergänzte ich, denn genau darauf hatte ich hinausgewollt, jedoch nicht gewagt, es als Senator selbst auszusprechen.


    Befehlsverweigerung war im Normalfall ein schweres Vergehen!



  • Ich zog eine Augenbraue hoch, da mein Patron dem Purgitius beipflichtete, denn ich war nicht einverstanden mit dem Gesagten.

    Wo kämen wir hin, wenn jeder Cornicularius die Maxime staatlichen Handels sozusagen in seiner eigenen Brust schlummern ließe?

    Ich hielt die Idee, dass ein jeder selbst entscheiden möge, ob ein Befehl gerade einmal dem wirklichen Willen von SPQR beziehungsweise dem Kaiser entspräche, unter bestimmten Umständen sogar für staatsgefährdend.*

    Nur wie konnte ich das milde ausdrücken? Der Purgitius war gewiss ein ehrenwerter Mann mit uneigennützigen Motiven, daran zweifelte ich nicht.

    Doch rein mit gutem Willen konnte man auch fehlgehen. Und diesen Punkt formulierte ich als Frage:


    " Wir Römer sind ein Volk, das sich nicht auf göttliche Gesetze beruft wie beispielsweise die Hebräer, sondern wir sind stolz darauf, dass unsere Vorfahren und wir bis zu dem heutigen Tag das Recht in Worte fassen, gewiss aus vielen Quellen, gewiss mit Irrtümern, zuweilen ausufernd, aber ganz klar menschengemacht.


    Woher möchte der einzelne wissen, was genau der Wille des Imperiums ist? Ist die Gefahr, fehlzugehen oder das Urteil ganz alleine zu fällen , und ich betone, mit den besten Absichten fehl zu gehen, nicht allzu groß?


    Der ehrenwerte Purgitius Lurco nannte den höchsten Wert Menschenleben, ich zitiere dich " Würde man diesem Befehl Folge leisten, wohlwissend dass dadurch Menschen zu schaden kommen oder sterben?"

    Stell dir vor, ich sei ebenfalls Urbaner."...ich dachte bei mir, dass sich der Purgitius das bestimmt nicht vorstellen wollte:


    "Ich meine aber jetzt, dass der Erhalt der Staatsrason über Menschenleben steht und damit gewisse Personen sterben müssen.

    Auch ich meine ja, das höhere Wohl zu vertreten.

    Wer aber entscheidet, wer Recht hat?"


    Ja, wer? Die anderen? Die Götter? Gar die Geschichte? Oder was ich vorher angesprochen hatte, der Caesar Augustus als Appellationsinstanz, an die sich jeder römische Bürger wenden konnte, um ein Urteil überprüfen zu lassen?**


    Sim-Off:

    * Saturninus ist gewiss ein guter Mann, aber doch einer des 2. Jahrhunderts. Ich lege hier Wert darauf, dass ab hier die Meinung des Spielers RL und von Furius IR nicht übereinstimmen ;)

    ** Für Saturninus sind Menschenrechte Bürgerrechte. Das berühmteste Beispiel einer solchen Appellation ist der Apostel Paulus

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  • Dann machen wir doch ein Beispiel, das uns allen vielleicht noch in Erinnerung ist. Nehmen wir einen Redewettstreit auf dem Forum an und eine Person, welche diesen stört mit einer Brandrede gegen das Imperium und die römischen Götter.


    Ganz so dramatisch war es nun nicht gewesen, aber die Anwesenden sollten zumindest wissen, in welche Richtung ich dachte.


    Nehmen wir nun an, der Praefectus Urbi würde in dieser Situation seine Truppen anweisen, das Forum mit Waffengewalt zu räumen und ohne Rücksicht auf Bürgerrecht oder Beteiligung alle niederzuschlagen, welche im Wege stehen.


    Ich nehme nicht an, dass unser momentaner Praefectus Urbi solche Befehle geben würde, aber die Geschichte, vor allem die des letzten Bürgerkrieges, lehrt uns doch, dass es Menschen gibt, die dazu in der Lage wären.


    Würde man hier nun diesen Befehl wörtlich ausführen, weil es ein Befehl ist? Oder würde man sich widersetzen, oder den Befehl leicht anders umsetzen, um nicht die Leben von Bürgern zu gefährden?


    Natürlich ist ein Befehl ein Befehl und er soll nicht aus Prinzip hinterfragt werden, sondern befolgt. Aber es gibt doch bestimmt Situationen, in welchen eben auch die persönliche Einschätzung wichtig ist.


    Nehmen wir ein etwas weniger dramatisches Beispiel. Ein Haus brennt, der befehlshabende Vigil untersagt es seinen Leuten, ins Haus zu gehen und ein Kind zu retten, welches von drinnen um Hilfe schreit, weil er es für zu gefährlich hält. Einer der Vigiles traut sich das nun trotzdem zu und rettet das Kind. Soll er nun als Held gefeiert werden, oder für seine Befehlsverweigerung gemäss Gesetz gerichtet werden?


    Ja, das Recht war eben alles andere als eindeutig.

  • "Eine gute Frage, was ist der Staat? Der Staat an sich ist ein Gedanke, ein geistiges Konstrukt und der Zusammenhalt all jener Menschen die diesen Staat ausmachen. Wer bildet also den Grundstein Roms? Die Steine der Stadt? Nein. Man könnte sämtliche Häuser, Mauern, Theater niederreißen, Rom würde weiter existieren. Denn Rom, das sind die Menschen die es ausmachen.


    Sollten wir all dieses Materielle verlieren, so werden die Römer es erneut aufbauen, denn solange ein Römer noch lebt, existiert auch noch Rom. Rom ist mehr als ein Haufen Steine, ja Rom ist sogar mehr als der römische Bürger selbst. Rom ist vor allem eines - ist eine Geisteshaltung. Das ist meine persönliche Auffassung.


    Nur ein Mensch besitzt Geisteshaltung, deshalb ist es unsere oberste Pflicht den Menschen, den Römer und damit Rom selbst zu verteidigen. Alles andere ist zur Not ersetzbar.


    Deinen Einwand bezüglich von zu opfernden Menschenleben greife ich gerne auf. Selbstverständlich kommt es vor, dass zur Erhaltung Roms Menschenleben geopfert werden müssen. Aber auch diese Menschen opfern ihre Leben nicht für ein Haufen Steine. Sie sterben, damit andere Römer leben können. Die Legionen kämpfen für Rom für seine Menschen und schützen jene die sich selbst nicht schützen können. Das ist der Hintergrund, warum wir unsere Gesundheit und sogar unser Leben aufs Spiel setzen, es opfern oder es entrissen bekommen.


    Selbst im Angesicht des Todes muss ein Legionär oder Urbaner standhaft bleiben und seinem Dienst gerecht werden. Dafür wählte er den Dienst an der Waffe. Den Tod nicht zu fürchten, weil man das Leben nicht wertschätzt, ist ein leichtes. Dieser Mann wählte den falschen Beruf. Der wahre Legionär oder Urbaner kämpft, weil er es muss und weil er das Leben liebt. Das Leben der Römer, das Leben Roms und sein eigenes.


    Der Wille des Imperiums ist für mich der Wille Roms. Schütze ich einen Römer, schütze ich Rom und das Imperium. Andere mögen andere Wertemaßstäbe ansetzen.


    Stellen wir uns vor, Du bist Urbaner. Dein Einsatzort ist ein brennendes Haus. Die Vigiles sind scheinbar mit allem beschäftigt, aber der Brand scheint sie momentan aus unerklärlichen Gründen nicht zu interessieren. Du siehst, dass sich noch Menschen in dem brennenden Haus befinden. Du weißt sie sind schwach und ihnen läuft die Zeit davon und die Luft geht ihnen aus. Dein Vorgesetzter erteilt Dir den Befehl, den Vigiles zur Hand zu gehen die sich um eine einzige Sklavin kümmern, die weit entfernt von den Flammen in Sicherheit sitzt.


    Leitest Du dem Befehl Deines Vorgesetzen Folge und lässt die Menschen in dem Haus verbrennen?

    Leistest Du dem Befehl Folge und hilfst den Vigiles?

    Oder missachtest Du den Befehl, gehst in das Haus und versucht die Menschen zu retten? In der Hoffnung wenigstens einem beistehen zu können?


    Und eine weitere Frage meinerseits. Stell Dir jetzt vor, Du bist nicht der Urbaner.

    Du bist der Mann in dem brennenden Haus für den sich niemand interessiert. Du bist ein Bürger Roms. Was erwartest Du von Deiner Cohortes Urbanae?


    Die Blickwinkel auf eine Situation sind mannigfaltig und können von mindestens zwei Seiten betrachtet werden.


    Weiter wäre die Frage in Deinem Fall, wenn es nicht der Mensch selbst ist, der für Dich Rom ist. Wenn es nicht der Römer ist, der für Dich Rom repräsentiert und die damit verbundene Geisteshaltung, was ist dann für Dich Rom? Das würde mich interessieren.


    Zum Thema Gesetz. Das Gesetz soll zuerst dem Menschen dienen, denn aus diesem Grunde dient der Mensch auch dem Gesetz. Er weiß, halten wir uns alle gemeinschaftlich daran, dann haben wir alle einen Vorteil davon. Verkommt das Gesetz aber dazu, dass man diese "Regel" nur noch einhält, weil sie da ist, selbst wenn sie sich schon längst überholt hat - dann muss eine Überholung her. Wären Gesetze unumstößlich oder nicht anpassbar, dann hätten sie ihre Daseinsberechtigung verloren. Es ginge rein um den Selbsterhalt des Gesetzes", legte Lurco seine Sichtweise dar.


    Seinem Patron nickte Lurco zustimmend zu.

    "Korrekt, das würde ich unter Ermessenspielraum verbuchen. Räumen ja, aber wie? Auf das wie kommt es an. Das Beispiel mit dem brennenden Haus ist ein sehr gutes Beispiel, meines beruht sogar leider auf Tatsachen".

  • Ich überlegte, dann sagte ich:

    "Tatsächlich empfinde ich den Fall mit dem Kind noch etwas kniffliger: Denn garantiert würde es einen Unterschied machen, ob das gerettete Kind der Sohn eines Patriziers oder nur ein Sklave ist, was die spätere Bestrafung des Vigilen angeht.


    Ein Praefectus Urbis, der auf solche brachiale Weise gegen seine Mitbürger vorgeht, würde wohl selbst vor Gericht gestellt werden.


    Ein typische Beispiel ist ja: Ein Soldat missachtet den Befehl seines Vorgesetzten, aber sorgt für einen Sieg in der Schlacht. Sollte er belobigt oder hingerichtet werden?

    Unsere Vorfahren pflegten beides zu tun, wie der Historiker Livius in der Geschichte von Postumius Tubertus und von Manlius Torquatus, die beide ihre Söhne wegen militärischem Ungehorsam hinrichten ließen, berichtet.


    Ich sehe aber, Purgitius Lurco, dass du das Leben der Römer schützt, weil sie Roma selbst sind.


    Was dir damals während des Brandes - ich kenne die Geschichte nicht, da sie vor meiner Ankunft in der Urbs stattfand - geschehen ist, könnte bedeuten, dass die Sklavin Eigentum eines reichen Mannes war, und ja, ab und zu schützt das Gesetz Eigentum besser als menschliches Leben.


    Das ist es, was wohl verbesserungswürdig oder sogar schlecht ist - ich stimme mit dir und auch meinem verehrten Patron Florus Minor in der Zielsetzung überein.

    Dennoch halte ich es für besser, den langwierigen Weg über Gesetzesänderungen anstatt über individuelle Einzelfallentscheidungen zu gehen.


    Das bringt mich zu der Frage:

    Muss das Recht nicht so in Gesetze gefasst werden, damit es möglichst umfassend gilt? Damit sich gerade nicht der Einzelne ständig Gedanken machen und einmal so und dann wieder so entscheiden muss?"

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  • Lurco dachte über das Gesagte seines Vorredners nach.


    "Ein Praefectus Urbis, der auf solche brachiale Weise gegen seine Mitbürger vorgeht, würde wohl selbst vor Gericht gestellt werden...

    Nein das wird er nicht. Die Cohortes Urbanae sind davon ausgenommen. Wir befinden uns im Einsatz unter permanentem Kriegsrecht. Das heißt, wir sind niemandem außer unseren Vorgesetzten Rechenschaft schuldig. Und wer der direkte Vorgesetzte des Praefectus Urbis ist, wissen wir alle. Die Entscheidung wäre dann wohl sagen wir mal vorsichtig, hochinteressant.


    Bei dem Brand und der geretteten Sklavin die man als Eigentum über das Leben von Mitmenschen gestellt hat, kann man selbstverständlich nach dem Recht und Gesetz fragen. Aber auch nach dem gesunden Menschenverstand. Ist wirklich eine Truppe oder sage ich es mal eine Traube Vigilles notwendig um einen unbeschädigten Gegenstand zu sichern? Ein Vigilles mit vernünftigen Handschellen für das Subjekt hätte dort vollkommen ausgereicht. Eine Sicherstellung des Sklavensubjektes im Wege der Eigentumssicherung ist nachvollziehbar. Die aufgebotene Mannstärke zur Sicherstellung war bei einer derartigen Gefahrenlage durch einen Großbrand unverhältnismäßig.


    Vor allem unter dem Gesichtspunkt bei passender Koordination mehrere Aufgaben gleichzeitig bewältigen zu können. Sicherstellung des Eigentums eines reichen Bürgers, Lebensrettung und Brandbekämpfung. All diese wäre möglich gewesen.


    Das eine Gesetzesänderung rechtlich einwandfreien Weg nehmen soll, da sind wir völlig einer Meinung Furius Saturnius. Aber tritt die Befehlsverweigerung von ansonsten linientreuen Männern nicht erst in Ausnahmefällen auf? In Ausnahmesituationen wie Notfällen in Form von Katastrophen, Brände und Großbrände, Überschwemmungen, Seuchen, Aufstände und Revolten und vieles mehr.


    Natürlich dürfen auch in solchen Ausnahmesituationen die Gesetze nicht außer Kraft gesetzt werden, ansonsten herrscht Anarchie. Allerdings gibt es in diesen Ausnahmesituationen Vorkommnisse die sofortiges Handeln nötig machen. Unabhänig der Gesetzeslage ist zum Beispiel zum Schutze von Leib und Leben und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung unverzüglich einzuschreiten. Hier ist meines Erachtens mehreres gefragt. Sofortige Lagesondierung um sich einen Überblick zu verschaffen und unverzügliches wie auch beherztes Eingreifen. Die Ausnahmefälle sollten allerdings die Ausnahme bleiben.


    Durch eigenmächtiges oder eigenverantwortliches Handeln eine Schlacht zu gewinnen, kann dann der persönliche Verlust des Legionärs werden. Soll er belobigt oder bestraft werden? Eine gute und sehr schwierige Frage. Hier würde ich versuchen die Situation in Gänze zu erfassen. Was ließ diesen Mann wider einem Befehl handeln? Oder was ließ den Befehlshaber an entsprechender Stelle zögern? Tatsächlich Recht zu sprechen ist sehr schwierig. Wie Du schon sagst, woran macht man es fest? Wer setzt hier den Maßstab? In jenem Fall wo Belobigung und Hinrichtung Hand in Hand ging, ist es extrem sich selbst ein Urteil zu bilden. Wer weiß wie jeder von uns in diesem Fall entschieden hätte, hätte er dies gemusst?


    Das Recht in klare Gesetze zu fassen, damit diese nicht ständig neu interpretiert werden müssen halte ich für richtig. Grenzen sorgen für Klarheit", antwortete Lurco gut gelaunt.

  • "Dura lex, sed lex."
    bemerkte Dexter lakonisch, als nach dem interessanten jedoch ausufernden Wortwechsel auch der letzte Redeschwall des Purgitius abgeklungen war. Dexter hielt den Mann, der von den Cohortes Urbanae in der wir-Form sprach für einen Tribun, denn dass ein einfacher Soldat sich unter die Wissensdurstigen hier mischen könnte, sprengte des Flaviers Vorstellungsvermögen. So nahm er kein Blatt vor den Mund.
    "Befehlsverweigerung wird aus gutem Grund mit dem Tode bestraft."
    Beifällig hatte er genickt, bei den historischen Beispielen, die der Aulus genannte Teilnehmer angeführt hatte.
    "Wenn gemeines Fußvolk sich anmaßt nach eigenem Gutdünken zu urteilen, Befehle zu missachten, eigene Weisungen fälschlich als 'Gesetz' anzusehen, so öffnet dies dem Chaos und der Wirrkürr..."
    Tanit, die sich neben dem Platz ihres Herrn im Schneidersitz niedergelassen hatte und Notizen machte, tippte Dexter diskret ans Bein.
    "...Verzeihung, der Willkür Tür und Tor. Nur die vorzüglichsten und gebildetsten unter uns Römern sind dazu befähigt und würdig, im Senat die Gesetze unseres Gemeinwesens zu pflegen und gegebenenfalls anzupassen."
    Codizes, Gewohnheitsrecht und prätorisches Recht, kaiserliche Dekrete, Senatus Consulta... Dexter überlegte, ob darüber hinaus die mores maiorum zu erwähnen waren, kam jedoch zu dem Schluß, dass sie wohl als Teil des Gewohnheitsrechtes galten.

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