• "Heute mag das stimmen, heute können nur noch Personen wie Senatoren, Advokaten oder gleich gebildete Personen die Fülle aller Gesetze verstehen. Sie sind eine wahre Wissenschaft für sich selbst geworden. Aber wo nahm dies alles ursprünglich seinen Anfang? Lange bevor es Senatoren oder Advokaten gab? Als Rom noch keine Weltmacht gewesen ist. Wer schuf die aller ersten Gesetze? Müssen das nicht auch Leute des Volkes gewesen sein?", fragte Lurco in die Runde. Schließlich hatte alles seinen Ursprung, so die Gesetze sicher auch.

  • Und wieder lieferte mir Purgitius eine Steilvorlage:


    Das erste römische Gesetz erliess Romulus, als er mit seinem Schwert die Grenze des Pomerium in den Boden zog. Sein Bruder musste bekanntlich teuer dafür bezahlen, dass er ihn auslachte und meinte, niemand würde sich an eine Furche im Boden als Grenze halten.


    Das römische Recht fusst damit wortwörtlich auf Blutvergiessen und Brudermord!


    Eine äusserst gewagte These, jedoch historisch nicht zu widerlegen.


  • Ich nickte zu des Flavius Worte, denn auch wenn ich selbst Plebejer war, so war ich doch noch lange kein "Volksfreund".

    Die Warnungen des Ciceros vor der Ochlokratie, der Pöbelherrschaft, waren an mir nicht unbemerkt vorbeigegangen:

    Das warf ich ein:

    " Aus dem Volk selbst kommen keine Gesetze, von Natur aus ist es zügellos: Ich zitiere: Die Folge dieser schrankenlosen Frechheit, sagt er, ist dann zuletzt die, dass die Gemüter der Bürger so empfindlich und reizbar werden, dass sie, sobald nur mit den geringsten Ernst auf Befolgung eines Gebotes gedrungen wird, aufbrausen und es nicht ertragen können, worauf sie denn auch anfangen, die Gesetze nicht mehr zu achten, um ganz und gar keinen Herrn mehr über sich zu haben."*

    Pöbelherrschaft und Anarchie sind die Folge, wenn jeder meint, sein eigener Gesetzgeber zu sein. Aber gerade um dieses Bestreben zu verhindern, müssen die Gesetze...ja gerecht sein, so dass auch der geringste Bürger sich gerecht behandelt fühlt, und wie der verehrte Purgutius Lurco mir dankensweise zustimmte, auch klar und einleuchtend sein."


    Ich seufzte etwas, mein Patron Florus Minor machte es mir etwas schwer, da es kein guter Stil war, ihm vor Publikum zu widersprechen. Ich beschloss das Ganze als Ergänzung zu formulieren:


    " Mein verehrter Patron Florus Minor stellt die These auf, dass das römische Recht wortwörtlich auf Blutvergiessen und Brudermord fusst. Ich möchte anfügen, dass erstens Romulus ein König war....", ich sprach das Wort "rex" mit Herablassung aus, Könige waren im Unterschied zu unserem Kaiser höchstens für irgendwelche Klientelreiche oder Barbaren gut:

    "...und seine Tat keineswegs im Rahmen der damals geltenden Gesetze lag. Nur weil er König war, wurde er nicht bestraft. Und zweitens hatte sich Roma nicht im leeren Raum gegründet: Alba Longa war seine Mutterstadt. Das bedeutete, die Gründer brachten die albalongische Gesetzgebung mit. Und Alba Longa wurde von Ascanius, dem Sohn deines großen Stammvaters o Florus Minor..." Die Annaea führte bekannterweise ihre Abstammung auf den legendären Annaeas zurück ....:"gegründet, so das gewiss auch trojanische Sitte und Gesetze mit eingeflossen sind.

    Nicht auf Mord gründet sich das großartige römische Recht, sondern auf ein Geflecht der Regeln, die man als gedeihlich für das Zusammenleben angesehen hat. Später schlagen sich selbst die Solonschen Gesetze aus Athen im Zwölftafelgesetz nieder. Und gerade hier schließt sich der Kreis:

    Ausschlaggebend für die Unterscheidung von Recht und Unrecht war von da ab nicht mehr die individuelle Abwägung, sondern Gesetze und die durch sie gefestigte Rechtsgemeinschaft!"


    Wie gesagt, fand ich auch gut so.



    Sim-Off:

    * Den Text Cic.rep.1,65-68 zum Nachlesen ** Über die griechischen Einflüsse auf das Zwölftafelgesetz

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  • Ich nickte und schüttelte abwechselnd den Kopf auf die Antworten, je nach meiner Meinung.


    Danke für die Ergänzung, Furius Saturninus. Du irrst jedoch, wenn du Romulus bereits bei der Markierung des Pomerium als König bezeichnest. Dies wurde er erst nach dem Tode seines Bruders und nach der Gründung der Stadt.


    Auch was deinen Einwand zur Vorgeschichte Roms angeht, dessen Historie meine Gens in der Tat feiert, so muss man diesen auf Grund der Frage ausser Acht lassen. Die Frage lautete nach dem ersten Römischen Gesetz. Die Alba Longinischen Gesetze und die Trojanischen Gesetze, wie auch die Griechischen und alten Ägyptischen Gesetze, sind keine Römischen Gesetze. Dies besagt allein der Name schon. Natürlich haben diese Gesetze alle einen Einfluss auf die römischen Gesetze, aber sie sind deswegen noch lange nicht selbst römisch. Wenn du so argumentieren würdest, dann gäbe es kein römisches Recht, keinen römischen Frieden, kein römisches Bürgerrecht, weil sich alles und jedes von anderen Dingen herleitet und entwickelt hat. Es gäbe selbst keine römische Religion, weil sie von den Griechen geprägt wurde, etc.


    Diese Argumentation ist natürlich korrekt, aber sie ist genauso gefährlich und für die vorhin gestellte Frage leider nicht relevant. Römisch ist was von den Römern entworfen oder entwickelt wurde. Die Römische Religion unterscheidet sich zum Beispiel in vielen Dingen von ihrem Griechischen Vorfahren. Erst durch diese Veränderungen wird sie Römisch.

  • "Meine Argumentation bezog sich auf die von dir formulierte These:

    Das römische Recht fusst damit wortwörtlich auf Blutvergiessen und Brudermord!" verehrter Florus Minor.", sagte ich in sehr sanftem Tonfall:

    "Verzeih es meiner Jugend, wenn eine solche Polemik deinerseits auch Polemik von meiner Seite, von der ich gar nicht wusste, dass sie mir innewohnt, herausgefordert hat. Nach wie vor halte ich es freilich für unser großes Talent, alles zu assimilieren, was uns nützlich erscheint und es römisch zu machen. Du hast freilich Recht, dass das ein anderes Thema ist, ich wollte auch nur erstens aufzeigen, dass nicht nur Brudermord und Totschlag die Basis des römischen Rechtes bilden, sondern andere Einflüsse prägender waren und zweitens, dass gerade das Verständnis einer Rechtsgemeinschaft vor individuellen Entscheidungen stehen soll; über letzteres waren wir uns schon einig, auch hier hast du selbstverständlich Recht."


    Ich lächelte, trank noch einen Schluck Wein und hob den Becher leicht in Florus Richtung.

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  • Da wir uns offenbar einig waren und Saturninus die Diskussion daher nicht in eine weitere Richtung lenkte, erhob auch ich meinen Becher und prostete ihm mit einem grossen Lächeln im Gesicht zu. Es machte Spass, sich in Meinungen auszutauschen. Darum war ich auch im Senat, denn dort wurde diskutiert, meist sogar mit Argumenten und das tat ich gerne.

  • Tiberius fand, an dieser Stelle wäre es günstig sich wieder einmal einzuschalten.

    "Ihr seht, man kann über diese Themen ohne Weiteres ausufernd diskutieren. Ich bin Anwalt, also kann ich beide der Standpunkte in dieser Diskussion vertreten." scherzte er. "Lasst mich nur noch ein zwei Sachen dazu sagen: Wie sich die Befehle eines Vorgesetzten zum Recht verhalten mögen, ist eine Frage, die mir jedenfalls noch nicht untergekommen ist. Die meisten Soldaten, die einen Befehl verweigern, schaffen es nicht bis zu einem Anwalt könnte ich mir vorstellen. Normalerweise zählt man den Befehl eines Vorgesetzen nicht zur Gesetzgebung an sich, zweifellos wirkt er jedoch für die Befehlsunterworfenen wie eines. Die Auffassungen, die ich hier dazu gehört habe, sind alle nicht ohne ihre Pluspunkte.

    Zynischere Leute würden nun noch darauf hinweisen, dass gerade mit Befehlen eines Vorgesetzen die Macht eine Rolle spielt. Ein Offizier oder Amtsträger hat in der Situation die Mittel seinen Befehl durchzusetzen, also gäbe es auf einer funktionalen Ebene für den Befehlsempfänger keinen Unterschied ob ein Befehl Gesetz ist oder nicht. Manche würden dies übrigens dann quasi hoch rechnen und sagen, alle diese Formalitäten mit den Amtsträgern, Gesetzen und was weiß ich, ist alles nur Theater. Recht ist die Ausübung von Macht und Macht ist die Möglichkeit, seinen Willen durchzusetzen. Also sei das Recht der Wille der Mächtigen. Nicht mehr und nicht weniger. Jedenfalls wenn man einigen besonders schlecht gelaunten Griechen in Athen glaubt. Mir ist diese Ansicht allerdings zu platt. Das nocht dazu.

    Ach so, Aulus, du zitierst so gelehrt den großen Cicero wenn er vom Volke spricht. Einige unserer Gesetze und besonders einige unserer ehrwürdigsten Gesetze kommen in der Tat aus dem Volke: Plebiszite. Sie sind außer Gebrauch gekommen, aber durch die Zeiten haben sich einige dieser Volksgesetze dem Gemeinwesen gute Dienste geleistet. Wiewohl die Gefahren dieses Instruments nicht zu leugnen sind.

    Zusammenfassend also haben wir an Arten der Gesetzgebung: Statutsgesetze - nennen wir Dinge wie de XII Tafeln oder von mir aus auch die Codizes so- , die Senatus Consulta, die Rechtssätze des Kaisers, die Edikte der Magistrate und die Plebiszite.

    Liebe Rechtsfreunde, das Salz in der Suppe fehlt allerdings noch. Bei Lurco hat es sich schon angedeutet. Es sind die entsprechend gebildeten, die die Gesetze verstehen. In unserem Gemeinwesen legt man allgmein großen Wert auf die Meinungen der großen Juristen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Magistrat, dessen Stärken sich nicht unbedingt auf dem juristischen Feld befinden, ein Gutachten von einem angesehenen Rechtsgelehrten einholt. Der Magistrat wird die Sache dann so entscheiden, wie der Rechtsgelehrte es beurteilt hat. Sammlungen dieser Fallbetrachtungen sind eine wichtige Quelle für unser Rechtsverständnis.

    Oft wird der Magistrat auch Rechtsgelehrte in seinem Consilium haben. Die verdientesten unter den Juristen zeichnet der Kaiser mit dem ius respondendi aus. Dies beinhaltet, mit kaiserlicher Vollmacht Rechtsgutachten abzugeben.

    Die wichtigsten der römischen Rechtsschulen waren die Sabinianer, die ihren Namen von dem großen Masurius Sabinus herleiten und auf Gaius Ateius Capito zurück gehen und den Proculianern, die ihren Namen von Proculus herleiten und auf Antistinius Labeo zurück gehen. Letztlich gehen beide auf den Schülerkreis des berühmten Servius Sulpicius Rufus zurück. Sowohl Labeo als auch Capito wurden von Aulus Ofilius, dem Meisterschüler des Sulpicius Rufus, ausgebildet. Beide Rechtsschulen haben große Juristen hervor gebracht.

    Es sind die Rechtsgelehrten, nach deren Takt die Melodie des Rechts gespielt wird."

    Tiberius nahm einen Schluck Wein. "Soweit Fragen oder Anmerkungen?"

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  • Lurco lernte heute einiges unter anderem lernte er die wahren Machthaber Roms kennen.


    Den Schattensenat.


    "Dass bedeutet, dass Recht liegt in Wahrheit in den Händen der Berater, den Gutachtern.


    Sie sind die tatsächlichen Mächtigen in Rom. Alle anderen sind ihre Aushängeschilder und Spielfiguren.


    Das jenen Beratern daran gelegen ist, dass das Recht so kompliziert wie möglich ist, ist klar. Dass sichert ihnen ihre Daseinsberechtigung. Jene Berater möchten ihre Macht, ihren Einfluss und ihre Posten behalten.


    Eine sehr gute und taktisch kluge Position. Zeichnet sich eine Entscheidung als Erfolg aus, wird der Berater auf sich verweisen. Versagt er, wir er auf die offizielle Amtsperson verweisen. Letztendlich ist es deren Entscheidung gewesen. Er steht also stets auf der Gewinnerseite.


    Demzufolge wäre es klug, so klug oder klüger als sein Berater zu sein. Nicht nur in Rechtsangelegenheiten", grübelte Lurco laut.

  • Purgitius Lurco reagierte, wie es viele Römer taten, wenn sie zum ersten Mal von den Rechtsgelehrten hörten, welche ihre Auslegungen in beratender Funktion erliessen.


    Ganz so weit würde ich nicht gehen. Im Senat sitzen jede Menge Männer, welche sich sehr gut mit den Gesetzen auskennen. Gerade die derzeitigen grossen Namen im Senat, Claudius Menecrates und Flavius Gracchus, sind äusserst bewandert auf diesem Gebiet, wie ich in unseren Diskussionen immer wieder feststellen darf.


    Ich bin sicher, sie würden sich ihre Position nur ungern von einem Berater streitig machen lassen und auch ich bin darauf bedacht, bei allem Gewicht dieser Rechtsgelehrten, aus ihren Auslegungen meine eigene Meinung zu formen und nicht bloss ihre Worte weiterzugeben.

  • Die wichtigsten der römischen Rechtsschulen waren die Sabinianer, die ihren Namen von dem großen Masurius Sabinus herleiten und auf Gaius Ateius Capito zurück gehen und den Proculianern, die ihren Namen von Proculus herleiten und auf Antistinius Labeo zurück gehen. Letztlich gehen beide auf den Schülerkreis des berühmten Servius Sulpicius Rufus zurück. Sowohl Labeo als auch Capito wurden von Aulus Ofilius, dem Meisterschüler des Sulpicius Rufus, ausgebildet. Beide Rechtsschulen haben große Juristen hervor gebracht.

    Es sind die Rechtsgelehrten, nach deren Takt die Melodie des Rechts gespielt wird."


    Eine sehr gute und taktisch kluge Position. Zeichnet sich eine Entscheidung als Erfolg aus, wird der Berater auf sich verweisen. Versagt er, wir er auf die offizielle Amtsperson verweisen. Letztendlich ist es deren Entscheidung gewesen. Er steht also stets auf der Gewinnerseite.

    Auch wenn Florus Minor diese Aussage gleich wieder abmilderte, mich faszinierte sie, und ich machte mir eifrig Notizen über die verschiedenen Schulen. Tiberius Aussage klang fast wie Werbung für den Beruf des Juristen. Ich bedauerte es fast, weder die Akribie noch das Sitzfleisch dafür zu haben und auch nicht Tiberius' Verstand.


    Ich bin sicher, sie würden sich ihre Position nur ungern von einem Berater streitig machen lassen und auch ich bin darauf bedacht, bei allem Gewicht dieser Rechtsgelehrten, aus ihren Auslegungen meine eigene Meinung zu formen und nicht bloss ihre Worte weiterzugeben.

    "Ich gehe davon aus und hoffe auch, dass die Mehrheit der Berater doch integer ist.", sagte ich: " Und dann ist es doch gut, dass Politiker von Juristen beraten werden.


    Ich wandte mich an unseren Magister:


    " Eine Frage bitte: Was ist der Unterschied zwischen den Rechtsschulen der Proculianer und Sabinianer?"


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  • Sim-Off:

    Kurze Korrektur: Der Mann hieß natürlich Antistius Labeo, nicht Antistinius :rolleyes2:

    Tiberius hob die Schultern.

    "Es ist unzweifelhaft eine hohe Machtposition, wenn man Respondierjurist, am Kaiserhof selbst oder im Consilium eines bedeutenden Magistraten sitzt.

    Bei manchen schlägt so eine hohe Stellung auch aufs Ego und die angemessene... Demut kommt abhanden. Es soll schon so manchen Kollegen gegeben haben, der unausstehlich geworden ist, als man ihn ius respondendi verliehen hat.

    Trotzdem würde ich es nicht so drastisch sehen, wie du Lurco. In einer Rechtsordnung wie der unseren, die so stark auf dem Gewohnheitsrecht und den Rechtssätzen von Amtsträgern beruht, deren juristische Vorbildung oft nicht die Tiefe erreicht hat, die es für die komplizierten Fälle benötigt, ist es fast unumgänglich, sich auf die Rechtsgelehrten zu verlassen.

    Die Alternative ist ein bedauernswerter Laie, der in einer verantwortungsvollen Position ohne Consilium allein gelassen so lange herum räsonniert, bis er zu irgendeinem Schluss kommt, der mit unseren eigentlichen Rechtsgewohnheiten mal mehr und mal weniger zu tun haben mag.

    Und das Recht ist genau so kompliziert, wie das Gemeinwesen, aus dem es sich entwickelt. Wir werden vielleicht später noch demonstrieren können, dass die Überkomplexität, die du vermutest vielleicht durchaus gerechtfertig sein könnte."



    " Eine Frage bitte: Was ist der Unterschied zwischen den Rechtsschulen der Proculianer und Sabinianer?"


    "Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Sie unterscheiden sich nicht durch abstrakte Denkgebäude, wie Stoiker und Epikureer. Letztlich gehen sie ja auch auf die selben Wurzeln zurück. Es handelt sich dabei eher um klassische Lehrer-Schüler-Gefolgschaften. Der Meister der Schule - wahrscheinlich der begabteste und/oder angesehenste unter den Schülern seines Vorgängers - gibt seine Ansichten zum Recht an seine Schüler weiter und die wiederum an ihre Schüler. Diese werden dann basierend auf den Lehrmeinungen ihrer Meister deren Ansichten vertreten. Und tatsächlich vertreten Sabinianer und Prokulianer zu einigen Problemen prinzipiell verschiedene Ansichten, wie wir wahrscheinlich später noch sehen werden.


    Er blickte in die Runde


    "Wenn es sonst hierzu keine Fragen oder Anmerkungen gibt, könnten wir in diesem Sinne dann auch zu den kalten, harten Inhalten des römischen Rechts kommen."

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  • Lurco hörte zu, was alle zu dem Thema zu sagen hatten. Das nicht alle Berater derart finstere Gedanken und Pläne hegten mochte stimmen. Jedenfalls hoffte Lurco das inständig für sie alle, einschließlich Rom selbst. Dass das Recht extrem komplex war, vielleicht sogar überkomplex griff sogar Tiberuius Valerius Flaccus auf. Aber was war die Alternative? Gesetze die für jedermann leicht verständlich waren. So wünschte man es sich jedenfalls. Aber lauerte dann nicht hier die Gefahr, dass jene Gesetze zu viele Schlupflöcher boten? Manche Gesetze konnten sicher entschärft und vereinfacht werden. Andere hingegen musste man vielleicht sogar noch spezifizieren. Wirklich ausgewogen in allen Bereichen konnte die gesamte Gesetzgebung wohl nie sein. Sie war wie Rom selbst, im ständigen Wandel. Dass musste sie auch sein, um sich neuen Gegebenheiten anzupassen.


    Allerdings sollten die Gesetze von allen Seiten verstanden werden. Von jenen Männern die sie erließen, bis hin zum kleinen Mann der sie zu befolgen hatte. Ebenso jene Männer, die für die Einhaltung der Gesetze sorgten. Nur wo war da der Maßstab? Und war das überhaupt möglich? Vermutlich nicht, Rom lebte von und für Spezialisten. Ihr Lehrer würde ihnen gleich mehr über das Thema verraten. Lurco hörte weiterhin gespannt zu.

  • "Ich habe eine Frage", meldete sich Ravilla zu Wort. "Unser verehrter Kaiser wurde zuvörderst als Appellationsinstanz definiert. Was ist darunter zu verstehen? Welche Bevollmächtigungen und Befugnisse im Verhältnis zum Senat besitzt unser Kaiser im Einzelnen? Die Frage mag trivial anmuten, doch im modernen Prinzipat genießt der Kaiser nach meiner Kenntnislage keine Allmacht und die sich aus dem Wechselspiel ergebenden Möglichkeiten sind breit gefächert."


    Sim-Off:

    Ich beziehe mich auf die gähnende Leere im Codex Universalis, dessen Inhalte zur kaiserlichen Familie anscheinend dereinst gestrichen wurden. Vielleicht findet sich in dieser Runde jemand, der mit den damaligen SimON-Ereignissen vertraut ist und die heutige, wohl veränderte Lage SimON zu erörtern vermag?

  • Ich nehme an, dass es sich bei dieser Aussage um die Tatsache handelt, dass jeder römische Bürger ein Urteil eines Praetors vor den Kaiser bringen kann. Als Bürger kann man also bei einer Verurteilung an den Kaiser appellieren, damit er sich den Fall persönlich nochmals ansieht. Dies ist weniger ein Privileg des Kaisers, als eines des römischen Vollbürgers, denn weder Peregrini noch Bürger mit eingeschränktem Bürgerrecht haben diese Möglichkeit.


    Aber hier lasse ich mich sehr gerne von einer besser informierten Person ergänzen oder berichtigen. Der Codex Universalis und auch der Codex Iuridicalis sind in dieser Frage nicht sehr auskunftsfreudig.

  • Tiberius nickte dem Senator zustimmend zu.

    "Die Befugnisse des Augustus ergeben sich aus mehreren Quellen. Es handelt sich bei genauerer Betrachtung weniger um ein offizielles Amt an sich, sondern eher um die Summe der Kompetenzen, die man ihm bei seinem Amtsantritt übertragen hat. Kann man in der lex Aquilia de Imperio sehr gut erkennen."

    Er kruschte das fragliche Gesetz aus seinen Unterlagen heraus.


    Auf Beschluss des Senats und des Volkes von Rom werden dem Imperator Caesar Tiberius Aquilius Severus Augustus folgende Rechte und Vollmachten zugesprochen:


    I. Er erhält das Imperium Proconsulare Maius über alle Provinzen des Reiches und führt das Oberkommando über das gesamte Exercitus Romanus. Außerdem amtiert er ständig als Proconsul für die Provinzen Alexandria et Aegyptus, Alpes Cottiae, Alpes Graiae et Poeninae, Alpes Maritimae, Aquitania, Belgica, Britannia, Cappadocia, Cilicia, Dacia, Dalmatia, Epirus, Galatia, Gallia Lugdunensis, Germania Inferior, Germania Superior, Hispania Tarraconensis, Iudaea, Lusitania, Lycia et Pamphylia, Mauretania Caesariensis, Mauretania Tingitana, Moesia Inferior, Moesia Superior, Noricum, Pannonia Inferior, Pannonia Superior, Raetia, Syria und Thracia und hat das Recht dort nach seinen Wünschen Statthalter einzusetzen.


    II. Er erhält alljährlich die Tribunicia Potestas für die Stadt Rom. Damit stehen ihm alle Rechte eines Tribunus Plebis zu, ohne dass ein Veto gegen seine Maßnahmen durch die amtierenden Tribuni Plebis möglich ist.


    III. Er amtiert ständig als Censor ohne Amtskollege. Insbesondere obliegen ihm damit die Aufnahme von Personen in den Senat oder unter die Equites und ins Bürgerrecht. Auch erhält er das Recht, Familien unter die Patricii Gentes zu erwählen, wie es Divus Augustus und seinen Nachfolgern erlaubt war.


    IIII. Er hat das Recht Verträge im Namen des Senats und des Volkes von Rom zu schließen, so wie es Divus Augustus und seinen Nachfolgern erlaubt war.


    V. Er hat das Recht, Senatssitzungen abzuhalten, Anträge zu stellen und zurückzuweisen, Senatsbeschlüsse durch Antrag und Abstimmung herbeizuführen, so wie es Divus Augustus und seinen Nachfolgern erlaubt war.


    VI. Die Personen, die sich um ein ziviles oder militärisches Staatsamt bewerben und die er dem Senat und dem römischen Volk offiziell empfiehlt, sollen bei allen Wahlen außer der Reihe berücksichtigt werden.


    VII. Er erhält das Recht, die Grenzen des Pomerium und des Imperium Romanum auszudehnen und vorzuschieben, wenn es nach seiner Ansicht im Interesse des Staates liegt.


    VIII. Er erhält das Recht, kraft seiner Cognitio Extraordinaria jeden Prozess eines Iudicium Privatum oder Publicum an sich zu ziehen, Richter nach seinem Dafürhalten einzusetzen. Urteile dieser Gerichte kann nur der Imperator Caesar Aquilius Augustus aufheben.


    VIIII. Er erhält das Recht, alle Maßnahmen einzuleiten und durchzuführen, die nach seiner Ansicht im Interesse des Staates liegen und angemessen sind, so wie es Divus Augustus und seine Nachfolger hatten.


    X. Er ist von der Beachtung der Gesetze und Plebiszite entbunden, an die Divus Augustus und seine Nachfolger nicht gebunden waren, und ihm soll alles erlaubt sein, was Divus Augustus und seine Nachfolger erlaubt war.


    XI. Alle Entscheidungen, die vor diesem Gesetzesantrag durch den Imperator Caesar Aquilius Augustus, auf seinen Befehl oder in seinem Auftrag erfolgten, ausgeführt, beschlossen oder befohlen wurden, werden für rechtmäßig und gültig erklärt, wie wenn sie durch den Senat und das Volk von Rom erfolgt wären.


    Sanctio:

    Verstöße gegen die Leges, Plebiscita und Senatus Consulta, die aufgrund dieser Lex erfolgten oder erfolgen, können nicht rechtlich verfolgt werden.



    "Man kann also sehen, der Princeps ist nicht Princeps und hat deswegen diese Befugnisse, sondern das Gemeinwesen hat ihm diese Befugnisse, wie die Tribunicia Potestas, das Imperium Proconsule Maius und so weiter übertragen und deswegen ist er Princeps. Man ist hierzu richtigerweise zurückgekehrt, nachdem man es mit den etwas seltsamen Vorschriften im Pars Secunda versucht hatte. Die Beziehung zum Senat ist auch und vor allem würde ich sagen eine politische Frage, die jeder Princeps für sich definieren muss. Dem Senat kommt zweifellos immer noch eine beträchtliche Auctoritas zu und es wäre sicher aufsehenerregend, wenn sich diese Versammlung gegen den Kaiser wenden würde. Allerdings sitzt der Augustus regelmäßig am längeren Hebel."


    Sim-Off:

    Im Grunde sind diese ganzen Codizes also Universalis, Iuridicialis und Militaris komplette Anachronismen, die eigentlich mal gehörig gefixt und "romanisiert" werden müssten.8)

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  • "Das heißt der Kaiser hat die Befugnisse durch das Gemeinwesen erhalten, korrekt? Der Kaiser ist durch seine Befugnisse die Personifikation Roms in einer Person. Er spricht als eine Stimme für das gesamte Volk, entscheidet für das Imperium denn er ist mit diesen Befugnissen das Imperium. Würde sich die Versammlung gegen den Kaiser wenden, dann würde das einem Putsch gleichkommen. Wer ist auf den Kaiser eingeschworen, wer auf den Senat? So würde der Kampf dann wohl aussehen, denn zwangsläufig würde es zu einem offenen Konflikt kommen der vermutlich letztendlich durch Waffengewalt entschieden werden würde. Hoffen wir, dass es nicht zu einem derartigen Vorfall kommt. Aber wie gesagt, die erste Front wäre wohl die Kaisertreuen gegen die Senatstreuen", warf Lurco ein.

  • Auch Ravilla hatte bei seinen Recherchen im Vorfeld jene Appendices übersehen.


    Der Stilus von Anaxis flog über die mitgebrachten Wachstafeln in dem Versuch, möglichst viele Informationen des Cursus zu verschriftlichen. Primär handelte es sich im Falle von Anaxis ihm nicht um einen Scriba, sondern um einen Leibsklaven, doch unter all seinem unfreien Besitz war dieses Individuum Ravilla das Angenehmste. Der Perser fügte sich so harmonisch in das Leben seines Herrn wie ein Kunstwerk in einen Marmorsaal. So neigte Ravilla dazu, ihm jede nur denkbare Aufgabe aufzubürden, anstatt ihm eine freie Minute zu gönnen, was sich im heutigen Fall im grauenvollen Schriftbild und unsachgemäßer Schwerpunktlegung der Notizen widerspiegelte, wie Ravilla feststellen musste, als er einen Blick auf die Notizen warf.


    Missbilligend verzog er die Brauen. "Bitte ergänze, dass der Titel des Augustus kein Amt sei, sondern eine Akkumulation an Kompetenzen, setze einen Verweis auf die Lex Aquilia de Imperio in den Appendices des Codex Universalis."


    Er nahm sich vor, für derlei Aufgaben künftig auf spezialisierteres Personal zurückzugreifen. Anaxis könnte sich zu dekorativen Zwecken im Hintergrund halten und sich ganz auf die Faltenlegung seiner Toga konzentrieren, die beständig korrigiert werden musste.

  • " Ich hatte es so gemeint wie von Florus Minor beschrieben.", warf ich ein, denn ich hatte den Kaiser als Appelationsinstanz bezeichnet.


    Sich einmal klar zu machen, dass es in jenem achtzehnten Anhang SPQR war, die den Princeps beauftragten und nicht eine Sache, die von Natur oder den Göttern her gegeben war wie bei anderen Völkern, das hatte ich zumindest noch nie bewusst getan.


    Vermutlich hing das damit zusammen, dass es seit Generationen einen Kaiser gab und dass die Verwaltung des riesigen Imperiums auch gar nicht mehr anders zu bewältigen war.

    " Ich persönlich halte unzufriedenes Militär für gefährlicher als einen unzufriedenen Senat.", warf ich ein: "Und unzufrieden war das Militär immer, wenn es an einer klaren und kompetenten Führung in Roma fehlte. Nach dem Tod Neros und nach dem Tod Domitians trat der Fall ein, dass Generäle von ihren Truppen zum Kaiser oder Gegenkaiser proklamiert wurden. "


    Ansonsten schrieb ich das auf, was Ravilla nun seinem persischen Sklaven sagte, denn da er es so schön formulierte, brauchte ich es nicht tun.

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  • Nicht nur Unzufriedenheit - auch Zufriedenheit vermochte das Gefüge der Macht zu kippen.


    Ravilla dachte daran, wie einst die Truppen das Bildnis des Seianus neben dem des Kaisers in ihren Feldlagern verehrt, ja, sich auf dessen Antlitz vereidigt hatten. Seianus selbst hatte dies nie angewiesen, die Ehrerbietung war der tiefen Überzeugung der Soldaten entsprungen. Zweifelsohne war in der Beliebtheit des Seianus, die er sich aus eigener Kraft erarbeitet hatte, der Hauptgrund für seinen Sturz zu sehen und nicht in den Dingen, die man ihm angedichtet hatte. Seianus war zu gut gewesen, als das man ihn hätte dulden können. Und doch saß sein Nachfahre heute hier. Ravilla resümmierte einmal mehr, welch komplexes und fragiles Gebilde der römische Staatsapparat war. Wie ein Tänzer auf dem Drahtseil würde er sein müssen, um auf dem Cursus Honorum die Balance zu halten zwischen eigenen Ambitionen, den Erwartungen des Senats und dem Befehl des Kaisers.


    Ravillas Herz brannte vor Ehrgeiz, dem Namen Seius gerecht zu werden und Rom einmal mehr den Stempel seiner Familie aufzudrücken.

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