Balas Reise nach Mogontiacum - Teil II

  • Bassus´ Welt versank in blutigem Schaum. Wenngleich er es bisher geschafft hatte sich der Attacken zu erwehren, so stand er doch auf verlorenem Posten. Sein Pferd hatte ihm anfangs die Angreifer vom Leib gehalten, doch quollen immer mehr Angreifer heran und er war gezwungen abzusteigen. Sein treuer Hengst wurde kurz darauf mit Lanzen gefällt. Ein Gefühl von Trauer, Einsamkeit und Hilflosigkeit erfüllte Bassus als er es am Boden liegen sah.


    Inzwischen trieb ihn der Verlauf der Schlacht nach vorn zum Fuhrwerk. Immer wieder wehrte er unkoordinierte, wild geführte Angriffe ab, reagierte mehr als er einer Taktik oder einem Konzept folgte. Schweiß lief ihm in die Augen und er löste seinen Helm, der ihn tatsächlich mehr behinderte als ihm half. Immer wieder rutsche er nach vorn und rammte schmerzhaft sein Nasenbein.


    Ihm kamen die Gladiatoren in der Arena in den Kopf. Im Gegensatz zu diesem wilden Gesteche und Gemetzel kamen ihm deren Kämpfe im Nachhinein wie einstudiert, ja gar wie ein Theaterstück vor. Wäre nicht dieser leichte Geruch von Blut, der einem je nach Windrichtung erreichen konnte, war es fast schon ein Schauspiel,…perfekt inszeniert.


    Wieder wehrte er einen Hieb ab, parierte und ließ die Spatha in Richtung des Gegners zucken…elegant, fast schon wie ein Gladiator. Sein Blick fiel auf das Fuhrwerk. Er sah Caesar, der mit seinem Schwert alles abwehrte was den Schildwall durchdrang und sich dem Wagen näherte. Er sah einen Blonden Schopf. Nero saß wohl auf dem Boden und schiss sich gerade ein.


    Bassus starb mit einem Lächeln. Eine Kriegsaxt durchschlug ihm von hinten den unbehelmten Kopf. Er brach in die Knie, fühlte den Ruck mit welchem der Barbar ihm johlend die Axt aus dem Schädel riss, aber keine Schmerzen. Er spürte gar nichts mehr. Ein Gefühl von wohltuender Ruhe erfüllte ihn.


    Er sah nicht, daß Caesar diesen Barbaren fast gleichzeitig sein Schwert in den Hals rammte. Er sah nur noch sein Pferd, welches fröhlich wiehernd am Strassenrand auf ihn wartete,…er hob die Hand, glitt zu ihm, stieg auf und freute sich mit ihm über die Wiedervereinigung…dann hob er die Hand, winkte seinen Kameraden zu und ritt los…über grüne Wiesen, die Sonne im Gesicht,…sie waren frei.

  • Der Schildwall hielt! Bala kletterte wenig kaiserlich würdevoll, eher ungeschickt und hastig zurück auf den Karren und atmete tief durch. Der Offizier vorhin hatte ihn tief beeindruckt. Er vermittelte ihm nicht den Eindruck auf einem Schlachtfeld zu stehen, eher auf einem Markt oder dem dichtgedrängten Forum. Nichts an ihm wirkte fahrig, hastig oder nervös. Es schien ihm als sei Mars selbst in den Mann gefahren. Er stellte sich an den Rand der hüfthoch beplankten Ladefläche und suchte nach ihm.

    Bald sah er ihn, aber er sah auch einen Barbaren, der den Schildwall durchbrochen hatte und auf ihn zustürmte. Doch bevor dieser die Planken erklimmen konnte stach er ihn in den Hals.

    Immer wieder gelangte einer durch die erschöpften Reihen seiner Garde und der Ala bis zum Wagen, doch sie waren keine Gefahr und ein leichtes Opfer für seine Klinge.

    Inzwischen hatte er Gesllschaft im Wagen,...jenen Ochsenfroschäugigen Aemilier. Anscheinend war er schockiert, nun,...das gestand Bala dem Knaben zu, auch er hatte seine liebe Mühe mit dem Chaos um ihn herum klar zu kommen.

    Neben ihn erschlug ein Barbar einen Römer,...wie von Sinne stach Bala zu und erwischte den Kerl am Hals, doch es war zu spät. Mit Entsetzen sah Bala, daß es sich um Bassus handelte, jenem angenehmen Aemilier, der noch eine große Zukunft vor sich hatte.

    Bala schluckte schwer, er hatte den jungen Mann gemocht und fragte sich in diesem Moment was der Ratschluss der Götter wert war, wenn solche Männer wie Bassus dahingingen und solcher Abschaum wie Nero leben durfte.

    Verbittert ging er wieder nach vorn um dort Ausschau nach Barbaren zu halten. Wenn es einer hinten durch schaffte sollte er sich an diesem Rotzlöffel gütlich tun bevor er selbst durch Bala den Tod finden würde.

  • Furius war müde, sein Schwertarm fast lahm, sein Schildarm taub. Er blutete aus zahlreichen Schnitten. Wieder und wieder wich er aus, rammte einen Körper, wurde gerammt, stach zu, hackte in Fleisch und Knochen. Aber er lebte, er funktionierte.

    Bala war sicher, er stand auf dem Fuhrwerk und kämpfte. Stolz erfüllte ihn, fast schon väterlicher Stolz.

    Er ließ sich hinter den Schildwall fallen, atmete durch, spuckte aus.

    Schweratmend sah er sich um. Vier seiner Männer lagen am Boden, auch fünf der Ala Equites. Aber ungleich viele Barbaren lagen in ihrem Blut.Der Kampf ebbte ab, die Männer vor ihm entspannten sich ein wenig. Vielleicht lag es daran, daß es kaum noch Feinde gab,...oder es lag daran, daß gerade am Ende der sichtbaren Strasse Kavalerie heranpreschte...Die Männer hoben die Schwerter und riefen ihren Sieg aus... Auch Furius hob das Schwert. Roma Victrix!

  • Ohne es zu wollen, löste der eingeklemmte Calenus mit seinem Geschrei eine erneute Eskalation aus. Fango hatte schon geglaubt, nun sei alles vorbei, da brach erneut das Chaos los. Der kleine Schildwall ihrer winzigen Truppe schrumpfte von rechts, doch Fango sah kaum, was um ihn herum geschah, weil er die Augen nach vorn gerichtet hatte, um sich gegen die erneut vordringenden Angreifer zu wehren. Doch der Druck ließ plötzlich nach, als die verbliebenen Barbaren sich auf eine andere Stelle konzentrierten.


    Fango konnte wagen, sich umzusehen. Rechts von ihm stand im Schildwall nur noch ein Mann. Und wie er sich umblickte, sah er gerade den jungen Subpraefectus fallen ... Fangos Augen weiteten sich vor Entsetzen. Der anschließende Tod des Barbaren erfüllte ihn mit grimmiger Genugtuung. Von den Barbaren war kurz darauf nur noch ein lächerliches Häuflein übrig. Fango wurde von kalter Wut gepackt. Er wünschte sich, dass diese bösartigen Leute umzingelt und in Stücke geschlagen wurden! Sie hatten ihnen nichts getan und diese Leute hatten sie ohne Provokation überfallen, angegriffen und ihre Kameraden getötet! Und was war mit Calenus?!


    Beim Wagen brüllten die Prätorianer ihren Sieg in den Himmel, der Ruf setzte sich fort durch die Männer. "ROMA VICTRIX!" Den Grund für den Ruf konnte Fango am anderen Ende der Straße sehen, scheinbar kam noch mehr Verstärkung. Den Göttern sei dank! Da der Schildwall nun nicht mehr benötigt wurde und niemand ihnen mehr Befehle erteilte, löste der Wall sich auf.


    "Tissi!", brüllte Fango, als er seinen Kumpel entdeckte, der wie aus dem Nichts wieder aufgetaucht war. "Der Decurio liegt da drüben, er braucht Hilfe!"


    Er zeigte in die entsprechende Richtung. Durch das Unterholz sah man den polierten Panzer funkeln und das weiße Fell seines Pferdes leuchten, das sich nicht mehr rührte. Fango folgte den anderen im Laufschrift durch das Schlachtfeld, wich Toten und Sterbenden aus, herumliegenden Gliedmaßen, Schilden und Wafffen. Die verbliebenen Soldaten ihrer Truppe eilten so schnell sie konnten Varro zur Hilfe, der versuchte, zu dem unter seinem Pferd klemmenden Decurio vorzudringen. Sie drängten gemeinsam mit Varro zu ihrem Offizier vor. Fango spürte keine Angst. Alles, was er wollte, war Calenus zu retten.

  • Langsam näherte sich Tisander dem Fuhrwerk. Es war gar nicht so einfach für ihn vorwärts zu kommen. Die Schmerzen in seinem Fuß steigerten sich wieder, dabei war er so glücklich gewesen, dass sie in den letzten
    Tagen immer mehr abgeklungen waren. Außerdem hing sein sein rechter Arm noch immer taub und unbrauchbar herunter.

    "ROMA VICTRIX!" ertönte es da laut in der Nähe. Ruckartig schnellte sein Kopf hoch. Die Stimme kannte er doch. Ja sicher das war der Kleine, denn jetzt hörte er das unverkennbare „Tissi“ Er rief noch etwas vom
    Decurio der Hilfe brauche und eilte schon weg. „Ja aber ich ….“
    Damit gab der Apulaner auf, da eh keiner mehr zuhörte. Er bemühte sich hinterher zu eilen, denn alle schienen in diese Richtung zu eilen, da rutschte er aus und landete mit dem Gesicht in den blutigen
    Brei auf dem Boden. Das darf doch nicht wahr sein, fluchte er innerlich und blickte in dem Augenblick in den aufgerissenen Mund und die blicklos stierende Augen neben ihm. Er war bemüht sich aufzurichten rutschte aber wieder aus. Es war nichts da was er greifen konnte und auch keiner der ihn beachtete. Auf den Knien rutschte er zu dem Wagen und zog sich mit der linken Hand hoch.

    Das Geschrei hatte abgenommen, der Gestank war noch stärker geworden. Schnell ergriff er einen herumliegenden Schild, stellte sich mit dem Rücken zum Wagen, hob den Schild an um diesen als Deckung zu nutzen.
    Jetzt wartete er nur noch darauf, dass die Barbaren besiegt oder zumindest vertrieben wurden.

  • Einer hörte zu ... einer sah und registrierte alles.


    "Salve", grüßte Tisander von hinten eine Stimme über den Karrenrand so freundlich, als würden sie sich auf dem Forum begegnen. Es war eine merkwürdig kehlige Stimme, die klang, als müsste ihr Besitzer sich dringend räuspern, doch klang diese Stimme immer so, was wohl daran lag, dass Nero noch vor dem Stimmbruch angefangen hatte zu rauchen.


    Im Schutz des Karrens und der Soldaten, die ihn bewachten, verfolgte Nero das Gefecht wie eine der blutigen Darbietungen, die er so liebte. So nah dran am Tod war er noch nie gewesen. Sein Hirn war abgestumpft von einer Kindheit ohne Liebe, von den Eindrücken von Tierhatzen, Hinrichtungen und Gladiatorenkämpfen aus den für die Patrizier reservierten Plätzen, von wo aus er all die Details in der Arena hatte wahrnehmen können. Weniges vermochte sein Herz noch zu erreichen, doch das hier war intensiv. Nero zitterte, sein Herz raste, er keuchte vor lauter Angst und war extrem erregt. Mit dem Handrücken wischte er sich den kalten Schweiß aus den Augen, um besser sehen zu können, als wenige Meter vor ihm seinem Vetter der Schädel gespalten wurde!


    "Hast du das gesehen?!", keuchte er Apollinaris zu, ohne zu wissen, ob sein einziger Freund ihn überhaupt hörte. Fassungslos starrte er auf den am Boden liegenden Verwandten. Er rührte sich nicht mehr. Die Wunde an seinem Hinterkopf ließ nur einen Schluss zu. Bassus, der allseits geliebte Bassus - war tot!

  • Der Kampf brach um sie herum aus, Männer starben auf beiden Seiten. Es stank nach Blut, Fäkalien, Urin, Gedärmen und Apollinaris tat nichts. Gar nichts. Er saß auf seinem Pferd und schaute dem Geschehen das um ihn herum tobte zu. So als stand er mitten im Auge eines Sturms und er war samt seinem Tier irgendwie dort hineingeraten, dennoch nicht richtig anwesend.

    Warum das Pferd weder durchgegangen war, noch gescheut hatte, konnte sich Apo nicht erklären. Möglicherweise spürte es seine seltsame, entrückte Ruhe die einem völligen Unbegreifen geschuldet war. Er saß einfach nur da und starrte, starrte in eine Welt hinaus die er nicht mehr verstand und die sich ihm entzog und wie durch ein Wunder schien ihn keiner der Beteiligten wahr zu nehmen. Entrückt, verrückt, oder einfach nicht in die Situation passend. Er stand in der Gegend herum wie einer der Bäume und die gleiche Aufmerksamkeit hatte man ihm geschenkt.


    Apollinaris war nicht einmal starr vor Schreck, denn zum Schrecken hatte es bei ihm nicht mehr gereicht. Er versuchte zu begreifen, was für ihn unbegreiflich war. Von einer Sekunde auf die andere war die Welt umgeschlagen und ein Wald hatte sich in ein Schlachthaus verwandelt. Begleiter waren zu Leichen geworden, Feinde waren aus dem Nichts heraus aufgetaucht und jenen Mann den Nero am liebsten hätte fallen sehen, war gefallen.


    Apo hätte die Hände vor das Gesicht geschlagen, hätten sie ihm in diesem Moment gehorcht, doch alles was sie taten war krampfhaft die Zügel zu umklammern ohne diese zu nutzen.


    "Hast Du das gesehen?", keuchte ihm jemand zu.


    Apollinaris drehte den Kopf, er versuchte wieder Herr seiner Sinne und seines Körpers zu werden aber es war schwer, so verdammt schwer. Nero war es, der ihn angesprochen hatte. Dick und bleich wirkte er und dunkel schienen seine Augen aus seinem aufgedunsenen Gesicht zu funkeln. Wie eine Made aus dem Abgrund, die man gegen ihren Willen an das Licht gezerrt hatte. Es fehlte nur, dass er eine Reihe Reißzähne entblößte, loslachte und seine Fänge in das Fleisch der Gefallenen schlug. Apo schüttelte das Gedankenbild ab und stürzte wie ein Stein vom Pferd.


    Keuchend rappelte er sich auf dem Boden wieder auf, er war dermaßen verkrampft, dass er sich nicht einmal hatte einnässen können.

  • Varro erreichte die Stelle an der eine Handvoll Barbaren versucht Calenus´Körper unter dem Pferd hervor zu zerren. Calenus machte es ihnen dabei reichlich schwer. Doch sie wollten ihn lebend, also durften sie ihn nicht verletzen. Das machte sie verwundbar, weil sie sich auf ihn focussierten. Es war ihnen entgangen, daß die Schlacht beendet war, es war ihr einziges Bestreben ihr Geisel zu bekommen. Varro schlich sich nicht an, er ging schnurstraks, wie es der Untergrund zuließ auf die Gruppe zu. Er nahm seine Kameraden wahr, die hinter ihm folgten.

    Calenus knurrte und hieb mit seinem Puggio um sich. Varro zischte kurz hinter einem unentschlossenem Barbaren, einem kaum dem Knabenalter entwachsenem Burschen. Dieser wandte sich erschrocken um und sackte kurz darauf in sich zusammen.

    Varro hatte ihn die Faust gegen Stirn gehämmert. Es war genug Blut geflossen.

    Er nickte den Kameraden zu und sie überwältigten die übrigen Barbaren,...allesamt zu jung um an solch einem Ort zu sein.

    Varro trat auf Calenus zu, schob seine Spatha zurück und gestattete sich ein leichtes Grinsen.

    Calenus,...! Was liegst du denn hier so faul herum?....dafür gibt es keine Lorbeeren...

    Er nickte. Na schön,...dann helft dem Decurio mal auf!

    Die Kameraden grinsten erleichtert, diesen Schlamassel überlebt zu haben und machten sich ans Werk. Varro ging zum Fuhrwerk, suchte nach Ocella und atmete erleichtert auf als er ihn sah.

    Er hörte seinen Namen und drehte sich um. Der Praefectus stand vor ihm, die Hände in die Hüften gelegt und sah ihn kopfschüttelnd an, während seine Equites sich um die Verletzten kümmerten und die Toten von der Strasse schafften.

  • Sie kamen zu spät, die Schlacht war geschlagen. Nero ließ seine Equites ausschwärmen, der Medicus stürmte fast auf das Fuhrwerk zu um nach den Kameraden zu sehen.

    Nero sah sich fassungslos um und unterdrückte einen Würgereiz. Hier war auf engstem Raum zuviel Blut geflossen. Da entdeckte er Varro...oder er nahm an, daß die blutüberströmte Gestalt sein Decurio war.

    Ich dachte mir schon, daß wir es nicht rechtzeitig schaffen würden...er legte Varro die Hand auf die Schulter und nickte ihm zu. Er war ungeheuer beruhigt diesen Mann nicht verloren zu haben.

  • Als es vorbei war, hob Nero den Oberkörper hinter dem Rand des Karrens hervor. Aufrecht blickte er sich um. Vorhin hatte er doch noch Apollinaris gesehen und angesprochen? Und da lag er auch ... im roten Fleischmatsch. Ganz in der Nähe von Bassus. Die übrigen Toten waren Nero gleichgültig, nur diese beiden interessierten ihn.


    Nero kletterte ungelenk vom Karren. Ohne sich an dem zu stören, wodurch er watete, kniete er sich neben Apollinaris nieder und legte ihm die weiche Hand auf die nassen Locken. Das Blut war überall und Nero konnte nicht erkennen, ob der Tuccier verletzt war. Er streichelte ihm den Kopf, der regungslos im Blut lag, während seine bewusste Wahrnehmung sich hinter einen Schleier verabschiedete, durch den die Dinge nur noch unscharf und gedämpft drangen, als ob ihn das alles nichts anging.

  • Apo kämpfte gegen seinen störrischen Körper und fühlte wie ihm jemand den Kopf streichelte. Nero! Nero war da und stand ihm bei. Jetzt war er wieder ganz anders, so anders, der alte Nero. Nicht der mit den dunklen Augen und den schrecklichen Zähnen. Das war sein Nero. Die Starre fiel von Apollinaris ab und er begann hemmungslos zu zittern. Von Schlachten zu hören war das eine. Aber eine mitzuerleben war etwas ganz anderes. Die Geräusche, die Gerüche, das Schreien dass schon nichts mehr menschliches an sich hatte. Die Blicke der Kämpfer und die gebrochenen Blicke der Toten, all das hatte sich in seinen Verstand gefressen und ließ ihn nun unkontrolliert schauern.


    So taff er manchmal auch war, er war doch nur ein einfacher, junger Mann. Nicht mehr und nicht weniger. In einer Tabernaschlägerei hätte er sich möglicherweise behaupten können, aber dies hier? Hier wurden nicht ein paar Schwinger mit der Faust ausgeteilt und man ging mit blutiger Nase nach Hause. Hier gingen so manche nirgendwo mehr hin. Apo quälte sich in sitzende Position und sein Blick fiel auf einem Kerl, dem der halbe Schädel fehlte. Der Tucci schluckte und starrte Nero ins Gesicht.


    "Nero", sagte er, was ihm noch auf der Zunge lag, lag dort wie ein pelziges, widerwärtiges Etwas, dass er nicht aussprechen konnte. Nero hatte selbst gesehen was geschehen war. Was sollte er das Grauen noch in Worte fassen?


    Apollinaris schlang die Arme um den Hals von Nero und hielt sich an ihm fest, wie einem Stück rettenden Treibholz auf hoher See.

  • Auf einem Knie und seiner Spatha gestützt kauerte Furius auf dem Boden. Er war ein alter Soldat und hatte in manchem Gefecht gekämpft, aber die Zeit bei den Praetorianern hatte ihn weich werden lassen. Es war etwas anderes Gefangene zu verhören oder unliebsame politische Gegner um die Ecke zu bringen als dies hier. Nichts im Training der Praetorianer konnte sie auf so etwas vorbereiten. Mühsam stemmte er sich auf die Beine und ging langsam zum Fuhrwerk. Er sah Bala nicht, er sah nur die beiden Zivilisten am Boden in ihrem weibischen Umarmungen und Liebkosungen...und er sah den jungen Aemilier mit gespaltenem Schädel neben ihnen liegen. Er konnte es nicht fassen. Was dachten sich die Götter dabei solch ein Geschmeiß zu verschonen und jemanden wie Bassus zu sich zu holen?

    Seine Sorge verdrängte die Abscheu, er blickte in den Wagen und sah Bala dort sitzen, den Kopf nach vorn gebeugt, das Kinn fast an der Brust. Er sprang auf das Fuhrwerk und blieb vor Caesar stehen. Sein Herz wurde von einer kalten, eisernen Faust umklammert und langsam zugedrückt.

    Doch da,...Erleichterung zerschmetterte das beklommene Gefühl...Bala hob den Kopf und sah ihn an.

    Er dankte den Göttern diesmal, denn der Verlust des Caesars wäre für ihn zu groß gewesen um damit weiter leben zu können. Er kniete sich vor Caesar hin und sah ihn an.

    Mein Caesar,...bist du wohlauf?...verletzt? fragte er und wußte wie dumm im Zentrum einer Bluthölle diese Frage klang. Jeder im Umkreis des Fuhrwerks war verletzt oder tot, einzig die Entsatztruppen der Ala stampften unverletzt durch die blutigen Opfergaben an Mars und wem sonst die Barbaren dafür anriefen.

  • Bala hockte in einer Ecke des Fuhrwerks. Nachdem die Kampfhandlungen eingestellt waren sackte er in sich zusammen und schluchzte unkaiserlich vor sich hin. Was wenn es mehr gewesen wären? Was wenn seine Praetorianer und die tapferen Männer der Ala nicht derartig hätten kämpfen können? Was wenn die ...vor seinem geistigen Auge sah er Bassus sterben, sah die Gesichter der Barbaren die er selber niedergestreckt hatte. Er wischte sich mit seinen blutigen Händen über das Gesicht.

    Seine erste Schlacht,...war das eine Schlacht? Wie fasziniert war er von den Erzählungen seines Vaters gewesen, als dieser seine Heldentaten in den Schlachten der Vergangenheit preiste?

    Er fühlte sich nicht wie ein Held. Das hier hatte nichts heroisches. Im Gegenteil, er hatte die Vermischung von Angst mit etwas anderem gefühlt, etwas, daß ihm half nicht heulend in eine Ecke zu kriechen, etwas, daß ihm half seine Erinnerungen an unzählige Waffenübungen hervorzuholen und anzuwenden.

    War das Heldentum? Nein! Dieser Alen-Offizier,...Bala kannte den Namen nicht,...er war ein Achilles, ein Perseus...ein von den Göttern geschützter Held. Er ließ sich von Furius kurz auf die Beine helfen und beruhigte ihn. Ja, ja...mir geht es gut, ich bin unverletzt...doch jetzt suche mir diesen Offizier,...den von der Ala der uns beigestanden hat,...such´ihn mir Furius.

    Er nickte dem Praetorianer zu, ungemein froh, daß dieser noch lebte. Dann glitt er vom Fuhrwerk herunter und beugte sich über Bassus, der mit dem Gesicht auf dem Boden lag.

    Mit einem Grollen stieß er Nero auf Seite und drehte Bassus vorsichtig auf den Rücken. Er blickte fassungslos in sein junges Gesicht. Wie schlafend und unendlich entspannt wirkte es auf ihn.

    Er schob die Spatha in die Scheide und arrangierte ihn ein wenig. Er glaubte, daß er es ihm schuldete, obwohl sie sich kaum kannten.

    Dann warf er einen Blick auf die beiden Zivilisten, die offensichtlich unverletzt waren. Leer sah er sie an, dann machte er sich auf...es gab noch viel zu tun.

  • Nero wusste, dass die Umarmungen seiner Freunde seinem Geldbeutel galten. Sie liebten sein Geld, seinen Stand, den Namen seiner Familie. Tarkyaris liebte auch die Geschäfte mit ihm und die Aura römischer Macht. Nero bezahlte seine Freunde wie Huren dafür, dass sie ihm Gesellschaft leisteten und sie durften sich in dem Wissen sonnen, Freunde eines Patriziers zu sein. Ihn kümmerte nicht, dass sie an ihm als Menschen kein Interesse hegten. Es war ein Geschäft wie jedes andere. Auch Apollinaris würde erwarten, dass Nero ihn für die Illusion entlohnte, gebraucht zu werden, Halt und Beschützer zu sein. Und Nero würde ihn bezahlen, sobald sie bei Onkel Nepos waren. Die Illusion schmeckte köstlich und einen Moment gelang es Nero, sich einzureden, sie sei Wirklichkeit. So legte Nero die Hand auf den Rücken von Apollinaris, über seine Schulter lächelnd auf die Leiche von Bassus blickend.


    "Es wird alles gut."


    Da stieß der Caesar ihn zur Seite und Nero landete im Matsch. Leise begann er zu kichern, als wäre er ein Kind, das mit der blütenweißen und frisch gebügelten Ausgehtunika bäuchlings einen Grashügel hinuntergerutscht wäre. Vielleicht war er irre, vielleicht war es der Schock. Ein Medicus hätte womöglich Rat gewusst. Nero war bewusst, dass seine Gefühle nicht angemessen waren und doch waren sie da und nichts konnte ihn dazu bringen, anders zu fühlen. Ihm war federleicht ums Herz, Nero lachte und war rundum glücklich.

  • Furius machte sich auf den fraglichen, namenlosen Offizier der Ala zu suchen. Wie schwer sollte das schon sein? Allzuviele lebende Offiziere die blutverschmiert und ihm unbekannt waren würde es wohl kaum geben.

    Erfreut traf es bei seiner Suche auf seinen Cousain Nero. Sie begrüßten sich freudig, fragten nach der Familie, ob sie gegenseitig unverletzt seien. Nero schickte ihn, nachdem er nahezu geschockt auf Hinweis über die Anwesenheit Caesars in dessen Richtung stackste. Nero grinste, erstaunlich was ein Titel so auslösen konnte. Für ihn war es normal von hohen Tieren umgeben zu sein. Nero kam an die Stelle die Nero ihm gewiesen hatte und traf auf einen Haufen blutverschmierter Equites. Ein wilder Haufen. Sie standen beisammen im Halbkreis um vier Tote am Boden. Einer stach heraus, obwohl alle gleich aussahen, gleich verschmiert, verletzt, müde und zerschlagen hatte dieser Eine eine andere Haltung, alles an ihm zeugte von Beispiel, Führungswillen und unbedingtes Selbstbewußtsein. Nero nickte,...wenn es einen Offizier gab, dann war es dieser.

    Er trat an ihn heran, warf einen Blick auf die Toten Equites und dachte augenblicklich an seine eigenen Männer. Beschämt wurde ihm klar, daß er noch nicht bei ihnen gewesen ist. Decurio? sprach er ihn an. Hast du den Bogenschützen auf dem Karren geholfen?

  • Sigurd zog sich zurück als die Kämpfer der Ala näherten. Er warnte die jungen Kerle noch nicht einmal. Er war frustriert. Sie waren so viele. Mehr als Hundert Mann,...die Römer waren höchstens 25 Mann. Es sah gut aus, am Anfang. Sie wurden schnell in die Defensive gedrängt. Man brauchte sie eigentlich nur länger anzugreifen, zermürben, zerschmettern.

    Doch dann kam die Turma der Ala...die verdammte Patrouille. Es mußte der Germanicer sein.

    Zum ersten Mal verspürte er Angst. Der Germanicer, zweifellos war es der verfluchte Germanicer.

    Sigurd lief, strauchelte, stolperte durch das Dickicht, weg vom Ort der Schlacht,...sie hatten verloren, die Beute, die Männer...

    Krampfhaft hielt er den Griff seines Schwertes fest, welches ungenutzt war, seit Generationen bereits...

    Es würde neue Kämpfer geben.

  • Calenus lebte!


    Fangos erster Blutrausch versiegte unverrichteter Dinge, wie wenn die Sonne aufging und die Gewitterwolken sich verzogen, um einem schönen Tag Platz zu machen. Viele Kameraden waren gefallen, doch die Freude, wer alles noch lebte, überwog in diesem Moment. Ein beinahe irrationaler Freudenrausch überkam Fango, denn er stellte fest, dass auch er selbst das Gefecht unbeschadet überstanden hatte, abgesehen davon, dass er seinen linken Arm nicht mehr so gut bewegen konnte, der wohl von den Hieben der Barbaren geprellt war. Doch wen kümmerte es? Decurio Equitius Calenus lebte und Tisander lebte - Fango hatte ihn vorhin herumlaufen gesehen - und Germanicus Varro und Matinius Ocella lebten auch noch! Genau wie die zwei Zivilisten, von denen einer gerade durchdrehte, doch das kümmerte Fango nicht. Wer durchdrehen konnte, dem ging es gut. Der andere sah weniger fröhlich aus, konnte sich aber aufrecht halten und war wohl entsprechend nicht weiter verletzt.


    Überglücklich half Fango, den gestürzten, doch nicht gefallenen Calenus unter dem Pferd hervorzuziehen, indem sie das riesige Tier mit den Füßen an zwei anderen Pferden festmachten, die es von ihm herunterzogen, während die übrigen Soldaten versuchten, dabei zu verhindern, dass das Bein von Calenus zermalmt wurde. Fango hatte den Decurio noch nie so dreckig gesehen und noch nie so lebendig!


    Vor Freude grinste er über beide Ohren. Aber die Offiziere würden unter sich sein wollen, um sich zu besprechen ... ein freudiger Tiro konnte nur stören. So wandte sich Fango wieder ab, denn er bemerkte, dass Tisander ihm nicht gefolgt war.


    "TISSI", plärrte er. "Hilf doch mal mit!" Er begann, zwischen den am Boden liegenden Gestalten herumzulaufen und sie auf den Rücken zu drehen, um zu kontrollieren, wer alles noch lebte. Vielleicht war dem einen oder anderen noch zu helfen.

  • Genervt schaute Tisander in die Richtung, aus der der Ruf des Kleinen zu hören war. Was dachte der sich? Soll ich auf Knien rutschend mit der Linken da eingreifen und helfen?

    „Ja, ja wenn du mir hilfst, helfe ich dir auch irgend wann mal“, brummte er vor sich hin. Was für ein Mist aber auch, fluchte er innerlich. Anstatt einer vernünftigen Schlacht erlebe ich als erstes einen Barbarenüberfall. Bestimmt weil hier so seltsame Zivilisten mit reisen. Wenn meinem Rappen etwas passiert ist oder ich ihn nicht finde, dann können die etwas erleben. Wie komme ich jetzt zurück zur Ala? Laufen kann ich nicht und reiten na ja selbst mit Pferd keine Ahnung. Eher wohl auch nicht. Am besten bleibe ich hier sitzen und warte ab. Mit dem Gedanken ließ er sich auf den Boden rutschen.

  • Decurio? sprach er ihn an. Hast du den Bogenschützen auf dem Karren geholfen?

    Varro wandte sich um und sah einen der Praetorianer vor sich. Er sah genauso zerschunden aus wie er selbst. er dachte nach, ...er war kurz beim Karren und hat einem der Praetorianer aufgeholfen,...aber ob der einen Bogen bei sich hatte konnte er beim besten Willen nicht sagen. Er zuckte die Schulter und entgegnete Das kann schon sein, ich kann mich aber nicht mehr erinnern. Er sah den Praetorianer fragend an. Warum fragst du mich danach? War der Kerl blind? Er stand hier in Gedenken für seine gefallenen Kameraden und der fragte nach irgendwelchen beiläufigen Gegebenheiten. Er sah auf seine Toten um den Praetorianer an den gebotenen Respekt zu erinnern.

  • Calenus stand wieder auf seinen Beinen. Wackelig und dreckig, aber er stand! Noch leicht benommen von der Aussicht, gleich aufgespießt zu werden, sah er zwischen seinen Rettern hin und her. "Danke", ächzte er schwächlich. Mit der Frage, warum er hier faul herumliegen würde, nahm Varro etwas die Spannung aus der Situation. Calenus wollte etwas Geeignetes erwidern, um zu demonstrieren, dass er wohlauf war, doch dann sah er die Katastrophe auf der Straße. Seine Truppe - geschlachtet. Die Männer - tot. Und er hatte nutzlos unter seinem Pferd geklemmt, während seine Männer der Barbarenhorde zum Opfer gefallen waren. Weil Germanicus Varro und Terentius Nero, sowie Terentius Furius miteinander sprachen, stakste er allein auf die Straße, um sich das Elend anzusehen. Er rieb sich das Gesicht, während er zwischen den Körpern entlang ging.


    Gaius - tot. Manius - schwer verletzt. Fango - lebte. Caesar und die Zivilisten, wohlauf. Spurius ... nicht mehr unter den Lebenden. Tisander ... lebte! Wo kam Tisander plötzlich wieder her? Der Decurio ging zu ihm, da Tisaner scheinbar nicht mehr gehen konnte. Calenus packte ihn an der Schulter, nicht so wissend, ob er ausrasten oder sich freuen sollte.


    "Tiro Tisander! Wo warst du all die Zeit?!"


    Und dann entdeckte Calenus auf einmal den toten Subpraefectus, den er hatte sicher nach Germania eskortieren sollen. Der junge Aemilier, jedermanns Liebling, Sohn des Legatus Augusti Pro Praetore. Alles Blut wich Calenus aus dem Gesicht.

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