[Mons Aventinus] Templum Cereris

  • Nervöser als üblich blickte Manius Minor auf die Schale mit den Vitalia, welche Manius Maior wurden zur Inspektion gereicht. Zweifelsohne würde Ceres, respektive sämtliche Dei consentes an dieser Stelle ihr Votum verkündigen, so sie grundsätzlich missbilligten, dass jener pflichtvergessene Spross eines uralten Hauses seinen Cursus Honorum fortsetzte. Während der Pontifex also in jenem Gemisch aus Blut und weiteren Körpersäften die Leber wendete, malte sich sein Sohn aus, wie nun er sollte reagieren, falls sein Vater eine Obnuntatio proklamierte, ob dann das Opfer schlicht zu wiederholen wäre, ob er seine Kandidatur zurückziehen oder ein größeres Sühneopfer würde zu vollziehen haben. In jedem Falle würde er seinem getreuen Freund Lucretius Carus einiges zu gestehen haben...


    Erfreulicherweise währte die Leberschau jedoch nicht lange, sodass die Litatio Minor aus dem gramvollen Spintisieren riss.

    "Litatio!"

    nahm lautstark Carus das Votum des Pontifex auf und klopfte dem noch immer ein wenig nachdenklichen Flavius auf die Schulter. Er mühte sich ein scheues Lächeln ab und blickte zu seinem Vater hinüber. Ob dieser die Wahrheit hatte gesprochen? Oder war dies eine Farce wie jene zahllosen Litationes im öffentlichen Kult, die, wie er wusste, zur Annahme verdammt waren, da doch niemand unter den Pontifices oder Haruspices es wagte, dem Kaiser und seinen Amtsträgern die unerfreuliche Nachricht zu übergeben, die Götter nähmen ihre Gaben nicht an? Womöglich hatte sein Vater lediglich dieses Resultat verkündet, um die öffentliche Demütigung seines Sohnes zu verhindern, womöglich gar, um ihn nicht davon abzubringen, seinen Dienst für die Res Publica fortzusetzen, da er um seine epikureischen Umtriebe wusste!


    Während also Lucretius Carus sich wieder seinen Familiaren zuwandte, um auf die Vollendung des Schlachtvorgangs zu warten und sich seinen Anteil für das abendliche Festmahl mitzunehmen, trat Gracchus Minor zu Gracchus Maior heran und fragte mit gesenkter Stimme, damit die Umstehenden es nicht vernahmen:

    "Was hast du wahrhaftig gesehen? Eine Litatio?"

  • Der ältere Gracchus blickte den jüngeren an und schwankte zwischen leichtem Amüsement und väterlichem Mitgefühl ob dessen Unsicherheit, welcher in ähnlichen Situationen seines eigenen Lebensweges er sich durchaus selbst konnte entsinnen.

    "Gewiss, mein Sohn. Welchen Weg zu beschreiten sollten die Götter von einem Flavius erwarten, wenn nicht den ehrenvollsten von allen?"

    Mit einem pikaresken Unterton fügte er hinzu:

    "Darüberhinaus sind die Unsterblichen weitaus ge..duldiger als jeder Vater, dass auch einige Umwege und Latenzen auf deinem Wege sie nicht weiter tangieren."

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Das Lächeln seines Vaters verschwamm vor dem Auge Minors, doch die freundliche Wärme in der Stimme, die darauf abzielte ihm Entlastung und Zuversicht einzuflößen, verspürte er umso deutlicher. Trotz aller Distanzen und Desillusionen zwischen Manius Maior und Manius Minor schien an diesem kühlen Morgen auf dem Aventin jene durchaus wohlwollende, wenn nicht liebevolle Relation auf, die trotz aller Widrigkeiten Vater und Sohn ihr gänzliches bisheriges Leben hatte durchzogen, wie letzterem in dieser Situation gewahr wurde. Mochte der ältere Gracchus bisweilen ungeduldig, bisweilen aufbrausend und in ehelichen Obliegenheiten zuletzt irrig gehandelt haben und womöglich Gefahr laufen, sich zulasten des flavischen Hauses gänzlich übertölpeln zu lassen, so war er doch sein Vater und hatte auch in düsteren Stunden stets beigestanden. Selbst seinen Rückfall und seine Distanz in den vergangenen Tagen, die dem nachhaltigen Ärger über die ihn bedrohenden, doch dennoch offenkundig possierlichen Zwillinge war geschuldet gewesen, schien er ihm zu vergeben.

    "Ich... danke dir, Vater."

    , erwiderte er stammelnd, da plötzlich ihn eine heftige Welle an Emotion erfasste und gar seine Augen befeuchtete. Er seufzte tief, widerstand indessen dem Drang, seinen inzwischen ein wenig gealterten Vater im die Arme zu schließen, da dies doch unschicklich wäre gewesen.

  • Auch der ältere Gracchus bemerkte die Magie des Augenblickes zwischen Vater und Sohn - wiewohl er dies mehr auf die Tragweite des angestrebten Amtes bezog -, und legte Minor eine Hand auf die Schulter.

    "Sorge dich nicht, Minor. Dies mag dir wie ein weiterer großer Schritt anmuten, doch du wirst ein guter Aedil sein. Ich würde nicht zulassen, dass du diesen Schritt gehst, wärest du nicht dafür bereit."

    Zweifelsohne mochte man dies auch gänzlich wörtlich nehmen, denn da Gracchus Minor noch immer unter der patria potestas seines Vater stand, hätte dieser durchaus das Recht, ihn von jedem Schritte abzuhalten.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Die Hand auf seiner Schulter verströmte eine Wärme, welche über die physische Wirkung hinaus den Körper des jüngeren Flavius durchströmte, da doch selten bereits derartige Körperlichkeiten zwischen seinem Vater und ihm zu erleben waren gewesen. Dass er trotz seiner jüngsten Desillusion ihn als reif erwog, die nächste Stufe des Cursus Honorum zu erklimmen, erfüllte ihn mit freudiger Dankbarkeit, welcher sogleich er nicht lediglich durch seinen Blick sondern ebenso durch seine Stimme Ausdruck verlieh:

    "Ich danke dir, Vater. Ich möchte dich nicht enttäuschen."


    In diesem Augenschlage trat Lucretius Carus an die beiden Flavii heran, was jene geradehin magische, familiale Dyade zerbrach und gleichsam Manius Minor in die Realität der rastlosen Geschäftigkeit zurückholte, welche insonderheit ihn nun während des Wahlkampfes vorantrieb.

    "Flavius, ich danke dir sehr, dass du nicht nur deinen Sohn, sondern auch mich unterstützt. Gerne darfst du dir das beste Stück unserer Opfergabe aussuchen."

    , erklärte sein Freund überschwänglich und wies auf das Schwein, das zu zerlegen der Opferschlächter bereits begonnen hatte. Minor selbst wusste nicht, mit welchen Stücken der Coquus der Villa Flavia Felix rechnete, doch vermutete er, dass er (als Bedienter eben eines Pontifex, der recht häufig Opferfleisch mit nach Hause brachte) für alle Eventualitäten war gerüstet.


    Mit einem vertraulichen Nicken entfleuchte er so der Situation und wandte sich den übrigen Teilnehmern der Kulthandlung zu, da selbstredend auch hier es galt, einige Hände zu schütteln und freundliche Gesten zu zeigen.

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