Etwas schneller als erwartet kamen dann die beiden Römer auch. Zu schnell, wenn man es genau nahm. Elfleda wollte ihr Kind vor deren Ankunft zu Ida gebracht wissen, doch meinten die Nornen es wohl anders. Geradezu herrschaftlich stellte Albin den Besuch vor, ehe er eben jenem Platz machte. Elfleda blieb also nicht viel mehr übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zu beten, dass ihr Sohn sich nicht gleich von seiner schlechteren Seite zeigen würde.
“Es freut mich, dich kennen zu lernen, Germanica Calvena. Und Quintilius Valerian, schön, dich wieder zu sehen.“ Nachdem sie ihn bei ihrer ersten Begegnung kurzerhand abgefertigt und zu Witjon geschickt hatte, waren ihre Worte jetzt vielleicht geradezu grotesk freundlich. “Und danke für die Wünsche. Ich denke aber, ich werde meinen Sohn dennoch schnell nach draußen bringen, ehe er an diesen Abend seine Gesundheit durch eindringliche Lautstärke unter Beweis stellt.“ Anders ging es leider nicht, wenngleich Elfleda es geschickter gefunden hätte, hätte sie Landulf schon zuvor wegbringen können. So entstand eine kleine Unterbrechung in der Begrüßung, aber es war wirklich besser, ihren Sohn wegzubringen, ehe er von diesem ganzen Trubel noch aufwachte und dann erstmal losbrüllte.
Mit einem gewinnenden Lächeln und einem leichten Nicken ließ Elfleda also ihre Gäste einen Moment allein, um schnurstracks in Richtung Küche zu gehen. Ida wartete auch schon und bekam den im Aufwachen begriffenen Säugling vorsichtig übergeben. “Nicht brüllen, Schatz. Einen Abend nicht brüllen...“, beschwor sie ihren Sohn und gab ihm noch einen kleinen Kuss auf die Stirn.
Als sie wieder das Kaminzimmer betrat, fühlte sie sich souveräner als ehedem. Ein gekonntes Politikerlächeln zierte ihr Gesicht, als sie scheinbar hoch erfreut auf ihre Gäste zuschritt. “Entschuldigt noch einmal. Da plant man einen ganzen Abend, und doch passt die zeitliche Reihenfolge nicht ganz.“ Auch Witjon erhielt dasselbe Lächeln, nur in seinem Fall war es die unausgesprochene Frage, was sie verpasst hatte. Oder ob er die Zeit genutzt hatte, auch wenn es nur wenige Momente gewesen waren.
“Habt ihr euch denn in Mogontiacum schon gut eingefunden?“ begann sie ein belangloses, kleines Gespräch. Alles in der Sprache der Römer, in welcher sie schon erheblich besser geworden war. Ihr Akzent hatte sehr stark nachgelassen, und sie musste kaum mehr überlegen, sofern sie sich auf die gebräuchlicheren Worte und Floskeln beschränkte. Aber auch, wenn die Germanica sie in einem germanischen Dialekt begrüßt hatte, würde Elfleda heute nicht germanisch reden. Zum einen, weil sie nicht wusste, ob das nur ein auswendig gelernter Satz gewesen war, und zum anderen, weil sie nicht wusste, was die Germanica wirklich verstand. Sie würde also sämtliche spitzen Bemerkungen, die ihr eventuell in den Sinn kamen, und sämtliche Hinweise an Witjon unterlassen müssen. Aber sie war die Nichte von Rodewini, sie wusste, wie man sich präsentierte und wie man den Mund hielt.