Kaminzimmer

  • Etwas schneller als erwartet kamen dann die beiden Römer auch. Zu schnell, wenn man es genau nahm. Elfleda wollte ihr Kind vor deren Ankunft zu Ida gebracht wissen, doch meinten die Nornen es wohl anders. Geradezu herrschaftlich stellte Albin den Besuch vor, ehe er eben jenem Platz machte. Elfleda blieb also nicht viel mehr übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zu beten, dass ihr Sohn sich nicht gleich von seiner schlechteren Seite zeigen würde.
    “Es freut mich, dich kennen zu lernen, Germanica Calvena. Und Quintilius Valerian, schön, dich wieder zu sehen.“ Nachdem sie ihn bei ihrer ersten Begegnung kurzerhand abgefertigt und zu Witjon geschickt hatte, waren ihre Worte jetzt vielleicht geradezu grotesk freundlich. “Und danke für die Wünsche. Ich denke aber, ich werde meinen Sohn dennoch schnell nach draußen bringen, ehe er an diesen Abend seine Gesundheit durch eindringliche Lautstärke unter Beweis stellt.“ Anders ging es leider nicht, wenngleich Elfleda es geschickter gefunden hätte, hätte sie Landulf schon zuvor wegbringen können. So entstand eine kleine Unterbrechung in der Begrüßung, aber es war wirklich besser, ihren Sohn wegzubringen, ehe er von diesem ganzen Trubel noch aufwachte und dann erstmal losbrüllte.
    Mit einem gewinnenden Lächeln und einem leichten Nicken ließ Elfleda also ihre Gäste einen Moment allein, um schnurstracks in Richtung Küche zu gehen. Ida wartete auch schon und bekam den im Aufwachen begriffenen Säugling vorsichtig übergeben. “Nicht brüllen, Schatz. Einen Abend nicht brüllen...“, beschwor sie ihren Sohn und gab ihm noch einen kleinen Kuss auf die Stirn.


    Als sie wieder das Kaminzimmer betrat, fühlte sie sich souveräner als ehedem. Ein gekonntes Politikerlächeln zierte ihr Gesicht, als sie scheinbar hoch erfreut auf ihre Gäste zuschritt. “Entschuldigt noch einmal. Da plant man einen ganzen Abend, und doch passt die zeitliche Reihenfolge nicht ganz.“ Auch Witjon erhielt dasselbe Lächeln, nur in seinem Fall war es die unausgesprochene Frage, was sie verpasst hatte. Oder ob er die Zeit genutzt hatte, auch wenn es nur wenige Momente gewesen waren.
    “Habt ihr euch denn in Mogontiacum schon gut eingefunden?“ begann sie ein belangloses, kleines Gespräch. Alles in der Sprache der Römer, in welcher sie schon erheblich besser geworden war. Ihr Akzent hatte sehr stark nachgelassen, und sie musste kaum mehr überlegen, sofern sie sich auf die gebräuchlicheren Worte und Floskeln beschränkte. Aber auch, wenn die Germanica sie in einem germanischen Dialekt begrüßt hatte, würde Elfleda heute nicht germanisch reden. Zum einen, weil sie nicht wusste, ob das nur ein auswendig gelernter Satz gewesen war, und zum anderen, weil sie nicht wusste, was die Germanica wirklich verstand. Sie würde also sämtliche spitzen Bemerkungen, die ihr eventuell in den Sinn kamen, und sämtliche Hinweise an Witjon unterlassen müssen. Aber sie war die Nichte von Rodewini, sie wusste, wie man sich präsentierte und wie man den Mund hielt.

  • Der Empfang war unerwartet herzlich und freundlich. Valerian erwiderte den Händedruck des Ducciers nicht weniger kräftig und erwiderte das Lächeln. "Damit hast Du vollkommen Recht. Ich kann den Göttern für meine Frau nicht genug danken. Und meinem Patron und der kaiserlichen Kanzlei für die Heiratserlaubnis." Marsus schien ja nicht verheiratet zu sein, sonst hätte er seine Frau sicherlich vorgestellt. Dabei sah der Duccier wahrhaftig nicht schlecht aus, - wenn einem wilder Haarwuchs und ein Vollbart gefiel. Leider gab es auch unter den Stadtrömern einige, die diese barbarische Mode bevorzugten. Etwas, das Valerian überhaupt nicht nachvollziehen konnte.


    "Aber ich bitte Dich", wandte er sich an Elfleda, die doch lieber ihren Sohn hinaus brachte. "Da gibt es doch nichts zu entschuldigen. Kinder sind der Reichtum jeder Familie." Es war wirklich eigenartig, wie herzlich die Frau sich nun ihm gegenüber gab. Doch Valerian schob es auf die Trauer, die an jenem Tag sicher noch frischer und stärker gewesen war als jetzt. Natürlich nahm er nicht an, daß sie ihre Trauer bereits überwunden hatte, so etwas dauerte nun einmal länger. Aber zumindest war sie nicht mehr so abweisend wie vorher. "Nun, was mich angeht, so ist ein Militärlager wie jedes andere. Leider habe ich viel zu selten Zeit, bei meiner Frau zu sein." Damit übergab er das Wort an seine Frau, denn sie hatte sicher mehr zu berichten, was die Eingewöhnung in der Stadt anging.

  • Herzlich wurden sie begrüßt, zumindest machte es den Anschein, denn in die Köpfe ihrer Gastgeber konnte sie nicht rein schauen. Außerdem hatte ihr Valerian noch nicht erzählt, dass er bereits den Ducciern einen Besuch abgestattet hatte. Sie hatten einfach zu selten die Gelegenheit sich in aller Ruhe zu unterhalten und sei es nur über Belanglosigkeiten. Etwas, dass sich wohl auch nicht so schnell ändern würde. Aber für den Moment hatte sie ja ihren Mann fast allein für sich und die Einladung der Duccier war ihr nur recht gekommen. Wirklich viele Leute hatte sie noch nicht kennen gelernt, irgendwie hatte sich das nicht ergeben. Wieder vermisste sie ihre Freundinnen in Roma, hier würde sie erst noch Kontakte knüpfen müssen, wobei, besonders einige Germanen, ihr gegenüber recht zurück haltend waren. Einige schienen die üblichen Vorurteile gegenüber den Römern zu hegen und diese wohl als Eindringlinge und Unterdrücker zu sehen. Ein wenig einfacher hatte sie es sich schon vorgestellt Anschluss zu finden. Zum Glück hatte sie ja noch Valentina, aber diese schien die meiste zeit ihre eigenen Sorge und Nöte zu haben. Was wohl mit einem gewissen Terentius Lupus zusammen hing. Valerian gönnte ja seiner Schwester das Glück, nur schien die in seinen bedenken, dass der Terentier ebenfalls Soldat war, eine Ablehnung heraus zu lesen. Bei Gelegenheit würde sie ihre Schwägerin mal bei Seite nehmen müssen. Doch diesen Gedanken schob sie erst einmal bei Seite, sie wollte den Abend genießen und sich nicht schon wieder Sorgen machen.


    Wie so häufig wurde mit Komplimenten nicht gespart und obwohl sie eigentlich recht häufig hörte sie sei hübsch, zauberten die Worte ein ehrliches, vielleicht etwas verlegen wirkendes Lächeln auf ihr Gesicht.
    Marsus sah aus wie ein Germane, -jedenfalls so wie man sich eigentlich einen vorstellte, lange Haare, gestutzter Bart- hatte aber fast die geschliffene Ausdrucksweise der Römer angenommen. Was sie wieder vor die Frage stellte germanischer Römer oder römischer Germane? Die Frage, wo sich die Sippe der Duccier selbst sah, verkniff sie sich, das wäre wohl unhöflich gewesen. Zumal sie ihre Gastgeber nicht kannte, es konnte auch einfach sein, dass sie sich gut angepasst hatten und sich hinter der römisch angehauchten Fassade, die wilden Germanen versteckten. Vielleicht würde sie ja selbst irgendwann dahinter kommen.
    „Es freut mich dich kennen zu lernen“, sagte sie an Elfleda gerichtet, der es wohl ein klein wenig unangenehm war, dass noch ihr Sohn da war. Sie selbst störte es nicht, die Anwesenheit des Kindes schien die noch etwas steife Begrüßung aufzulockern. Es war jedoch verständlich, dass die Mutter ihren Sohn erst einmal fortbrachte, der Kleine schien noch friedlich zu schlafen und sie hatte nicht vor die Ruhe des Kindes zu stören. „Nur zu“, meinte sie freundlich und verständnisvoll, als Elfleda dann auch erst einmal kurz entschwand. Dass der Nachwuchs auch bei ihnen nicht mehr lange auf sich warten ließ, ahnte sie noch nicht.


    Nur wenige Augenblicke später war die junge Mutter dann auch schon wieder bei ihnen. Valerian winkte die Entschuldigung ab, auch sie selbst hatte es nicht gestört, dass sie den Nachwuchs kurz kennen gelernt hatten. Irgendwie vermisste sie für einen kurzen Moment Sabina. Ihre kleine Cousine brachte immer frischen Wind in formelle Besuche. Sofern sie denn Bias wachsamen Augen entkam und sich dann zu den Erwachsenen mogelte.
    „Ich hab mich recht schnell eingelebt. In meiner Kindheit bin ich viel herum gereist, von daher fällt es mir nicht schwer, mich an anderen Orten zu Recht zu finden. Und das was ich von Mogontiacum bisher gesehen habe, gefällt mir. Es geht hier nicht ganz so turbulent zu wie in Rom und es ist auch angenehm den heißen Sommermonaten zu entkommen!“ nahm sie den Faden auf. Ob sie erwähnen sollte, dass sie in Germanien geboren war? Sie ließ es erst einmal, vielleicht würde sich die Gelegenheit dafür noch ergeben. Ebenso vielleicht die Gelegenheit die eigenen Sprachkenntnisse wieder aufzupolieren.

  • "Wollen wir uns nicht niederlassen?" warf Witjon ein, als Elfleda den Raum wieder betrat. Er war froh, dass das Gespräch so locker begonnen hatte. Die Atmosphäre war freundlich und entspannt. Mit einer einladenden Geste führte Witjon Gäste und Schwägerin zu den Liegen, als Lanthilda eintrat, um zur Bewirtung beizutragen. "Kann ich derweil eine Erfrischung anbieten? Wein?" Und mit einem schelmischen Blick zu Calvena fuhr er fort: "Oder etwas Dünnbier?" Er konnte ja nicht ahnen, dass die Römerin in Germania geboren war und womöglich bereits Erfahrungen mit dem hiesigen Lieblingsgetränk und Grundnahrungsmittel der Germanen und Kelten gemacht hatte.
    Als sie sich niedergelassen hatten, wobei Witjon gegenüber Valerian und neben Elfleda und andersherum Platz genommen hatte, knüpfte der Gastgeber an vorangegangene Aussagen an. "Es freut mich sehr, dass ihr euch so schnell eingelebt habt. Natürlich, für dich (Valerian) wird es kein Problem gewesen sein, du hast ja deinen Dienst bereits bei der Legio Secunda als Probat und Legionär abgeleistet, wenn ich mich nicht irre?" Sicherlich hatte Witjon sich vorinformiert. Er wusste, dass der Quintilius später dann von den Prätorianern nach Rom geholt wurde. Was dort geschah, würde er heute wohl hoffentlich erfahren. An Calvena gewandt fragte er dann: "Du bist viel herumgereist? Ungewöhnlich, wie mir scheint. Wie kam es dazu?" Niemand reiste mit Sack und Pack im Land herum, wenn er nicht gerade steinreich war und sich Leibwachen und mehrere Wohnsitze leisten konnte. Hatte Valerian etwa einen so guten Fang gemacht, der seine Geldbörse um einiges praller gemacht hatte? Denn kein normaler Mensch konnte es sich sonst leisten, viel zu reisen. Mal von Kaufleuten abgesehen, die damit ihren Lebensunterhalt verdienten. "Wenn du Mogontiacum für ruhig hälst, geh' mal raus auf's Land," schlug Witjon weiterhin vor. "Abseits der Legionsstraßen wirst du die Ruhe selbst finden. Zumindest, wenn du dich nicht von Vogelgezwitscher, dem Rascheln der Baumkronen und gelegentlicher Flüche vom nächstgelegenen Getreidefeld stören lässt." Er grinste schief. Ja, das war seine Heimat. Aufgewachsen in einem Bauerndorf, wusste er das Landleben nur zu gut zu schätzen. Oft genug dachte er so darüber, wenn er einmal wieder im Arbeitsstress in seinem Officium versank oder in Wachstafelbergen im Arbeitszimmer seines Hauses badete.

  • Landulf war versorgt und sicher, nun konnte Elfleda auch etwas mehr entspannen. Den Kommentar des Quintiliers beantwortete sie nur mit einem wohlwollenden Lächeln, einen Kommentar sparte sie sich wohlweislich. Ihres Wissens nach hatten die Römer ein sehr seltsames Verhältnis zu ihren Kindern, ließen fremde Frauen ohne Notwendigkeit diese stillen und großziehen und behandelten sie weitestgehend wie Geschäftsinvestitionen. Von daher hatte es eine gewisse Grundironie, einen Römer von Kindern als Reichtum der Familie sprechen zu hören.
    Doch heute war sie nicht hier, um zu zanken oder jemandem den Kopf gerade zu rücken. Heute sollten neue Kontakte geknüpft werden, vielleicht sogar eine vorteilhafte Freundschaft. Da ersparte sie ihren Gästen solcherlei Maßregelungen, wie sie ihre Familienmitglieder postwendend erhalten hätten. Und so setzte sie sich einfach auf eine Kline und überließ Witjon den Hauptteil der Gesprächsführung. Was die Germanica mit ihren vielen Reisen meinte, verstand Elfleda auch nicht so recht. Wer reiste schon viel, wenn es nicht unabdingbar war? Elfleda war auch viel gereist. Allerdings zu den benachbarten Dörfern, oder auch mal zu einem Thing. Einmal im Jahr irgendwohin zu gehen war für sie schon viel reisen, allerdings klang es bei der Frau des Quintiliers so, als meine sie zum einen weitere und zum zweiten noch häufigere Reisen. Und das war ihr dann doch etwas suspekt.
    “Aber diese Reisen solltest du vielleicht doch mit deinem Mann unternehmen. Es ist hier sicher nicht so wild wie in den Geschichten, aber jede Reise allein über Land birgt ihre Gefahren.“ Elfleda wäre es auch nie eingefallen, allein in den Wald zu gehen, ohne nicht irgendeinen der Männer hier zwangszurekrutieren. Und dabei war sie dank des verdammt hohen Muntschatzes, den Lando gezahlt hatte, nach germanischem Recht wohl sicherer als die meisten. Es konnte sich einfach niemand finanziell leisten, ihr etwas anzutun, wenn er sich nicht gleichzeitig sicher sein konnte, von den Ducciern dafür nicht belangt zu werden.

  • "Danke, gern", erwiderte Valerian auf die freundliche Einladung, sich doch niederzulassen. Die Clinenanordnung war unrömisch, vier statt drei Clinen. So war es unmöglich den Ehrenplatz auszumachen, der bei den Römern ganz genau festgelegt war. So setzte sich Valerian dort, wo Marsus ungefähr hingedeutet hatte und stellte fest, daß Marsus und dessen Schwägerin sich ihnen gegenüber niederließen. Eine etwas merkwürdige Anordnung, fand Valerian, denn nun hatten sie immer den Tisch mit den Speisen zwischen sich. Aber er ließ sich von seiner Verwunderung nichts anmerken. Hier fand eine Vermischung der Kulturen statt, die er erst kennenlernen mußte.


    "Für mich bitte verdünnten Wein. Mein erstes Erlebnis mit Bier war, sagen wir mal, zum abgewöhnen." Das Grinsen, das diese Worte begleitete, war recht spitzbübisch. Ja, damals, sein erster Ausgang als Probatus. Mit Drusus war er damals saufen gegangen. Und danach... besser nicht dran denken. Der Centurio war echt sauer gewesen. "In der Tat habe ich mich sehr schnell eingelebt. Ein Militärlager ist ohnehin wie das andere. Kennt man eines, kennt man alle. Und meine Militärkarriere hat tatsächlich hier begonnen. Ich habe viele gute Erinnerungen an Mogontiacum. Hast Du Dich nach mir erkundigt oder gibt es doch noch Menschen in diesem Haus, die sich meiner erinnern?" Es sollte eine Provokation sein, dies so zu fragen. Es interessierte ihn einfach, ob die Famlie der Duccier sich der alten Verbindung zu den Quintiliern erinnerten. Immerhin hatten zwei von Valerians Cousinen lange Zeit in diesem Haus gewohnt. Und auch Valentina, seine Schwester, war hier einige Monate zu Gast gewesen, bis sie dann doch in die Casa Quintilia zurückgezogen war.


    Was die Reisen anging, so schien doch ein gewisses Mißverständnis zwischen den Frauen zu bestehen. Immerhin hatte Calvena doch betont, daß ihre Reisen in ihrer Kindheit stattgefunden hatten. Und nun hörte es sich so an, als würde sie allein durch die Gegend ziehen. Das konnte und wollte Valerian nicht so stehen lassen. "Hab Dank für Deine freundliche Fürsorge, werte Elfleda. Wir werden Deinen Ratschlag gewiß befolgen. Ich weiß um die Gefahren, die eine Reise hier, wie auch überall sonst, mit sich bringt. Lange Jahre habe ich in diesem Land verbracht und meinen Dienst verrichtet, in dem ich verpflichtet war, eben gegen diese Gefahren anzugehen. Wir werden ganz sicher nicht ohne die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen Reisen unternehmen. Meine Frau meinte auch mehr die Reisen in ihrer Kindheit, nicht wahr, Liebes?" Zwar hätte Calvena das auch selbst richtigstellen können, aber irgendwie war der Beschützerinstinkt stärker gewesen. Sanft drückte er die Hand seiner Frau, quasi als Entschuldigung dafür, daß er ihr zuvor gekommen war.


    "Was die Ruhe angeht, so ist wohl jeder Ort ein Hort der Ruhe im Vergleich mit Rom. Stille kehrt dort niemals ein. Aber wenn man es von klein auf gewöhnt ist, dann stört es einen nicht mehr. Rom ist gleichsam entsetzlich und wunderbar. Das eine geht nicht ohne das andere. Man liebt es, oder man haßt es. Ich gehöre zu den eigenartigen Menschen, die es lieben und wäre ohne Zwang nie aus Rom fortgegangen. - Hat es euch je dorthin verschlagen?"

  • Das die Duccii doch mehr Germanen wie Römer waren stellte sich schnell durch den ungewöhnlichen Aufbau der Klinen heraus. Man war eben es in diesen Gefilden gewohnt zusammen einem großen Tisch zu sitzen, anstatt gemütlich zu liegen. Und so ähnelte der Aufbau im Grunde einer großen Tafel. Ungewöhnlich, aber diese Vermischung der Kulturen war nicht unangenehm. Ihre Gastgeber gaben sich schließlich alle Mühe. Es war so etwas wie ein aufeinander zu gehen. Nicht viele Germanen waren bereit so auf die römischen Eindringlinge zuzugehen. Dieser Abend schien vielversprechend zu werden.
    Als ihnen Getränke angeboten wurden, fing sie den schelmischen Blick Marsus‘ auf, fast könnte man meinen er wollte sie zu irgendwelchen Unfug anstiften, als er ihr Dünnbier anbot. Doch auch sie würde bei verdünnten Wein bleiben. „Für mich bitte auch verdünnten Wein!“ Calvena ließ sich gegenüber Elfleda auf die Kline nieder. Valerians Kommentar zu seiner Erfahrung mit dem Bier, veranlasste sie zu schmunzeln. Er hatte ihr die Geschichte einmal erzählt. Besonders weil sie Spuren auf seinem Körper hinterlassen hatte. Auch wenn es kaum den Anschein hatte, Valerian war für reichlich Unsinn zu haben und hatte auch das ein oder andere Mal eben die Konsequenzen tragen müssen.
    Gerade als sie die Frage von Marsus beantworten wollte und nachdem Elfleda sie anscheinend ein wenig falsch verstanden hatte, was an sich kein großes Drama war, übernahm einfach ihr Mann die Führung in dem Gespräch und sie ließ ihn gewähren. Früher oder später ließ er sie auch wieder zu Wort kommen. Außerdem wusste sie ja, dass er es nicht Böse meinte, sondern nur alle Sorgen und Zweifel zerstreuen wollte. Wären sie unter sich gewesen, hätte er dennoch einen kleinen Stoß in die Seite bekommen. Jedenfalls gab er dir dann doch die Gelegenheit selbst zu antworten, wobei sie seinen sanften Händedruck nur zu gern erwiderte. „Meine Zieheltern waren Händler und haben mich überall mit hingenommen“, erklärte sie dann schließlich. War zwar nicht ganz die Wahrheit, kam der Wahrheit recht Nahe. Es musste eben nicht jeder wissen, dass ihre eigentliche Ziehfamilie aus Gauklern ohne festen Wohnsitz bestanden hatte. „Aber das ist schon lange her.“

  • "Zum abgewöhnen, das ist gut," grinste der junge Ubier, der sich daraufhin direkt einen Becher Bier geben ließ, während die Gäste wie gewünscht verdünnten Wein serviert bekamen. "So bleibt mehr für mich übrig." Ein bisschen Spaß musste ja sein. Daraufhin erhob er seinen Becher und sagte: "Auf die Kinder!" Woraufhin er noch einmal zuprostend den Becher hob und dann einen guten Schluck des Hopfenbräus zu sich nahm.


    Das Gespräch nahm seinen Lauf. Elfledas Warnung zum Thema Reisen unterstützte der Hausherr mit einem zustimmenden Nicken. Valerian machte schnell klar, dass sein Wissen um jene Gefahren dort draußen jedoch gut war, so dass kein Grund zur Besorgnis bestand. "Ein erfahrener Soldat wird es verstehen seine Familie nicht in unnötige Gefahren zu bringen, davon gehe ich aus," erklärte er - auch an Elfleda gewandt - und befand, dass man dieses Thema nun gewiss unter den Tisch fallen lassen konnte. Manchmal nervte es ihn nur noch, wie gefährlich Germanien angeblich war im Gegensatz zu anderen Provinzen des Reiches. Unmöglich, was er sich da teilweise von römischen Durchreisenden oder hierherversetzten Beamten hatte anhören müssen!


    "Und ob sich noch jemand an dich erinnert!" lachte Witjon. "Albin, unser Hausverwalter und Mädchen für alles ist schon viele Jahre in den Diensten der Sippe. Er war definitiv schon damals im Haus, als du noch hier einzukehren pflegtest." Ein Grinsen umspielte seine Lippen. Witon lud sich doch keine Gäste ein, die er nicht kannte. Wer war denn schon so unvorsichtig?


    Valerians nächste Frage brachte Witjon erneut zum Lachen. Jedoch war es kein ausschließlich fröhliches Lachen, denn Witjons Antwort fiel negativ aus. "Ich habe meinen Fuß noch nicht einmal auf Boden außerhalb der Provinzgrenzen Germanias gesetzt. Nach Rom zu reisen käme mir nicht einmal annähernd in den Sinn." Daß er die Provinz allerdings schonmal über die Limesgrenze hinaus verlassen hatte, verschwieg Witjon bewusst. Von dieser unsäglichen Aktion musste ja nicht jeder wissen. Mit ehrlichem Interesse forderte er Valerian dann jedoch auf: "Erzähl uns doch von Rom. Wie ist die ewige Stadt? Abgesehen von 'entsetzlich und wunderbar'."

  • Sim-Off:

    Entschuldigt, hatte ganz vergessen, mich abzumelden


    Um den Graben zwischen den Kulturen nicht ganz so tief zu ziehen, nahm sich auch Elfleda Wein. Ihr Kopf würde es ihr am nächsten Tag nicht danken. Ebensowenig die Menschen in ihrer Nähe, allen voran wohl Witjon. Doch das sollte jetzt nicht ihr Problem sein.
    Dass der Quintilier ihren germanischen Namen benutzte, fiel Elfleda erst eine Sekunde zu spät auf, so dass es zu spät war, ihn dezent aber bestimmt darauf hinzuweisen, dass sie das römische Bürgerrecht inne hatte. Wenn die Römer schon so einen Klamauk darum veranstalteten, ob man nun Bürger war oder nicht und einen römischen Namen trug oder nicht, anstatt den Stand eines Menschen anzuerkennen – immerhin war Rodewini nicht irgendwer. Ein Wort von ihm, und dreihundert Schwertkämpfer standen bereit. Ein paar Worte mehr, und es waren fünfhundert aus den umliegenden Sippen und Dörfern – dann wollte sie auch darauf bestehen, dass sie diese Ehrungen, die damit einher gingen, erhielt. Sie war ja nicht irgendwer. Sie war eine der reichsten Frauen der Stadt, wenn nicht die reichste. Wären sie ein paar Meilen weiter östlich, niemand hätte gewagt, ihr einen Platz an der politischen Spitze abzuerkennen. Nur die Römer verweigerten sich dem Gedanken, dass auch eine Frau eigenständig Macht innehaben konnte. Aber dann bitteschön sollten sie ihr wenigstens das zugestehen, was sie ihr nicht verweigern konnten.
    Nur war der Moment vorbei, es charmant verpackt rüberzubringen, und sie hatte den Quintilier schon einmal vor den Kopf gestoßen, indem sie ihm eben jenen zurecht gerückt hatte. Also beließ sie es – erstmal – dabei und konzentrierte sich lieber auf das Gespräch.
    Zu den reisen sagte sie nichts. Sie kannte reisende Händler, ab und an kam mal einer in ihren Dorf vorbei. Nur hatten die normalerweise ihre Familie nicht bei sich. Händler waren meist ein lohnendes Angriffsziel. Auch wenn sie Wächter dabei hatten, im Grunde war das ein Leben, als wäre ein Kopfgeld auf einen ausgesetzt. Was Eltern dazu treiben mochte, da ihre Kinder mitzunehmen, wusste Elfleda nicht. Allerdings konnte sie es sich auch nicht vorstellen, was einen dazu treiben mochte, selbst durch die Gegend zu reisen, um Plunder zu verkaufen. Allerdings hatte sie auch nach all der Zeit noch recht wenig Bezug zu Geld als wirklichen Wertgegenstand, bestand ihre Wertauffassung noch immer in Land, Hof, Getreide, Vieh, Stoff, Einfluss. Nicht in Münzen. Aber gut, so langsam hatte sie sich daran gewöhnt, dass die Römer einfach anders waren. Nicht besser, das definitiv nicht. Eines Tages, wenn die Stämme aufgehört haben würden, gegeneinander zu kämpfen, würden sie die Römer überrollen, davon war Elfleda überzeugt. Aber sie waren anders, und im Moment war diese Andersartigkeit die vorteilhaftere Art, an Macht zu gelangen.
    “Ich fürchte, ich habe nicht einmal wirklich ein Bild davon, wie weit es nach dort ist. Meine Reisen waren doch allesamt etwas kürzer, kaum mehr als fünf Tagesreisen von meiner Heimat entfernt.“ Sie war nur zu den Things oder ähnlichen Veranstaltungen mitgekommen, wenn Rodewini damit den anderen Fürsten zeigen wollte, wie sicher er sich seiner Sache war und wie gut es den Seinen ging.


    Doch man war ja nicht nur zum Reden hier, sondern vornehmlich, um zu essen. Elfeda hatte sich sagen lassen, die Römer reichten dazu mehrere Gänge, immer nur kleine Häppchen hiervon und noch kleinere davon. Sie fand diese Art schrecklich dekadent. Lando hätte wohl nur Hohn und Spott für diese Verschwendung über gehabt, und auch sie hatte im Herzen nicht eingesehen, warum man das so machen sollte. Vor dem Problem, zwischen Verschwendung und Höflichkeit wählen zu müssen, entschied sie sich für den einfacheren Weg: Sie verpackte ihr Missfallen der römischen Tischsitten einfach gut.
    So wurde aufgetragen, und zwar für germanische Verhältnisse opulent. Ein Ferkel, das am Vortag extra geschlachtet worden war, war kross geröstet worden und lag nun in Scheiben angerichtet da, dazu Pastinakpüree, Zwiebeln, Möhren. Von den Markknochen war eine kräftige, dunkle Soße gekocht worden, die Separat in einem extra hierfür zugelegten Schälchen stand. Dazu Brot, heute extra gebacken. Um den Römern etwas entgegenzukommen, hatten sie diese Fischtunke besorgt, mit der diese alles würzten. Auch diese stand in einem Schälchen. Ebenso wie noch etwas Olivenöl bereit stand. Hungern mussten ihre Gäste sicherlich nicht.


    Lächelnd wandte sich Elfleda ihren Gästen zu, die sicher etwas römischere Vorgehensweisen erwartet hätten, indem man sie erstmal mit Eiern als Vorspeise hungrig machte und dann den Hauptgang servierte. Aber Elfleda hielt nichts von dieser Dekadenz.
    “Ihr seht, wir haben gedacht, da ihr hier nun in Germania erstmal heimisch werdet, bringen wir euch ein wenig der hiesigen Küche näher. Damit es allerdings nicht ganz so ungewohnt ist, haben wir selbstverständlich auch Garum.“ Mit einem charmanten Lächeln deutete Elfleda auf das Schälchen. “Bedient euch, ich hoffe, es schmeckt.“ Na, war das nicht gut verpackt gewesen? Elfleda dachte dabei natürlich nur an die Gäste, dass diese sich mit ihrer neuen Heimat anfreunden konnten. Das sagte doch schon ihr freundliches Lächeln.

  • Entschuldigend lächelte Valerian seiner Frau zu. Er wusste, sie hätte ihm am liebsten einen kräftigen Knuff gegeben und er wusste ebenso, dass er es verdient gehabt hätte. Sie würde sein Lächeln schon richtig verstehen, da war er sicher. „Ein alter Soldat sagte mir einmal, man lernt das Bier schätzen, wenn man sehr durstig ist. Es wäre dann so erfrischend und lecker, dass man es ab da nicht mehr missen möchte. Allerdings konnte ich mich noch nicht dazu überwinden, das auszuprobieren, um zu sehen, ob er Recht hatte.“ Mit einem dankbaren Nicken nahm er seinen Becher entgegen und hob ihn den Gastgebern entgegen. „Auf die Kinder, ganz gleich welchen Volkes. Ihnen wird die Welt gehören.“ Ob sich der kleine Duccier wohl eines Tages mit dem noch ungeborenen Quintiliuskind vertragen würde?


    „Albin erinnert sich also doch noch an mich? Ich war mir nicht sicher, er lässt sich irgendwie nie anmerken, was er denkt.“ Ob er das nun gut oder schlecht fand, ließ er bei dieser Aussage völlig offen. „Es ist aber auch schon sehr lange her, so vieles hat sich geändert. Bei euch ebenso wie bei uns.“ Für einen Moment legte sich ein Schatten über seine Miene, als er an die Verwandten dachte, die damals noch gelebt hatten und die ein herzliches Verhältnis zu den Bewohnern dieses Hauses gehabt hatten.


    Daß die Dame des Hauses sich an der Verwendung ihres germanischen Namens stieß, ahnte Valerian nicht, konnte er auch nicht, immerhin hatte Marsus sie heute Abend so vorgestellt. Deshalb hatte Valerian auch angenommen, es sei ihnen lieber so, da die Duccier doch immer sehr stolz auf ihre germanischen Wurzeln waren und sich gerne einen Teil ihrer Herkunft bewahrten.


    Marsus’ Lachen beantwortete Valerian mit einem Grinsen. „Eine Frage war es auf jeden Fall wert. Schade, dass Dich so gar nichts reizt, nach Rom zu reisen. Die Stadt ist sehenswert, auch wenn man dort nicht leben möchte. - Wie weit es ist? Oh, sehr weit. Über achthundert Meilen, man ist viele Wochen unterwegs. Die Reise ist anstrengend und scheint endlos zu sein. Nicht wahr, Calvena? Dabei waren wir wirklich schnell… Von Rom erzählen können wir euch vieles. Es gibt unzählige prachtvolle Gebäude, ganz aus Marmor, mit den herrlichsten Verzierungen und Statuen. Alles in herrliche Farben getaucht. Aber nicht alle Pracht in Rom ist aus Stein. Es gibt auch große Parks, in denen alte Bäume stehen und in denen ganze Teppiche von farbenfrohen Blumen wachsen. Kunstvoll gestaltete Brunnen sprudeln auf allen Plätzen, nicht mit dem schmutzigen, stinkenden Tiberwasser gespeist, sondern mit klarem Quellwasser, das über Aquädukte aus den Bergen in die Stadt geleitet wird. Überall in den Straßen gibt es Händler, bei denen Du Waren aus aller Welt kaufen kannst. Unter den schattenspendenden Arkaden sitzen Lehrer mit ihren Schülern oder stehen ganze Gruppen von Menschen, die eifrig miteinander diskutieren. Bettler sind ebenfalls überall zu finden, genau wie man ständig auf der Hut vor Taschendieben sein muß. Weite Gebiete der Stadt sind sehr eng besiedelt. Die Häuser sind mehrstöckig, nur im Erdgeschoß gibt es fließend Wasser. Die anderen Bewohner müssen sich ihr Wasser an den öffentlichen Brunnen holen. Die Ärmsten wohnen ganz oben, die Reichen unten. Manche dieser Häuser sind billig gebaut, es gibt eben auch unseriöse Bauunternehmer. So brechen immer wieder Häuser zusammen und begraben Menschen unter sich. Das Gefährlichste aber sind Feuer. Es gab schon verheerende Brandkatastrophen in Rom, nicht umsonst wurden die Vigiles geschaffen, eine Truppe, die nicht nur Feuer bekämpft, sondern auch dafür zuständig ist, es zu vermeiden.“


    Das Essen wurde aufgetragen und es sah einfach köstlich aus und duftete noch viel besser. Valerian war nicht in übermäßig reichen Verhältnissen aufgewachsen und kannte es sehr wohl, normalerweise von Puls und Eintopf zu leben, oder Brot mit Moretum und Oliven. Von den kulinarischen Extravaganzen der Reichen mit unzähligen Gängen, von denen man nur häppchenweise probierte, hatte er auch noch nicht viele erlebt. Er griff auf Elfledes freundliche Eröffnung der Mahlzeit hin nach dem frischen Brot und brach sich ein Stück davon ab. „Eßt ihr denn auch Garum zu eurem Essen? Oder eher nicht? Ich würde es gerne genau so probieren, wie es bei euch üblich ist. – Es sieht alles einfach herrlich aus und bei dem Duft läuft einem wirklich das Wasser im Munde zusammen.“ Die Gastfreundschaft in diesem Haus war immer schon überwältigend gewesen und das hatte sich augenscheinlich nicht geändert. Valerian war sehr wohl klar, dass es hier nicht jeden Tag ein geröstetes Ferkel gab und war sich der Ehre, die ihm und Calvena hier entgegengebracht wurde, sehr wohl bewusst.

  • Das konnte was werden, wenn ihr Gastgeber aus seinem Scherz ernst machte und auch den Anteil Bier, der für die Gäste gedacht war, einfach trank. Feucht fröhlich würde es dann sicherlich werden. Ihr wurde ein Becher Wein gereicht und auch Elfleda schloss sich ihnen an. Ein wenig überraschte sie es schon, aber dieser Abend war ohnehin ganz anders, wie sie es sich vorgestellt hatte. Ein germanisch-römischer Mix. Es würde wohl nur wenige germanische Familien geben, die sich die Mühe gaben, sich ein wenig anzupassen. Für die meisten waren die Römer nun einmal Eindringlinge und wurden gerade so geduldet.
    Zwar gab es weit weniger Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Kulturen, als man sich in Rom erzählte, aber nach wie vor, war Germanien so etwas wie ein Hexenkessel und man musste ein gewisses Fingerspitzengefühl beweisen, wenn man so etwas wie Freundschaft entwickeln wollte. Zum Prost hob sie ebenfalls ihren Becher und nippte anschließend an dem Wein. Dem Gespräch folgte sie entspannt. Sie beobachtete immer wieder ihre Gastgeber, wollte sie dadurch ein wenig näher kennen lernen. Kleine Gesten drückten meist mehr aus wie Worte. Elfleda wirkte sehr bedacht, zurückhaltend, jede Geste schien sie sich zu überlegen. Diese Situation schien für sie ungewohnt zu sein. Witjon hingegen war entspannt, schien aber seine eigenen Sorgen zu haben. Zumindest hatte sie diesen Eindruck, sie konnte sich auch täuschen.


    Doch erst einmal lauschte sie den Ausführungen ihres Mannes. Ein Grinsen zeigte sich auf ihren Zügen, als er meinte so eine Reise von Rom nach Mogontiacum erscheine einem endlos. „Besonders wenn man sich nicht so wohl auf einem Pferderücken fühlt“, witzelte sie in seine Richtung. Sie meinte es nicht Böse, wollte ihn aber ein klein wenig aufziehen. Dass er nicht gern ritt war so etwas wie ein offenes Geheimnis und oftmals Grund vieler liebevoller Sticheleien. Der Hintern hatte ihr nach dem langen Ritter dennoch wehgetan und sie war froh gewesen, erst einmal nicht so schnell sich wieder in den Sattel schwingen zu müssen.
    Das ihr Mann Rom liebte, wurde deutlich, als er von der Stadt erzählte. Er vermisste Rom. Calvena vermisste vor allem ihre Freundinnen, Rom war schön, aber manchmal einfach nur laut, überwältigend und nervenaufreibend. Mogontiacum gefiel ihr hingegen besser, es war nicht ganz so hektisch. Die Zeit hatte hier ihren eigenen Rhythmus. Nur fehlten ihr eben ihre Freundinnen und die vielen Gespräche.


    Das Essen kam, typisch germanisch, aber es roch herrlich. Man hatte sich alle Mühe gegeben und Elfleda machte eine einladende Geste.

  • Nach dem Gespräch mit dem seltsamen Fremden am Vortag hatte Albin den Mann heute zur verabredeten Zeit erneut in Empfang genommen und führte ihn sogleich ins Kaminzimmer, wo der Hausherr Duccius Marsus den Magoniden bereits erwartete. Im Kamin brannte ein Feuer, das wohlige Wärme ausstrahlte und auf dem Tisch zwischen einigen gepolsterten Korbsesseln stand heißer Würzwein bereit. Draußen schien tagsüber zwar schon die wärmende Märzsonne, doch wurde es schnell wieder kalt, sobald diese dem Mond das Feld überließ. Manchmal gab es gar noch Frost über Nacht, so zäh krallte sich der Winter noch im Lande fest.
    Albin wies nur in allgemeine Richtung seines Sippenführers und forderte den Magoniden fast freundlich auf, sich heimisch zu fühlen. "Bittesehr," brummte er und machte dann auf dem Absatz kehrt, um ins Atrium zurückzukehren, wo er leise seinen Rücken verfluchte, als er sich unter Schmerzen der Reinigung des Wasserablaufs des Impluviums zuwendete.

  • Nur Albin fiel auf das Mathayus fast die gleiche Kleidung und Ausstattung wie gestern trug. Nachdem er eingetreten war ging ein leichter Schauer durch seinen Körper. War er doch die Wärme von Melita gewöhnt und musste sich auf das germanische Klima noch gewöhnen.
    Mathayus ging freundlich lächelnd auf den Hausherren zu und grüßte ihn. Daber sprach er wieder in einem Latein mit starkem punischem Akzent, auch wenn er sich große Mühe gab diesen möglichst zu minimieren:
    "Salve Duumvir Duccius Marsus. Ich hoffe ich habe keine Unannehmlichkeiten bereitet und bedanke mich das ihr so schnell Zeit für einen einfachen Händler findet."


    Sim-Off:

    Ich bin mir gerade nicht ganz sicher was die Anrede angeht wenn sich zwei noch nicht kenne. War das richtig so?

  • Sim-Off:

    Beinahe. In der Antike kannte man nur das 'Du' als Anredeform. Ihr, Euch, Sie, als Höflichkeitsform gab es nicht. Selbst der Kaiser wurde geduzt. Wenn du allerdings jemanden besonders höflich behandeln willst, nennst du ihn nur beim Titel und dem Nomen Gentile. In Marsus' Fall hast du da soweit schon alles richtig gemacht.


    Witjon hatte sich schwer gewundert, als Albin ihm erklärte, dass ein Fremder mit merkwürdigem Akzent, der weder römisch noch keltisch oder germanisch aussah ihn sprechen wolle. Der Termin war ihm kein Dorn im Auge, weshalb Witjon den Mann gern empfing und so erhob er sich auch sogleich aus einem der Sessel und ging auf den Besucher zu, um ihm zu begrüßen.
    "Salve, Magonidas," sagte er in der Annahme, dass der zweite Name des Mannes dessen Abstammung beschrieb und ähnlich wie ein Nomen Gentile fungierte. "Sei willkommen in der Halle meiner Sippe." Er führte den Gast zu den Sesseln, forderte ihn freundlich auf sich zu setzen und bot ihm etwas zu trinken an. Nachdem die Wünsche des Besuchers befriedigt worden waren, lenkte Witjon den Smalltalk langsam in Richtung des Grundes für den Besuch des Magoniden.
    "Ich empfange gern Besuch, sei unbesorgt. Unanehmlichkeiten hat das germanische Gastrecht keine vorgesehen." Witjon schmunzelte im Bewusstsein, dass das Gastrecht einen extrem hohen Stellenwert bei den Stämmen genoss. Wer einen Fremden ohne Grund abwies wurde wie ein Verbrecher bestraft, genauso wie ein Fremder, der die Gastfreundschaft des Hausherrn missbrauchte.
    "Nun, Magonidas," kam Witjon endlich zum Kern der Anwesenheit seines Gegenübers. "Was führt einen einfachen Händler wie dich zu mir?"
    Dass der Mann ein einfacher Händler war, konnte Witjon dabei schlecht beurteilen. Insgesamt erschien ihm die Aufmachung des Magoniden sehr fremdartig und seltsam, hatte er doch einen Mann in römischer oder nordischer Gewandung erwartet, doch nicht einen, der so fremdartig gekleidet war. Woher sollte er auch wissen, dass dies ein Ausdruck punischer Kultur war?

  • Mathyus freute sich über die gewährte Gastfreundschaft und tauschte begeistert eine zeitlang Belanglosigkeiten mit dem Hausherren aus. Er versuchte es nicht zu sehr zu zeigen doch war er wirklich überrascht über diese Herangehensweise des Germanen. Hatte er diese doch immer für grobe Barbaren gehalten, wobei er nicht sicher war ob das nun besser oder schlechter als ein arroganter Römer war. Doch zumindestens dieser hielt sich an die ihm nur zu gut bekannten Formen und redete erst einmal eine ganze Zeit nicht über das wichtige.
    Andererseits alarmierte ihn diese Tatsache auch zur Wachsamkeit, denn wenn Marsus von dieser Sache wusste kannte er vielleicht auch so einige andere Kniffe.
    "Nun Duumvir Duccius was führt mich zu dir. Wenn du erlaubst hole ich ein klein wenig aus um das zu erklären. Nachdem ich mich mit meinem älteren Bruder über das Erbe unseres vor gut einem Jahr gestorbenen Vaters geeinigt hatte beschloss ich das heimatliche Malet... oh Entschuldigung Melita zu verlassen. Auch wenn ich meine Heimat sehr vermisse gehört es sich doch das der jüngere dem älteren den Vortritt lässt. Jedenfalls zog es mich ein wenig durch das Reich bis ich schließlich beschloss mich hier in Germania Superior niederzulassen.
    Du musst wissen mein Vater hat dafür gesorgt das ich eine sehr gute Ausbildung erhielt und neben der Tatsache das ich mehrere Sprachen spreche, ein Schiff führen kann, ein Händler bin ja sogar mehrere Jahre den Vigiles von Melita vorstand, beherrsche ich eben auch den Anbau von Wein, Oliven und der Ceratonia siliqua. Letztere beiden werden hier in Germanien wohl nie gedeihen doch gerade der Wein soll hier prächtig gedeihen. So kam es mir wie eine Fügung der Götter vor als ich die Gelegenheit bekam ein Latifundium wenige Meilen außerhalb von Confluentes an der Straße nach Mogontiacum erwerben zu können.
    Doch dann verließ mich zunächst mein Glück und ich verstrickte mich in die Wirren römischen Rechtes. Jedenfalls ist es nun so das mir das Gut zwar gehört doch durch einen geschickten Winkelzug eines Advokaten kann ich es erst beziehen wenn die Vorbesitzerin, die Witwe eines römischen Beamten, das Gut verlässt oder Charon sie über den Styx geleitet. Alle eingeleiteten Schritte brachten nichts und die Reise der Dame zu beschleunigen kommt natürlich nicht in Frage. Doch als Händler der 10 Jahre zur See gefahren ist und das gesamte Mare Mediterraneum befahren hat bin ich es gewöhnt auf neue Gegebenheiten zu reagieren. So kam ich hier nach Mogontiacum und da meine gesamte Familie auch jeden Tag hier eintreffen müsste mietete ich ein Domus. Ich weiß nicht ob ihr es kennt es liegt nahe beim Hafen an der Via Praetoria?
    Nun ja jedenfalls will ich dir nicht noch mehr deiner Zeit stehlen und zum Punkt kommen. Die Ereignisse der letzten Zeit haben meine Geldreserven ziemlich schrumpfen lassen. Zwar könnte ich meinen Erbteil auf Melita verringern aber das würde doch sehr lange dauern. Nun kam mir zu Ohren das du ein reicher Mann in dieser Stadt bist und eventuell die richtige Person ist die mir mit einem Darlehen aushelfen könnte. Ebenso dachte ich mir als neuer Bürger einer Stadt muss man sich ja auch einbringen und etwas für die Gemeinschaft tun. Ist es richtig das der Posten des Centurio Vigilum nicht besetzt ist?"

  • Mathayus nahm das freundliche Schweigen seines Gastgebers als Aufforderung hin weiter zu sprechen:


    "Falls diese Informationen richtig sind würde mich interessieren was man tun muss um sich für dieses Amt zu bewerben. Die nötigen Fähigkeiten denke ich habe ich dazu. Stand ich doch in Melita einige Jahre den Vigiles vor."

  • Geduldig lauschte Witjon der Geschichte des Magoniden. Er nickte nur gönnerhaft, als Mathayus ankündigte weit ausholen zu müssen und lehnte sich dann zurück, gelegentlich an seinem Würzwein nippend. Was Magonidas da erzählte, kam ihm ziemlich alltäglich vor. Eine Familie, mehrere Söhne, eine Trennung aus Erbschaftsgründen. Auch, dass Mathayus Kaufmann war, ließ Witjon im Grunde genommen nur die Schultern zucken, denn das war er auch. Interessanter war dabei, was sein Gast über ein Latifundium berichtete. Er war also über's Ohr gehauen worden? Und jetzt brauchte er Geld. "Nein," musste Witjon sein Gegenüber dann enttäuschen, als der ihn fragte, ob er das Gebäude kenne. Wie könnte er diese Frage auch beantworten, war doch die Lagebeschreibung schon ziemlich allgemein gehalten.
    Einen Augenblick lang grübelte Witjon dann über die weitere Frage des Magoniden. Nicht bezüglich des Darlehens, das würde er ihm wohl gewähren - natürlich nicht, ohne einige Nachforschungen anstellen zu lassen, denn der Kerl könnte ja auch ein Hochstapler sein, der ihn um sein Geld betrügen wollte - sondern vielmehr wegen der Frage nach einem Posten. "Also..." begann er dann, als Mathayus noch einmal nachhakte. "Es ist durchaus richtig, der Centurio Vigilum hat vor etwa einer Woche seinen Rücktritt erklärt," bestätigte Witjon langsam. "Allerdings wirst du verstehen, dass ich einen Fremden, der nicht lange hier lebt und die Gemeinde noch gar nicht richtig kennen gelernt hat, nicht sogleich zum Vorsteher unserer Nachtwächter ernennen kann." Mit eindringlichem Blick versuchte Witjon zu ergründen, ob er mit dieser Absage Verständnis oder Bitterkeit hervorruf. Eine Reaktion in Worten ließ er jedoch nicht zu, sondern fuhr lieber mit seiner Erklärung fort. "Jedoch ist das offizielle Kontingent der Vigiles hier in Mogontiacum sowieso seit Jahren schon recht unbedeutend geworden. Den Großteil der Nachtwache und Brandbekämfpungsarbeiten teilen sich die Handwerkervereine, von denen die Töpfer hier einen sehr großen Teil stellen."
    Er zuckte die Schultern und meinte dann: "Aber sofern du dich dennoch bewerben möchtest, weil du unbedingt zur Zeit eine Tätigkeit ausüben möchtest, schlage ich vor, dass du dich beim Stadtrat bewirbst. Ich würde dich dann einfach zur nächsten Sitzung laden und deine Bewerbung in die Tagesordnung aufnehmen. Dann kannst du dein Anliegen dem Rat vorstellen, der über deine Einsetzung entscheiden wird." Denn über diese Möglichkeit hatte er bisher gar nicht so richtig nachgedacht: Der Ordo Decurionum wurde in der Provinzreform deutlich gestärkt und bildete nun den Kern der Stadtverwaltung. Wieso also nicht auch Bewerbungen, die nicht direkt mit dem Rat zu tun hatten, sondern auf andere Stadtämter abzielten - mal abgesehen von den wählbaren - der Abstimmung des Rats übergeben? So musste Witjon sich als Duumvir wenigstens nicht die Verantwortung aufbürden, einen dahergelaufenen Punier zugelassen zu haben, der hinterher noch etwas verbockte. Aber da Magonidas nichts von seinen Gedanken erahnen konnte, machte Witjon einfach gute Miene zum vermeintlich bösen Spiel und erwartete einfach dessen Reaktion. Dabei fiel ihm auf, dass er noch gar keine Zusage über das Darlehen gegeben hatte, aber darauf würde der Mann wohl schon noch von selbst zu sprechen kommen.

  • "Das verstehe ich natürlich auch wenn ich das mit den Nachtwächtern etwas ungewohnt finde. Auf Melita haben wir es jedenfalls immer anders gehandthabt. Dort waren die Vigiles nur für die Brandbekämpfung zu ständig. Zwar sind sich auch nachts patrouliert und haben dann gelegentlich auch einen Störenfried gestellt. Aber um die Aufklärung von Verbrechen und die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit waren sie eher weniger zuständig.
    Aber sei es wie es ist und ich verstehe natürlich das du niemanden der noch keine Woche in der Stadt lebt einfach mal so diesen Posten geben kannst. Wie gesagt dachte ich mir nur jeder sollte seinen Teil dazu beitragen und da die Stelle verwaist ist...."


    Mathayus nippte auch erstmal genüsslich an seinem Würzwein und fuhr dann fort.
    "Welche Art von Tätigkeit wäre das denn im Stadtrat? Ich möchte nicht protzen aber für einen einfachen Scriba Posten ist mir meine Zeit zu schade."


    Fast war er am Ende seiner Antwort angekommen als er noch einmal ansetzte:
    "Ich hoffe deine Ablehnung betrifft nicht auch das Darlehen?"

  • "Du hast mich falsch verstanden," lächelte Witjon geduldig. "Ich meinte nicht ein Amt im Stadtrat, denn dafür gibt es Wahlen, zu denen du wie jeder andere kandidieren kannst." Er stimmte dem Magonidas zu in dem Punkt, dass jeder Bewohner einer Civitas zum Wohl der Gemeinde beitragen sollte, äußerte das jedoch nicht. "Ich meinte vielmehr, dass du dich für den Posten des Centurio Vigilum vor dem Rat direkt bewerben sollst. Ich wollte dich keineswegs beleidigen, indem ich dir die Schreiberstelle anbiete."


    "Das Darlehen gewähre ich dir," gab Witjon auf die Frage zurück. "Wie hoch soll es denn deiner Vorstellung nach sein?" Ein Holzscheit knackte im Kaminfeuer und eine Katze fauchte irgendwo im Garten, während Witjon einen Schluck Würzwein nahm und Mathayus' Antwort abwartete.

  • "Ach so, entschuldige das Missverständnis, manchmal gehen mir doch einzelne Worte des Lateins noch ab auch wenn ich es schon über 40 Jahre spreche. Wo muss ich denn dann vorsprechen und wann wäre der beste Zeitpunkt für eine Bewerbungsabgabe auf den Centurio Vigelumposten?"


    "Ich bin dir sehr dankbar das du mir das Darlehen gewährst und hoffe das du 750 Sesterzen als nicht zu dreist empfindest. Wir sollten uns allerdings vorher auch noch über die Rückzahlungsmodalitäten unterhalten."

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