Publius Tantasius Numonianus war nun also fort. Selbst frisch zum Eques ernannt machte er wahrscheinlich gerade.. Urlaub auf irgendeinem Eques-Posten, statt hier, auf meinem neuen Amtssessel! Denn seien wir mal ehrlich: In der ganzen Zeit, in der ich hier als Stationaria geschuftet hatte, hatte ich den Praefectus kaum mal zu Gesicht bekommen. Immer hieß es nur, dass er sich in seiner Villa am Meer erholen müsste. Weichei! Damit war er ja fast schon so schlimm wie mein Verlobter.. wobei der erstens besser aussah, zweitens einen strebsameren Eindruck auf mich machte und drittens die Senatorenwürde anstrebte statt nur den Ritterstand. Ja, ich wusste schon, weshalb ich mit meinem Marcus verlobt war und nicht mit jemand anderem!
Zurück zum Thema: Tantasius war also weg vom Fenster und ich folgte ihm in sein altes Amt nach. Ich, eine Frau! Wann hatte es das zuletzt gegeben? Hier in Italia? Vor gut 29 Jahren *, also knapp drei Jahrzehnten! Ihr Name: Decima Lucilla. (Diese Gens kreuzte aber auch ständig meinen Weg, oder?) Und wo stand diese Dame heute? Mutter mit Dreikinderrecht, Ritterin aus eigener Ehre und Senatorengattin eines ehemaligen Praetors. Die hatte es zweifellos geschafft. Das musste man ihr neidlos anerkennen. Und sie war damit ein ganz gutes Vorbild für mich. Denn dort, wo sie jetzt war, da wollte ich auch hin. Einzige Sache vielleicht: Ich hätte mich wahrscheinlich nicht einfach aus dem Amt drängen lassen, nur um meinen Vorgesetzten heiraten zu können (denn so ein Dienstverhältnis war ja ein Ehehindernis). Andersherum wäre der Senator für mich von seinem Posten zurückgetreten! Aber wer wüsste schon, welche Gründe die Decima damals vielleicht noch so gehabt hatte. Beeindruckend und vorbildhaft blieb ihr Werdegang dennoch. Die letzte Postpräfektin überhaupt, also auch außerhalb von Italia, war meinen Informationen zufolge übrigens irgendeine Duccia irgendwo in einer der germanischen Provinzen. Aber gemessen an dem, was ich hier über sie hatte herausfinden können, wäre die Decima vermutlich trotzdem ein wesentlich besseres Vorbild. Ob diese Duccia eine Verwandte eines der letzten Aedile war? Keine Ahnung. (Ich wusste ja noch nicht einmal, dass sie für mich selbst sogar die angeheiratete Tante meines adoptierten Onkels dritten Grades.. oder so.. war! - Zu finden im Stammbaum der Annaeer, falls es jemanden interessierte.)
Egal. Auch die Amtszeit dieser Duccia war bereits fast 26 Jahre * Vergangenheit. Hieß: Ich hatte in meinem ganzen Leben nicht eine einzige Praefecta Vehiculorum im Amt erlebt. Ja, nicht eine. Ich gehörte nicht nur als Nichte meiner Tante, sondern auch ganz allgemein einer neuen Generation an und war deren erste Postpräfektin! Der erste Schritt zum Aufstieg zur bedeutendsten Dame meiner Generation (nach denen der kaiserlichen Familie, verstand sich) war damit getan. Ein weiterer würde mit meiner Hochzeit hoffentlich schon bald folgen.
Was fehlte mir noch zum Ausbau meiner Bedeutung? Richtig, ein Patron. Aber wo sollte ich mir den suchen? Beim Postdienst, den ich jetzt in Italia eh schon leitete? Blödsinn! Im Senat, mit dem ich sonst selbst nichts weiter zu schaffen hatte? Das ergab nach der Wegrationalisierung des Postdienst-Legatus auch keinen Sinn mehr. Im Ritterstand, den es mal hierher, mal dorthin verschlug? Ehrlich? Nein, ich sah da nur vergleichsweise wenige, sehr spezielle Optionen. Und bei zwei von denen war ich mir mittlerweile wirklich nicht mehr sicher, ob das so eine gute Idee wäre, während die dritte - der Praefectus Praetorio als Chef des Cursus Publicus (man rate, wessen Lebenslauf mich wohl darauf brachte!) - noch immer kein Gesicht hatte, weil sie nicht besetzt war. Kurzum: Entscheidung vertagt. Stattdessen richtete ich mir mein neues Büro im Allgemeinen und meinen neuen Schreibtisch im Speziellen ein, bevor ich mich schließlich einzuarbeiten begann....
* CH-Zeit (beides): 1 IR-Jahr = 3 RL-Monate
Ach ja, fast vergessen. Amtshandlung Nummer eins: Dieser ältere Vorzimmer-Stationarius des aus dem Postdienst geschiedenen Präfekten wurde zurück zu den übrigen Stationarii an die Versandtlisten und Co versetzt. Unfähiges Personal konnte ich vor meiner Tür nicht gebrauchen! (Und noch ein Fehler von ihm und auch dieser Stationarius würde den Cursus Publicus verlassen!) Stattdessen belohnte ich Titus Nonius Turbo für seine Arbeit und beförderte ihn zu meinem neuen Vorzimmer-Stationarius und damit auch faktischen Privatsekretär. Das Zeichen war klar: Hier wehte ab sofort ein anderer Wind! Und auch wenn ich eine Frau war: Wer nicht spurte, der wurde abgesägt. - Denn jetzt hatte ich, Sergia Fausta, hier das Sagen!