Germanicus Cerretanus war freundlich zu Ygrid. Adalheidis hatte recht gehabt, dass er einer von den Guten war.
"Einen zusätzlichen Lohn begehre ich nicht.", sagte sie: "Wir wollen es so halten, wie es ausgemacht ist."
Dann funkelten ihre Augen ein wenig belustigt:
"Sag den anderen Römern aber, dass ich keine Sklavin bin. Adalheidis ist eine freie Frau."
Adalheidis hatte Ygrid den ganzen Tag beobachtet und gesehen, wie sie sich ins Zeug legte. An der erwischten Diebin war mehr als auf dem ersten Blick zu erkennen. Sie bewies Durchhaltevermögen und Tapferkeit, denn bestimmt hatte sie sich durch auffliegende Funken verbrannt. Aber kein Wort der Klage kam über ihre Lippen..
Adalheidis überlegte. Die junge Frau musste sich dringend umziehen und - auch das war wichtig - respektabel aussehen.
In einer kurzen Sklaventunika würde sie vermutlich zu vorgerückten Stunde von einem Römer, der dem Wein schon zu sehr zugesprochen hatte, belästigt werden. Falls Ygrid sich zur Wehr setzte, konnte das für einigen Unmut sorgen.
Also ging Adalheidis in ihr Cubiculum, holte ihr zweitbestes Gewand und sprach zu ihr:
"Komm, Tochter, ich zeige dir, wo du dich waschen kannst. Und dann zieh dieses Kleid an." Sie sprach Latein - je schneller die neue Angestellte die Sprache des Patrons lernte, um so besser.
Vermutlich konnte man aus Adalheidis' Kleid Gewänder für drei Ygride machen, aber es war lang und bedeckte Waden und Schultern:
"Wenn du dich umgekleidet hast, flechte dein Haar. Dann komm in die Küche und iss etwas. Später kannst du Tordis und Tusnelda beim Bedienen der Gäste helfen."
Zwei Proben warteten noch auf Ygrid.
Tordis und ihre Schwestern waren Lästerzungen. Vielleicht würden sie unfreundlich sein. Mal sehen, ob Ygrid auch bösen Worten standhielt.
Das zweite war harmlos: Ob Ygrid schon einmal in einem Bad mit Fußbodenheizung gebadet hatte?