Die Wagenrennen

Nach einem kleinen Spaziergang durch die Stadt kommt Aemilia wieder im Circus an. Mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter trottet sie in den Block der Praesina und setzt sich wahllos auf einen der noch freien Plätze und seufzt schwermütig. Der Schrecken sitzt ihr noch immer tief in den Knochen und sie weiß noch nicht, wie sie reagieren soll. Ihr Blick geht in Richtung Arena, doch sehen tut sie nichts. Auch die begeistert jubelnden Zuschauer um sich herum nimmt sie nicht wahr. Vor dem geistigen inneren Auge sieht sie noch immer als wäre es fest auf ihrer Netzhaut eingebrannt, den Aushang auf dem Forum der Stadt. Trocken schluckt sie und starrt sprachlos vor sich hin ins Nichts.

Ich drehte meine Runden. Doch statt wie jeder andere das Rennen zu verfolgen, suchten meine Augen nach auffälligen Subjekten im Publikum. Als ich gerade meinen Blick über einen Abschnitt gleiten ließ, nahm mich eine junge Dame gefangen. Sie schien erbost zu sein. Trotz der Tatsache, dass noch alle Wagen gut im Rennen lagen.

Es wurde langsam Zeit für mich, zu gehen, ich wandte mich an die Anwesenden und verabschiedete mich, dann zu Eleanora "Es tut mir Leid, dass ich schon gehen muss, aber die Arbeit ruft! Ich werde in den nächsten tagen in der Casa vorbeisehen, damit wir ungestört reden können!"

Ich berührte, von niemanden be,erkt, ihre Hand und lächelte sie an.
Dann verliess ich die Loge und begab mich ins Castellum.

Proximus hatte den Weg in das Hippodrum doch noch gefunden. Mit langsamen Schritten stieg er die Treppen hinauf. Es war unglaublich wie viele Menschen hier zusammengeströmt waren.

"Ist das der Weg zur Loge der Decima?" fragte er einen Platzanweiser.
Dieser nickte.

Er musste unbedingt einmal mit Meridius darüber reden, die Stufen der Anlage etwas flacher zu gestalten.
Ausser Atem trat er ein.
"Salvete, omnes. Die Götter sind mit Euch..."

Meridius blickte auf.

"Salve, Onkel. Nimm doch Platz. Wie geht es?"

Dann als jener Platz gewonnen hatte, blickte er auf die Rennbahn und nickte mit dem Kopf.

"Dort unten passiert gerade nicht viel. Ein Nicht-Angriffspakt, wie es scheint. Und unsere Wagen liegen wieder so beschissen, die Götter sollten besser dort unten eingreifen..."

Proximus lächelte wissend. Meridius war ein Pferdeliebhaber und wenn er etwas nicht leiden konnte, dann war es, wenn die Wagen der Factio Aurata keine Chance auf einen Sieg hatten.

"Du musst Geduld lernen, Meridius. Unser Tag kommt auch noch.
Die Götter lassen sich zu nichts zwingen. Du kannst sie bitten,
doch ob sie Dich hören, oder gar erhören..."

Er neigte den Kopf zu seinem Neffen.

"Ich habe gehört, dass Magnus und Eleanora... Sie sind verwandt, doch es ist nicht unmöglich.
Sie haben unterschiedliche Väter und Mütter. Die Götter werden nichts dagegen haben.
Hat er schon um ihre Hand angehalten?"

Meridius schüttelte den Kopf.

"Nein, er hat noch nicht angehalten. Aber er war bei mir und hat mit mir darüber gesprochen. Er meint es anscheinend ernst und ist unbeirrbar. Ich weiß nur noch nicht, wie SIE darüber denkt. Ich werde wohl das Gespräch suchen müssen. Und es betrifft auch Praetorianus. Er ist ihr Bruder."

Meridius sprang wie die meisten der anderen Zuschauer ebenfalls auf.

"Autsch. Hast Du das gesehen? Bei den Göttern, der muss platt sein. Fliegt aus seinem Wagen. Ist der Wagen von ... Patroklos... Bei Iupiter, er muss ihn überfahren haben. Patroklos hat Hermes überfahren... Warum kann man nichts sehen? ... Verflucht nochmal...."

Er ging nach vorne an die Brüstung konnte jedoch nur erkennen, wie von allen Seiten Helfer auf die Unfallstelle zustürzten.

Der alte Priester erhob sich langsam. Vielleicht würde man ihn jetzt brauchen. Vielleicht auch nicht.

"Kannst Du was erkennen?"

"Was war das denn? Hat es jemand gesehen?"

Ich fluchte leise, ausgerechnet zum Zeitpunkt des Unfalls war meine Aufmerksamkeit nicht auf das Renngeschehen gerichtet.

So unangenehm der Unfall war, so faszinierend zugleich. Erschreckend und fesselnd. Und ihm schien es nicht als Einziger so zu gehen. Gebannt sah er zu den Geschehnissen runter.

"MARSYAS !"

Ich stieß meinen Nebenmann fast um bei meinem Freudensprung.

Sollte das endlich ein Sieg sein ? Ich konnte es noch nicht recht glauben ... hoffen, bangen ....