Da der Weg in das Untergeschoss ihm endlos fern erschien bog Gracchus einige Zimmer weiter in sein Cubiculum ein und vomierte schlichtweg in seinen Nachttopf. Konvulsiv zuckte sein Magen, suchte der galligen Melange sich zu entledigen, krampfte auch dann noch als er beinahe leer war und eine ungustiöse Mischung aus dem Festmahl - vorwiegend der Nachtisch -, einige der hastig geschluckten Pilzstücke und Wein - viel mehr als Gracchus sich konnte erinnern überhaupt getrunken zu haben -, in dem bronzenen Pott schwappte. Einige Male noch musste der Flavier würgen, doch außer einem sauren Nachgeschmack war nichts mehr in ihm verblieben. Mit einem Stöhnen erhob er sich und ließ sich auf sein Bett fallen, während ein geflissentlicher Sklaven bereits die degoutanten Überreste entfernte, und Sciurus mit einem kalten, nassen Tuch an ihn herantrat, welches er ihm kommentarlos reichte.
“Welch eine ... Schmach ...“
, seufzte Gracchus und verbarg das Gesicht in dem kühlen Tuch. Er hatte das Gefühl als hätte er seine Ehe am ersten Tage bereits vergewaltigt.
„Du hast deine Pflicht erfüllt, Herr.“
“Ja ..."
, entgegnete der Flavier nicht gänzlich überzeugt und holte tief Luft.
"Ich muss ... zurück zu Prisca ...“
Im Grunde wollte er nurmehr seine Augen schließen und diesem Tage entrinnen, so tun als hätte er Priscas Worte, dass sie auf ihn würde warten, nicht mehr gehört.
Einige endlose Augenblicke hernach - Gracchus hatte mit Essigwasser gegurgelt und den schalen Geschmack mit einem Schluck Wein hinabgespült, sich Gesicht und Hände in kühlem Wasser gewaschen - kehrte der Flavier in das Cubiculum zurück, in welchem Prisca seiner harrte. Mit einem Seufzen setzte er sich auf die Bettkante und betrachtete sie.
"Wie schön du bist."
Allfällig hatte Meister Fasiri doch recht, allfällig war es eine Krankheit, dieser Schönheit, diesen Reizen nicht zu erliegen. Gracchus wandte seinen Blick ab, ließ ihn im Fußboden versinken.
"Früher einmal war ich stolz auf meine In..tegrität. Meiner Familie, der Wahrheit und Rom habe ich die Treue gehalten, habe diejenigen vera'htet und für schwächlich befunden, welche dies nicht taten, und habe die Lüge als ebenso niederträchtig erachtet wie den ... Mord. Damals ... war es noch einfach, stark zu sein."
Eine kurze Pause folgte, ehedem er fortfuhr.
"Im Bürgerkrieg haben zweifels..ohne einige Männer ihre Prinzipientreue relativiert. Ich dagegen ... ich habe sie ... schli'htweg negiert. Meine Lüge wurde zur Wahrheit, und die Wahrheit wurde Lüge. Ich bin des Lügens leid, Prisca."
Nun suchte er Priscas Blick. Auch ihre Ehe war letztlich ein Resultat, die größte Lüge seines Lebens aus diesem Bürgerkrieg zu schützen.
"Die Wahrheit ist - die Natur hat vorgesehen, dass Männer und Frauen einander begehren. Mich hat sie dabei vergessen. Ich kann nicht na'hvollziehen, wie ein Mann im Anblicke einer Frau die Sinne verliert, wie er ihr mit Freude beiliegen kann. Ich ... ich habe ver..sucht, dies zu ändern ... deinetwegen ... doch ..."
Er zuckte ein wenig ratlos mit den Schultern.
"Ich ... ich kann meine Natur nicht ändern."
Als dies ausgesprochen war verspürte Gracchus beinahe ein wenig Erleichterung um sein Herz. Jahrelang hatte die Furcht vor der Wahrheit gegenüber Antonia ihn umgetrieben und in seinen Träumen torquiert.
"Glei'hwohl verlange ich auch dies nicht von dir. Dass du keine Kinder gebären kannst ist wohl unser Vorteil, darüberhinaus möchte ich dich nur bitten, stets Sorgfalt und Diskretion walten zu lassen - im Interesse der Flavia und der Aurelia."
Er hatte die Situation schlichtweg ein wenig relativieren wollen, doch als die letzten Worte nun ausgesprochen waren und zwischen ihnen hingen, war er sich nicht mehr sicher, ob dies korrekt gewesen war. Neuerlich drängte seine innere Zerrissenheit ihn zur Flucht, sehnte er sich danach vor langer, langer Zeit schlichtweg die Gelegenheit ergriffen zu haben mit Serapio der Welt zu entfliehen. Doch seine Entscheidungen hatten ihn an diesen Punkt geführt, alles hatte irgendwie am Ende zu dieser Ehe geführt - und er war nicht bereit, sie verkümmern zu lassen noch ehedem sie erblüht war.