Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Später hätte Manius nicht mehr sagen können wie lange er tatsächlich nur in der Türe stand und in den Raum hinein, durch den Raum hindurch sah, versunken in seine Gedanken, welche aurigae gleich auf ihren Streitwägen durch den Circus seines Geistes rasten, in derartiger Geschwindigkeit, dass er weder ihnen konnte folgen, noch sie konnte bestimmen, nur gänzlich unbeteiligt ihnen konnte hernach blicken, respektive den Staubwolken, welche sie im Sand des Rundes hinterließen. Irgendwann jedoch schien es als steige der Geruch von Blut in seine Nase, dass ein wenig blümerant ihm wurde und er sich mit einem Ächzen am Türrahmen abstützte. Als wäre das Geschehen in diesem Augenblicke erneut um ihn her drängte die Reminiszenz an den durchdringenden Geruch sich in seinen Geist, den schweren, leicht süßlichen und doch mit einem Hauch von Verdreben versehenen Geruch des Blutes des Veteranen, welcher im Atrium sein Leben hatte gelassen, dessen Eindruckes er sich nicht hatte entziehen können. Gleichsam wusste er, dass dieser Moder ihm würde anhaften bis an das Ende seiner Tage, wiewohl er in diesem Augenblicke ein wenig verwundert feststellten musste, dass das Blut eines Menschen nicht viel anders roch als jenes der Schweine und Ochsen, welche auf den Altären des Imperium den Göttern wurden dargebracht - und womöglich war dies der Grund, dass Menschenopfer seit Jahrhunderten nicht mehr dargebracht wurden, da die Götter allfällig ohnehin nicht einmal differenzierten zwischen diesen Gaben. Ebenso wie die Menschen selbst bisweilen. Ohne ein Zögern, ohne ein Innehalten hatte der römische Soldat den römischen Veteranen abgestochen, ohne eine Gerichtsverhandlung, ohne eine Verurteilung - nicht einmal Opfertiere wurden derart sinnlos geschlachtet. Wieder drehte sich die Welt um Manius' her, doch diesmalig waren es nicht seine Gedanken, diesmal war es sein Gewissen, seine Reue, denn irgendwie war dies alles auch seine Schuld, aus irgendeinem Grund, welcher ihm verborgen blieb, klebte das Blut des Veteranen an seinen Händen, haftete die Ursache dieser Unmenschlichkeit, dieser Animosität des Soldaten an seinem Handeln. Einen Herzschlag lang schwebte in der Öde des Raumes die Frage, wie tief er noch würde sinken können, doch im gleichen Augenblick schon wurde er sich der Lächerlichkeit dieser Frage bewusst. Seit Wochen, Monaten - allfällig gar schon Jahren? - stellte er diese Frage wieder und wieder, fiel er wieder und wieder ohne den Boden der Tiefe tatsächlich zu erreichen. Wie marginal mussten die Stufen seines Falles sein, dass dies derart lange nun bereits durierte? Oder war er derart hoch oben gewesen, um derart lange fallen zu können? Oder aber er befand sich in einem Kreise, einem sich drehenden Rad, welches er gegenläufig durchfiel, oder aber er war der Fixpunkt in diesem Gebilde, welcher aufgrund der Raddrehung nur glaubte zu fallen? Es ergab dies alles keinen Sinn und je mehr er darüber suchte zu sinnieren, desto wirrer wurden seine Überlegungen. Er musste fort aus diesem Haus, fort aus diesem Käfig, welcher seinen Geist begrenzte, denn irgendwo, irgendwann musste es einen Beginn all dessen gegeben haben und irgendwo musste es eine Spur geben, welche ihn zu diesem Anfang würde zurückführen können. Mühsam sammelte Manius seine Gedanken, seine Contenance zusammen, drehte sich um und verließ das Cubiculum, welches in den zurückliegenden Monaten seine Person hatte definiert - ein wenig schwankend zuerst, doch am Ende des Ganges fest entschlossen, endlich dieser Obskurität ein Ende zu bereiten.

    Ich habe gerade anhand der Cache-Suche der Narrator-Beiträge alle "Roma im Würgegriff der Gewalt"-Beiträge ermittelt:


    - in Rom - ERLEDIGT
    - Casa Matinia - ERLEDIGT
    - Casa Iulia - ERLEDIGT
    - Casa Decima Mercator - ERLEDIGT
    - Villa Aurelia - ERLEDIGT
    - Villa Flavia Felix - ERLEDIGT
    - Casa Helvetia - ERLEDIGT
    - Casa Purgitia - ERLEDIGT
    - Villa Vinicia - ERLEDIGT


    - Casa Sergia - komplett im Cache (gesichert)
    - Casa Iunia - komplett im Cache (gesichert von Aulus Iunius Avianus)


    - Villa Tiberia - Seite 59 im Cache (gesichert), Seite 60 fehlt
    - Casa Quintilia - hierfür konnte ich nur den Narrator-Beitrag über die Suche finden, allerdings nicht, ob an der Porta Postings davor oder danach fehlen
    - Casa Caecilia - hierfür konnte ich nur den Narrator-Beitrag über die Suche finden, allerdings nicht, ob an der Porta Postings davor oder danach fehlen
    - Casa Germanica - hierfür konnte ich nur den Narrator-Beitrag über die Suche finden, allerdings nicht, ob an der Porta Postings davor oder danach fehlen

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus
    Ansonsten, wenn wir schon bei den Decimern sind: Decima Seiana wurde ja gerade von Corvinus gefunden.
    Mit dem kompletten Thread kann ich nicht dienen, der Thread hieß aber "Irgendeine Insula, irgendwo am Tiberufer..." und der Titel "Die Schlinge zieht sich zu".


    - Irgendeine Insula, irgendwo am Tiberufer...
    Die beiden Seiten dieses Threads lassen sich nicht vollständig aus dem Seiten-Cache rekonstruieren, können aber durch gecachte Suchergebnisse der beiden Charaktere vervollständigt werden. Die Links habe ich nicht mehr, allerdings die Seiten gespeichert.

    Zitat

    Original von SPIELLEITUNG
    Automatisiert werden wir es leider nicht machen können (Google liefert für unsere Seite >100.000 Treffer, d.h. wir werden ziemlich sicher gesperrt, wenn wir die automatisch abgrasen und außerdem würde es Wochen dauern, die so gewonnen Daten zu sichten und das Relevant herauszufinden), aber wenn sich jeder für die ihm bekannten Threads usw. draufstürzt, haben wir wirklich sehr schnell sehr viel wieder zusammen.


    Gibt es eine (schnelle und unkomplizierte) Möglichkeit für euch, die gefundenen HTML-Seiten direkt in die Datenbank zu übernehmen, so dass die orginal Posting-Daten und Benutzer verfügbar sind (also eine "echte" Rekonstruktion), oder sollen wir unsere alten Beiträge einfach nacheinander posten?



    Zitat

    Original von Numerius Duccius Marsus
    Ich habe es, um derartigen Nachfragen direkt vorzubeugen, sowohl mit Namen, Jahres-/Monatsangaben, Threadtitel, und genaustesten Forenstrukturierungsangaben als Suchbegriffen versucht.


    Die Suchstrings wie oben vorgeschlagen führen erst einmal zur "normalen" Google-Suche, eingeschränkt auf die Domain des IR. Dort siehst du zumindest, von wann etwa die Google-Sicherung ist, also ob es sich lohnt den Cache anzusehen.
    Du musst dann die Pfeile nach Rechts ausklappen und dort auf den Link "Im Cache" klicke.


    Ein schnelles Beispiel: Casa Duccia Mogontiacum
    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/130409/temp/abtei2tg.jpg]


    Das liefert diese Cache-Seite:
    http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:6KFV0Skp1LgJ:http://www.imperium-romanum.in…1&hl=de&ct=clnk&gl=de</a>
    Der letzte Beitrag ist dort vom 11.02.2013.

    Die gesamte Seite aus dem Google Cache zu ziehen wird eventuell nicht das gewünschte Ergebnis bringen, da vermutlich für unterschiedliche Seiten unterschiedliche Cache-Zeiten vorliegen.


    Was allerdings mit ein wenig Aufwand recht gut funktioniert ist eine manuelle Suche mit Stichworten. Dabei lässt sich meist mehr als eine Cache-Version finden, z.B. Ansicht in Baum- oder Brettstruktur, teilweise auch Druckvorschau oder IR-Suchseiten.
    Die Suche kann man auf beide IR-Domains ausführen, bei Bedarf auch jeweils mit und ohne www-Präfix. Dies liefert teilweise unterschiedliche zeitliche Ergebnisse, was insbesondere dann hilfreich ist, wenn seit Dezember mehr als eine Thread-Seite gepostet wurden.
    Also etwa:
    site:http://www.imperium-romanum.info/forum Casa Decima Atrium
    site:imperium-romanum.info/forum Casa Decima Atrium
    site:http://www.imperiumromanum.net/forum Casa Decima Atrium
    site:imperiumromanum.net/forum Casa Decima Atrium
    (dazu möglichst noch ein aussagekräftiges Suchkriterium, etwa einen Namen oder den Beitragstitel)


    Für das komplette IR oder Beitrags-intensive Therads ist dies sicher keine Option (höchstens um die zeitlich letzten X Beiträge wiederherzustellen), doch kleine, private Plots lassen sich damit recht gut rekonstruieren.

    Einige Herzschläge lang sann Manius darüber nach, ob Decima Seiana mit ihren Worten auf ihn abzielte, ihn als einen der faulen Äpfel betrachtete, welche tief unten im Korb, verborgen als bibliothecarius im Hause eines Geliebten alle Läuterung des Staates überdauerten. Doch noch ehedem er zu einer Antwort für sich konnte gelangen, setzte sie bereits nach - wer privilegiert ist, hat auch Verpflichtungen. Verantwortung.
    Verpflichtungen. Verantwortung. Verpflichtungen. Verantwortung.
    Deutlich hallten die Worte der Decima einer Anklage gleich aus den Ecken des Raumes nach.
    Deine Verpflichtung! Deine Verantwortung!
    Manius fuhr gereizt herum, doch nur die Schatten der Bücherregale lagen über den Wänden, spotteten ihm durch ihre bedeutungslose Belanglosigkeit. Er presste seine Kiefer aufeinander, seine Linke ballte sich zur Faust und ein wütender Zug legte sich um seine Augen, denn hatte nicht sein Vater selbst sich aus dem Leben geschlichen, seine eigenen Verpflichtungen, seine eigene Verantwortung abgewälzt auf ihn? Manius wollte ihn zum schweigen bringen, doch außer der im Raume schwebenden Vorhaltung blieb nichts zurück, das eine Angriffsfläche mochte ihm bieten, dass auch seine Rage ziellos in der Leere musste verpuffen. Als er sich zurückdrehte zu Seiana, seine Gemütsregungen nurmehr bedingt unter Kontrolle, wusste er ihr indes nichts zu kontern, wanderten sein Pupillen rastlos über ihr Antlitz ohne dass dort eine adäquate Antwort sich ließ finden.
    Verpflichtung, Verantwortung
    , rotierten die Worte durch seine Sinne, trafen harten Fäusten gleich in seinen Leib, und hätte er sie von eben dieser ihrer Ansicht überzeugen müssen, er hätte zahllose Argumente memorieren können - nicht nur jene, mit welchen er in seiner Kindheit und Jugend war gefüttert worden, sondern ebenso seine eigene Überzeugungen, welche er im Laufe seines Lebens hatte angesammelt. Was also konnte er ihr entgegnen ohne sich selbst zu negieren, was also konnte er dem entgegensetzen, ohne gleichsam anzuerkennen, wie tief er selbst gesunken war, und wie sollte er ihr zustimmen, ohne dabei den letzten Funken an Würde zu ersticken, welcher noch in ihm glomm? Touché, mochte das Wort sein, welches ihm nicht wollte einfallen, da diese Begrifflichkeit noch nicht erfunden war, autsch, eine weitere Möglichkeit, welche doch in ihrer Banalität ihm nicht würde entsprechen.
    "Wäre nur die Tat ebenso ge..schwind und mühelos effektuiert wie das Ansinnen verbalisiert ist"
    , entgegnete er darob leise, nur allzu bewusst sich des schalen Beigeschmackes dieser Aussage, welche das Eingeständnis seines Versagens war, gleichwohl der Demütigung, welche die Decima damit über ihn ausbreitete, welche zudem um so erniedrigender war, da er ihr in diesem Augenblicke nichts mehr hatte entgegen zu setzen, sie nicht einmal des Raumes konnte verweisen, da dieser ihren eigenen Gefilden zuzurechnen, da er nur ein geduldeter Gast ohne Rechte war. Mit ausdrucksloser Miene wandte Manius sich dem Tisch mit der Schrift des Aischylos zu, sortierte die einzelnen Blätter zueinander.
    "Ich sollte mich nun besser wieder meiner Verpfli'htung als bibliothecarius widmen.
    Die Couleur seines Tonfalles war kühl, beinah ein wenig abweisend, denn wie alle Angehörigen seines Standes - auch wenn er dessen sich gegenwärtig nicht bewusst war - vertrug er keine Demütigungen.

    Aus vorwurfsvollen, leeren Augen blickte ein steinerner Ahn der Decima Manius vom Fußboden des Flures aus an, seine Nase zerbrochen, der Kiefer gesplittert - doch die Augen intakt, voller Hass, voller Vorhaltung -, und noch als er in das Cubiculum des Aton einbog, konnte er diesen harten Blick in seinem Nacken spüren. Er war gefangen in einem Albdruck, einem entsetzlichen Orlog, einer verstörenden Realität - wenn er nicht allfällig doch endgültig der Insania war verfallen, und tatsächlich kalmierte dieser Gedanke ihn für einige Augenblicke, würde dies doch bedeuten, dass nur seine eigene Welt, nur seine eigene wahnwitzige Idee wäre diesem abominablen Geschehen anheim gefallen, dass gleichwohl irgendwo außerhalb seiner Selbst Rom noch immer in Frieden existierte, Rom noch immer Rom war, noch immer seinem Ideal nacheiferte. Gleichwohl blieb die Furcht über die Wahrheit in ihm bestehen, bohrte sich tausender Stachel gleich in das Fleisch seines Geistes, dass es unumgänglich wurde, dieses Haus zu verlassen. Er hatte den Fluch seiner Existenz über die Familie gebracht, unter deren Dach er Obhut hatte gefunden, er hatte Tod und Verderben in ihr Leben gezogen, hatte die wunderschöne Roma den Fängen der Bestie preisgegeben. Derangiert blickte er durch den Raum, doch nichts von dem wenigen darin gehörte ihm - er besaß ebenso viel wie sein Leben noch wert war. Nichts. Hinter dem Bett verborgen wusste er die Zeilen Faustus', doch wagte er nicht, diese für sich zu beanspruchen, wagte nicht einmal, danach zu streben - aus Furcht, auch dies mochte alles letztlich nur ein Trug gewesen sein. Tränen bahnten sich ihren Weg aus den Winkeln seiner Augen und rannen über seine Wangen hinab, denn er spürte wie das Feuer des Wahns seine Adern verbrannte, er konnte das Kratzen und Scharren der Krallen der Strigae über den steinernen Grund hören, welcher sein Grab markierte, konnte die ätzende Säure der Schlange schmecken, welche um seinen Leib, um sein Herzen sich wand und sukzessive ihn auffraß, konnte den stinkenden Atem riechen, welchen die Larven verströmten, die sich ihm hatten angeheftet, deren Zahl beständig wuchs, und für einige Augenblicke starrte Manius in die Tiefen seines eigenen Tartaros, unschlüssig ob dieser nicht längst sich agreabler darbot als die grauenvolle Realität um ihn her, von welcher er so sehr wünschte, sie wäre nur ein Trug.

    Schwarzfarben drückte der von kaltem Regen erfüllte Himmel seiner inneren Welt auf ihn hinab, spülte ihn durch die Rinnsale, die Pfützen des ewigen Versagens, des endlosen Fluches hinfort, erstickte jeden Ruf nach Hilfe im Keime, ertränkte jedes Wort in tiefer Flut. Stumm dröhnten darob nur seine Schreie durch das trübe Wasser, wieder und wieder der Name dessen, der letztlich ihn hatte verlassen wie alle anderen zuvor. Ich lasse nicht zu, dass dir was passiert, waren seine Worte gewesen - und doch hatte er ihn verlassen, hatte ihn zurückgelassen im Auge des Sturmes, welches nun war weitergezogen, dass er inmitten des tosenden Orkanes sich wiederfand. Mit einem Mal fühlte Manius sich alt, verloren in dieser Welt, die nicht die seine war, überholt, überrollt von allem Geschehen, benutzt und weggeworfen, degustiert, durchgekaut und ausgespuckt. Es gab nichts mehr für ihn in diesem Hause zu verbergen, nichts zu sein und nichts zu bleiben, wie Sand rieselte aller noch verbliebene Rest seines Lebens durch seine Hände, denn letztlich musste er akzeptieren, dass Faustus nicht mehr würde zurückkehren, dass Faustus nicht mehr dazu in der Lage war, irgendjemanden zu schützen - und ohne Faustus hatte er gleichsam jede Verbindung zu sich selbst verloren, jeden Anknüpfungspunkt zu seiner eigenen Wahrheit. Traumtrunken gleich stemmte er sich an der Wand in seinem Rücken empor, leer glitt sein Blick über das Chaos, welches im Atium der Casa Decima - mitten in Rom, im Zentrum der Welt - vorherrschte - verwirrte, verängstigte, weinende und verstörte Sklaven, geschlagene, gedemütigte und besiegte Veteranen, aufrechte Römer, und Blut, überall Blut, Blut vergossen durch seine eigenen Händen, Blut das längst nicht mehr Blut war, das nur noch die Farbe bot eines scheußlichen Wandgemäldes, eines mehr in seiner Galerie aus Destruktion. Ohne einen Blick für irgendjemanden taumelte Manius mehr dass er ging aus dem Atrium, zurück in das Cubiculum des Aton. Fort, er musste fort von hier, nur fort, denn niemand würde dieses Haus schützen können vor ihm, niemand.


    edit: Verlinkung

    Der Duft eines Olivenhaines im Frühling, das betörende Rauschen des Oceanos in einer lauen Sommernacht, der in Lavendel und Mauve getauchte Herbsthimmel kurz vor einem Unwetter, das exquisite Aroma und das leichte Prickeln am Gaumen beim Genuss einer sauer eingelegten Meerbarbe, das sanfte Schaukeln der Rosenblüten in einem warmen Bad, der Hauch eines fordernden, und doch gleichsam zarten Kusses von Faustus' Lippen, der melodische Wohlklang einer Lesung der Aeneis - verzweifelt suchte Manius sich an die Pläsier des Lebens zu klammern und die harten Töne der Realität um sich her zu verleugnen, wie auch den Nachtmahr seines Vaters, welcher ihm in die Ohren brüllte, er möge sich erheben, möge aufstehen und endlich seiner Pflicht nachkommen, welche ihm durch das gegeben war, was er war. Allfällig hätte der keifende Wahn in seinen Sinnen ihn gar zu einer Handlung bewegen können, doch in dem Augenblicke da er seine Augen auch nur einen Spalt öffnete, schoss ein Schwall Blut aus einem stürzenden Leib und Manius wurde sogleich blümerant vor Augen, dass er diese hastig wieder schloss und suchte das Drängen und Rumoren in seinem Magen unter Kontrolle zu bringen. Es war ihm gleich wer er war, was er war, was von ihm erwartet wurde, was er zu sein hatte oder auch nicht - in diesem Moment war er nicht mehr als ein Häuflein elende Furcht, denn dies war nicht seine Welt, dies konnte nicht seine Realität sein, war fern alledem, an das er glaubte, dessen er sich entsann, gänzlich divergent zu allem, was er jemals erlebt zu haben annahm. Noch als allmählich Ruhe in den Raum einkehrte, als die Soldaten mit ihren Gefangenen abzogen, Häme und Spott der siegreichen Truppe allmählich verklangen rührte Manius sich nicht und nichts wünschte er sich in diesem Augenblicke mehr als der zu sein, welchem er Tage zuvor noch hatte gezürnt, sein Leben geraubt zu haben - Aton, bibliothecarius aus Aegyptus, welcher mit alledem nicht im Mindesten in Verbindung stand -, und doch wusste er gleichsam, dass das Leben zweifelsohne nicht ein solches Maß an Gnade für ihn besaß, denn er konnte bereits spüren, wie die Larve des regelrecht hingerichteten Veteranen in seinem Nacken sich festbiss und seine Stimme in das Flüstern des Chores der Toten sich einreihte, für deren Ableben Manius sich verantwortlich sah.

    [Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpg| Acanthus


    Wie dieser Tage so viele Häuser in Rom war auch die Villa Flavia verbarrikadiert und gesichert worden, denn mochten auch nurmehr Sklaven darin hausen, so war diesen doch - entgegen des irrigen Glaubens manch freien Bürgers - ihr Leben ebenso teuer wie dem Rest der Menschheit. Aus diesem Grunde war Acanthus, langjähriger Ianitor des Hauses, zwar mit einem ledernen Brustpanzer und einem alten Legionärshelm - aus den Beständen für das Training des flavischen Nachwuchses - gerüstet, sowie mit einem einfachen Gladius bewaffnet, ansonsten jedoch hatte sich zu seiner üblichen Aufgabe nicht allzu viel verändert. Er saß auf seinem Schemel hinter der Türe und sann über die Stofflichkeit von Tönen nach, welche sich zwar einerseits durch feste Mauern aufhalten ließen, andererseits jedoch durch eine Holzporta beispielsweise hindurch drangen, so dass ein Ton also von solcher Winzigkeit mussten sein, dass er durch eine Ritze im Holz konnte schlüpfen. Dies wiederum mutete Acanthus seltsam an, denn solch ein winziger Ton würde zweifelsohne sich schnell in der Welt verlieren, so dass womöglich ein einzelner Ton nicht etwa nur ein einzelnes Teilchen war, sondern viele Elemente gemeinsam sein musste, welche durch ihre schiere Anzahl eine ordentliche Lautstärke hervorbrachten.


    Durch ihre schiere Anzahl machten in diesem Augenblicke auch die marodierenden Horden vor den Toren der Villa sich bemerkbar.
    "Jawohl! Nieder mit den Schergen des Fetten!" murmelte Acanthus zustimmend, denn er sehnte sich nach den friedlichen Zeiten, in denen das Leben geregelt war und auch seine Dienste gebraucht wurden - denn was war schon ein Ianitor, der nur noch eine ohnehin fest verriegelte Türe zu bewachen hatte, an welche niemand mehr anklopfte? Doch selbst so die friedlichen Zeiten bald wieder einziehen würden, so wäre die Zukunft des flavischen Hausstandes, inklusive der Sklaven, weiterhin ungewiss, denn niemand hatte mehr von irgendeinem Flavier etwas gehört, dass Acanthus nichts weiter blieb als zu hoffen, dass womöglich zumindest eines der Kinder mochte überlebt haben - denn er fürchtete sich - wie jeder flavische Sklave, der bei allen Sinnen war - ein wenig davor, am Ende wieder in den Haushalt des alten Secundus Felix überzugehen.




    IANITOR - VILLA FLAVIA

    Noch ehedem die Anspannung in Manius bis zum Äußersten hin angewachsen war fiel ein wenig davon in sich zusammen, machte einer Konfusion Platz, welche mit den Worten des Centurios in ihm aufstieg. Die Soldaten, welche das Haus in ihre Gewalt hatten genommen, waren nicht die angekündigten Rebellen, sondern gegenteilig gar Legionäre des Kaisers, und sie waren nicht gekommen, ihn gefangen zu nehmen, sondern Decimus Varenus und Decima Seiana. Irritiert blickte Manius sich nach der Decima um, konnte sie jedoch nirgends entdecken, suchte gleichsam zu eruieren, wie dies alles sich in ein passendes Bild fügen ließ. Hatte Seiana sich gegen ihre Familie, gegen ihren Bruder gewandt, welcher als Praetorianer schlussendlich für den Kaiser und Rom verantwortlich war? Andererseits indes hatte Faustus selbst ihn in dieses Haus aufgenommen zum Schutz, hatte ihm ein Versteck geboten - hatte also auch er trotz seiner Pflicht sich gegen den Imperator gewandt? Diese Überlegung schlussendlich führte Manius zu einem grauenhaften Gedanken, welcher dazu gereichte, dass sein Magen unwohl sich zusammen zog, denn wenn Serapio ihn vor den in diesem Hause Rebellen genannten Männern hatte verborgen gehalten, so musste auch er selbst gegen Rom agiert haben. War es nicht gar so, dass er in der zurückliegenden Zeit viel zu oft aus den Schatten, aus dem Staub der Vergangenheit heraus das Flüstern seines Namens in Verbindung mit Verrat hatte vernommen? Jäh wurden indes diese Überlegungen bezüglich seiner eigenen Position in der Welt unterbrochen, als mit einem Male es laut wurde im Atrium, mehr noch als in kürzester Zeit und ohne dass für Manius eine Abfolge der Antezedensen wäre ersichtlich Chaos und Kampf um ihn her ausbrach. Vollkommen derangiert und von aufkommender Panik überwältigt wich Manius zurück bis an eine Wand, suchte im Raum einen Ausweg zur Flucht, doch jede Möglichkeit war ihm abgeschnitten. Bürgerkrieg, schoss unversehens ihm durch die Gedanken - als wäre dies bisher alles nur eine ferne Idee gewesen -, Bürger im Krieg, Römer gegen Römer, keine Gewinner, nur Verlierer, römisches Blut, das den Boden Roms bedeckte - nicht als Option im bedenklichsten, doch unrealistischen Falle, sondern vor ihm, einem grausigen Theaterstücke gleich, bei welchem er nicht nur Zuschauer war, sondern gleichsam selbst eine Rolle innehatte. Doch alles an diesem Bild war falsch, es konnte nicht derart, durfte nicht derart sich darbieten, und dass es eben so war, bedeutete zweifelsohne, dass es einen Punkt hatte gegeben, an welchem eine exzellente Idee, an welchem der Plan zur Erneuerung eines Ideales war verraten worden - und der Gedanke daran, dass Faustus und seine Familie dies mochten gewesen sein, welche den Verrat hatten begangen, schmerzte Manius mehr als er sich dies würde eingestehen wollen. Gegenwärtig jedoch war dies ohnehin ohne Belang, gegenwärtig war er inmitten eines Bürgerkrieges geraten, welchen er wohl mochte initiiert haben - ein überaus kurioser Gedanke, dessen Ursprung er nicht kannte -, in welchem er doch seine Seite nicht zu nennen wusste. Mit großen Augen starrte er darob auf die Kämpfe um ihn her, schrak bei jedem Krachen und Klatschen zusammen, bis dass er endlich für einen kurzen Augenblick noch einmal die Oberhand über seinen starren Leib konnte gewinnen und ihn hinab in die Knie zwang, seinen Oberkörper vornüber beugte, dass er zumindest im Ansatze aus der primären Kampfzone entkommen war als von irgendeinem Beteiligten lauthin die Aufforderung kam, sich auf den Boden zu legen - denn der trotz allem noch immer in ihm vorherrschende Stolz widersetzte sich vehement dagegen, sich similär den Sklaven in den Staub auf den Boden zu werfen. Der Duft von Mandelblüten zog durch Manius' Sinne und als er die Augen schloss sehnte er sich in den Hortus seiner Villa, das leise Plätschern des Faunenbrunnens in seinen Ohren, das Summen der Hummeln um ihn her und die zarte Berührung der warmen Strahlen der Sonne auf seiner Haut. In weite Ferne hinweg drängte er jede Realität, jedes harsche Wort des Centurios oder seines Vaters, baute um seinen Kern herum eine harte Schale - denn er war kein Apfel, er war kein fauliges Obst, er war die Nuss - geborgen und sicher in ihrer harten Schale.

    "Darob ist es für einen Staatslenker um so essentieller, dass er viabler Ratgeber um sich herum versi'hert sein kann. Und doch, sofern es auch an diesen mangelt oder aber er nicht geneigt ist, das Wohl seines Staates zu forcieren, so ist zweifelsohne selbst ein Bürger..krieg letztlich dem Scheitern des Staates vorzuziehen."
    Er war sich nicht dessen bewusst, dass diese Theorie weitaus gegenwärtiger um ihn herum im Gange war, als er dies vermutete, so dass ihm dies nur eine kurzweilige Thematik für einen erbaulichen Disput zu sein schien, wiewohl er durchaus überzeugt war von dem, was er sagte, denn letztlich war er in dem Glauben aufgewachsen, dass die Idee des Imperium Romanum über allem stand, selbst noch über den Göttern, welche ein Teil dessen waren, und insbesondere über dem eigenen Wohl.
    "Es ist dies komparabel zu einem Korb voller Äpfel im Winter. Bisweilen ist es besser, ihn einmal kräftig dur'hzurütteln, um die faulen Früchte aussortieren zu können, als tatenlos dabei zuzusehen, wie der gesamte Inhalt des Korbes allmählich verfault. Einer muss sich dafür die Finger schmutzig machen, die ver..dorbenen Früchte berühren, und so manches Obststück wird dabei entsorgt, doch letztlich führt dies dazu, dass der Großteil der Äpfel bis zum Frühjahr genießbar bleibt und darob niemand Hunger muss leiden."
    Letztlich hatte Manius nicht den Schimmer einer Ahnung von der richtigen Lagerung von Äpfeln, noch davon wie es mochte sein, Hunger zu leiden, doch auch er konnte dieses simple Bild nachvollziehen, wiewohl es ihm als Vergleich für ein von innen heraus faulendes System stets konveniert hatte - obgleich es selbstredend wie so viele Analogien nicht gänzlich passte und nicht sich in vollem Umfange auf den Staat und seine Bestandteile übertragen ließ. Dennoch überkam ihn in diesem Augenblicke ein Anflug von Traurigkeit und es schien ihm, als wäre aus einer der Ecken ein Flüstern zu hören, doch als er - die linke Braue fragend ein wenig empor gezogen - seinen Blick dorthin wandte, gab es dort nichts ungewöhnliches zu detektieren.
    "Bisweilen sehne ich mich danach, einfach nur ein Apfel zu sein"
    , gab er leise zu, blickte sodann zurück zu Seiana und fügte, über seine eigenen Worte ein wenig irritiert, an:
    "Im übertragenen Sinne."
    Denn würde er realiter sich für ein Obst entschieden müssen, so wäre er lieber eine Nuss - mit einer harten, undurchdringlichen Schale, welche seinen weichen, stets allzu verwundbaren Kern gegen das Außen zu schützen wusste.

    Als Manius im Zentrum des Hauses angelangte war das Atrium bereits gut gefüllt, die Decimer hatten es nicht versäumt, Klienten und Veteranen in ihrem Hause zu versammeln, um es zu schützen, und als nun auch allmählich Bewohner und die Sklavenschaft eintrafen, so hatte es beinahe den Anschein, als ward zu einer Festivität geladen - oder allfällig zu einer Bestattung, wozu die Ernsthaftigkeit auf den angespannten Gesichtern der Anwesenden wohl mehr mochte passen. Die Sklaven standen in einem kleinen Pulk beisammen, in welchem kaum einer auch nur wagte zu flüstern, die meisten anderen bereits Versammelten kannte Manius nicht, ob dessen er sich irgendwo einen unauffälligen Platz im Hintergrund suchte, nicht allzu nahe, doch ebenso nicht allzu weit zu allen anderen. Er trug eine einfache, blaufarbene Tunika, keinerlei Schmuck oder Zierde, wiewohl noch immer ein Vollbart sein Antlitz halb verbarg, so dass wohl niemand, welcher den Senatoren Flavius Gracchus nicht kannte oder schon des öfteren hatte zu publiken Anlässen von Nahem zu Gesicht bekommen, ihn als den würde erkennen können, welcher er - unwissend seiner selbst - war. Aufmerksam ließ er seinen Blick durch das Atrium wandern, in welchem nicht zu übersehen römischen Soldaten, Legionäre zweifellos, das Kommando hatten übernommen, was Manius in Hinblick auf die Rebellen nicht ganz wollte einleuchten, was gleichsam jedoch ein gewisses Maß an Unbehagen in ihm evozierte, denn irgendetwas störte ihn an diesem Bild, irgendetwas war nicht recht daran, nicht so, wie es sollte sein. Vorerst indes gab es für ihn nichts weiter zu tun als abzuwarten.


    /edit: Verlinkung

    Die Rebellen sind da, trieb durch die Casa Decima wie der ungustiöse Odeur angebrannten Essens, drängte in jede Ritze und jeden Spalt des Hauses, klopfte schlussendlich ganz unverhofft auch an Atons Türe, dass Manius nicht seine Ohren konnte verschließen vor der Neuigkeit, welche von dem Umbruch kündete, der in Rom, im Imperium Romanum und somit dem Großteil der bekannten, wiewohl relevanten Welt sich formierte. In eine regelrechte Panik versetzte ihn dies, denn Faustus war noch immer nicht wieder zurückgekehrt, zudem war fraglich, ob er je wieder überhaupt würde zurückkommen, so dass niemand ihn mehr würde bewahren können vor seinem Schicksal, welchem ihm zuzuführen diese Rebellen schlussendlich gekommen sein mussten. Zwar hatte auch Decima Seiana ihm zugesichert, dass von niemandem in diesem Hause ihm würde Gefahr drohen, doch für die Rebellen galt dies zweifelsohne nicht. Faustus hatte ihm die Möglichkeit geboten, sich hier zu verstecken, da sein Leben hatte davon abgehangen, da es von eminenter Wichtigkeit war gewesen, dass niemand wusste, wo er war, ob dessen Manius nicht einmal auf die Idee verfiel, für die Rebellen könnten dies eben gerade nicht gelten. Einige Augenblicke dachte er darüber nach, sich unter dem Bett zu verstecken - denn es hatte eine Zeit gegeben, in der dies durchaus war adäquat gewesen, um der Realität zu entgehen -, verwarf diesen Gedanken jedoch alsbald wieder. Der Weg aus dem Haus hinaus war unbezweifelt bereits durch Soldaten gesichert, so dass sie letztlich ihn ohnehin würden finden, und aus diesem Grunde entschied er, seine Anwesenheit nicht länger zu verschleiern. Wenn dies sein Ende sollte sein, so sollte es nur sein Ende sein, nicht aber das der unschuldigen Bewohner dieses Hauses, dass also Manius die Schultern straffte, den letzten Rest seiner Würde und seines Stolzes zusammenraffte und sich wie angewiesen in das Atrium begab.

    Einem gefangenen Löwen gleich lief Manius durch den Raum, setzte seine Schritte bis dass er eine Wand erreichte, kehrte um und setzte den endlosen Gang fort. Die Rebellenarmee hatte vor den Toren Roms Stellung bezogen - in der Culina hatte er diese Neuigkeit vernommen, wie jede Neuigkeit der letzten Zeit -, die Verräter waren in unmittelbarer Nähe, und diese Nachricht wühlte ihn mehr auf als dies mochte angebracht sein, obgleich er nicht genau wusste, weshalb, nur dass dies von eminenter Bedeutsamkeit war, allfällig sogar mit ihm, mit all seinen Lügen mochte in Zusammenhang stehen, doch er hatte es nicht gewagt, Fragen zu stellen - Fragen hinsichtlich der Stärke dieser Armee, ihres Feldherren oder des Verbleibes der Praetorianer und damit Faustus'. Zurück in seinem Cubiculum suchte er wie so oft in den zurückliegenden Tagen seit dem Gespräch mit der Decima in der Bibliothek tiefer in seine Erinnerung vorzudringen, seine Vergangenheit zu rekonstruieren ohne dabei eine neue Imagination zu schaffen - vergeblich jedoch. Im einen Augenblicke glaubte er den Verstand verlieren zu müssen, im anderen wiederum ihn längst verloren zu haben, in einem Moment glaubte er, dass all dies nur ein bösartiger Traum war, im nächsten fürchtete er sich vor dem Erwachen, und letztlich blieb stets nur Ungewissheit in ihm, denn jede Möglichkeit, über welche er nachsann, schien ihm ebenso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich. An diesem Tage jedoch spürte er in sich, dass die Zeit des Umbruches gekommen war, dass ein Geschehen um ihn her vorging, welches alles würde verändern. Deplorablerweise jedoch wusste er nicht, was genau dies würde sein, und in seiner näheren Umgebung schien jene epochale Veränderung nicht anzugelangen, so dass er wie seit Wochen, Monaten - bisweilen glaubte er gar schon Jahren - nichts weiter konnte tun als auf den entscheidenden Augenblick zu warten - was zwar seiner charakterlichen Feigheit zugutekam, seinem Gewissen jedoch nicht sonderlich zuträglich war -, wiewohl er beständig dabei fürchtete, diesen einen, essenziellen Augenblick verpassen zu können, dass er auf ewig würde verdammt sein, in der Ungewissheit seiner selbst zu verharren.

    ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~

    Schwer und drückend lastete die betrübliche Dunkelheit auf seinen Schultern - obgleich er nicht körperlich war, nur ein Schemen allfällig, die Idee einer Persönlichkeit, und somit nicht wirklich seine Schultern konnte spüren, die Last darauf indes um so mehr -, und Stille umfing ihn, eine unnatürliche Stille, welche dem menschlichen Instinkt in ihm zweifelsfrei notifizierte, dass dies ein toter Ort war, ohne auch nur einen Hauch von Leben, ohne den Anschein eines Hauches von Lebendigkeit, nicht einmal eine Spur natürlicher Bewegung unbelebter Materie - den leisen Luftzug des Windes, das stumme Säuseln eines Flusses oder das Mahlen eines tristen Staubkorns auf steinigem Grund. Nichts. Leere. Bis dass ein endloser Augenblick vergangen ward.
    "Manius?"
    Im ersten Augenblicke vermutete er ein Echo aus Reminiszenz, ein Schatten seiner Vergangenheit, doch in der Repetition seines Namens erkannte er alsbald mehr als nur ein intrinsisches Flüstern seiner Imagination.
    "Manius?"
    Einem in perfekter Harmonie ausgebildeten Ton gleich schwebte diese Melodie durch die diffuse Welt, getragen von der federhaften Leichtigkeit einer Stimme, welche ihm so traut, welche ihm gleichsam so abgängig war.
    "Hier. Ich bin hier."
    "Oh, Manius! Da bist du ja endlich!"
    Erleichtert legte sie ihre Hände um seinen Hals, presste ihren zarten, zerbrechlichen Leib an seine Hülle, und entgegen seiner sonstigen Eigenart irritierte ihn diese Berührung nicht im Geringsten. Behutsam legte er seine Hand auf ihre Schulter und delektierte den zarten Duft ihres Haares.
    "Leontia."
    Erleichtert schloss er seine Augen.
    "Ich hatte solche Angst, du seiest längst tot."
    Noch ehedem er seine Augen wieder öffnete, konnte er spüren wie ihr Körper in belustigtes Beben verfiel, sich von dem seinen wieder löste.
    "Aber Manius,"
    lachte sie heiter und glockenhell, dabei ein leichter Tadel in ihrer Stimme als wäre ein unwissendes Kind ihr Gegenüber.
    "Das Leben ist doch viel zu kostbar, um es aufzugeben! Komm mit, ich zeige dir seine Anmut."
    Sie fasste seine Hand, mit zartem, doch gleichsam festem Griffe, und nahm ihn in ihrer beschwingten Euphorie mit sich, zog ihn durch die steinernen Gänge, deren grobe Wände das flackernde Licht der Fackeln - welche gehalten wurden von lebendigen Händen - reflektierten, bis aus einem Bogen hinaus in die Helligkeit der Sommersonne, dass er einige Augenblicke geblendet war von ihrer Schönheit, wie von dem kräftigen Schein des Himmelsgestirns. Stolz trat er auf das Podest hinaus und blickte durch das gewaltige Rund des Amphitheatrum Flavium - sein Theatrum! Gemeinsam mit seiner Base ließ er sich auf den Platz des Kaisers nieder als bereits die ehernen Tore am Rande der Arena sich öffneten. Unter Fanfarenstoße und Trommelschlag trat der erste Kämpfer in das Rund hinein - der animalische, ungestüme, furiose Heroe Hephaistion -, gehüllt in einen schimmernden, archaischen Muskelpanzer, einen Helm nach Griechenart unter den Arm geklemmt, vom Antlitz her ident mit Faustus Serapio. Er reckte sein Schwert empor und stieß einen siegessicheren Laut gen Himmel, dass das Publikum - tausende, abertausende Manius' Ebenbilder - in tosenden Jubel ausbrach, denn er war der Favorit der Menge, der leidenschaftliche, bedingungslose Streiter. Ihm gegenüber trat in stoische Ruhe und Contenance gehüllt das Abbild des perfekten Römers, Prototyp aller Flavier, aufrecht und stolz, voller Ehre, Prinzipien und Ideale, in der Rüstung eines Feldherren der Legionen, zielsicher, überlegt und bedacht bei jedem seiner Schritte.
    "Ave Manius, morituri te salutant!"
    entboten sie ihm, ihrem Imperator, den Gruß, und mit einem Wink ließ er das Spektakel seinen Anfang nehmen.
    "Mögen die Spiele beginnen, möge der bessere gewinnen!"

    Während der Flavier sich in Position brachte, seinen Gegner begann abzuschätzen und seine Taktik zu konzipieren, stürzte Hephaistion sich auf ihn, dass alsbald Schlag auf Schlag durch die Arena hallte, Gladius auf Gladius schlug, Gladius auf Haut, Fleisch und Knochen, dass das Blut spritzte und den glühend heißen Sand in dunkles Rot färbte, dass die Gracchus-Menge johlte und tobte. Endlos schien der Kampf anzudauern, bis dass endlich Hephaistion den Flavier zu Boden rang. Erwartungsvoll blickte er zu seinem Kaiser empor, dass jener nurmehr in seinen wundervollen blauen Augen mochte versinken.
    "Wenn einer stirbt, werden beide vergehen"
    kommentierte Leontia das Geschehen mit einem süffisanten Lächeln, doch Manius erhob sich, sein Antlitz regungslos, den Geliebten fixierend, ballte seine Hand zur Faust, streckte den Daumen aus und ließ ihn zum Boden hin aus. Neuerlich brandete der Jubel der Zuschauer auf, und mit einem kräftigen Hieb trieb Serapio sein Schwert in das Herz seines Feindes. Gierig umarmte Manius, nun selbst im Sand der Arena stehend, im Sande des endlosen Strandes eines unendlichen Ozeanes, seinen Sieger, forderte Kuss um Kuss von seinen Lippen, ließ seine Hände wandern über die nackte Haut Faustus' und mochte niemals mehr ohne ihn sein. Zeitlos schien das glückvolle Verweilen in bedingungsloser Leidenschaft anzudauern, bis dass schlussendlich der Skorpion seine Beute zu Boden rang, mit einem kräftigen Hieb seinen Stachel in Manius' Herzen trieb.
    "Wenn einer stirbt, werden beide vergehen"
    , trieb Leontias Lächeln dem Ozean gleich an ihnen vorbei, verwischte mit ihrem Wellengang alle Spuren im Sand, dass nichts mehr übrig blieb von beiden, nichteinmal noch eine Erinnerung.

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