Das Gespräch unter Deck war von den Männern nicht vernehmbar, vor allem, da Viele damit beschäftigt waren zu mutmaßen was nun passieren würde.
Helios kontrollierte gerade ein Seil, welches zum Zubinden der Segel gedacht war und spähte somit auf die anderen Schiffe.
Jedoch unbemerkt.
Wie von Geisterhand gelenkt knotete er das Seil wieder zusammen, so dass es ein Einziges ergab.
Doch seine Blicke wichen nicht von den zwei anderen Schiffen, welche die Soldaten auf den Kopf stellten.
Er beobachtete, wie sich die Nautae eines der Schiffe strittig unterhalten haben, sich fast geschlagen, als sie sahen, dass Soldaten unter Deck gegangen waren, um die Ladung zu überprüfen.
"Da ist was faul", dachte sich Helios und stützte sich mit den Ellebogen auf das Rehlingsseil, um so besser sehen zu können.
Von ihren Lippen ablesen konnte er nicht, wobei es von großem Nützen sein durfte. Aber das Gemurmel, welches so schnell es angefangen hatte, auch gleich geendet war, als die Soldaten wieder hoch kamen, war nun nicht mehr von Belangen.
Die Schiffe schaukelten sanft auf den Wogen des Meeres und Helios blickte in die Sonne.
Es war kühl und er hatte seinen Mantel um die Schultern.
Nach einer Weile des Beobachtens geschah wieder was. Die Kapitäne, welche beide korpulenter Natur zu sein schienen, wurden wieder nach Draußen gebracht, wobei Einer mit einem Trierarchus mitgehen musste.
Helios grinste. Er wusste, dass das Schiff, welches er beobachtet hatte, wahrscheinlich ihm gehörte und er was zu verbergen hatte, ganz gewiss.
Neugierig beobachtete er, wie sich die Männer verblüfft umsahen, als der Kapitän Jenes Schiffes irgendwas zu ihnen sagte.
"Jetzt sind sie dran", dachte er sich und ging die drei Holzstufen, welche zu den Plätzen der Ruderer führten, hinunter.
Schon letzten Abend erkrankte einer von den Ruderern, wahrscheinlich durch Salzmangel. Der Gubernator müsste sich wohl geirrt haben, wie Helios vermutete.
Besonders mochte er diesen dicken Kerl sowieso nicht, doch wenn er seine Arbeit gut machte, so hatte Helios auch keine Einwende Jenen nicht auf dem Schiff dabei haben zu wollen.
Langsam rieb er sich die Hände an seiner Tunika und griff nach dem langen Ruder. Welch eine beschwerliche Arbeit, doch musste sie auch verrichtet werden.
Langsam setzte sich das Schiff, im Takte des Trommlers, in Bewegung.
Die Formation der Schiffe wurde aufgelöst, so dass die Handelsschiffe wieder freie Fahrt hatten.
Wie Helios jedoch feststellen musste, war eine Triereme bei einem der Schiffe. Vermutlich geleitete sie das Schiff zum nächsten Hafen, um mit der Mannschaft vorzugehen.
Sicher war er sich, dass da was nicht stimmen konnte. Sogar ganz sicher.
Er sah es nämlich an den Augen der Männer, an der Angst.
Nicht weiter darüber nachdenkend schob er das schwere Ruder in kreisenden Bewegungen mal zu und dann von sich. Schon nach einigen Minuten verfluchte er diese Arbeit, als der Trierarch befahl die Segel zu hissen und die Windbrise mitzunehmen.
Wind war knapp in den letzten Tagen und darum war eine Geschäftigkeit wie nie auf dem Deck.
Hetzend liefen die Nautae umher, zogen mal da, zogen hier.
Die Seile wurden immer straffer und straffer, bis sich das weiße Segel in voller Pracht entfalten konnte.
Der Gubernator, ein wahrhaft guter, segelte genau in die Brise hinein.
Das Segel strafte sich und ein kleiner Ruck ging durch die Hyperion, als Jene von Wind erfasst wurde.
Helios lächelte, musste er doch jetzt nicht mehr rudern.
Aber zu seinem Unglück reichte man ihm schon einen Blecheimer mit Mob.
"Schrubb das Deck, es ist weiß voller Salz!"
Hieß der Befehl eines älteren Nauta, welchen Helios mit einem reuen Nicken entgegennahm.
O welch eine Arbeit, o welch ein Glück, dachte er sich still bei sich und schloss dabei kurz die Augen.
Den Mob tauchte er kurz in das schaurig kalte Wasser ein und schrubbte langsam, vor sich hinpfeiffend, das Deck.
Er fing hinten, arbeitete sich nach vorne.
Und nach nach zahlreichen Momente, in denen er sich selber verfluchte bei der Classis zu sein, war sein Werk auch schon vollbracht. Voller Stolz, gar ein wenig melancholisch, sah er sich das blankgeschrubbte Deck an. So glänzte es nie in der Nachmittagssonne. Ein wenig reflektierte das Schiff die warmen Lichtstrahlen und er lächelte ein wenig von Diesen kurz geblendet worden zu sein.
Die Schiffe der Numerus Africanus schienen ein wenig älter zu sein. Vielleicht auch eine ältere Bauklasse, wie es an den Rümpfen so schien. Auch obwohl Helios diese Unterschiede nicht so gut kannte, so war er dennoch überzeugt, dass die Schiffe älter waren.
Er sah sich den wolkigen Himmel an, bat die Götter noch kurz in Gedanken um eine gute Überfahrt, als es schon zu regnen anfing. Das war kein sanfter Herbstregen, nein, es war eine Art Sinnflut die da von dem Himmel stürzte. Seinen Militärmantel noch weiter zuknüpfend stand Helios nun an Deck, zitterte ein wenig und schaukelte in den Wellen, welche mit dem Schiff nach Belieben spielten.
Langsam aber sicher schien ihm das Mittelmeer nicht gewogen zu sein, jedes Mal wenn er nach oben blickte, so zeigte sich der Himmel kurzerhand dunkler oder gar stürmischer.
Vielleicht kein gutes Vorzeichen. Kein gutes für die Mission, für seine Karriere, vielleicht war aber auch eine Frau an Bord. Aber bei diesem Gedanken lächelte er und war sich sicher, dass das Schiff schon beim Auslaufen in jeder Ecke überprüft worden war. Hatten sie nicht einen Nauarchus an Bord.
Nein, die Idee war wirklich absurd.
Und nun fingen auch seine Hände an kalt zu werden. Langsam ballte er die Eine in die andere Hand und hauchte langsam warmen Atem ein.
Doch nach kurzer Zeit fand er eine andere, effektivere, Methode.
Kurzerhand steckte er sie unter seinen Mantel, hoffte, dass dabei keine warme Luft aus dem Mantel entwich und ihm zusätzlich ein Zittern abverlangen würde.
Wie sehr wünschte er sich nun mehr in Achaia zu sein. Auf seinem Landgut, mit seinem Bruder, in der Wärme.
Achaia war um diese Jahreszeit wohl sicherlich wärmer als Italia, ganz gewiss. Doch war es auch die Nähe eines Ofens, welche er jetzt spüren wollte. Auf dem Schiff durfte man ja, um Himmel willen, kein Feuer machen.
Zu schade, wie er fand.
Langsam, um sich aufzuwärmen, stolzierte er hin und her, bobachtete die raue See, die gegen die zahlreichen Schiffe ankämpfen zu wollen schien.
Der Tag war wahrlich nicht schön, wirklich nicht.
Wie es wohl unten, in der Kajüte aussehen würde? Dieser Frage sollte er lieber nicht nachgehen, dachte er.
Sie würde ihm nur noch Schuldgefühle einbringen. Schuld, dass er jetzt nicht unten saß, nicht mehr für seinen Aufstieg bei der Classis tat.
Nein, er wollte nicht darüber nachdenken, denn er tat Vieles, dieser Tatsache war er sich sicher.
Schon spielte er mit dem Gedanken vielleicht mal unter Deck zu gehen, mit dem falschen Vorsatz die Ladung kontrollieren zu wollen. Ja, eigentlich war es auch eine recht gute Idee.
So machte er sich zu dem nächsten Offizier auf, welcher zitternd vor der Luke zu dem Ladungsraum war.
"Frachtkontrolle."
Stammelte Helios leise, um nicht von seinen Kameraden, welche das gleiche Schicksal teilten, entdeckt oder gehört zu werden.
Der Offizier, ein älterer Herr, lächelte nur beim Anblick von Helios und fügte kurz die Worte hinzu.
"Schon gut, Junge, geh kurz nach unten."
In seinem Lächeln merkte Helios schnell, dass der Mann von seinem Vorhaben wusste. Jedoch wollte er auch wirklich ein Auge auf die Ladung werfen. Vielleicht waren ja einige Fässer voller fosca kaputt gegangen, welche er sofort melden musste, da das lebensnotwenig sein würde.
Aber unten angekommen, und zwar durch ein Holtreppchen, hatte er keine besonderen Vorkommnisse zu melden.
Alles schien so zu sein, wie es sein sollte.
Helios beschloss dennoch ein wenig im Ladungsraum zu "wandern", da es ihn schon bei dem Gedanken an den Frost da draußen erschauern ließ.
So setze er sich ruhig hin, rieb seine Händflächen gegeneinander, versuchte sich warme Gedanken zu fassen.
Warme Gedanken schienen in solchen prikären, natürlich nur für einen jungen Nauta, Situationen angebracht zu sein.
Nach dieser Feststellung dachte er wieder an Achaia, an diese grünen, saftigen Wiesen, welche noch jetzt stehen würden, sofern das Wetter nicht so war wie hier. Vielleicht saß sein Bruder nun am Holzofen und laß ein paar Schriftrollen, welche Helios schon seit seinem Kindesalter zu verabscheuen wusste. Ja, eine regelrechte Aversion hegte er gegen jene Schätze der Menschheit. Doch war seine Einstellung dazu klar. Wofür Papyrus? Beherrschte es die Welt, konnte man damit Schlachten gewinnen? Auf diese Fragen antwortete er sich selber mit einem klaren: Nein!
Nach seiner Sicht waren es die Hände, die Gladii, die Herrführer, welche diese Schlachten entschieden. Welche das Land rühmten, welche sich dem Feins stellten.
Bürokraten verabscheute er darum seit je her. Er folgte auch der Divise: Taten sagen mehr als Worte.
Ja, ein richtiger verfechter dieser Theorie schien er zu sein. Ganz im Sinne des Divus Cäsar, welchen er ob seines taktischen Geschickes schätzte.
Nun klopfte der Offizier an die Luke und schrie.
"Nauta, wie lange brauchst du noch da?"
Und Helios merkte nun, wieder in die Realität versetzt, dass er wohl ein wenig zu lange hier unten verloren war. Seine kleine Inspektion hätte schon seit geraumer Zeit beendet sein müssen. Doch gefiehl es ihm da unten zu gut.
Langsam kam er wieder ans Deck, der Regen wütete noch immer über sie.
Die anderen Schiffe konnte er nur mit größter Mühe erblicken, so stark wurde ihre Sicht behindert.
Mühevoll und wieder von Kälte durchtrieben, bewegte er sich wieder in Richtung seines alten Platzes zu.
Ein kurzer Blick zum Himmel folgte und er bat Neptun um sichere Überquerung. Vielleicht auch eine Rettung aus seiner misären Lage, aber das war wohl nicht das Wichtigste. 