Beiträge von Manius Tiberius Durus

    Offenbar war es doch schwieriger, als er erwartet hatte. Wder Avarus, noch Livianus waren auf seine einfache Interpretation eingestiegen. Dabei war es eigentlich Aufgabe des Gerichts, seine Zuständigkeit zu prüfen! Aber so musste er dem ganzen wohl noch etwas auf die Sprünge helfen.


    "Leider wurde es bisher versäumt, in einem offiziell autorisierten Kommentar das benannte Gesetz zu kommentieren. Daher können wir wohl auch schwerlich eine allgemeingültige Definition unserer verleumderischen Beleidigung finden. Ich würde als Jurist einen solchen Begriff als Unterkathegorie der Beleidigung verstehen, dennoch möchte ich von deiner Definition ausgehen, Germanicus.


    Zu Beginn muss ich deine Unterstellung bestreiten. Mein Mandant hat niemals infrage gestellt, dass der Kaiser Dir die Senatorenwürde anerkannt hat. Vielmehr hat er dein Benehmen und deine Anwesenheit als dem Senat unangemessen bezeichnet. Nun besteht die Frage, um diese Behauptung unwahr ist und wenn ja, ob mein Mandant dies wusste.


    Erstere Frage ist schwierig zu beantworten, da sie Wertungen voraussetzt, etwa ob der Senatssitz sich lediglich durch die Erhebung beliebiger Personen durch den Kaiser legitimiert, ob möglicherweise eine gewisse noble Abstammung zu einem wahrhaft legitimen Sitz führt oder ob sich Senatoren nicht vielmehr durch ihren vorbildhaften Lebenswandel legitimieren. Das Gesetz definiert zwar den mindestens notwendigen Schritt, der vorhanden sein muss - die Erhebung durch Kaiser - jedoch sagt sich nichts darüber aus, nach welchen Kriterien der Kaiser diese Erhebungen vornimmt. Dies liegt jedoch nicht daran, dass es völlig gleichgültig ist, welchen Bettler, Verbrecher oder Taugenichts er aus einer Laune heraus zum Senator macht, sondern daran, dass es sich in unserem Staat durch Tradition von Praxis und Würde des Hauses von selbst versteht, dass der Kaiser in seiner Funktion und Befähigung als Censor höchste Maßstäbe anlegt und nur die besten dreihundert Personen des Reiches unter die Senatoren aufnimmt.


    Dennoch bleibt die Frage, welche Maßstäbe dafür entscheidend sind. Unglücklicherweise lassen sie sich schwerlich in Gesetze pressen, denn sie erfordern ein stimmiges Gesamtbild einer Person - das ist wohl auch der Grund, warum es kein Gesetz gibt, das Menschen, die bestimmte Kriterien erfüllen, automatisch zu den Senatoren zählt, sondern es die Aufgabe des Kaisers als höchste Autorität ist, darüber zu bestimmen.


    Für meinen Mandanten - wie für mich auch - gehört zu einem derartigen Gesamtbild jedoch zwingend auch ein gewisses Maß an Pietas, da der Senat die wichtigsten Vertreter unseres Staates vereint und eine besondere Verantwortung gegenüber den unsterblichen Göttern besitzt. Dieses ist nach Ansicht meines Mandanten - und vieler anderer Senatoren - bei Germanicus Avarus nicht der Fall, da er unter anderem den Vater und Gründer Roms, den göttlichen Romulus, als Banditen diffamiert und die ältesten Geschlechter der Stadt - die im übrigen wohl auch den Senat der Anfangszeit stellten - als dahergelaufene Streuner tituliert hat.


    Folglich kann nicht davon die Rede sein, dass mein Mandant wider besseren Wissens eine unwahre Behauptung aufgestellt hat. Sie war und ist nach Ansicht von Flavius Furianus, wie auch vieler anderer Senatoren wahr gewesen und bis heute wahr. Welchen objektiven Wahrheitsgehalt diese Ansicht jedoch besitzt, kann nicht von einem Gericht geklärt werden, da Werte stets subjektive Anteile besitzen. Der Consul hätte meinen Mandanten während dieser Sitzung zur Mäßigung aufrufen können, doch ihn wegen dieser Äußerung, die auf seiner Verbundenheit mit den Mores Maiorum fußt, denen die Pietas noch weitaus wichtiger war als sie heute ist, vor einem Gericht zu verurteilen, ist nicht die Aufgabe eines Gerichts, sondern er sollte durch den Censors oder - wie es Paragraph 51 ausdrückt - sollte innerhalb der entsprechenden Körperschaft zur Verantwortung gezogen werden."

    Auch Avarus hatte keine Zeugen mitgebracht - möglicherweise ein Fehler, denn auch Senatsprotokolle konnten nicht den Unterton einer Äußerung wiedergeben. Ebenso überraschte den Tiberier die Anklagerede des Germanicers, denn sie sprühte geradezu vor Emotionalität und besaß keinerlei inhaltliche Gliederung oder juristische Formulierungen. Beinahe musste Durus sich ein Grinsen verkneifen: Einen emotionalisierten Gegner konnte man wesentlich leichter besiegen, als dies bei einem nüchternen Juristen der Fall war.


    In einer theatralischen Geste erhob er sich und blickte kurz in die Runde, ehe er zu seiner Rede ansetzte.


    „Verehrter Praetor, ehrenwerte Bürger Roms,


    ich verteidige heute den ehrenwerten Senator Lucius Flavius Furianus aus einem der ältesten und angesehensten Familien Roms, der von dem hier anwesenden Germanicus Avarus wegen Beleidigung und übler Nachrede. Wie wir hörten, bezieht er sich konkret auf folgenden Satz, den ich kurz vorlesen werde, da die Anklage den Beginn ein wenig undeutlich artikuliert hat:"


    Mit einem Augenblick-kurzen Aufblitzen von hochmütigem Spott griff er nach seiner Tabula und las laut vor:


    "Nein, dein Benehmen, jedes Wort aus meinem Munde umzudrehen, wie es dir beliebt, ist reine Unverschämtheit und entehrt ebenso diese Hallen, wie deine Anwesenheit"


    Er blickte in die Runde.


    "Diese Worte mögen hart klingen, wenn man sie in dieser Weise aus dem Zusammenhang reißt. Betrachtet man jedoch den Kontext, in dem meinem Mandanten unter anderem ohne jegliche juristische Handhabe unterstellt wurde, er habe den Senat durch Verschwendung bestohlen, was als Fall von übler Nachrede betrachtet werden könnte, kann man eine solche Äußerung aus dem Affekt heraus vermutlich verstehen.


    Da die Anklage es jedoch bisher versäumt hat, die Tat genauer zu spezifizieren, möchte ich dies rasch übernehmen. Dazu möchte ich den Kommentar zum Codex Iuridicialis von Vincius Hungaricus zitieren, der folgendes zu der Einteilung derartiger Vergehen verkündet: 'Den Straftatbestand der Üblen Nachrede erfüllt, wer einen anderen eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt oder einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht. Eine Beleidigung begeht dagegen, wer einen anderen beschimpft oder verspottet, am Körper mißhandelt oder mit einer körperlichen Mißhandlung bedroht.'


    In Anbetracht dieser beiden Alternativen liegt es auf der Hand, dass die Absprache der Befähigung zur Mitgliedschaft im Senat als ein Werturteil, das sich aber konkret auf bestimmte persönliche Eigenschaften des Bezichtigten und damit auch auf Tatsachen bezieht, zu betrachten ist. Diese sogenannte Schmähung würde entsprechend der juristischen Praxis den Tatbestand der Üblen Nachrede erfüllen, nicht jedoch den der Beleidigung.


    Ihr mögt verwundert sein, dass ich meinem Mandanten nun selbst ein Vergehen unterstelle, anstatt zu versuchen, seine Unschuld festzustellen. Dies könnte ich ebenso tun, doch halte ich diesen Aufwand nicht für erforderlich, da Paragraph 54 des Codex Iuridicialis klar festlegt, dass Mitglieder des Senates zu keiner Zeit wegen einer Äußerung, die sie in der Körperschaft getan haben, außerhalb der Körperschaft zur Verantwortung gezogen werden dürfen. Wie ich bereits festgestellt habe, handelt es sich in unserem Fall jedoch nicht um eine Beleidigung, also auch um keine verleumderische Beleidigung, sodass ich eine Einstellung des Verfahrens wegen Nicht-Zuständigkeit beantrage.


    Diese Äußerung fiel im Senat und sollte auch von diesem beurteilt werden, wenn dieser die Notwendigkeit dafür sieht."


    Obwohl er seine Rede in einem erzählerischen Ton vorgetragen hatte, der klang, als hätte er das selbstverständlichste der Welt erklärt, war Durus leicht nervös. Seine Verteidigung setzte im Grunde darauf, dass der Senat sich ohnehin zu keiner Verurteilung des Flaviers herablassen würde. Abgesehen davon gab es hier auch eine Gesetzeslücke, mit deren Hilfe man wohl jegliche Verurteilung verhindern konnte. Doch es gab einen Unsicherheitsfaktor: Auch wenn der Kaiser schwach war, konnte er in Funktion seiner censorischen Gewalt dafür sorgen, dass Furianus weitaus ehrrüriger bestraft wurde, als es eine Verurteilung wegen Übler Nachrede tun würde.


    Er blickte kurz zu Furianus - was würde sein Freund und Mandant wohl zu seiner Strategie sagen?

    Inzwischen war auch Furianus eingetroffen und hatte neben dem Tiberier Platz genommen, nachdem er ihn zu seinem Vertreter ernannt hatte. Daraufhin eröffnete der Praetor die Anhörung.


    "Aufgrund der Tatsache, dass dem Beklagten in seiner Vorladung nur mitgeteilt wurde, gegen welches Gesetz er verstoßen haben soll, ohne die Umstände seiner Tat, etwa Wortlaut seiner angeblichen Beleidigung oder übrige Umstände, war es der Verteidigung nicht möglich, geeignete Zeugen für die Erste Anhörung auszuwählen. Daher beantrage ich das Recht, erst im Falle einer Hauptverhandlung geeignete Zeugen herbeizuziehen."


    Das war im Grunde das größte Problem für Durus gewesen: Obwohl er das Senatsprotokoll noch einmal gelesen hatte, war ihm keine wirkliche Beleidigung aufgefallen. Dennoch war es selbstverständlich möglich, dass Furianus seinem Nachbarn und Bekannten Cornelius irgendetwas ins Ohr geflüstert hatte. In diesem Fall würde aber Avarus den Cornelier als Zeugen bestimmt haben, da war er sich sicher.

    Der Germanicus? Es konnte sich nur um eine Person handeln: Avarissimus! Wieder einmal beleidigte er die alten Geschlechter Roms, um sich zu profilieren! Er konnte froh sein, dass Romulus bereits zu den Göttern aufgestiegen war, denn sonst wäre er wohl schon längst verklagt worden! Und nun besaß er die Frechheit, einen Flavius mit Klagen zu überziehen!


    Doch ehe er darauf antworten konnte, platzte Furianus mit einer weitaus überraschenderen Information heraus: Er würde sterben! Sterben? Wie kam er nun darauf? Hatte er vor, sich selbst den Tod zu geben? Aber wenn ja, warum? Oder griff nun die Krankheit, die sein Haar grau gefärbt hatte, vollends nach ihm?


    "Sag so etwas nicht, Furianus! Du bist noch nicht allzu alt! Du wirst selbst an meiner Seite zum Consul werden! Wie kommst du darauf, zu sterben? Rom braucht dich noch! Die Götter können dich jetzt noch nicht zu den Ahnen rufen!"

    Der Präfekt brach die Debatte ab - immerhin würde dies weitere anstrengende Diskussionen unterbinden. Doch es sollte nicht so sein: Furianus meldete sich noch einmal zu Wort und schon war die Diskussion wieder in vollem Gange. Plötzlich war die Rede von einer Kommission, deren Mitglieder diskutiert wurden, ehe überhaupt ein Meinungsbild eingeholt war.


    "Ich halte es für nicht notwendig, eine Kommission zu entsenden. Wir haben damals einen Quaestor Provincialis bestimmt, der uns sicherlich ausreichend darüber aufklären kann, ob es damals Unregelmäßigkeiten gegeben hat.


    In jedem Fall verlange ich jedoch eine Abstimmung, ob eine Inquisitio Senatus eingesetzt wird, ehe wir hier Inquisitoren diskutieren. Das Gesetz verlangt ganz klar ein Decretum Senatus für einen solchen Fall!"

    Wie er es seinem Freund versprochen hatte, erschien Tiberius Durus im Gerichtssaal. Er trug seine Senatorentunica, darüber das wallende Staatsgewand. An seinen Sandalen hing der Halbmond des Patriziats, denn gerade gegenüber einem solchen Plebejer musste man sich schließlich abgrenzen!


    Er war den Fall bereits mit Furianus durchgegangen, als dessen Vertreter er heute fungieren sollte. Und er wusste sicher: So glimpflich wie die letzte Verhandlung über Beleidigungen würde es diesmal nicht verlaufen!

    Inzwischen hatte Durus verstanden, dass es ein Scherz war - spätestens der ungehörig laute Lacher des Vesculariers hatte ihn darauf aufmerksam gemacht. Nichtsdestotrotz fiel es ihm weiterhin schwer, seine Abneigung gegen den Präfekten zu verbergen. Daher erwiderte er nur knapp.


    "Ja, die Freude wäre ganz auf meiner Seite."


    Eine Sklavin kam herbei und schenkte dem Gast nach. Durus hatte kaum etwas getrunken und blickte zum Paar. Wollte man diese unselige Unterhaltung nicht endlich beenden und mit der Zeremonie fortfahren?

    Es überraschte Durus ein wenig, dass Furianus so offen zugab, nicht aus persönlichem Antrieb gekommen zu sein. Er selbst hätte es vermutlich vorgeschoben, selbst wenn er wegen einer konkreten Sache kam. Aber offenbar hatte der Flavier es eilig - oder war er etwas beleidigt wegen der Auflösung der Verlobung?


    "Gegen Gotteslästerer trete ich stets gern auf, Furianus, das weißt du! Und für einen Freund noch viel lieber! Bevor wir also über Politik reden, sprich: Was legt man dir zur Last? Oder erhebst du selbst Anklage?"


    Obwohl er spätestens seit seiner Zeit als Praetor sehr gute Kontakte zur Basilica Ulpia pflegte, hatte er nicht im Kopf, welche Verfahren im Augenblick gegen oder für den Flavier liefen. Oder war es eine Sache gegen Avarus? Hatte er nicht etwas davon gehört?

    Schweigend verfolgte Durus, wie die Damen den Raum verließen. Offenbar verstanden sie sich ganz gut. Dass allerdings auch Orest sich entschuldigte, irritierte ihn ein wenig. Er selbst wäre in Orests Alter wohl begierig gewesen, derartige Verhandlungen mitzunehmen. Aber nunja, es war ja im Grunde nicht notwendig, dass er bei der ersten Verhandlungen anwesend war.


    Auf das Lob seitens Corvinus antwortete er


    "Danke, danke - meine Köche tun, was sie können!"


    Dazu setzte er sein wohleinstudiertes Lächeln auf, denn es war wohl eher eine Floskel als ein ehrliches Lob. Dennoch sollte es wohl Vertrautheit suggerieren. Doch das würde den Tiberier nicht für die Verhandlungen einlullen. Als die Damen den Raum verlassen hatte, setzte er seine Geschäftsmiene auf.


    "Ich denke, wir müssen keine großen Reden schwingen. Wie bereits erwähnt, wäre ich durchaus interessiert, Aurelia Laevina zu ehelichen - wenn die Dos angemessen ist. In Anbetracht der Tatsache, dass ich bereits Praetorier und Pontifex pro Magistro bin, würde ich 10 000 Sesterzen für angemessen erachten - in Landbesitz selbstverständlich."


    Die Mitgift, die er forderte, war durchaus beachtlich - vermutlich beachtlicher, als es angemessen war. Dies war jedoch auch Durus klar: Er wählte dies lediglich als Einstiegsgebot, da er wusste, dass der erste Preis stets noch heruntergehandelt wurde.

    Das hämische Lächeln des Tiberiers gefror, als der Richter sich zu Wort meldete. Anfangs klang es so, als wolle er die Verhandlung abbrechen und aufgrund des Geständnisses gleich ein Urteil fällen. Doch dann war plötzlich von einem Vergleich die Rede und - viel schlimmer noch - einer Versöhnung! Man konnte förmlich sehen, wie sich Durus anspannte, als wolle er jeden Moment losschreien. Alles hatte so schön angefangen: Eine Gerichtsverhandlung gegen diesen hochmütigen Germanicer, die Decimer auf seiner Seite gegen diese ruchlose Gens - und nun wollte man sich auch noch versöhnen! Vielleicht wollten sie ja gleich noch Freunde werden! Zum Pluto mit den Germanicern - zum Pluto mit den Decimern!


    Einen Augenblick spielte der Pontifex mit dem Gedanken, sofort aus dem Saal zu stürmen - doch dies würde nur schwach wirken. So verschränkte er die Arme vor der Brust und blickte zu Boden, um nicht zufällig den ekelhaft triumphierenden Blick von Sedulus aufzufangen.

    Leider entpuppte sich die Eröffnungsrede von Mattiacus als nicht besonders schillernd. Im Grunde hatte Durus damit zwar rechnen können, doch von so viel Schlichtheit und Nüchternheit war er doch überrascht. Nun, der Decimer war eben ein Jurist durch und durch - und kein Rhetor. Kein Wunder, dass er lieber im Stab des Kaisers arbeitete, als als freier Advocatus! Immerhin hatte er den Sachverhalt klar dargestellt und präzise die Punkte genannt, auf die sich die Anklage stützte - dies war seine Spezialität!


    Die Antwortrede des Sedulus war hingegen von wenig juristischem Sachverstand geprägt. Er gab die Worte sofort zu und versuchte, sich mit einer fadenscheinigen Begründung herauszureden. Darüber hinaus zeigte sich, dass er den Senat - wie der Tiberier es von allen Germanicern annahm - nicht besonders schätzte, sondern der Curia Iulia wohl eine ähnliche Bedeutung wie der Subura zumaß. Man konnte einen Proleten eben in so viel Purpur kleiden, wie man wollte: Er blieb ein Prolet!


    Es war klar, dass Mattiacus keine große Mühe haben würde, Sedulus seiner gerechten Strafe zuzuführen. Ein hämisches Lächeln zeichnete sich auf die Züge des Pontifex. Wieder einmal ein Punkt für die Optimaten!

    Dass dieser dämliche Salinator dazwischenfuhr, ärgerte Durus, denn es zeugte wieder einmal von der mangelnden juristischen Bildung dieses Mannes, dass er sich einfach über Gesetze hinwegsetzte und trotzdem eine Rechtfertigung verlangte, die Furianus letztendlich auch vortrug. Für Durus klang sie schlüssig (doch etwas anderes hatte er ohnehin nicht erwartet), dafür schien Avarus sich hervorragend vorbereitet zu haben und alle möglichen Berichte studiert, daraus jedoch wie üblich die falschen Schlüsse gezogen zu haben. Und dann kam dieser neue Senator mit der Frage nach einem Vergleich mit einem ähnlichen Fall - eine gute Idee, doch woher sollte man nun so schnell den Bericht nehmen?


    Und dann kam auch noch dieser Salinator und stellte seltsame Fragen. Daher fragte Durus etwas verwirrt zurück.


    "Unter Flavius Furianus gab es doch überhaupt keine Aufstände, Vescularius! Oder meinst du einen anderen Flavius?"

    | Stesichoros


    An diesem Tag spielte Stesichoros mit einem anderen Sklaven eine Runde Mühle (die die beiden in den Boden des Pförtnerhäuschens geritzt hatten). Und ausgerechnet in diesem Moment klopfte es und der Ianitor musste seinen Zug unterbrechen. Dann erhob er sich und trat an die Porta, wo wieder einmal eine ganze Menschenschar war, die ihren hohen Herrn begleiten musste.


    "Dann darf ich den Senator hereinbitten!"


    erwiderte er auf die Vorstellung, denn er wusste, dass Durus im Hause war - nur wo er war, wusste er nicht. Aber sicherlich konnte Furianus auch einen Moment im Atrium warten. Also öffnete er die Tür und ließ den Flavier eintreten, ehe er ihn ins Atrium führte.





    IANITOR – GENS TIBERIA

    Der Ianitor führte den Senator ins Atrium und bot ihm einen Platz in den Korbstühlen in der Ecke an, dann entschuldigte er sich, um den Hausherrn zu suchen und bei seiner Rückkehr ins Pförtnerhäuschen nicht festzustellen, dass sein Mitspieler ihn betrogen hatte, indem er einen Stein verrückt hatte, weshalb er die Partie verlieren würde.


    Unterdessen wurde aber auch Tiberius Durus informiert und warf sich rasch eine Tunica über (denn er hatte soeben ein kleines Techtelmechtel mit seiner Lieblingssklavin gehabt). Natürlich freute er sich, dass Furianus ihn besucht hatte, denn seit er von der Rückkehr des Flaviers gehört hatte, wollte er ihn wieder einmal sprechen.


    "Salve, Furianus! Wie schön, dass du mich besuchst! Ich mich schon seit deiner Rückkehr gefreut, dich wieder einmal allein zu treffen."


    Er nahm Platz und winkte einen Sklaven herbei. Für diesen Anlass durfte es ruhig etwas besonderes sein:


    "Bring uns zwei Becher Wein! Einen Falerner!"

    Auch Durus musste herzlich lachen, als Avarus sich als gestrenger Sittenhüter aufspielte und plötzlich von Moral und Tugend quatschte. Der Kommentar des Furianus an Cornelius war sehr passend! Und auch Macer traf wieder einmal den Punkt, als er nach dem Sinn dieser Anhörung fragte. So fühlte auch der Tiberier sich nochmals genötigt, etwas einzuwerfen:


    "Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass es keinerlei juristische Grundlage für deine Mutmaßungen gibt, Germanicus. Wenn ein Statthalter oder eine Curia Auszeichnungen vergeben kann und es kein Gesetz gibt, das dies beschränkt, können Auszeichnungen auch nicht aberkannt werden!


    Und ich kenne auch kein Beispiel in der langen und traditionsreichen Geschichte unserer Res Publica, das ein derartiges Vorgehen unterstützen könnte. Ebenso kenne ich keinen Präzendenzfall, der eine Solderhöhung seiner Beamten nicht eigenmächtig hätte durchführen können.


    Aber wenn du fest davon überzeugt bist, würde ich dir empfehlen, eine Klage an den Kaiser zu schicken - der a cognitionibus wird zweifelsohne objektiv bestimmen können, ob eine Straftat vorliegt."


    erklärte er weiterhin ruhig, obwohl er kurz versucht gewesen war, den Germanicer anzuschreien.


    "Und wenn es dem Kaiser nicht gefallen sollte, was wir hier tun, wird er zweifelsohne selbst ein Verfahren einleiten. Solltest du befürchten, dass er diese Angelegenheit, obwohl sie im Senat ausführlich diskutiert wurde, übersehen hat, kannst du ihm ja ebenfalls schreiben. Der Senat hat in jedem Falle damals keinen Anlass zu weiterer Verfolgung gesehen.


    Und solange er nicht gerichtlich geladen ist, muss Senator Flavius auf gar nichts antworten - besonders da das Plenum offenbar auch keinen Diskussionsbedarf erkennt, soweit ich dies feststellen kann."

    Natürlich war auch Tiberius Durus bei diesen Verhandlungen anwesend. Da Avarus diesen Beitrag begann, war er natürlich von vornherein eher abwehrend eingestellt und hörte dann auch mit immer größerem Staunen, wie Furianus sich wehrte und Avarus reagierte. Vielleicht war es etwas anderes, wenn man selbst angegriffen wurde, doch scheinbar war dem Flavier die offensichtlichste Abwehr aus den Augen gekommen. So beschloss der Pontifex, seinem alten politischen Freund in die Bresche zu springen. In ruhigem, etwas verwundertem Ton trug er seine Argumente vor:


    "Senatoren! Beruhigt euch doch! Soweit ich mich erinnern kann, existiert kein Gesetz, das es einem gewesenen Proconsul vorschreibt, sich vor dem Senat zu rechtfertigen, wenn der Senat ihn nicht ausdrücklich darum bittet. Beispielsweise war auch der ehrenwerte Consular Vinicius Hungaricus hier in Rom, ohne Bericht zu erstatten. Demnach ist dies also auch Flavius Furianus nicht zum Vorwurf zu machen.


    Ebenso ist es kein Verbrechen, die Mitglieder der Curia selbst zu ernennen, denn auch das sieht die Lex Provincialis vor. Auch ist es nicht verboten, Klienten mit Posten in der Provinzverwaltung zu betrauen - vielmehr entspricht es sogar der Mos Maiorum, dass ein Proconsul sich seinen eigenen Stab zusammenstellt. Dementsprechend kann ein Proconsul also beliebig jeden einsetzen und entlassen, wie es der Rahmen des Gesetzes vorgibt - unabhängig von jeglichen Gründen.


    Und schließlich ist es auch kein Verbrechen, einen Statthalter auszuzeichnen - es entspricht auch hier der üblichen Praxis, dass eine Curia solcherlei Auszeichnungen verleiht und Statuen errichtet. Man kann wohl jede Provinz besuchen und wird dort an der ein oder anderen Stelle Auszeichnungen für die dortigen Statthalter finden, ebenso in Italien für manch einen Senator. Daher weiß ich nicht, was an dieser Praxis anrüchig sein soll.


    Und zuletzt wäre noch die Frage der Finanzen. Wie du bereits erwähnt hast, wurde diese Angelegenheit bereits diskutiert und sogar ein Quaestor entsandt, um sich die Sache anzusehen. Dieser Quaestor hat sogar zwischenzeitlich die Führung der Provinz übernommen, konnte aber keinerlei Anzeichen finden, die die Befürchtungen mancher Senatoren bestätigt hätten. Somit komme ich zu dem Schluss, dass keinerlei Unregelmäßigkeiten vorlagen. Solltest du anderweitige Beweise haben, steht es dir selbstverständlich frei, ihn beim Praetor wegen Missbrauch der Amtsgewalt anzuzeigen, Germanicus. Solltest du jedoch keine Beweise haben, frage ich mich, was diese Anhörung soll."


    Die neue Taktik des Tiberiers hieß 'Ruhe bewahren'. Zum einen, weil sein Arzt ihm das empfohlen hatte, zum andern, weil er das Gefühl hatte, dass Wutausbrüche im Senat äußerst ungern gesehen waren. Und schließlich, weil Durus die Stoiker sehr schätzte!