Beiträge von Xeones

    Syracusae, einige Tage später


    Marcus Cluvius Rufo empfing an diesem Morgen seine Klientel. Wie üblich war er nicht gut gelaunt, was seine Gefolgschaft nur zu deutlich zu spüren bekam. Xeones betrat den Raum, eine Kiste unterdem Arm. Er stellte sie auf einen kleinen Tisch und wartete in der Ecke des Atriums, bis Rufo seine Klienten verabschiedet hatte. Als sich dieser dem Tisch näherte, öffnete er die Kiste. Cluvius starrte schweigend und emotionslos hin.


    "Und die anderen?"
    fragte er anschließend.
    "Er war allein. Die anderen wird er umgebracht haben"
    "Und das Geld?"
    Xeones warf einen kleinen Geldbeutel auf dem Tisch. Es waren kaum dreißig Goldmünzen.
    "Das ist alles, was geblieben ist"
    Rufo wurde rot vor Zorn.
    "Wie wir vermutet haben, haben er und die anderen das Geld einfach verprasst"
    Xeones ging zur Tür, blieb aber noch einmal stehen und drehte sich um.
    "Ach ja, ich soll dir noch was ausrichten"
    "Ich höre"
    "Er sagte, du sollst verflucht sein, verflucht bis in alle Ewigkeit"
    Er ging, hinter sich die wütenden Schreie des alten, verbitterte Marcus Cluvius Rufo hörend, der zornig war, dass Mydon das letzte Wort behalten hatte...

    "Verflucht sei Cluvius Rufo. Richte ihm dies von mir aus. Verflucht soll er und seine Nachkommen sein, bis in alle Ewigkeit"
    sagte Mydon. Er zitterte. Natürlich hätte er versuchen können zu fliehen. Aber sie haben ihn hier gefunden, mitten im Nirgendwo, in der Nacht. Er wollte nicht als Narr sterben, von der Wahnvorstellung getrieben, doch noch zu entkommen. Dann schon lieber aufrecht. Was folgte fühlte sich seltsam an. Es war kein Schmerz, aber eine seltsame Schwere bemächtigte sich seiner. Ungeheuer schnell lähmte sie seinen Körper, nahm ihm die Sinne, bis es schwarz wurde und er leblos zu Boden fiel.


    Xeones holte die Klinge, die Mydon's Herz durchbohrt hatte, wieder aus dem Bustkorb und wischte das Blut ab, während Mydon vor ihm zusammenbrach. Seine Begleiter näherten sich der Leiche, um einen Beweis für ihren Erfolg zu bekommen. Nachdem die kopflose Leiche über Bord ins Wasser geworfen wurde, ging Xeones wieder von Bord. In der Hand hielt er immer noch das Amulett, das ihm Mydon gab, bevor er starb. Xeones betrachtete es einige Augenblicke lang. Dann ließ er es fallen und das Amulett verschwand in der Tiefe des Wassers...

    ... und gar nicht nötig. Mydon starrte nachdenklich aufs dunkle, fast schwarze Wasser, in dem sich trüb und verschwommen die Feuer der Fackeln vom Hafen und die Mondsichel spiegelten. Jemand kam hinzu und stellte sich neben ihn. Mydon erblasste. Die verzerrte Gestalt, die vom Wasser gespiegelt wurde, kam ihm vertraut vor. Alle Hoffnung in ihm starb von einem Augenblick auf den nächsten.
    "Du hast meine Geduld wirklich auf eine harte Probe gestellt. Dachte schon, du würdest hier nie mehr aufkreuzen"
    Xeones sprach leise, ohne Groll. Beide wussten, was passieren würde. Sie würden sich zivilisiert unterhalten, so tun, als wäre es ein ganz normales, unbefangenes Gespräch. Mydon würde es nicht unversucht lassen, Xeones davon zu überreden, ihn laufen zu lassen, aber im Grunde wussten beide, dass das nicht ging. Denn sonst würde es Xeones sein, der bald darauf ein ähnliches Gespräch führen würde, während ein anderer von Rufo's Männern in seiner jetzigen Position sein würde. Gnade kam also nicht in Frage. Mydon wusste... dies war das Ende jener Reise, jener Flucht, die begonnen hat, als er, Phaedon und Hamlcar sich entschlossen hatten, Cluvius Rufo zu bestehlen.


    "Ich nehme an, von dem Geld ist nichts mehr übrig"
    "Verdammt hätte ich sein sollen, wenn ich zugelassen hätte, dass dieser alte Bastard mich UND das Geld erwischt. Marcus Cluvius nimmt es mir wohl immer noch übel, dass ich ihm etwas von seinem Geld... ausgeliehen habe?"
    Xeones musste lachen, blieb aber leise.
    "Du kennst ihn, er spukt Gift und Galle und gibt keine Ruhe, bis er bekommen hat, was er will."
    "Der alte Narr ist wie ein Kind"
    "Du sagst es"
    Eine Pause schlich sich ein. Dann brach Mydon die Stille.
    "Und du, Xeones? Bist du wie ein Hund, den dieser verzogene alte Bengel auf mich hetzt?"
    "Ich tu nur dass, was ich tun muss. Du kennst das"
    "Was du tun musst"
    wiederholte Mydon kopfschüttelnd.
    "Du musst das hier nicht tun. Du kannst ihm einfach sagen, du hättest mich nie gesehen. Scheiß auf Marcus Cluvius. Scheiß auf seine Rache. Bist du nichts, als ein Hund?"
    "Nimm es nicht persönlich"
    blockte Xeones ab und gab Mydon damit zu verstehen, dass er ihn nicht würde gehen lassen. Gnade kam nicht in Frage.
    "Nimm das hier"
    sagte Mydon und nahm sein um den Hals hängendes Amulett ab.
    "Gib es meiner Schwester. Sag ihr nicht, wie ich gestorben bin. Sag ihr..."
    Irgendwie konnte er diesen Satz nicht zu Ende sprechen. Xeones nahm das Amulett an.
    "Das werde ich tun, sei unbesorgt"
    Er zückte die Klinge.

    Tarentum


    Im Hafen herrschte rege Betriebsamkeit. Schiffe wurde entladen und beladen mit Waren aller Art, die das südliche Italia in die Weiten des Imperiums verkaufte. Immer wieder schrie jemand, manchmal aufgeregt, manchmal fröhlich. An einer Ecke standen um einen kleinen, improvisierten Tisch herum einige Menschen, die sich von einem kleveren Glückspieler um ihr sauer verdientes Geld bringen ließen. Der Mann hatte drei Nussschalen, zwischen denen er eine kleine Kugel so geschickt verschob, dass die Spieler nie erraten konnten, unter welcher Schale sich die Kugel am Ende befand. Mydon selbst mied solche Betrüger. Egal, wie gut man glaubte zu sein, am Ende würde man sein Geld los sein. Ein paar kleine Kinder liefen lachend an ihm vorbei, denen ganz aufgeregt ein älterer Mann hinterher lief. Mydon wusste nicht genau, ob es sich um ihren Erzieher handelte, der sie vehement zum Unterricht drängen wollte, oder um einen beklauten Mann, der aufgeregt den kleinen Dieben und seinem Geld hinterherlief. Ihm wurde der Weg versperrt von einer Sänfte, in der sich ein widerlicher Fettwanst durch die Mänge wälzte. Seine Träger waren zwar stark gebaut, aber den Dicken durch die Stadt herumzutragen, war kein Vergnügen, was man an ihren Gesichtern deutlich ablesen konnte.


    Mydon ging weiter. Er hatte es bis hierher geschafft und weit war es nicht mehr. Bald würde er zu Hause sein, seine Schwester besuchen. Bestimmt hatte sie wieder geheiratet. Sie konnte es nicht gutheißen, dass er sein Geld damit verdient hatte, für andere die Drecksarbeit zu erledigen, aber sie liebte ihn dann doch zu sehr, um ihm die Tür zu ihrem Heim nicht zu öffnen. Mydon war sich nicht sicher, ob es klug war, zu ihr zu gehen, aber woanders konnte er nicht hin. Und ausserdem war seit dem Vorfall mit dem Geld schon viel Zeit vergangen. Es war wohl unwahrscheinlich, dass Rufo immer noch nach ihm suchen ließ. Und selbst wenn. Dass seine Männer ihn in Griechenland fanden, war unwahrscheinlich, unmöglich...


    Er musste nicht lange suchen, bis er ein kleines Schiff fand, dessen Kapitän ihn mitnehmen würde. Bedingung war einzig, dass er im Voraus bezahlte. Mydon akzeptierte, verhandelte aber hart und weigerte sich, die volle Summe jetzt schon zu entrichten Hälfte jetzt, andere Hälfte bei Anknft am Ziel. So war seine Bedingung. Schließlich willigte der Schiffseigner ein und Mydon bestieg das Schiff. Da es derzeit nicht ablegen konnte und auf günstige Winde warten musste, vertrieb er sich die Zeit Glückspiel mit den Matrosen. Würfeln war immer noch am besten, da wusste man, spürte man direkt, wenn man übers Ohr gehauen.


    Es wurde Abend. Der Kapitän war lange abwesend und kehrte erst jetzt mit ein paar seiner Leute zurück. Mydon vertrat sich die Beine. Nachts würden sie wohl nicht auslaufen, aber gegen Morgen versprach ihm der Kapitän günstige Winde. Ein seltsames Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Mydon nickte. Sollte er Verdacht schöpfen? Nein, es war absurd. So konnte er nicht den Rest seines Lebens verbringen, jedesmal in Panik zu geraten, wenn sich jemand selzsam benahm. Verdammt sei Cluvius Rufo und sein Gold. Verdammt sei seine eigene Gier. Doch wie auch immer, es war geradezu absurd, daran zu denken, dass man ihn ausgerechnet hier aufspüren würde. Bald würde er in Achaia sein und damit wohl in Sicherheit. Den Namen Cluvius Rufo und seinen Träger würde er verfluchen und zu vergessen versuchen. Dass seine Männer ihn in Griechenland fanden, war unwahrscheinlich, unmöglich...

    HAMILCAR
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    Wie entfesselt, stürmte Hamilcar durch das einzige kleine Fenster der Unterkunft hinaus, nur um festzustellen, dass man ihn auch dort erwartete. Hastig schaute er sich um, die Aufforderungen der schwerbewaffneten, gepanzerten Soldaten, sich ihnen zu ergeben, ignorierend. Unweit von ihm entdeckte er einige aufgestapelte Kisten und eilte auf sie zu, von den Soldaten gefolgt. Flinker und leichter als sie, sprang er auf die Kisten, um über die daneben stehende kleine Mauer zu springen, und im Gewirr der Gassen zu verschwinden, doch die Kisten standen zu lose aufeinander, so dass Jamilcar den Halt verlor. Er fiel der Länge nach hin und schon im nächsten Moment war einer der Soldaten bei ihm. Hamilcar reagierte sofort, griff nach dem kleinen Dolch, den er eben noch eingesteckt hatte, und holte nach dem Mann aus. Er fügte dem überraschten Mann eine tiefe, aber ungefährliche Schnittwunde im Gesicht zu, sprang auf, währen der benommene Miles schreiend vor Schmerz und Zron zurückwich. Wieder versuchte Hamilcar, es über die Mauer zu schaffen, doch ein brutaler Schlag traf ihn von hinten in den Nacken.


    Benommen fiel Hamilcar auf die Kisten. Die Umgebungsgeräusche verwanden plötzlich fast, waren so seltsam dumpf, als ob man ihm ein Kissen an die Ohren hielt. Schwach versuchte er weiterzu kriechen und selbst jetzt noch seinen Verfolgern zu entkomen. Doch es war zu spät, sie hatten ihn. Er merkte, wie ihn jemand an den Haaren hochzog und ihm etwas sagte. Die Soldaten nahmen es ihm ziemlich übel, dass er sie angegriffen hatte. Hamilcar musste trotzig grinsen, doch ein Faustschlag traf ihn im nächsten Augenblick mitten ins Gesicht, sodass er endgültig das Bewusstsein verlor und zusammenbrach.


    Die Falle hatte zugeschnappt. Er war gefasst...

    HAMILCAR
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    Hamilcar lehnte sich zurück. Er war müde, unrasiert und sehnte sich nach einem kühlen Bad. Viel Geld hatte er auch nicht. Er schloß die Augen und atmete tief durch, während er überlegte, welche Möglichkeiten ihm offenstanden. Er konnte das bißchen Geld, das ihm noch übrig blieb, einfach mitnehmen und dieser verdammten Stadt den Rücken kehren. Egal wohin, die Welt war groß und dass Xeones ihn fand, war so gut wie ausgeschlossen. Andererseits war man in dieser Stadt wohl noch am sichersten. Hamilcar öffnete die Augen und ließ seinen Blick durch das schäbige Zimmer, das ihnen als Versteck gedient hatte. Seltsamerweise realisierte er erst jetzt, dass er so ziemlich allein war und er fragte sich, welches Schicksal wohl die anderen ereilt haben mochte. Seit man Phaedon geschnappt hatte, schien einfach alles schief zu laufen. Hätten sie dieses Haus doch bloß nie überfallen.


    Irgendwie herrschte eine seltsame Stille in der Unterkunft. Eine Stille, wie einem Mann, der auf der Flucht ist, stets verdächtig vorkommt. Instinktiv griff Hamilcar nach einem kleinen Dolch, der unter dem langen Ärmel seiner Tunika verschwand. Es war an der Zeit, hier zu verschw... den Gedanken konnte er nicht zuEnde führen, denn im nächsten Moment wurde die Tür eingeschlagen und ein Soldat erschien, stürmte das Zimmer, von weiteren Wachen begleitet...

    Mydon
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    Fast wäre es um ihn geschehen und Mydon war außer sich vor Wut. Wut über die maßlose Dummheit des Caranus. Wie konnte dieser Vollidiot es nur so weit kommen lassen, in der Gegenwart von Soldaten damit zu prahlen, dass sie eingebrochen waren. Und auch noch zu erzählen, wo wie eingebrochen waren.
    "Versoffener, hirnloser Trottel..."
    fluchte er leise, während er sich leise aus dem Staub machte und hin und wieder einen Blick in Richtung der Taberna warf, in der Caranus von den Soldaten wahrscheinlich längst überwältigt worden war. Mydon lief nicht, sondern versuchte möglichst unauffällig in dem Gewirr der Strassen unterzutauchen. Es war ein Glück, dass er rechtzeitig bemerkt hatte, was für ein Spektakel Caranus da veranstaltete. Bei den Göttern, noch eine Sekunde länger und dieser Idiot hätte ihn angesprochen und damit sie beide verdammt. Mydon ballte vor Zorn die zu Hände zu Fäusten.


    "Caranus, du verfluchter..."
    fluchte er erneut. Phaedon hatten sie verloren und so, wie Mydon diesen Schwächling einschätzte, hatte er längst gesungen. Was soll's, schließlich wusste man, dass man ihn nur böse angucken musste, damit er zu singen anfing. Aber Caranus.... von wegen 'trinkfest'.
    "... eingebildeter Narr"
    Mydon war so wütend, dass er es nicht lassen konnte, laut zu fluchen. Zum Glück interessierte es niemanden, so dass er weitestgehend ignoriert wurde. In Rom traf man auf weit aus seltsamere Zeitgenossen, als Menschen, die laut vor sich hin fluchten...


    In Rom hielt ihn nichts mehr. Wenn Rufo's Männer hier auftauchten, war es eine Frage, bis sie erführen, dass auch er hier war. Und wenn das geschah, dass hieß es, Gute Nacht. Mit Geld, und davon hatte Rufo reichlich, würden sie an die Informationen kommen, früher oder später. Irgendwer von den Soldaten klagte immer über den geringen Sold. Und ein 'Nebenverdienst' käme da gerade recht. Nein, Rom musste er hinter sich lassen, fliehen, solange es noch ging. Nur wohin... nach Hause? Seine Schwester hatte er seit Jahren nicht mehr gesehen, aber bei ihr könnte er bleiben, bis er sich einen Plan überlegt haben würde. Vielleicht würde er nach Alexandria gehen...

    Mydon
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    Es war ihm nicht entgangen, dass Caranus bereits jetzt viel zu viel getrunken hatte. Und wirklich was zu feiern gab es eigentlich auch nicht, immerhin hatten sie Phaedon verloren, der wohl nicht gerade erfreut darüber sein würde, dass sie ihn einfach so im Stich gelassen haben. Nicht, dass Mydon Gewissensbisse gehabt hätte, aber Phaedon war eine Gefahr für sie alle, wenn er in die Fänge der Soldaten geriet und zu reden anfing. Und Caranus' sorgloses Trinken, eher sogar Besaufen, war dieser Sorge nicht wirklich hilfreich. Nun waren sie von zwei verschiedenen Fraktionen gejagt. Einerseits die Soldaten, andererseits die Schergen des Cluvius Rufo. Wenn man es von der Seite betrachtete, fühlte sich Mydon im Grunde beschissen.
    "Wir sollten nicht so viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen"
    sagte er leise und schaute sich etwas verstohlen um. Zwar warfen ihnen ein paar Leute Blicke zu, drehten sich dann aber desinteressiert wieder um. Dennoch... Mydon war nervös.


    "Und nach Feiern ist mir wirklich nicht. Phaedon, diese Ratte, hat bestimmt längst gesungen..."
    Dennoch hat er sich ebenfalls eine kleine Kanne Wein bestellt, einen guten Tropfen. Leisten konnte er es sich immer noch. Er nahm einen Schluck und lehnte sich zurück, schaute auf die Strasse, die vor der Taberna lag. Eine kleine Gruppe bewaffneter Soldaten bewegte sich auf dieser und Mydon bemerkte, wie jedermann schleunigst aus dem Weg ging, sobald diese sich näherten. Am Tag waren sie die Herrscher dieser Stadt, zumindest größtenteils, denn nach wie vor gab es Ecken und Gassen, in die sich nicht einmal die Soldaten trauen würden. Dort wäre Mydon jetzt eigentlich am liebsten.


    Doch stattdessen war er hier. Auch nicht schlecht. Wenn man sich unauffällig benahm, war eine Menschenmenge genau das Richtige, um unterzutauchen. Bloß war es mit Caranus nicht unbedingt einfach, sich unauffällig zu verhalten. Die Soldaten passierten die Taberna, ohne sie zu betreten und Mydon lautete erleichert aus.
    "Hör zu, Caranus. Ich bin gleich zurück. Muss meinen Namen in den Sand schreiben..."
    was so viel hieß, wie dass als Folge des übermäßigen Weingenußes die Blase drückte.
    "Mach keinen Scheiß und fall bloß nicht auf"
    Er entfernte sich, um sich zu erleichtern...

    Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden und die Nacht bemächtigte sich des Landes, als Mydon und seine bdiden Begleiter, Hamilcar und Phaedon, Cosentia hinter sich ließen. Des Nachts mussten sie die Stadt verlassen, ja flüchten. Mydon schaute nicht zurück. Blut klebte an seinen Händen. Noch mehr Blut. Unweigerlich kam ihm die Erinnerung an die Geschehnisse von vorhin...


    Sie hatten an die Tür des Hauses von Hybreas geklopft. Die Strassen waren dunkel und man hätte ihnen wahrscheinlich nicht geöffnet, wenn Hybreas über ihren Besuch nicht informiert gewesen wäre. Ein gut gekleideter Sklave hatte geöffnet und ließ sie wortlos rein. Hybreas hauste nach wie vor bescheiden, obwohl er sich eine stattliche Stadtvilla hätte leisten können samt einer kleinen Armee zur Bewachung seines Geldes. Mydon verstand es so, dass der Geiz den alten Mann daran hinderte, sein Geld in derartiges zu investieren.


    Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich Phaedon mal wieder über sein Knie beschwerte und schüttelte den Kopf. Langsam nahm dieses Gejammer wirklich unerträgliche Ausmaße an und Mydon spielte mit dem Gedanken, wenn es so weiter ging, ob es nicht so verkehrt wäre, Phaedon bei erster sich bietender Gelegenheit loszu werden. Sein Anteil würde ihm und Hamilcar zufallen, aber das wäre nicht der Hauptgrund. Phaedon hatte bereits den Großteil seines Geldes loswerden können, das nun im Besitz zahlreicher Huren war.


    Er schnauzte Phaedon an, dieser solle ruhig sein und für ein paar Minuten verstummte dieser. Minuten, in denen die Erinnerungen wieder kamen. Sie hatten das Atrium betreten, in dem Hybreas mit einem finsteren Gesichtsausdruck auf sie wartete.
    "Sparen wir uns die Begrüßungssprüche. Bezahlt und verschwindet. Das ist alles, was ich von euch erwarte"
    "Nun mal langsam, alter Mann. Wenn man es streng nimmt, schulden wir dir nichts. Das Geld hast du verloren, bist selbst dasRisiko eingegangen. Was können wir dafür...?"
    "Was ihr dafür könnt? Ihr habt mir garantiert, dass sie Investition sich lohnt. Ihr habt den Nutzen daraus gezogen. Ihr habt mich betrogen... Mein Geld. Oder ich ziehe vor Gericht"
    Mydons Gesichtsausdruck hatte sich ebenfalls verfinstert. Unter seiner Kleidung hatte er griffbereit zwei Klingen. Er sah sich um im Raum. Ausser Hybreas und zwei Sklaven waren sie allein. Drei gegen drei. Perfekt.


    Auf ein Zeichen hin, dass sie vorher verabredet hatten, zogen alle drei die Klingen. Die Sklaven hatten nicht einmal begriffen, was vor sich ging, als man ihnen die Kehlen durchschnitt und sie leblos zu Boden gingen. Mydon zog seine Dolche und sprang zu Hybreas. Mit zusammengebissenen Zähnen flüsterte er.
    "Ich hatte dir schon damals gesagt, du stures altes Miststück. Dein Scheißgeld hast du selbst verloren..."
    Wegen eben solcher Drohungen mussten sie damals die Stadt verlassen. Vor einen Richter zu treten war das Letzte, was Mydon wollte. Nun war er ausser sich. Ein schneller Schnitt folgte und zitternd brach Hybreas zusammen. Aus den Nachbarräumen waren im nächsten Moment Stimmen zu hören. Sklaven, die bemerkt hatten, dass etwas im Gange war im Hause ihres Herrn... Es war ein Massaker, bei dem am Ende sieben Leichen im Haus des Hybreas zurückblieben.


    Und nun lag Cosentia weit hinter ihnen. Wieder waren sie auf der Flucht. Unterwegs nach Norden. Auf dem Weg nach Rom...

    Cosentia...


    Phaedon lag auf einer breiten Kline voller Kissen. Zu seiner linken sowie zu seiner Rechten Schmiegten sich nur sehr spärlich bekleidete Frauen an ihn. Wie immer gab Phaedon den größten Teil seines Geldes für Frauen aus. Andererseits... im Moment konnten sie es sich auch leisten.
    "Hier, meine hübsche..."
    sagte er undeutlich, da der Wein, den sie an diesem Tag reichlich getrunken hatten, längst seine Wirkung zeigte. Er hob den Becher hoch, hielt ihn über ihrem Mund und kippte ihn langsam.
    "Lass es dir schmecken. Hey Freunde..."
    wandte er sich dann an Mydon und Hamilcar.
    "Das Leben ist herrlich, oder nicht?"
    Er lachte laut, ohne auf die Antwort seiner beiden 'Freunde' zu warten. Zu guter Laune war er. Mydon und Hamilcar hatten längst nicht so viel gefeiert, längst nicht so viel getrunken.


    Der Raum war voll. Trotz Mydon's und Hamilcar's Protest wurden an die drei Dutzend Leute von Phaedon zu ihrem kleinen Gelage eingeladen. Sorgen machten sie sich nicht unbegründet, waren sie, das hieß Mydo und Phaedon, in Cosentia kein ungeschriebenes Blatt. Zwar war es eine Weile her, aber vor ihrer Zeit bei Rufo hatten sie hier Station gemacht und dabei unangenehme Bekanntschaft mit einem hiesigen Händler gemacht. Unangenehm für den Händler, weil sie ihn um sein Geld gebracht hatten. Unangenehm für sie, weil er drohte, sie vor Gericht zu bringen. Darum waren sie damals weggezogen und schließlich in Syracusae gelandet.


    "Sieh an, sieh an"
    Diese Stimme kannte Mydon. Zufälle gab es manchmal im Leben, das war schon erstaunlich. Kaum hatte er an Hybreas gedacht, stand dieser vor ihm. Mydon wünschte sich, er hätte diese Gabe in einsamen Zeiten gehabt, damit er sich eine hübsche Frau herbeizaubern konnte. Er sah in die Richtung, aus der die krächzende Stimme kam.
    "Hybreas, mein alter Freund. Wie geht's dir? Was... tust du hier?"
    "Was ich...?"
    Offenbar war Hybreas über diese geradezu unverschämte Freundlichkeit geradezu empört.
    "Was tut ihr hier? Wo ist mein Geld, ihr verdammten Betrüger?"
    "Na na na. Nicht vor den Leuten, Hybreas. Man hat schließlich einen Ruf zu verliren. Da sieht man sich monatelang nicht und so begrüßt du alte Freunde"
    "Ha... ihr und Ruf? Ihr und meine Freunde? Diebe seid ihr, Betrüger"


    Offenbar war Hybreas angetanzt, um ihnen ihre kleine Feier zu versauen. Einige Leute drehten sich zu ihnen um, Neugier in den Gesichtern. Mydons Gesichtsausdruck wurde stattdessen ernst und er erhob sich. Seine Stimme hatte er gesenkt, als er dem alten Händler drohte.
    "Schon gut, alter Mann. Nicht hier und nicht jetzt. Du willst dein Geld zurück? Du kriegst es. Wir werden heute abend bei dir vorbeischauen. Bis dahin... verpiss dich und lass den Leuten ihren Spaß"
    "Du willst mich hier nicht dabei haben? Gut. Eure Gesellschaft halte ich ohnehin nicht lange aus. Aber diesmal... behalte ich euch im Auge. Nochmal entkommt ihr mir nicht, ihr verdammtes Pack"
    sagte Hybreas. Er spuckte vor Mydon auf dem Boden aus, drehte sich um und verließ die Feier. Hamilcar näherte sich Mydon
    "Ein alter Bekannter, nehme ich an?"
    fragte er leise, fast schon vorwurfsvoll, worauf ihn Mydon mit einem ebenso finsteren Blick bedachte, wie Hybreas eben. Dann entspannte er sich aber.
    "So was in der Art, ja"
    "Ein alter Bekannter, dem ihr Geld schuldet. Die Welt ist doch kleiner, als man denkt, nicht wahr? Das ist nicht gut... wenn Rufo's Männer hier aufkreuzen und anfangen, Fragen in der Stadt zu stellen, was glaubst du wird dieser Hybreas..."
    Mydon unterbrach ihn.
    "Und was glaubst du werden all diese Leute hier tun, wenn Rufo's Männer sie ausquetschen sollten? Denkst du, sie werden uns decken?"
    Mydon warf einen Blick zu Phaedon. Dieser stand auf und humpelte zu ihnen rüber.
    "Diese Leute wissen nichts. Hybreas aber hat gesagt, dass er dich, und damit uns drei, im Auge behält"
    sagte Hamilcar, was Phaedon mit einem übermütigen
    "Na und?"
    beantwortete. Mydon fasste einen Entschluß.
    "Lasst uns feiern, Freunde. So bald es dunkel wird, werden wir Hybreas einen Besuch abstatten"
    sagte er und ließ sich auf die Kline fallen.

    Seit Tagen rollten sie nun schon dahin auf ihrem mit zwei Ochsen bespannten Wagen, sich als einfache Weinhändler ausgebend. Den wahren Weinhändler samt seiner Frau und seiner zwei Töchter hatten sie um die Ecke gebracht. Dem Händler selbst hatte Hamilcar die Kehle durchgeschnitten. Seine Frau und die Töchte haben sie... nun, zumindest hatten sie längst es hinter sich. Mydon konnte nicht behaupten, stolz darauf zu sein, was sie taten, aber es war nuneinmal so weit gekommen.


    Phaedon beschwerte sich immer wieder über die Strapazen. Bei dem Kampf gegen Artas und Scopas, die beiden Männer im Dienste von Cluvius Rufo, die sie zu Cato begleitet hatten, hatte er sich ungeschickt angestellt und wurde von dem sich wehrenden Artas schwer am Knie verletzt. Er konnte sein Bein kaum gebrauchen, konnte es nicht biegen und nur schwer humpelnd laufen. Das Holpern des Wagens ließ ihn immerzu Schmerzen fühlen.


    Hamilcar schwieg meistens. Wenn er sprach, dann nur einzelne kurze Sätze. Das zumindest glich das ständige Nörgeln des Phaedon aus. Immer nur saß er still auf dem Wagen, nickte den Menschen, die an ihnen ab und zu vorbeigingen oder ritten, zu, tat völlig unschuldig.


    Sie näherten sich Consentia. Dort hatten sie zuvor, also vor ihrer Zeit bei Rufo, eine Weile gelebt. Mydon wusste, dass sie mit ihrem dreisten Diebstahl Cluvius Rufo herausgefordert hatten. Er wusste, dass sie nun auf seiner persönlichen Fahndungsliste standen und selbst wenn sie die doppelte Summe auftreiben und ihm im Gegensatz für ihr Leben anbieten würden, er würde sie umbringen lassen, um an ihnen ein Exempel zu statuieren. So gut kannte Mydon Rufo, als dass er das vorhersagen konnte.


    Langsam tauchten die Umrisse von Consentia am Horizont auf.
    "Wir sind da"
    sagte Mydon leise. Sie hatten den Weg nach Norden gewählt. Den Weg nach Rom. Am liebsten wäre Mydon schnurstracks nach Tarentum gereist und von dort aus über die See zu seiner Familie. Aber wenn Rufo oder einer seiner Männer dort auf ihn warteten, war es zu riskant. In Rom waren sie hingegen eine Nadel im Heuhaufen für Rufo. Wenn ersteinmal etwas Zeit vergangen war, konnte Mydon immer noch nach Hause zu seiner Mutter und seiner verwittweten Schwester. Ewig konnten sie in Tarentum nicht auf ihn warten.


    "Wir suchen uns eine Bleibe und ziehen morgen weiter"
    schlug Hamilcar vor.
    "Nein. Wir bleiben einen Tag lang hier. Wir müssen Rast machen"
    "Das machen Rufo's Männer bestimmt nicht"
    "Scheiß auf Rufo's Männer. Ich bin für einen Tag Rast..."
    mischte sich Phaedon ein.
    "Ich brauche eine Pause, Leute, ehrlich. Seht uns an, wir sind dreckig, wir sind müde und unsere Kleider sehen abgerissen aus. Dabei sind wir reich, verdammt noch mal. Mein Knie bringt mich um. Ich will eine Frau, ich will ein bequemes Bett und..."
    "Schon gut, Phaedon, hör auf zu jammern, scheiße nochmal"
    unterbrach ihn Mydon schroff.
    "Wir machen einen Tag Rast und ziehen übermorgen weiter. Ich denke, soviel Zeit können wir uns gefahrlos nehmen"
    "Also gut"
    sagte Hamilcar, wenn auch mit Bedenken. Das stellte Phaedon zufrieden und er verstummte. Zumindest für einige Minuten. Nur etwas später setzte das Gejammere wieder ein und Mydon freute sich bereits auf den Moment, in dem sie die Stadt erreichten und er ein eigenes Zimmer mieten konnte und endlich etwas Ruhe fand...