Beiträge von Titus Flavius Milo

    "Danke. Es ist mir eine Ehre."
    Milo war zufrieden und drückte die Hand kurz, bevor er sie wieder los ließ und sie ihren Weg fortsetzten. Der Aedil machte bereits einen vorzüglichen Eindruck auf ihn. Er erinnerte sich der lobenden Worte seines Bruders und konnte ihnen nun nur beipflichten.
    "Ich bin kein Mann, der den ganzen Tag untätig auf seiner Kline liegen kann. Meine Kondition dürfte sich in ausreichendem Zustand befinden und für zusätzliches Schuhwerk ist bei Bedarf schnell gesorgt."
    Mit einem Lächeln dachte er an die ausgedehnten nächtlichen Streifzüge, die er mit seinem Ziehbruder durch Baiae veranstaltet hatte. Dadurch hatte Milo schon erste Erfahrungen mit der unterschiedlichen Haltbarkeit von calcei gemacht. Mittlerweile kaufte er ausschließlich einwandfreie Qualitätsware. Er schob den Gedanken beiseite und wandte sich wieder an Macer.
    "Haben wir bereits ein Ziel auf diesem Weg?"

    Milo nickte und nahm die Ablehung des Betrags gelassen entgegen. Ohne Hast wandte er seine Aufmerksamkeit während sie weitergingen zunächst der gestellten Frage zu.
    "Ich wollte bewusst nicht mit ihm zusammenarbeiten. Da ich für meine persönliche Zukunft noch einige Pläne habe, strebe ich momentan nach einem guten persönlichen Ruf und vorzeigbaren Referenzen, auf denen sich aufbauen lässt. Eine Zusammenarbeit mit meinem Bruder wäre sicher bequem, doch müsste ich wohl stets damit rechnen, dem Verdacht auf Müßiggang ausgesetzt zu sein. Einen solchen Eindruck zu erwecken möchte ich tunlichst vermeiden, so dass ich einen Posten bei einem Nichtmitglied der Familie vorziehe. Was den familiären Umgang angeht, bleibt mir schließlich noch immer die heimische Villa. Dazu ist die Arbeit nicht da."
    Er räusperte sich kurz und überlegte. Dann nickte Milo zustimmend, blieb stehen und bot Macer seine Hand an, um die Abmachung zu besiegeln.
    "Es sei. 35 Denare."

    "Deine Annahmen sind korrekt. Eine derartiges Spektrum käme mir somit sehr entgegen und ich bin einverstanden. Mein Bruder schlug im übrigen vor, dass ich mich persönlich in Hispania um euren Kontakt zur Schule der Gladiatoren kümmern könne. Natürlich hätte das den Nachteil, dass ich für geraume Zeit abkömmlich wäre und somit hier in Rom keinen Aufgaben nachgehen könnte. Ich persönlich würde meinen Vorzug daher dem Verweilen in Rom geben. Doch die Entscheidung liegt diesbezüglich selbstverständlich bei dir."
    Milo atmete tief durch und strich sich nachdenklich über das Kinn.
    "Dies ist wohl wahr. Für mein Überleben ist gesorgt. Doch eine gute Arbeit verdient auch einen guten Lohn. Suum cuique. Ein Aureus und zwanzig Denare."

    "Meinen ergebensten Dank, lieber Bruder..." verneigte Milo sich andeutungsweise und mit unverkennbarem Schalk in den Augen. Auf die anschließende Frage hin wurde er wieder ernst und verneinte.
    "Keineswegs will ich euch verlassen. So man mich nicht vertreibt, werde ich dieser Villa noch eine lange Zeit erhalten bleiben. Habe ich erst einmal Fuß gefasst in der ewigen Stadt, dann werden wir weitersehen. Doch an einen Abschied glaube ich auch dann nicht. Vielleicht gelingt es mir sodann eines Tages wirklich, hier in die großen Fußstapfen unseres Vaters zu treten. Ich werde mein Bestes dazu geben, so viel steht fest. Doch ich danke vor allem dir, mein Bruder, für diese herzliche Aufnahme. Freude und Stolz erfüllen mich, ein Teil dieser Familie zu sein."
    Er hob sein Glas zum Mund und trank.

    Milo nickte jeweils bestätigend zu den Fragen des Aedilis. Er verzichete großmütig darauf, beleidigt zu sein dass man ihm diese Fragen überhaupt erst stellte. Nun jedoch hielt er den Zeitpunkt endlich für gekommen.
    "Sehr schön. Ich bin zuversichtlich, dass sich eine produktive und angenehme Zusammenarbeit ergeben wird. Wird mein Aufgabenbereich einen breiten Themenkomplex umfassen, oder gibt es spezielle Einsatzgebiete, an die du gedacht hattest? Eine weitere Frage interessiert mich natürlich ebenfalls sehr: Wie ist es um den pekuniären Teil dieser Vereinbarung bestellt?"
    Er lächelte höflich und sah Macer fragend an.

    Zunächst war Milo ein wenig erstaunt ob der Wahl des Gesprächsortes. Doch der Spaziergang kam ihm eigentlich gerade recht, so dass er zustimmend nickte und dem Aedil folgte. Auf die Fragen hin nickte Milo und lächelte leicht. Es würde wohl noch eine Zeit dauern, bis man sich hier an seine Existenz gewöhnt hatte.
    "Er weiß noch nicht lange von meinem Vorhaben, so viel steht fest. Er weiß nämlich erst seit kurzem überhaupt von mir. Wir wuchsen bei zwei unterschiedlichen Familien auf. Ich kehrte erst vor wenigen Tagen aus der schönen Stadt Baiae, in welcher ich den Großteil meiner Kindheit und Jugend zubrachte, hierher nach Rom zurück. Die Absicht, mich sinnvoll in Verwaltung und Politik einzubringen, hege ich hingegen schon seit längerem. Es liegt wohl nicht in der Tradition unserer Familie, die Hände in den Schoß zu legen und den Dingen seinen Lauf zu lassen. Für eine angemessene Ausbildung und Erziehung hat meine Ziehmutter selbstverständlich gesorgt, so dass ich mir sicher bin die notwendigen Fähigkeiten für dieses Amt zu besitzen. Allein die Praxis und die Erfahrung fehlt mir wohl noch. In einem Gespräch mit Furianus informierte ich mich nun über die Möglichkeiten hier in Rom und er befürwortete diese Idee. Hast du denn Arbeit für einen Scriba?"
    Milo überlegte schon, wann er das heikle Thema der Entlohnung ansprechen sollte. Doch noch war es nicht so weit.

    Milo staunte und nickte seinem Bruder dankend zu.
    "Dein Angebot ehrt mich, Furianus, und ich will mir auch gleich etwas überlegen."
    Er setzte eine nachdenkliche Miene auf und schwieg für ein paar Sekunden.
    "Erstaunlich. Im Augenblick scheine ich tatsächlich wunschlos glücklich zu sein. Für die Zukunft hingegen wäre an Ressourcen möglicherweise noch ein eigenes Cubiculum ganz angenehm. Des weiteren werde ich mich baldmöglichst auf den weiten Weg nach Sardinia machen, um unseren dort lebenden Vater zu besuchen. Die notwendige Wegzehrung lässt sich sicher in der hiesigen Culina organisieren, so du mir deine Erlaubnis dazu gibst. Ein Pferd habe ich. In Bezug auf meine Garderobe und alles andere, was recht und üblich ist, bin ich ebenfalls hinreichend ausgestattet. Sobald ich einen entsprechenden Boten nach Baiae geschickt habe, wird es in Kürze angeliefert werden. Du siehst, ich bin ein pflegeleichter Hausgast."
    Sein Lächeln wuchs in die Breite und er griff ein weiteres Mal zu seinem Glas verdünnten Weines, welches mittlerweile durch einen Sklaven wieder aufgefüllt worden war.

    Milo hatte sich gerade mit der Betrachtung des Vorplatzes der Basilica beschäftigt, als sich die Tür öffnete und ein Mann heraus und auf ihn zu trat. Selbstverständlich erkannte er die toga praetexta und schloss daraus, dass er einen Magistrat und höchstwahrscheinlich sogar den Aedilis Plebis selbst vor sich hatte. Entsprechend respektvoll begrüßte er ihn.
    "Salve. Ja, das ist korrekt. Ich bin Titus Flavius Milo, Bruder des Aedilis Curulis. Ich ersuche um ein Gespräch bezüglich einer Anstellung als Scriba."

    Einige Zeit nach seiner Ankunft in Rom begab sich Milo zur Basilica Iuliana. Er ließ sich Zeit und spazierte gemütlich durch die Gassen der Stadt, um die Gelegenheit für zahlreiche neue und interessante Eindrücke zu nutzen. Optimistisch sah er seiner Zukunft entgegen und kam entsprechend gut gelaunt an seinem Ziel an. Das richtige Officium war nach einiger Suche und einer kurzen Nachfrage gefunden. Milo rückte noch einmal die Falten seiner Toga zurecht und klopfte sodann an die Tür des Vorzimmers.

    Milo lachte auf und stellte sein Glas wieder beiseite.
    "Wenn das so ist, werde ich meine Eile um diesen Cursus noch verdoppeln. Nur an die Termine der Schola werde ich mich diesbezüglich wohl halten müssen" grinste Milo in sich hinein.
    "Danke für diese Versicherung, mein Bruder. Doch die Ressourcen, welche ich durch meine Existenz beanspruche sind schließlich nicht unerheblich. Ein römischer Patrizier lebt nicht allein von Luft und Liebe, das weißt du selbst vermutlich ebenso gut wie ich. Wobei man selbst Luft und Liebe wohl in gewissem Sinne durchaus auch als Ressourcen bezeichnen könnte..."

    Nun war es an Milo, sich beinahe zu verschlucken. Entgeistert sah er seinen Bruder an.
    "Wie meinst du das? Der Praetor ist eine Frau?"
    Fassungslosigkeit zeichnete sich in seinem Gesicht ab.
    "O tempora, o mores!"
    Milo schüttelte entsetzt den Kopf. Mit diesen neuen Sitten, auch Frauen in höchste Staatsämter vordringen zu lassen, konnte er sich beileibe garnicht anfreunden. Doch scheinbar war dies der Gang der Zeit und der Kaiser wollte es so. Da er die Meinung der übrigen Anwesenden dazu jedoch nicht kannte, beließ er es vorerst dabei.
    "Wenn du mir dies rätst, so will mich darum bekümmern. Doch dünkt es mich, dass das vorherige Bestehen eines Cursus Res Vulgares hierzu eine Notwendigkeit ist? Auch jenen Kurs will ich somit in Angriff nehmen."
    Er machte sich eine geistige Notiz, die entsprechenden Stellen baldmöglichst aufzusuchen. Die letzten Worte des Furianus lassen Amüsement in Milos Miene zum Vorschein kommen.
    "Ich wäre nützlich? Oh, es ehrt mich zutiefst, Bruder, dass du meine Existenz nicht als eine einzige Last und unnütze Verschwendung von Ressourcen einschätzt."
    Milo lächelte breit, nahm seinerseits das Weinglas zur Hand und trank etwas.
    "Sei unbesorgt, ich werde mit dem Aedilis sprechen und ihm deine Idee bezüglich meines Aufgabenbereichs auch nicht vorenthalten."

    Milo nickte mit dem Kopf. Er hatte seinen Entschluss gefasst.
    "Danke für deinen Rat. Dann werde ich mich zunächst beim Aedilis Plebis erkundigen. Ist der derzeitige Praetor denn ein fähiger Mann? In Bezug auf unser Rechtssystem bin ich noch nicht allzu bewandert, so dass ich mich vor einer dortigen Betätigung vorzugsweise noch separat weiterbilden würde. Falls sich bei alledem kein interessanter Posten ergeben sollte, werde ich noch einmal ernsthaft über die Möglichkeit eines Militärdienstes unter diesen ungünstigen Umständen nachdenken. Vielleicht ändern sich auch eines Tages die Zeiten und unsere Privilegien werden wiederhergestellt." mutmaßt er mit einem Lächeln und ohne große Hoffnung.
    "Plant ihr die Veranstaltung von teuren Gladiatorenspielen während eurer Amtszeit? Vielleicht kommt es dabei am Ende doch noch zu einer Zusammenarbeit der beiden Flavius-Brüder. Dabei kann sich wohl nur etwas Gutes ergeben!"
    Er nahm sein Weinglas wieder zur Hand und trank daraus.

    Milo lauschte den Worten seines Brudes genau. Er ahnte, dass er noch viel zu lernen hatte und auch von Furianus noch viel lernen konnte. Bedächtig nickte er, als dieser geendet hatte und antwortete ihm dann wohlüberlegt.
    "Du sprichst wahre Worte, mein Bruder. Doch die Aussicht als einfacher Probatus in den untersten Rängen einer Legion zwischen Plebejern einfacher Herkunft und ohne höhere Bildung meinen Dienst zu tun, versetzt mich nicht gerade in Entzücken. Als Tribun könnte ich mir einen Eintritt in das Militär schon eher vorstellen, doch diese Möglichkeit gibt es, soweit ich informiert bin, derzeit auch für uns Patrizier leider nicht. Um nun nicht als Stadtschreiber in einer kleinen Stadt zu enden, weit entfernt von Rom und somit abgeschnitten von Gesellschaft, Kultur und Information, ersann ich eben diesen Plan. So du mir deinen Kollegen im Amte tatsächlich empfiehlst, werde ich in Bälde bei ihm vorsprechen und ihm mein Ansuchen vortragen. Oder gäbe es noch andere Amtsträger, welche dir geeigneter erschienen?"

    Milo verfolgte den Fortgang der Unterhaltung schweigend und widmete sich währenddessen seiner Mahlzeit. Nachdem Gracchus geendet hatte säuberte Milo seine Finger sorgfältig und trank aus seinem Glas Wein. Den Teller schob er beiseite und legte sich auf seiner Kline zum Gespräch zurecht.
    "Zwei interessante philosophische Standpunkte offenbaren sich mir. Während der eine überaus besorgt um das Gemeinwohl wirkt, scheint mir der andere aus einer eingehenden Kenntnis der Struktur unseres Cultus Deorum zu sprechen."
    Er nickte Gracchus anerkennend zu. Sein Vetter schien eine vorzügliche Ausbildung in diesen Dingen genossen zu haben. Milos Erziehung hatte zwar ebenfalls ein großes Spektrum der unterschiedlichen Künste und Wissenschaften abgedeckt, doch eine solche Tiefe in Bezug auf das Wissen um die römische Religion konnte er nicht vorweisen. Wie die meisten seiner Weggefährten in Baiae war er vornehmlich mit dem alltäglichen Dienst an den Göttern in Berührung gekommen. Das Übrige hatte man getrost den Priestern und Ihresgleichen überlassen. So hielt er sich auch mit seiner Meinung zurück und sprach stattdessen ein anderes Thema an, welches ihn in diesem Moment besonders interessierte. Sein Blick wanderte zwischen den beiden umher.
    "Doch entschuldigt, wenn ich nun noch auf etwas anderes zu sprechen komme. Da ich zum momentanen Zeitpunkt noch neu und unwissend in Bezug auf Rom und die aktuellen Ereignisse und Zustände bin, suche ich noch immer nach einer guten Gelegenheit mich sinnvoll weiterzubilden. Jetzt, da du die Ämter des Cursus Honorum ansprichst, lieber Vetter, kommt mir eine interessante Idee. Wäre es nicht vielleicht möglich, dass ich einen unserer ehrwürdigen Magistrate in seiner Arbeit unterstütze? Auf diese Weise könnte ich wertvolle erste Kontakte über die Familie hinaus knüpfen und arbeitete mich schneller in das komplizierte Gefüge der Politik ein. Glaubt ihr, die Praetrix oder aber auch der Aedilis Plebis könnte noch einen Scriba oder etwas in der Art gebrauchen? Die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten für diese Arbeit bin ich mir sicher zu besitzen."
    Er sah fragend von einem zum anderen und wandte sich dann noch einmal direkt an Furianus.
    "Nimm es mir nicht übel, lieber Bruder, doch so gerne ich auch mit dir zusammenarbeiten würde, ziehe ich es vor die ersten Schritte auf diesem Wege selbständig und auf eigenen Füßen zurückzulegen. Es wäre mir äußerst unangenehm, wenn man dereinst von mir behaupten würde ich verließe mich einzig auf die Macht meiner Familie."

    Einige Tage nach seiner Ankunft in Rom hatte sich Milo auf den Weg nach Sardinien gemacht. Der eigentliche Grund seines Auszugs an Baiae hatte sich scheinbar hierher zurückgezogen. Es war nicht leicht gewesen, den genauen Aufenthaltsort seines Vaters aus Furianus und Sica herauszubekommen, doch letztlich war es ihm gelungen. Milo legte die Reise größtenteils zu Pferde zurück und nahm nur seinen Leibsklaven Hermes mit. Der schwarzer Hengst, den er von seinem Adoptivvater geschenkt bekommen hatte, leistete dabei gute Dienste und brachte ihn in kurzer Zeit schon am frühen Morgen nach Ostia. Hermes' Tier hatte mit der Geschwindigkeit zu kämpfen, die Milo vorlegte, doch letzlich kamen sie zeitig an. Von dort aus ging er an Bord eines Versorgungsschiffs nach Sardinien, welches in der Hafenstadt Carales anlegte. Milo war mit wenig Gepäck gereist, so dass er mitsamt Pferd kurz nach der Landung des Schiffes wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Er überprüfte noch einmal Sitz des Sattels und der Satteltaschen, schwang sich dann wieder auf den Rücken des Tieres und setzte seinen Weg gefolgt von seinem Sklaven fort. Sie ritten bis tief in die Dämmerung hinein und bezogen dann Quartier in einem kleinen Dorf.


    Früh am nächsten Morgen schon war Milo wieder auf den Beinen und weckte Sklaven und Pferde. Wenige Zeit später waren sie also abreisefertig und setzten ihren Weg fort. So begab es sich, dass die kleine Reisegemeinschaft gegen Mittag am Tag nach ihrer Abreise in Rom schließlich auf dem Landgut des Flavius Felix ankam. Milo sprang vom Pferd, warf seinem Sklaven Hermes die Zügel zu, begab sich zielstrebig vor das Tor der Villa und klopfte an.

    Milo trank von seinem Wein und hörte Gracchus dabei zu. Eine weitere Wachtel fand den Weg auf seinen Teller und er begann sie mit den Fingerspitzen fein säuberlich in kleine Bissen zu zerlegen. Währenddessen antwortete er seinem Vetter.
    "Du verstehst es wahrlich die Faszination einer so einzigartigen Provinz zu beschreiben. Ich kann es nicht leugnen, dass du in mir den sehnsüchtigen Wunsch erweckst, diese mir noch fremden Gegenden zu erkunden. Ich hoffe sehr, dass mir eines Tages die nötige Zeit und Muße vergönnt sein wird, eine solche Gelegenheit zu nutzen."
    Nachdem die Wachtel in handliche Stücke zerteilt war, wusch Milo sich die Hände in einer bereitstehenden Wasserschale und trocknete sie an einem daneben liegenden Tuch ab. Dann griff er wieder zu seinem Glas und trank etwas Wein.
    "In Baiae war vor allem die Göttin Venus sehr beliebt. Ich persönlich fühle mich jedoch vor allem mit Apollo und Mars verbunden, so verschieden sie voneinander auch sein mögen. Doch gerade diese Gegensätze sind für mich das Interessante daran. Daher gilt auch Ianus meine große Verehrung."
    Milo nahm sich eines der Wachtelfleischstücke von seinem Teller und kümmerte sich voll Genuss um die Verzehrung.

    Milo war voll und ganz mit den köstlichen Wachteln beschäftigt, so dass er die sich aufbauende förmlich knisternde Spannung nicht bemerkte. Fünf deliziöse Vögel später sah er wieder von seinem Teller auf. Ein erster skeptischer Blick galt seinem Bruder, welcher sich so begeistert den Austern widmete. Milo hatte nichts gegen Austern, keineswegs. Doch sie waren ihm einfach schlichtweg zu klein und würden die ersehnte Sättigung zu lange hinauszögern. Dann sah er wieder zu Gracchus hinüber, welcher sich dem Fisch zu widmen schien.
    "Das ist wahrlich eine interessante Geschichte. Achaia... Ich war noch nie in Achaia, habe aber schon viel darüber gehört und gelesen. Ist diese Provinz so faszinierend, wie sie scheint?"

    Milo stürzte sich erleichtert auf das Essen und nahm sich sogleich eine große Portion davon. Vor allem die Wachteln fanden sein Wohlgefallen und wanderten bevorzugt auf seinen Teller.
    "Für den Cultus Deorum bin wiederum ich gewiss nicht geboren. Meine Zukunft sehe ich eher auf dem Metier, auf welchem bereits mein Bruder brilliert. Doch bis dahin habe ich noch viel zu lernen."
    Nachdem der ärgste Hunger getilgt schien, und er noch etwas Wein getrunken hatte, erkundigte er sich weiter.
    "Um was für einen Schwur handelt es sich? Hast du etwas getan, für dass du sühnen musst?"
    Interessiert hob er die Augenbrauen und musterte seinen Vetter. Ein ausschweifendes Leben würde er diesem Mann eigentlich nicht zutrauen.

    Milo war etwas enttäuscht, als die erhoffte Reaktion ausblieb. Er ließ es sich aber nicht anmerken und begrüßte den neuen Vetter mit einer kurzen Umarmung.
    "Ich werde dich gerne meinen Vetter nennen, Gracchus."
    Er ließ von ihm ab und nahm lässig wieder auf seiner Kline Platz. Milo hatte den Eindruck, dass sein neuer Vetter ein etwas verschrobener Mensch sei. Bislang wirkte er jedoch angenehm im Umgang und mit seiner übertrieben hochgestochenen Sprache erinnerte er Milo an dessen vornehme Ziehmutter. Also führte er die Unterhaltung unbeirrt weiter.
    "Meine Vergangenheit beginnt am selben Ort wie die meines Bruders. Wir haben die selbe Mutter und es scheint als seien wir tatsächlich Zwillinge. Bei ihrem Tode wurden wir getrennt und von Pflegeeltern aufgezogen. So verbrachte ich nach 5 Jahren in Britannia die vergangenen 20 Jahre meines Lebens im schönen Baiae."
    Sich des Neides bewusst, den er mit dieser Erklärung auslösen würde, lächelte Milo überlegen.
    "Darüber hinaus trug sich das übliche zu. Unter der strengen Aufsicht meiner Lehrer schulte ich Geist und Körper und genoss das schöne Leben, so lange es mir vergönnt war. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, meine Wurzeln zu ergründen. Also zog ich nach Rom, um meinen Vater zu finden. Doch dieser scheint nun leider verreist zu sein."
    Er zuckte hilflos mit den Schultern. In dieser Hinsicht schien das Schicksal gegen Milo zu arbeiten.
    "Das ist die Kurzfassung meiner Vergangenheit. Die längere Version erzähle ich dir nur in Ruhe und an einem schönen Sommerabend, mit einer Amphore guten Weines bei der Hand."
    Bei diesem Stichwort griff er wieder zu seinem Weinglas und trinkt es leer. Ohne große Umstände schenkte Milo nach und lehnte sich auf der Kline zurück.
    "Und was ist deine Berufung, Vetter? Frequentierst auch du die Rostra und übst dich in der Politik?"

    Verblüfft sah Milo auf und unterzog den Mann einer genauen Musterung. Da dieser seinen Bruder Furianus als Vetter bezeichnete, musste Milo ihn wohl auch als eben solchen erkennen. Er erhob sich von seiner Kline und trat mit einem verschmitzten Lächeln auf Gracchus zu. Es begann ihm Freude zu bereiten, seine neuen Verwandten mit den überraschenden Tatsachen zu konfrontieren.
    "Salve! Es ist mir eine Freude. Gestatte, dass ich mich dir vorstelle. Mein Name ist Titus Flavius Milo. Ich bin der Bruder des Furianus. Ich schätze, das macht uns zu Vettern."
    Gespannt wartete er Gracchus Reaktion ab.