Cool na da bin ich ja mal gespannt, was es von Pluto so alles zu lesen gibt - mehr (aktive) Götter braucht das IR!
*mit Götterfähnchen wedel*
Cool na da bin ich ja mal gespannt, was es von Pluto so alles zu lesen gibt - mehr (aktive) Götter braucht das IR!
*mit Götterfähnchen wedel*
"Das wollen wir doch nicht hoffen. Allerdings, die Zeiten scheinen mir düster geworden, meine Cousine Flavia Agrippina ist wohl das bedeutendste Opfer des Zorns der Götter, und wenn wir nicht handeln, dann wird dieser Zorn sicherlich nicht geringer werden," sagte ich ernst und nickte zu seinen Worten. Was mir wirklich im Kopf dabei herumging - der Gedanke dessen, dass für den Erfolg der Truppen in Parthia ein solches Blutopfer vielleicht dringend nötig war, behielt ich indes für mich. Es war barbarisch, das überhaupt zu überlegen, und doch hatte es bisher einzelne Menschen getroffen, deren Blut öffentliche Orte besudelt hatte. Vielleicht waren es göttliche Eingebungen, die zu solchen Ereignissen geführt hatten, die einen Mann aus gutem Haus dazu brachten, sich selbst spektakulär auf den Stufen der curia zu richten, anstatt am heimischen Herd, wie es die Ehre eines Römers verlangte. Vielleicht war es göttlicher Wille, uns Agrippina zu nehmen, um uns zu zeigen, dass wir niemals sicher davor waren, Wichtiges und Bedeutendes zu verlieren, und dass wir letztendlich uns zu sicher gefühlt hatten. Vielleicht war dieses Blut nicht nur ein Zeichen des Zorns, sondern ein Mahnmal dessen, dass wir umdenken mussten. Dass Rom träge geworden war, und den Göttern dies nicht gefiel.
"Momentan ist schon wegen des Kriegs viel los hier, aber die jüngsten Anschläge und Entwicklungen haben den Verkehr natürlich nicht geringer gemacht - aber es sind momentan fast alle Priester anwesend, sodass mich keine dringende Pflicht daran hindern würde, Dir zur Seite zu stehen. Wenn Du willst, werde ich das Tier opfern und dann die Eingeweideschau halten - außer Du möchtest extra einen haruspex herbeirufen." Im Grunde war es üblich, ausser bei großen Staatsopfern keine haruspices beizuziehen, die ohnehin für meinen Geschmack zuviel Trara um ihre eigentliche Arbeit machten. Mein letzter Widder war zwar eine Weile her, aber ich hatte inzwischen eindeutig mehr Übung als bei meinen ersten nassen Versuchen mit den Ferkeln im atrium der villa Flavia.
Und da ich ihn gerade am Tempeleingang stehen sah - er war mir nach draußen gefolgt, wie er mich auch diesem Tag in den Tempel begleitet hatte - winkte ich meinen Neffen Flavius Lucanus herbei, um ihn auch gleich vorzustellen. "Senator, dies ist mein Großneffe Flavius Lucanus, und im Augenblick hat er den Posten als mein scriba personalis inne - er wird uns heute also beim Opfer zur Hand gehen." Zu Lucanus gewandt fügte ich an: "An Deinem ersten Tag hier lernst Du auch gleich einen wichtigen Mann kennen - Senator Purgitius Macer, meinen patronus. Wir werden ein Sühneopfer abhalten und ich denke, das ist die ideale Gelegenheit für Dich, ein bisschen Erfahrung zu sammeln."
"Das macht nichts, genau um solche Lücken zu füllen, bist Du ja hier," sagte ich und erhob mich, um an die tabula an der Wand zu treten. Ich nahm mir ein Stück der Schreibkreide zur Hand und begann, die wichtigsten Begriffe zu notieren.
"Beginnen wir also bei den flamines. Es gibt zwei verschiedene Arten an flamines - die flamines maiores, welche man auch umgangssprachlich als hohe Priesterschaften bezeichnen könnte, und von denen es insgesamt drei gibt, und die flamines minores, die niederen Priesterschaften, derer insgesamt zwölf. Allen ist gemein, dass sie auf Lebenszeit ernannt wurden, und durch den Imperator mittels der captio bestimmt werden. Während die flamines maiores aus patrizischen Familien stammen müssen, können auch Plebejer den Rang eines flamen minoris erreichen." Ich hielt kurz inne und blickte zu ihr, ob sie bisher mitgeschrieben hatte und einigermaßen so wirkte, dass sie mitgekommen war - es waren dann doch recht viele Dinge auf einmal.
"Die flamines maiores setzen sich aus dem flamen Dialis, dem flamen Martialis und dem flamen Quirinalis zusammen - fallen Dir Götter ein, denen die flamines minores zugeordnet sein könnten?"
In gewisser Weise hatte er Recht - es hatte mich tatsächlich erleichtert, überhaupt darüber gesprochen zu haben, jenen innerlichen Druck aus Leid und Qual einmal herausgelassen zu haben, mich von all jenem befreit zu haben, was mich seit Wochen, Monaten und Jahren beschäftigte. Letztlich hatte ich mich wohl inzwischen zu sehr daran gewöhnt, mein Innerstes vor anderen Menschen zu verschließen, auf dass ich nicht verletzt würde, auf dass mein Vertrauen keinen Missbrauch erfuhr, wie es so leicht geschehen konnte in einer Welt, in der es so wichtig geworden war, anderen gegenüber zu glänzen. Und war ich nicht vor wenigen Augenblicken erst noch bereit gewesen zu glauben, mein Freund hätte mir den einzigen Menschen genommen, den ich wahrhaftig liebte? Nein, das Misstrauen würde mich immer begleiten, auch wenn meine ratio mir anderes diktieren wollte. War nicht Gracchus der perfekteste erastes für einen eromenos? War nicht Corvinus ein wohlgeratener, stattlicher junger Mann, wie man ihn sich nur wünschen konnte? Gleichsam elend und müde fühlte ich mich, und doch auch erleichtert, so seltsam diese Gefühle überhaupt miteinander existieren konnten. "Ich bin es nicht mehr gewöhnt, über solche Dinge zu sprechen, Marcus, manchmal scheinen mir die Tage der Unbeschwertheit so fern, als hätten sie nur in einem Traum existiert. An manchen Tagen scheint es mir, als gäbe es kein Licht, keine Fröhlichkeit mehr, keine Freude - und an solchen Tagen ist es leicht, sich flüchten zu wollen."
Unsere Blicke trafen sich, als er seine Antwort einforderte, mich beschwor, mein Leben nicht wegzuwerfen, und ich nickte nur matt. "Hätte ich es gekonnt, wäre ich wohl längst nicht mehr auf dieser Welt, sondern irgendwo sonst. Und damals hat mich jemand abgehalten, der mich überhaupt nicht kannte und doch ... bereit war, zuzuhören. Ihm schulde ich mein Leben, und diese Schuld werde ich irgendwann begleichen müssen." Ich wölbte die Lippen zu einer Art Lächeln, auch wenn es mir nicht leicht fiel. Seine Hand auf meiner Schulter tat gut, vermittelte sie doch die Illusion, es könnte jemanden geben, der mir wirklich helfen konnte. "Ich weiss auch heute nicht mehr, was mich damals so sehr getrieben hatte - nur, dass ich so verzweifelt war, so ohne Hoffnung, dass es mir als der einzige Weg schien. Die Aussicht darauf, niemals im Leben glücklich zu werden, ist nicht unbedingt eine schöne. Stets etwas zu erhoffen, das weder sein kann noch darf - es ist eben eine Last, die manchmal so schwer wird, dass man sich fühlt, als sei man Atlas und die Welt drohe, von den eigenen Schultern zu rutschen."
Dann, nach einigen Augenblicken, wiederholte ich einen Gedanken, den ich zuvor nur im Zorn geäußert hatte: "Überlege Dir gut, ob Du diese Verbindung zwischen unseren Häusern willst, Marcus. Liebe kann ich einer Frau wohl nicht schenken, nicht nach dem, wie es jetzt ist. Nur Respekt, ein angenehmes Leben .."
Was er allerdings über seine ehemalige Verlobte sprach, ließ mich die Stirn runzeln. "War ihre Adoption in die gens Aurelia denn jemals für Dich ein Hinderungsgrund? Wenn etwas nicht allgemein bekannt ist, dann mache es bekannt und das Geschwätz wird verstummen. Das wäre der letzte Grund, eine Liebe zu opfern, Marcus. Was das andere angeht ... ich wünschte, es wäre für Dich und sie anders ergangen, denn Du wirktest glücklich, als Du über Deine Liebe sprachst. Als hätte sich Dir der Olymp aufgetan, und ich gestehe es, ich habe Dich in diesem Moment sehr beneidet, niemals hätte ich vermutet, dass über dieser Liebe ein Schatten hätte liegen können." Diesmal war ich es, der meinem Freund die Hand auf die Schulter legte, bekräftigend, aber auch ermutigend sollte die Geste wirken, zumindest hoffte ich dies. "Ich kann nur hoffen, dass Dir durch dieses gelöste Verlöbnis nicht irgendein Makel anhaftet oder der Groll der Familie folgt - ich würde wohl einiges tun, um den ehemaligen Verlobten meiner Tochter zu treffen, wenn sie durch ihn so beleidigt wurde. Halte die Augen offen, die Claudier sind nachtragend, genau wie die Flavier ihre eigenen dunklen Angewohnheiten haben." Ich blickte ihn an und mit einem Mal tauchte diese unwillkommene, stille Frage wieder auf, die ich heruntergekämpft hatte, als er mir von seiner Liebe erzählt hatte: Was wäre gewesen, hätten wir damals mehr Zeit miteinander verbracht? Hätte ich Gracchus vergessen können?
Der Odem des Außergewöhnlichen wich langsam, aber stetig, und ließ uns Menschen in jenem zurück, was danach geschehen musste, ja, stets geschehen würde. Seltsamerweise fühlte ich nicht wie so oft den Drang, sie sogleich hinter mir zu lassen und zu vergessen. Die wenigsten Frauen, ja Menschen, berührten mich innerlich überhaupt, und ich hatte mich oft gefragt, ob ich wahrlich unfähig sei, einen Menschen in tiefster Seele zu lieben. Jene Frage war mir vor vielen Jahren beantwortet worden, wenngleich nicht unbedingt zu meinem persönlichen Vergnügen - und nun hatte sich die grundsätzliche Frage zuvor gewandelt: Würde es mir jemals gelingen, die Entscheidung meines Herzens zu ertragen und dennoch ein einigermaßen zufriedenes Leben zu führen?
Im Augenblick war ich zufrieden damit, sie einfach nur zu betrachten, mit dem Blick ihren schlanken, fast mageren Formen zu folgen und einige Momente lang darüber zu sinnieren, wie es wohl wäre, mit einer so leidenschaftlichen Frau zu leben. Letztlich war mir ihr Name nicht bekannt genug, um wirklich darüber zu mutmaßen, ob sie noch unvermählt war, aber ich ging davon fast aus. Wirklich große Hochzeiten hatte es in den letzten Jahren nicht gegeben, und ich konnte mich ihrer nicht entsinnen. Aber warum dachte ich überhaupt über so etwas nach? War es die Wärme ihres Leibes, diese gemeinsam geteilte Lust, die wir beide genossen hatten? Es hatte mich lange nicht mehr so berührt.
"Vielleicht sind wir nur der Götter Spielzeug, aber es bliebe uns selbst bei dieser Überlegung noch die Hoffnung, nicht vollkommen willenlos zu sein. Gedenke des Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl und das Leben der Menschen um so viel verbesserte. Gedenke des Ikarus, der es wagte, die Himmel zu erobern - wenn das Spiel mit Puppen doch noch möglich macht, sich über all dies zu erheben, dann ist es nicht alles sinnlos, dann haben wir nichts verloren. Und wie Du richtig sagtest, an manchen Abenden ist man gern ein Spielzeug der Götter, und wird es wohl immer gern wieder sein."
Es waren ablenkende, willkommene Gedanken, und ich war froh drum, aus meiner Grübelei gerissen zu sein, die mich ohnehin nur selten aus ihrem Griff entließ. Schweigend folgte ich ihr mit meinem Blick, als sie sich erhob, und auch als sie in den Brunnen glitt, ohne zu zaudern, konnte ich kaum anders, als sie gleichsam verzaubert wie fasziniert zu betrachten. Sie war so vollkommen anders als alle anderen Frauen dieser Stadt, als sei sie nicht einmal ganz Teil des täglichen Lebens, wie ein Sonnenstrahl, der einen kurze Zeit erwärmen konnte, um dann wieder zu schwinden, und doch unvergesslich zu bleiben. Sie fragte nicht nach und ich behielt meine Gedanken für mich, und so sollte es bleiben.
Ich überlegte gerade, ob ich mich zu ihr im Brunnen gesellen sollte, als ich vom Haus her Schritte und Stimmen hörte, und sich schwankendes Licht auf uns zubewegte - wir waren entdeckt worden, zweifellos, und dafür brauchte es jetzt eine gute Ausrede. Nicht, dass ich gerne schwindelte, aber manchmal ging es einfach nicht anders. Die Erklärung 'eigentlich wollten wir uns nur den Garten ansehen und sind dann hemmungslos übereinander hergefallen' wäre zwar die ehrliche, aber sicher nicht die hilfreichste gewesen. Kurz glitt mein Blick zu Callista, und ich war mir für den Moment lang nicht sicher, ob sie das Spiel mitmachen würde - aber auf der anderen Seite war sie diejenige gewesen, die unbedingt über die Mauer hatte klettern wollen, also stand es zumindest nicht vollkommen außer Frage, dass sie auch für ein solches Spiel zu haben war.
Also blieb nur das immer gleiche Spiel - so tun, als wäre alles normal und als wäre es vollkommen üblich, dass zwei nackte Patrizier des Nachts in einem Garten unterwegs waren, der ihnen gefiel. Ich trat einige Schritte voran, um mich halb vor Callista zu stellen, damit der Kerl sie nicht weiterhin so anstarren würde - ohne dabei zu bedenken, dass ich noch immer unbekleidet war. "Salve," sagte ich in möglichst gelassenem Ton, und machte dann eine vage Handbewegung in Richtung des dahineilenden Sklaven. "Ich denke nicht, dass es nötig sein wird, die vigiles hierher zu rufen."
Fieberhaft überlegte ich währenddessen, was ich sagen sollte, hielt aber den Blick zum Hausherrn - zumindest hielt ich ihn dafür - aufrecht. "Zum einen," erläuterte ich den Tatbestand, "...ist nichts gestohlen worden. Und dies ist auch mitnichten der Grund unserer Anwesenheit. Zum anderen hast Du einen wirklich schönen Garten. Kein Mensch mit ein bisschen Sinn für Ästhetik würde hier Schindluder treiben." Zeit gewinnen, herrjeh, was sagte ich ihm jetzt bloß? Dann hatte ich die erlösende Idee. "Wie Du unschwer siehst, sind meine Verlobte und ich auf dem Heimweg von einer Feier unserer Sklaven absent geworden und wurden überfallen - und wir konnten uns nur mit Mühe in diesen Garten retten, dieses wahrhaftige refugium. Glücklicherweise sind die Sklaven nun endlich auch wieder zu uns gestoßen," damit warf ich einen beredten und sichtlich zornigen Blick Richtung Mauer, "... was dieses undankbare Pack gewisslich sehr bald auch noch bereuen wird. Und ich hoffe, Du nimmst uns die eigenwillige Nutzung Deines Brunnens nicht zu übel. Aber nach dem Angriff waren wir dann doch etwas derangiert und hatten das Bedürfnis nach einem Bad, bevor wir den Weg fortsetzen wollten - und Dein Wachhund war wirklich ein wohlerzogenes Tier. Hätte er uns nicht verbellt, wären wir profane Einbrecher gewesen?"
Ich legte all mein Können als geschulter Rhetor in diese kleine Ansprache und flocht auch die ein oder andere stilistische Feinheit in meine Worte, die verriet, dass ich nicht gerade zum Gossenpöbel der ewigen Stadt gehörte. Mein erzürnt blickendes Gegenüber - dessen Namen ich nicht kannte, der aber Thorius Apicius lautete - schnappte hörbar nach Luft und starrte mich nunmehr mit großen Augen an. "Du glaubst Doch nicht etwa, dass ich Dir das abnehme, oder?" Ich blickte zu Callista, hilfesuchend. Ein paar Tränchen oder weibliches Gekreisch wären jetzt ganz praktisch.
Einen Vorteil hatte das Dasein als sacerdos durchaus - es gab für alle möglichen kleinen Dinge die camilli, Jugendliche, die im Tempel ihren Dienst taten, um eines Tages vielleicht selbst zuerst discipulus und dann sacerdos zu werden. Und die camilli waren wirklich überall, sodass ich denen des Mars-Ultor-Tempels gesagt hatte, sie sollten Ausschau nach verschiedenen Personen halten und mir sofort Bescheid geben, sollten sie diese erblicken. Unter anderem gehörte zu jenen Menschen auch mein neuer patronus, senator Purgitius Macer. Auch wenn ich gerade im Tempelinneren zu tun gehabt hatte, so erfuhr ich doch zeitnah, dass er im Tempel anwesend war und beendete meine vorherige Tätigkeit, um mich auf den Weg zu machen, ihn angemessen zu empfangen. Meine collegi würden es mir nicht übel nehmen, hätten sie nun die Opferkekse und -kuchen selbst wegzuräumen, schätzungsweise würde abends kein Krümel mehr übrig sein. Aber, wenn ich ehrlich war, ich machte mir nicht viel aus Opferkeksen.
"Salve, senator!" begrüßte ich meinen patronus, als ich ihn schließlich vor den Tempelstufen erblickte, samt Begleitung in Form von Sklaven und einem Opfertier. "Das sieht mir ganz nach Arbeit aus, ich würde fast vermuten, Du willst den Göttern Sühne anbieten?" Da war er beileibe nicht der erste, und würde sicher nicht der letzte sein. Auch wenn ich mich wunderte, dass der Senat noch immer keine Entscheidung getroffen hatte, ein Staatsopfer würde wohl noch auf sich warten lassen - da konnte man nur als Privatmann mit gutem Beispiel vorangehen.
"Du kannst gehen, ich brauche nichts im Augenblick, danke," sagte ich schon fast mechanisch, dennoch im freundlichen Ton zu der Sklavin, ohne mich umzuwenden. Ich konnte im Augenblick ohnehin nichts essen oder trinken, ersteres passte nicht zu meinen Gewohnheiten, zweiteres war im Hinblick auf den bevorstehenden Ritt dann doch etwas unpraktisch - schließlich wollte ich nicht an jeder Ecke halten müssen, um mich zu erleichtern, und gerade Obstsaft hatte, was diesen Umstand anbelangte, bisweilen fatale Konsequenzen. Gerade heute wollte ich mich von meiner besten Seite präsentieren, also war eine gewisse Vorsicht im Umgang mit unpraktischen Nahrungs- und Genussmitteln angesagt. Wie lange sie wohl noch brauchen würde? Ich fuhr mir mit einer Hand durch das Haar, und ahnte nicht im Geringsten, dass sie längst hinter mir stand. Stattdessen widmete ich mich noch etwas der Betrachtung des Gartens und seufzte schließlich gedankenvoll. In den letzten Tagen war so vieles durcheinander gegangen, dass ich mich bisweilen fragte, wo ich stand und ob ich noch stand, ob ich inmitten dieser vielen Entwicklungen noch meinen Platz behalten hatte.
Aber es war ein recht müßiger Gedanke, den ich nach einigen Momenten intensiven Sinnierens beiseite schob und mich umwandte, um noch ein Stück Obst aus der Schale zu nehmen - aber diese Bewegung erstarrte inmitten ihrer Ausführung, als mir gewahr wurde, dass sich mitnichten die Sklavin noch hier befand, sondern Aurelia Prisca ihren Platz eingenommen hatte. Und sie trug jene Dinge, die ich ihr geschenkt hatte - die Seidentunika, deren satte Farbe ihr hervorragend stand, und den Armreif. Auch wenn mich der Einkauf dieser Kostbarkeiten den letzten Nerv gekostet hatten - Händler abzuwehren, die glaubten, einem Patrizier allen möglichen Blödsinn andrehen zu müssen, war nicht gerade eine meiner Lieblingsbeschäftigungen - so war der Effekt doch alle Mühen und Plagen wert, welche ich auf mich hatte nehmen müssen. Sie sah einfach hinreißend aus. Und ich dachte - zumindest nicht im ersten Moment - nicht einmal daran, wie sie wohl unter dem fließenden Stoff aussehen mochte, sondern genoss einfach ihre strahlende Gesamterscheinung. Bevor jedoch mein Lächeln zu blöde werden konnte, fing ich mich doch und neigte ihr höflich den Kopf zu. "Verzeih, Aurelia Prisca, ich habe Dich nicht kommen gehört - hoffentlich hast Du nun nicht zu lange warten müssen."
Peinlich. Sicher war sie schon eine ganze Weile da und dachte wissen-die-Götter-was über meine Gedankenlosigkeit. Um jedwede Unsicherheit meinerseits zu überspielen, schritt ich auf sie zu und verhehlte nicht, dass mir ihr Anblick gefiel - wir hatten amüsanterweise sogar passende Kleidung an, ich hatte mir eine dunkelblaue tunica ausgesicht, die an den Säumen eine goldfarbene Deplhin-Stickerei zierte, passend für einen Ausflug ans Meer. "Dass mich eine außergewöhnliche Frau heute begleiten würde, darauf hatte ich mich ja schon eingestellt. Aber Du hättest mich ruhig vorwarnen können, dass eine Göttin vom Olymp herabgestiegen ist, um einem armen Marspriester seinen Tag zu versüßen," sagte ich und zwinkerte ihr leicht zu. Und sie war vor allem nicht aufgetakelt - etwas, was ich an Frauen gar nicht mochte - sondern wirkte mit dezent verwendeten Farben deutlich interessanter und schöner. Was konnte ich mir schon mehr wünschen, außer vielleicht noch einige angenehme Unterhaltungen. "Da ich nicht wusste, ob Du reiten möchtest, habe ich Dir eine Sänfte mitbringen lassen - ansonsten wäre als Alternative noch zu nennen, dass der Rücken meines Pferde genug Platz für uns beide bietet."
"Ich danke Dir," sagte ich zu dem großgewachsenen Schwarzen und nickte ihm freundlich zu. Auch der Sklavin galt ein leichtes Nicken, ich nahm mir ein Stück des Obsts und kaute es genüsslich, während ich meinen Blick über den schön angelegten Garten schweifen ließ. Es war ein friedlicher Ort, und ich konnte mir gut vorstellen, wie die Aurelier hier, wenn ihnen die Gedanken schwer wurden, lustwandelten, um sich ein wenig abzulenken. Mein Blick glitt auf die angelegten Zierrabatten mit den auch in der Herbstzeit noch üppig wirkenden, bunten Pflanzen, und für einen Moment wünschte ich mich in den heimischen Garten zurück, zurück in mein neuerkorenes refugium, um mit meinen Gedanken - und Prisca, sobald sie eintraf - allein zu sein. Aber ich fürchtete fast, sie würde für die stillen Freuden der Literatur weit weniger aufgeschlossen sein denn für Theater, Orgien und sonstige Lustbarkeiten - aber was wunderte es mich, wir waren uns gut zehn Sommer voneinander entfernt, in ihrem Alter war ich auch lieber ausgegangen.
Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, wartete ich also auf das Eintreffen meiner Begleiterin und verlor mich in Betrachtungen meiner Erinnerungen an eine frühere Zeit, in der ich leichtlebiger gewesen war, aber in vielem wohl auch froher und sorgenfreier. Tief atmete ich die frische Morgenluft ein, die einen vergessen ließ, dass man sich in den engen Mauern Roms befand, die mir allzu oft das freie Atmen erschwerten, aber in diesem Garten schien so vieles möglich, so vieles blieb offen. Meine schönsten und schrecklichsten Augenblicke in Rom verbanden sich mit der freien Natur, und so hoffte ich, dass sich dieser schöne Morgen mit etwas Schönem würde verbinden lassen ...
Ich nickte ergeben, im Grunde hätte es mir auch klar sein müssen, dass der Aufbruch nicht von jetzt auf sofort stattfinden würde. Meine Mutter hatte immer Stunden gebraucht, um für einen Ausflug fertig und bereit zu werden, wieso sollte es da auch bei anderen Frauen anders sein. Aber an diesem Tag würde mir nichts die Laune verderben, soviel war sicher, und so folgte ich dem Schwarzen in das Innere der villa Aurelia, durchaus ein bisschen nervös geworden. Was würde sie wohl tragen? Würde sie sich über die Überraschung freuen? Man würde sehen ...
"Es hat Zeit, Bridhe, was immer ist," sagte ich langsam und trat dann zu jener Truhe, in der meine Kleidung für den Herbst verwahrt wurde. Kurzerhand wühlte ich nach einem dunkelblauen Umhang, den ich mir umlegte, und ging dann in Richtung Tür. "Ich gehe noch einmal aus, warte heute nicht auf mich, Bridhe." Und, nach einigen Momenten Pause, als ich ausgeatmet hatte, noch immer ihren Geschmack auf meinen Lippen tragend, fügte ich dem hinzu: "Wenn Du möchtest, kannst Du heute nacht meinem Bett fern bleiben." Damit lächelte ich ihr noch einmal zu, wandte mich um und schritt durch die Tür hinaus auf den Korridor, innerlich ein Streitgespräch führend, ob ich die Gelegenheit hätte ergreifen sollen oder eben nicht ... vielleicht würde mir Rom wenigstens in dieser Nacht gnädig sein und mir eine Abwechslung schenken, sei sie nun angenehm oder erschreckend.
"Na, ich bin mir sicher, Du wirst gewählt werden - Du bist aus gutem Haus und Du kannst argumentieren, was braucht man noch? Deine Familie ist bekannt genug, um Dir einen gewissen Vertrauensvorschuss zu geben, in sofern würde ich mir da an Deiner Stelle nicht so viele Gedanken machen," gab ich zurück und ließ die Hände noch einmal der Länge nach seinen Rücken herab streichen, bevor ich sie an meinen Oberschenkeln abwischte und mich dann streckte. "Und bis zum Tribunat hast Du minimal noch ein Jahr Zeit, wenn Du ab jetzt jeden Tag trainierst, solltest Du danach sicher in Form sein. Es ist ja nicht so, dass Du nicht planen könntest." Vor allem würde er es sicher nicht übertreiben müssen, um einigermaßen gute Ergebnisse zu erzielen, soviel stand fest.
Ich ging ihm, nachdem ich das Ölfläschchen verstaut hatte, auf den Trainingsplatz voraus, der sich inzwischen wirklich geleert hatte. "Sagen wir, bisweilen macht es einem den Kopf sehr gut frei. Was wäre das Leben doch für eine ausgesprochen trübsinnige Angelegenheit, wenn man nicht ab und an ein bisschen Freude haben könnte. Als unverheirateter Mann muss man eben schauen, wo man bleibt." Gemächlich nahm ich die Ausgangshaltung für den Ringkampf ein und wartete, dass er es mir gleichtat.
"Nun ..." hob ich an, um dann leicht die Schultern sacken zu lassen. "Das alles. Die letzten Tage. Und jetzt ... Deine Nähe. Du liebst einen anderen Mann und doch ... manchmal bin auch ich überrascht, auch wenn es nicht mehr viel gibt, womit mich andere Menschen überraschen können." Ich blickte zu ihr zurück, wie sie da auf meinem Bett saß, still, schön, wie eine fleischgewordene Versuchung, eine köstliche Frucht, die sich anscheinend von ihrme Baum pflücken lassen wollte, und stellte fest, dass ich es nicht konnte. Nicht mit dem Wissen, dass sie Severus liebte, und dass alles, was ich hier mit ihr tat, allenfalls eine Ablenkung war, aus einer Sympathie heraus geboren, vielleicht auch aus dem Wunsch ihrerseits heraus, mir zu helfen in meiner seelischen Not.
"Verstehe mich nicht falsch, Bridhe, ich schätze Dich wirklich. Aber ich denke, wir sollten uns nicht zu nahe kommen. Es gibt einen anderen Menschen, der dies für Dich bedeutet, und der bin nicht ich. Liebe ist ein seltenes Geschenk, und seltener noch ist es, sie leben zu dürfen. Ich werde dies nicht antasten, in keinster Weise."
Manchmal hatte es Vorteile, dass Straton und ich uns schon so lange kannten. So manches Mal hatten wir uns schon ohne Worte verständigt, und auch heute ersparte uns diese genauere Kenntnis voneinander so einiges Wort. So ließ ich Straton die Sache an der Tür regeln, saß gemächlich vom Rücken Lapsus' ab und gab die Zügel einem der anderen Sklaven, die uns begleiteten, bevor ich selbst zur porta der Aurelier schritt und dem schwarzen ianitor freundlich zunickte. "Wenn Deine domina mich im Haus empfängt, so will ich ihr gern meinen Morgengruß entbieten." Vor allem würde es kaum Eindruck machen, würde ich überhastet auf den Aufbruch drängen, es war früh genug, und wir würden für den Ausflug viel Zeit haben. Solche Dinge übereilte man besser nicht, vor allem, wenn es dabei um eine Frau ging.
Auch wenn der Aurelier sicher nicht wusste, dass ich kundige Hände eines Mannes zu schätzen wusste - nun einmal ganz abseits des spöttischen Tons dieses unsäglichen Theaterstücks - ich ließ es mir durchaus gefallen, was er tat, und genoss es. Es war schließlich schon eine Weile her, dass mir irgendjemand den Rücken eingeölt hatte, bevor es ans herzhafte Ringen ging.
"Ah, übertreib es nicht. Ich trainiere einfach regelmäßig, mehr nicht. Wenn man es von klein auf gewöhnt ist, dann fällt es auch nicht schwer, es beizubehalten. Ich bin mir sicher, dass Du mit ein bisschen mehr Arbeit schnell in eine ähnliche Region kommen könntest, was Deinen Körper angeht ... nur übertreib es nicht, sonst siehst Du irgendwann aus wie der."
Damit nickte ich grinsend in die Richtung des muskelbepackten Schranks, der noch immer die Gewichte belagerte und selbstverliebt seinen triceps begutachtete.
"Und diese Wildkatze ... nun, sagen wir, es war ein fleischgewordener Sommernachtstraum. Schätzungsweise werden wir uns nie wieder begegnen, aber ich werde diese eine Begegnung sehr im Gedächtnis behalten." Als er - viel zu schnell - fertig war, nickte ich und öffnete auch mein Ölfläschchen nochmal, gab etwas des Öls in meine Handfläche und begann, seinen durchaus kräftigen Rücken nach und nach mit der glitschigen Schicht zu bedecken.
"Aurelius Ursus ist es," ergänzte ich die Informationen meines Patrons um das, was ich erfahren hatte - wahrlich, es gab vieles, was man als Patrizier eher von anderen Patriziern hörte denn als Plebejer von jenen, selbst wenn man lange in einer Stadt lebte. "Alle anderen werden sich weisen, wenngleich ich mich sehr wundern würde, wären es noch irgendwelche jungen Männer, die sich groß herausgetan hätten. Die politische Landschaft ist derzeit doch eher dünn von interessanten Männern besiedelt, die meisten verlassen sich eher auf die Leistungen ihre Väter denn auf eigenes Können. Schätzungsweise wird auch die gens Octavia wieder einige Kandidaten ins Rennen schicken."
Überhaupt war dies etwas, was ich an so vielen jungen Männern nicht wirklich mochte. Sicherlich, die Leistungen der Väter und Ahnen öffneten einem so manche Tür, aber man sollte doch auch fähig sein, mehr als dies ins Rennen zu werfen. Ansonsten machte man seiner gens eher Schande dadurch, auf ewig auf der Stufe eines vigintivir stehen geblieben zu sein und nicht weiter zu kommen.
Es tat auf seltsame Weise weh, ihre Worte zu hören, auch wenn ich nicht hätte sagen können, wieso. Vielleicht war dies alles einfach zuviel gewesen, der Ansturm der Gefühle der letzten Tage, der ständige Zwiespalt zwischen meinem wahren Ich und der Maske, die ich nach außen zu tragen hatte - wie sehr hatte sich doch alles mit der Zeit verändert. Vielleicht wäre es schön gewesen, das Spiel zwischen Mann und Frau mit ihr zu spielen, vielleicht hätte es mir sogar noch Freude bereitet. Aber eines wusste ich - dass ich heute mit meinem Herzen wohl nicht bei der Sache sein würde, und alles andere wäre wohl kaum gerecht ihr gegenüber. So löste ich mich langsam und behutsam von ihr, noch immer lächelnd, um dann zu sagen:
"Ich danke Dir, Bridhe ... für diesen Augenblick, für ... Du weisst schon." Ich wandte mich in Richtung des Fensters, wieder hinausblickend, in jenen Garten, in dem sich so vieles ereignet hatte an diesem Tag. In dem sich auch so manches entschieden hatte, ohne dass ich die wahre Qualität der Entscheidung hätte eindeutig greifen können. Eine Hand an den Fensterrahmen legend, legte ich die Stirn an den Handrücken und atmete tief aus. "Ich ... bin überrascht. Wirklich überrascht ..."
Zugegeben, ein bisschen aufgeregt war ich schon. Letztendlich hing von diesem Ausflug dann doch einiges ab - eine erfolgreiche Verbindung mit der gens Aurelia war zwar nicht ganz so prestigeträchtig wie mit der gens Claudia, aber auf Dauer würde es der Familie zumindest eine halbwegs offene Türe sichern, was diesen Bereich der städtischen Politik anbelangte. Es war in sofern ganz praktisch, dass ich noch ungebunden war, Furianus' Ehewerbung war bislang nicht in die Richtung der Aurelier gegangen, und ich hatte auch nicht vor, mit meinem Vetter ins Gehege zu kommen. Und wenn man diese ganze Politik einmal beiseite ließ, ging es hier immerhin auch um das Leben zweier Menschen. Ich kannte Prisca wenig, und da das Fest der Meditrinalia mir nur wenige Möglichkeiten offeriert hatte, mit ihr überhaupt ein unbeobachtetes Gespräch in aller Ruhe zu führen, hatte ich mir diese Möglichkeit eben schaffen müssen, ganz entgegen jeglicher Konvention. Ob ihr gefallen würde, was ich vorbereiten hatte lassen? Ob sie wohl mit mir gemeinsam auf Lapsus, meinem schwarzen, eigentlich gutmütigen Hengst, reiten würde?
Zumindest in einem war ich mir sicher - ich wollte sie näher kennenlernen, und auch vielleicht das Thema einer Hochzeit anschneiden, damit sie gleich wusste, dass es mir ernst war. So vieles gab es dabei zu bedenken, und ich war mir längst nicht sicher, ob ich bereit für eine Ehe war, ob sie es war - aber man musste eben sehen, was passieren würde. Ich freute mich jedenfalls auf die Gelegenheit, ein wenig Zeit mit ihr zu verbringen, mit ihrem sonnigen Gemüt, ihrem offenen Lächeln - und alles weitere würde sich zeigen. So wartete ich geduldig, dass mein Straton uns ankündigte, und klopfte dem unruhig auf der Stelle tänzelnden Lapsus den Hals, damit er sich wieder beruhigen würde.
[Blockierte Grafik: http://img111.imageshack.us/img111/639/tagammeerft1.jpg]
Schon zwei Tage zuvor hatte sich an einem in der Nähe von Ostia gelegenen Strandabschnitt so einiges getan. Einige Sklaven, die aus einem kleinen, aber exclusiven Fischereibetrieb von Ostia stammten und dem ein oder anderen Käufer teurer Zuchtfische vielleicht vom Namen her bekannt gewesen wären, hatten ein Zelt in jener ruhigen Bucht aufgebaut, die nun, in der Winterszeit, relativ wenig besucht und benutzt wurde. Nicht zuletzt deswegen war dieser Ort ausgewählt worden, und das Zelt bot nicht nur zwei Ein-Personen-Klinen auf, sondern auch einen Tisch, auf dem sich wohl irgendwann Speisen befinden würden, und, in einem abgetrennten Bereich des Zelts selbst, ein Reisebett mit Kissen und Decken. Der ein oder andere Einwohner Ostias, der auf Spaziergängen vorbeigekommen war, hatte sich sicher gefragt, wofür das Zelt diente, das von der Art her einem Zelt der Legionen für Offiziere nachepfunden war, stabiler Segelstoff bildete die Zeltbahnen und flatterte nicht allzu sehr im Wind, weil das Zelt gut abgespannt war.
Am Tag zuvor hatte man der Außeneinrichtung des Zelts noch so manches hinzugefügt - Fackelständer wurden um das Zelt herum im Sand eingegraben, ebenso ein kleiner Wassergraben ausgehoben, in welchem frische Blüten lagerten, die dem ganzen Konstrukt wohl einen gewissen Reiz verleihen sollten - und in der Tat wirkte es nach der Beendigung aller Vorbereitungen fast, als sei das Zelt, mitten im Sand stehend, von einem Rund Grün umgeben, von süß duftenden, bunten Blumen umfasst. Und nun, an jenem Tag, der für einen ganz bestimmten Ausflug eines ganz bestimmten Patriziers samt Begleitung ausersehen war, warteten die Sklaven, in einem eigenen, kleinen Zelt etwas abseits untergebracht, darauf, dass ihr Besitzer und sein Gast auftauchen würden - ein Grill für die frische Zubereitung des mitgebrachten Essens war ebenso aufgebaut worden wie andere Speisen gelagert waren.
Das Wetter versprach einen sonnigen Tag, offensichtlich waren die Götter dem Unterfangen zugeneigt, und so standen die Vorzeichen günstig, dass es für diesen besonderen Tag am Meer alles gab, was man nur benötigen konnte ... lachend und scherzend vertrieben sich die Sklaven die Zeit bis zum Eintreffen ihres Herrn, einer baute sogar ein kleines Sandcastellum neben das Sklavenzelt und ließ sich für seine Kunstfertigkeit bewundern. So manch einer von ihnen mochte sich dabei denken, dass es ruhig öfter geschehen konnte, dass ihr Herr sich zu amüsieren wünschte ...
Ich lächelte unwillkürlich. Bridhe, die Widerspenstige. Die ihre Meinung meist dann kundtat, wenn es nicht ganz so passend war - aber vielleicht war es auch das, was ich an ihr schätzte. Dieser kurze Augenblick, in dem die emotio schneller war als die ratio. Es war lebendig, und in diesem Moment vielleicht genau das richtige, um mich aus meiner dumpfen Lethargie zu reißen. Aus dieser Müdigkeit der Seele, die sich in den immer gleichen Fragen erschöpfte, ohne jemals einen Ausweg zu finden. Ja, mein Herz lag noch immer ganz in Manius' Händen, soviel wusste ich. Aber dieser Augenblick konnte es mir leichter machen, und so neigte ich den Kopf herab zu ihr, betrachtete sie dabei, wie sie sich mir näherte, aus freiem Willen, ohne Zwang, wie ich es irgendwann gehofft hatte. Es war ihre Entscheidung, und genau wie ich akzeptiert hatte, dass sie mich einst nicht näher haben wollte, so akzeptierte ich heute das Gegenteil. Weich waren ihre Lippen, und ich glaubte fast, ihre Frische und Jugend schmecken zu können, wenigstens für einen Moment, in dem ich mich diesem Genuss hingab, die Sinne dem öffnete und die Nähe bewusst zuließ.
Ihre Finger fühlte ich auf meiner Kopfhaut, ließ das vage Nachprickeln damit einhergehen, und genoss still, den Augenblick verlängernd, ohne zu fordern oder zu fragen. Es war ihr Geschenk an mich, dieser Kuss, und er konnte wohl mit nichts aufgewogen werden. So hielt ich sie, wie sie mich hielt, und wir küssten uns, der Welt vergessen, verloren, und treibend in diesem leichten Aufeinandertreffen der Lippen, und als ich die Augen schloss, zog ich sie an mich, sie haltend, ohne sie vorerst los lassen zu wollen. Es hätte ein Geschenk der Ewigkeit sein können, und doch, ich wusste auch, wie endlich es war - Atem schöpfend, nur leise, vorsichtig, betrachtete ich sie wieder, den zarten, rosigen Schimmer ihrer Haut, und lächelte, froh und unendlich traurig zugleich.
"Es ist gut," murmelte ich und fühlte ihre Wärme. Es war nicht Manius' Körper, den ich hier hielt, der mich hielt, und wahrscheinlich würde sich dieser Wunsch niemals erfüllen. Aber sie war jemand, der mir nicht egal war, und anscheinend war ich es ihr auch nicht - und das genügte vollkommen für diesen Moment inmitten eines trostlosen, von Schmerz erfüllten Tages. Manchmal waren Worte nicht so entscheidend wie Taten, und sie hatte gehandelt, mich eines Besseren belehrt ob meines ewigen Zauderns und Zweifelns.
Meine Hand erhob ich, strich ihr langsam über ihr Haar, und atmete ihren Geruch ein, als sei es das Letzte, was mich an diese Welt zu binden imstande war. Seit ich Gracchus und Corvins auf den Stufen des Vestatempels gesehen hatte, seit meinem sinnlosen, aber ungleich schmerzvolleren Verdacht drifteten die Dinge in meiner Welt auseinander, ohne dass ich sie halten konnte und wollte.
"Manches kann man nicht erklären, es ist einfach so. Da hast Du wohl Recht. Die Liebe ist manchmal erfüllt, und manchmal nicht. Manchmal mag man einen Menschen, manchmal verabscheut man jemanden im ersten Augenblick schon ..." Ich folgte einer ihrer Haarsträhnen mit der Fingerkuppe, um dann tief einzuatmen. "Bridhe, Du bedeutest mir etwas. Aber ich werde es nicht oft sagen können. Nur zeigen. Wir Flavier ...sind keine großen Gefühlsaussprecher, egal wie die Gefühle liegen."