Irgendwo zwischen blau und grün lag die Farbe der Wellen, dunkler wenn man weiter nach draussen sah, silbern blitzend wo die Sonne darauf wider schien, und getupft von den Kronen weissen Schaums. Rans Töchter waren die Wellen, launische Wesen, mal verspielt und freundlich wie heute, mal tobend im Sturm, gierig den Seemann in ihren salzigen Armen tief in das Reich unter dem Meer hinabzuziehen, in einer Umarmung die kein Sterblicher überstehen konnte... All die Geschichten, die ihm Sigmar erzählt hatte, damals als er von seiner grossen Fahrt zurückkehrte, wurden wieder lebendig, als der Germane da am Strand sass und ruhig die Wellen betrachtete. Wie sie kamen und gingen. Wie sie anbrandeten und zerflossen. Immer wieder, immer wieder, endlos...
Störend drangen das Geräusch sich nähernder Schritte in seine Kontemplation. Ein kleines Rinnsal von Sand floss an der Flanke der Düne hinab, und ein Schatten zeichnete sich scharf auf dem hellen Sand ab, noch bevor die Stimme Stratons erklang.
ZitatOriginal von Straton
"Hast Du einen Augenblick Zeit für ein Gespräch, Severus? Es gibt da etwas, das ich gerne mit Dir besprechen würde."
Der Germane versteifte sich innerlich. Er wandte nicht den Kopf, sah weiter auf das Meer hinaus. Was für eine komische Frage. Natürlich hatte er Zeit. Aber er hatte schlichtweg keine Lust, sich an so einem wunderschönen Tag mit einem Widerling wie Straton zu befassen. Ein Kriecher und Schwätzer, ein Schleimer und ein Schmeichler war der Grieche in Severus' Augen, noch dazu schien dieses Geschöpf von einem widersinnigen Stolz auf sein Lakaientum, auf sein unterwürfiges Scharwenzeln vor dem Flavierpack erfüllt zu sein. Nicht besser als Sciurus!
"Nein." antwortete der Germane lakonisch.
Ohne den Besucher überhaupt eines Blickes zu würdigen griff er nach einem Stück Treibholz, das halb im Sand versunken neben ihm lag. Es war ganz weiss, von der Sonne ausgedörrt und der Farbe beraubt. Severus strich über die glatte Oberfläche, über die Astknorren und die Wölbung des Holzes. Dann zog er sein Messer aus dem Gürtel, setzte es an und machte sich daran, dem Holz eine Form zu entlocken. Helle Späne sammelten sich um seine Füsse. Auf die Rufe, die aus Richtung der Badenden kamen, achtete er nicht, die waren wohl Ausdruck des Schreckens, als die beiden verzärtelten Patrizier Bekanntschaft mit dem kalten Wasser machten. Was für ein grausamer Humor des Schicksals, dass er, Krieger und dazu bestimmt sein Land und Volk gegen die römischen Invasoren zu verteidigen, nun hier am Strand rumhing, mit der mehr als überflüssigen - eigentlich ziemlich lächerlichen - Aufgabe einen Römer beim Planschen und Schäkern zu bewachen...
Erst als sich im Meer Delphine zeigten, sah der Germane staunend von seinem Zeitvertreib auf. Er kannte die Viecher von Bildern und Erzählungen, und auch als leckeren Braten. Nett sah das aus, wie sie da durch das Wasser schnellten. Aber dass sie so nah an Menschen herankamen, und vor allem so nahe an das Ufer, das erfüllte ihn schon mit Verwunderung. Er erhob sich, warf einen Blick über den Rücken der Düne hinweg zu den anderen. Aquilius stand an Ufer, das Mädchen in den Armen. Schulterzuckend setzte der Germane sich wieder hin und widmete sich weiter seiner Schnitzerei.