Stockdunkel war's. Nach dem leisen Hall seiner Schritte her zu schliessen, war er in einem sehr grossen Raum. Severus wagte es nicht ein Licht zu entzünden, tastete sich ganz langsam an der Wand entlang. Der schwere, kupferige Geruch von Blut lag in der Luft. Wo war er hier gelandet? Seine Hand stiess gegen eine kalte, elastische Masse, die leicht hin und her zu schwingen begann. Totes Fleisch? Ein Erhängter? Der Germane musste heftig schlucken, und die Schauergeschichten, die er über Arbogastus, Geissel des Quirinal, gehört hatte, standen ihn auf einmal sehr lebhaft vor Augen.
Mit dem Rücken zur Wand blieb er stehen und wartete bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Eine Reihe von Schemen zeichneten sich nun ab, an grossen Haken hingen sie von der Decke herunter. Der eine, den er angestossen hatte, schwankte noch immer ganz leicht hin und her, und der Haken knirschte leise dabei. Sonst war es ganz still. Nur dieses nervenaufreibende kleine Geräusch. Hin und her und hin und her...
Langsam näherte der Germane sich wieder dem Objekt, besah es sich genauer. Rippen. Schultern. Schweineohren. Bloss Schweinehälften waren es, die hier von der Decke hingen, erkannte er mit einem erleichterten Aufatmen. Er war in einer Schlachterei.
Vorsichtig ging er zwischen den toten Tieren hindurch, durchquerte den Raum, und sah einen Durchgang sich abzeichnen wo es etwas heller wurde. Leise und gewandt wie ein Wolf der chattischen Wälder schlich er weiter, erreichte dann den Innenhof der Insula. Gerade pfiff ein heftiger Windstoss durch den Hof, liess die Fensterläden klappern und riss Severus die Kaputze vom Kopf. Er huschte durch den Innenhof, auf einen grösseren Eingang zu, als er auf einmal aus dem Augenwinkel direkt neben sich eine Bewegung sah. In einer fliessenden Bewegung fuhr er herum und zog die Sica - und sah sich Auge in Auge mit einem borstigen fetten Schwein. Das Tier wackelte ein bisschen mit dem Rüssel als es ihn beschnüffelte, dann trollte es sich und marschierte mit schlackernden Ohren zu einem Verschlag unter den Arkaden am Rande des Innenhofes.
Garm Grimm! Langsam ebbte der Schreck ab. Diese Schweine machten ihn noch ganz fertig!
Jetzt erkannte er auch, dass sich da in dem Verschlag noch mehr von den Tieren aufhielten. Ihr warmer Mief zog unverkennbar zu ihm herüber. Die Kapuze wieder über den Kopf ziehend, strebte er weiter auf den Eingang da zu, hatte ihn fast erreicht als in dem Gang auf einmal Schritte laut wurden. Männerstimmen erklangen, ein schleifendes Geräusch dazu, und ein flackerndes Licht warf die verzerrte Schatten gebückter Gestalten an die Wände.
Hastig fuhr Severus zurück, schlug den grauen Mantel um sich und presste sich hinter einem Mauervorsprung in den Schatten. Der Gang spuckte zwei Männer aus, einer von ihnen trug eine Öllampe, und zwischen sich zogen sie einen Dritten, dessen Beine schlaff über den Boden holperten.
"Uuund hopp!", kommandierte der eine, dann wuchteten sie den leblosen Körper hoch, und warfen ihn über den Zaun hinweg in den Schweinekoben hinein. Quieken und Grunzen war zu hören, als die Schweine erwachten, ihre dunklen Leiber drängten sich um den Leichnam herum und verdeckten die Sicht auf das was da geschah. Doch ihr Schmatzen und Kauen war deutlich zu hören. Severus biß die Zähne zusammen und presste sich gegen die Mauer. Jetzt wusste er was ihm blühte wenn er hier versagte.
"Tja...", sagte der mit der Öllampe lakonisch.
"Wie hat der Dux das nur rausgefunden?", fragte der andere schleppend, und stützte sich grüblerisch auf den Zaun.
"Der kann das riechen.", meinte der erste, "Der hat klipp-und-klar nen Riecher für Verrat. Sich kaufen zu lassen! Und auch noch von den Elefanten, diesen Halunken, diesen Möchtgerns. Hätten wir ihn nicht abgestochen hätten die das selbst gemacht. Reinen Tisch machen die hinter sich. Mach Dir kein Kopf."
Er klopfte den anderen auf die Schulter, spuckte verächtlich in die Richtung des Kadavers, und wandte sich zum Gehen. Dabei fiel das Licht der Öllampe in seiner Hand über den Innenhof, entriß eine Regentonne dem Dunkeln, einen Handkarren, zertrampelten Boden, und streifte dann Severus, den die Worte über die Elefanten gerade ein wenig zum Nachdenken gebracht hatten. Mucksmäuschenstill stand er da, wie versteinert, eine Germanen-Statue aus grauem Stein. Und tatsächlich - die beiden gingen einfach an ihm vorbei. Einmal mehr Glück gehabt. Leise heftete der Germane sich an ihre Fersen, folgte in gebührendem Abstand dem Schein des Lichtes, von dem er hoffte, dass es ihn näher an sein Opfer heranführen würde - den Gang entlang, eine Treppe hinauf, und tiefer ins Innere der Insula.