Ein bisschen weich war der Lederbeutel allerdings, den Severus da erbeutet hatte, und nicht gerade gewichtig. Doch dessen Raub liess den Hänfling geradezu ausrasten, und einer seiner zappelnden Tritte traf den Germanen recht empfindlich gegen das Schienbein. Fluchend packte Severus fester zu, bändigte den Kleinen, rüttelte und schüttelte, bis der es endlich ausspuckte: Crannus.
"Warum denn nicht gleich so.", grinste der Germane höhnisch. Ein Plätschern und der Geruch von Urin zeigten an, dass der Hänfling mehr als nur den Namen nicht hatte bei sich behalten können. Das zerstreute ja nun auch seine Zweifel, ob der Kerl die Wahrheit gesagt hatte. Wenn der so ausser sich war, dass er sich bepisste, dann war er wohl kaum fähig gleichzeitig noch zu lügen. Oder vielleicht doch? Römern lag das Lügen ja im Blut, das sogen die schon mit der Muttermilch ein, wie allgemein bekannt war.
Jedenfalls liess Severus sein Opfer los, mit einem verächtlichen Auflachen, und trat ein Stück zurück, brachte seine Sandalen vor der dunklen Lache in Sicherheit. Wie jämmerlich. Nein, das war jetzt nicht wirklich befriedigend gewesen.
Der kleine Brief war ziemlich zerknittert, bei dem kurzen Handgemenge, er betrachtete ihn kurz stirnrunzelnd und steckte ihn ein. Dann öffnete er den Beutel, neugierig welch ein Schatz sich wohl darin verbergen mochte, dass der Kleine ihn so erbittert verteidigt hatte. Haar. Ein dunkler Zopf. Severus hob die Brauen - schade, nichts wertvolles - und seltsamerweise verspürte er auf einmal einen Anflug von... Mitleid? Hm. Komisch.
Er stopfte den Zopf zurück und warf den Beutel achtlos wieder dem Besitzer zu. Ohne dieser kläglichen Gestalt noch einen Blick zu schenken wandte er sich ab, ging mit langen Schritten die schmutzige Gasse entlang. Einen Moment lang zeichnete seine Gestalt sich dunkel vor deren Mündung ab, dann trat er auf eine breitere Strasse, verliess die sumpfigen Niederungen der Stadt, und begab sich in die höheren und nobleren Gefilde. Die auf ihre Weise natürlich mindestens genauso morastig waren.