Beiträge von Nordwin

    "Ich weiß", erwiderte ich nur. Wir passten gut zusammen, weil sie eine so süße kleine Germanin war. Sie verstand mich und ich sie. Meistens zumindest. Ich seufzte herzerweichend. Und im nächsten Moment hob ich abwehrend die freie Hand und den Löffel. "Who-ho, immer langsam..." sagte ich besänftigend. Blinzelnd versuchte ich, ihren scharfen Worten zu folgen.


    "Wenn du am Kreuz hängst, kannst du aber nicht mehr weggehen", bemerkte ich in einem Anflug von Brillianz. Ein verwirrtes Blinzeln schloss sich daran an, als sie mich nachäffte. Ritze-ratze-rot war ihr Gesicht. Und dann fing sie an zu weinen. Ich legte den Löffel in die Schale zurück und machte ein bekümmertes Gesicht. "He... Tut mir leid... Sag mal, wie meinst du das? Derjenige, den du liebst. Wer ist das denn? Und wieso musst du dafür freigelassen werden? Ist er kein Sklave?" Ich überlegte kurz. "Oder, äh, sie?"

    Na hollpa, was war der denn über die Leber gelaufen? Scheinbar hatte sie ein überaus ernstes Problem mit Epicharis. Oder einfach nur ihre Tage. Ich seufzte und zuckte die Schultern, schob mir einen weiteren Löffel in den Mund und schluckte. Hatte nicht nur ich das Gefühl, dass diese Schale sich selbst nachfüllte?


    "Mmh. Sie is mir sauer. Ich hab aber keinen Schimmer wieso", murrte ich und sah Fiona an. "Sie hat dir nichts gesagt, hm?" Dann würde ich zumindest wissen, warum sie stinkig war. Ich seufzte wieder und stocherte nun in dem Brei herum. "Pass besser auf, was du sagst, Finchen. Wenn das stimmt und der wirklich abgehauen ist, will ich nicht in seiner Haut stecken, wenn sie ihn finden. Hier gilt das noch mit dem Kreuz. Und ich würd auch nicht so laut meine Meinung kund tun, sonst hängst du gleich daneben. Du vergisst, dass jetzt nicht mehr nur Epicharis über uns bestimmt." Das hatte Sciurus mir schließlich eingebläut.


    "Abends gibt's Reste. Wir essen, wenn die Herrschaften fertig sind. In der Regel bedeutet das, dass du dich auf Gastmähler freuen kannst. Da hauen die Römer ordentlich auf die Kacke, und da gibt es dann viel zu viel zu essen, sodass wir mehr haben", erwiderte ich auf die Frage nach dem Essen hin. "Mittags gibt es nichts. Aber wenn du Hunger hast, kannst du dir Obst aus der Küche nehmen. Aber nur das von unten in der Lade, die Sachen oben sind für die Herrschaften. Und unten in der Schütte lagen meistens fleckige oder wurmstichige Sachen. Ich zuckte mit den Schultern. Obst war eh nicht so meins. Zu viele Wutzimine.


    Als nächstes grinste ich Tessi an. "Oh. Tschuldigung. Ich kann mir Namen nicht so gut merken. Aber Winne für Tessi, das ist ne Abmachung. Is gebongt." Fiona beschäftigte sich nun ein Weilchen mit Tessi. Und klagte ihm sein leid. Ich konnte nicht so ganz verstehen, warum sie das störte. "Du weißt schon, dass ich länger ihr Sklave bin als du? Wenn überhaupt, dann lässt sie mich frei. Und du gehörst ihr ja überhaupt erst seit der Hochzeit, und die war ja quasi eben erst", sagte ich zu Fiona. "Was hat sie denn gesagt?"

    "Klar. Viel mehr Germanen als ich", bestätigte ich. Da kam mir ein ulkiger Gedanke. Was, wenn irgendwann viel mehr Germanen in Rom lebten als in Germanien? Nein, besser nicht dran denken. "Ja, und Leute aus anderen Regionen auch. Nehmen wir zum Beispiel mal dieses Haus. wir haben hier massig Germanen. Und Thraker und Kelten und Briten und Nubier und Griechen und Römer und Ägypter...weiß der Geier was noch alles." Ich begann, mit dem Löffel in der einen und der Schale in der anderen Hand, selbige auszukratzen. Zähe Masse sammelte sich auf dem Holzlöffel.


    Da kam Fiona hereinspaziert. Wirklich frisch sah die auch nicht aus. Natürlich hatte ich von dem Krach mitbekommen, den sie mit der Herrin gehabt hatte. Sowas konnte man sich gar nicht verschweigen, wenn man Leidensgenosse war. Da hatte Fiona auch gar nicht groß reden müssen, dass ich das bemerkt hatte. SO abgestumpft war ich nu auch wieder nicht. "Moin Finchen", grüßte ich und schlabberte einen Löffel voll Brei. "Nee, zieht keine Fäden. Ist frische", antwortete ich ihr und kratzte weiter. "Saturnalien. Das ist ein Fest, an dem die Römer uns bedienen müssen. Da haben wir sozusagen frei und können fast machen, was wir wollen. Tja. Da biste nu leider zu spät für. Musst ein Jahr warten. Die Saturnalien gibt es nur einmal im Jahr. Ist klar, warum, oder?" Ich bleckte die Zähne. Meiner Meinung nach hatten die Römer dieses Fest nur nicht abgeschafft, damit sie kein schlechtes Gewissen haben mussten uns gegenüber. Aber war ja auch egal. Für mich war bisher nicht ein Saturnalienfest nüchtern vergangen. Und diesmal hatte ich allen Grund gehabt, mir genug hinter die Binde zu kippen, denn Minna hatte nicht ganz allein nur mit mir feiern wollen. Nuja.


    "Haben sie. Aber nicht bei allen. Römer, auf die man aufpassen muss? Meinst du im Sinne von bewachen oder im Sinne von aufpassen, was man sagt oder tut? Also, wenn du das letztere meinst, dann sag ich dir mal was." Ich schluckte einen Bissen herunter und wies mit dem Löffel auf Tessi. "Es gibt hier mehr Römer, bei denen man aufpassen muss, als einem lieb sein kann. Am besten fährst du immer noch, wenn du einfach davon ausgehst, dass die dir alle ans Bein pinkeln können. Nur meine Herrin nich. Die ist ein Lamm unter Wölfen." Ich nickte abschließend. "Das is' übrigens Fiona. Keltin, gleiche Herrin wie ich. Übrigens, Finchen, hast du Minna heute schon gesehen? Ich glaube, ich müsste mich entschuldigen." Ein zerknirschter Ausdruck trat auf mein Gesicht. Ich wusste zwar nicht, wofür, aber wenn sie nicht mit mir sprach, hatte es sicher nen Grund... "Sag mal, weißt du was vom Schnäuzerl? Tessi hier sagte, der sei abgehauen...?" Da das Namenmerken eine unlösbare Aufgabe für mich geworden war, hatte ich damit angefangen, Spitznamen zu verteilen. Wer öfter mit mir zusammen war, wusste, wen ich jeweils meinte.

    Sim-Off:

    Gehen wir davon aus, dass es der erste Tag nach den Saturnalien ist? Sonst hab ich nämlich ein Problem, denn meine Herrin ist ja auch weg mit den Geflohenen, und das müsste ich sonst eigentlich wissen. :)



    Kauend zeigte ich mit der Löffelspitze auf Tessi, als er meinen Namen zwar verkauderwelschte, aber richtig sagte. Dass ihn meine Herkunft verwunderte, war deutlich, aber für mich nicht weiter schlimm. "Jepp. Nu guck nicht so. Dir werden noch mehr Germanen übern Weg laufen. Die Römer stehen auf uns. Und manch eine Römerin auch. Deine allerdings hat's wohl auf Südländer abgesehen. Pass bloß auf, sonst landest du noch bei ihr in der Kiste, direkt neben ihrem Schnäuzerle." Anzüglich grinste ich und schob mir einen weiteren Löffel in den Mund. Bald hatte ich es geschafft: Der Boden war schon ein wenig zu sehen.


    "Freude? Echt?" Ich sah auf und schmunzelte. "Tja, ist halt ne Sache mit den Namen. Das wird schon wieder. Bald hast du dich hier eingelebt und dann..." Entgeistert starrte ich Tessi an. Geflohen? Wer wie was? "Häh?" Sehr intelligent sah ich zugegebenermaßen gerade nicht aus. "Wie, geflohen? Ist er? Wieso? Ich meine, woher weißt du das? Und wieso weiß ich das nicht?" Den Löffel halb erhoben, starrte ich den Parther an. Na klar, wer stockbesoffen war, bekam sowas eben nicht mit. Aber zu den Saturnalien war das ja auch kein Wunder, wenn man was trank. Wenn das stimmte, warum war der dann abgehauen? Der hatte doch definitiv mehr bekommen von der Flavia als nur gutes Essen....


    "Hm. Das muss ich mal rausfinden. Gestern Abend? Krass. Wer geht denn an zu den Saturnalien Sklaven einkaufen... Naja. Egal. Nu biste halt hier. Ich? Ich bin erst ein paar Wochen hier. Meine Herrin hat einen Flavius geheiratet. Vorher war sie ne Claudia. In Rom selbst bin ich aber schon ziemlich lange, wenn du das meinst." Und wieder ein Löffel.

    "Du hast's erfasst", sagte ich und grinste noch breiter, als er mich Bigboss nannte. Schien ein ausgesprochen schlaues Kerlchen zu sein. Auch, dass er schon so viel Latein sprechen konnte, war doch recht bemerkenswert. Wenn ich daran dachte, wie lange ich gebraucht hatte, um mich so verständlich zu machen... Nee, daran dachte ich besser nicht, das war zu frustrierend - auch, wenn mir dabei unweigerlich die schnittige Blondine von den Aureliern in den Sinn kam.


    "Frahtes. Heißt das irgendwas oder ist das, hm, einfach nur ein Name?" wollte ich wissen. "Nordwin bedeutet Freund des Nordens. Und da komm ich auch her. Aus Germanien. Ist aber schon ewig her." Ich zuckte mit den Schultern und zog die Schüssel wieder an mich. "Wer nicht will, der hat schon", murmelte ich und schaufelte mir gleich zwei Löffel rein. Als Tessi wieder etwas sagte und hörbar nach Worten rang, sah ich wieder auf. Ich runzelte die Stirn, beschrieb eine Acht mit meinem Löffel in der Luft und zuckte mit den Schultern. "Tja, wie gesagt... Werd Leibsklave. Aber da hast du's ganz schön schwer.... Da müsstest du nämlich gegen den lockigen Typen mit dem Schneuzer anstinken, Chimerion. Der hat nen Sonderstatuy bei der Flavia. Oder du nimmst dir einfach was, aber da musst du saumäßig aufpassen. Die geben gut acht auf ihre Vorratskammer hier, und wenn du erwischt wirst, hast du echt nen Problem." Ich nickte zur Untermalung und aß einen weiteren Löffel...Zeug.


    "So. Der Celerina ihr Sklave bist du also. Weißt du schon, was du überhaupt machen sollst für die? Manchmal hab ich das Gefühl, die sammelt uns nur. Wie Schmuck. Seit wann bistn du überhaupt hier? Hab dich noch nie gesehen."

    Freund? Himmelsakra, wo kam denn der bloß her? Oder kannte ich den doch? Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich den schwarzhaarigen Kerl. Nein. Kam mir nicht bekannt vor. Und der Akzent erst. Nee, das hätt ich mir doch gemerkt. Ich hob einen Mundwinkel zu einer Art unverbindlichem Grinsen und tunkte den Löffel in die Pampe. Man musste schon dankbar sein, wenn sich da keine Fäden zogen. Augen zu und durch - ich schob mir eine Löffelladung in den Backen und schluckte, ohne zu kauen. Dann starrte ich den Kurzen an. Nordewien? Meine Brauen schoben sich einander zu, dann grinste ich plötzlich unvermittelt. "Ja, is klar: Nord-Winn. Kannst aber auch Bigboss zu mir sagen, da hör ich auch drauf", konterte ich und schippte erneut einen Löffel Brei auf denselben. Langsam troff die Masse zurück in die Schale. "Pfrahtess? Hm." Vielleicht sollte ich ihn einfach Tessi nennen. Aha, neuer Sklave von... Ich überlegte. Celerina war doch die, die man geklaut hatte. "Kommst du ausm Süden?" fragte ich und steckte den Löffel in den Mund. Bei seinen nächsten Worten blieb mir die Grütze fast im Hals stecken. Dann musste ich lachen und ließ grinsend den Löffel in die Schale plumpsen. Beides schob ich dann über den Tisch zu Tessi. "Was genau das ist, weiß ich selber nicht. Der Koch macht ein riesen Geschisse drum. Ich wills aber ehrlich gesagt auch gar nicht wissen. Es schmeckt ein bisschen wie in Kalkwasser eingelegter, schimmeliger Papyrus, aber man gewöhnt sich dran. Soll heißen: Besser du gewöhnst dich gleich dran. Hier gibt es nämlich morgens nichts anderes. Dir bleiben also drei Möglichkeiten: Essen, hungern oder Leibsklave werden. Die kriegen nämlich was besseres."

    Ich gab mir Mühe, Sciurus' Worten zu folgen. Wie ein Sklave freiwillig so viele Fremdworte benutzen konnte, war mir echt unheimlich. Wenigstens wusste ich, was eine Sankt...dingens war. Ich fragte mich allerdings, wieso die Herrschaften fantasievoll im Bezug auf die Religion der Sklaven waren, immerhin hatte doch bei den Römern alles seine strikten Regeln, und ihr Getue mit den falschen Göttern sowieso. Nun ja, ich würde es vermutlich bald erfahren. Ich hatte allerdings nun weniger Schiss vor der Strafe, wenn der Herr meiner Herrin mich nur sa...kristeien würde. Oder wie auch immer.


    Ich stützte Sciurus beim Humpeln und brachte ihn so zu einer steinernen Bank, deren einer Fuß scheinbar der Frost nicht so bekommen hatte. Der geschwungene Stein hatte nämlich einen Riss. "Nicht dazu kommen? Wie meinst du das denn jetzt?" Das war ja aufregend - schlug mir Sciurus etwa einen - das Wort hatte ich in der Subura aufgeschnappt - Diehl vor? Verschwörerisch blickte ich mich um, aber niemand war zu sehen. Einen Kosmos mit a sollte ich suchen, so hieß der Arzt. "Alles klar. Du wartest hier. Ich bin gleich wieder da." Als ob der allein wo hinhumpeln könnte. Ob ich ihm neben dem Arzt auch was zu essen mitbringen sollte? Besser nicht, sonst würde mir das hinterher noch als Bestechungsversuch gewertet.


    Ich lief also los, hin zur Küche. Da drin befanden sich nur die Küchenhilfen und der Koch, der mich fragte, ob ich nichts besseres zutun hatte als ihm auf die Nerven zu gehen. Gut, den Punkt hatte er gewonnen. Ich schloss die Tür wieder und ärgerte mich, dass ich vergessen hatte, nach diesem Kometen zu fragen. Als nächstes warf ich einen Blick in den Essensraum der Sklaven. Da war aber auch keiner, sah man von der kleinen Brünetten ab, die die Fugen der Fliesen reinigte. Aber wenigstens wusste sie, wen ich suchte und wo ich ihn finden konnte. Nach einem ziemlich wirren Blick trat die Erkenntnis in ihre Augen, und sie sagte: "Ach, Cosmas meinst du! Sag das doch gleich...." und erklärte mir, wo ich ihn finden würde. Mit dem Arzt im Schlepptau kam ich also zu Sciurus zurück. "Da bin ich schon wieder", sagte ich überflüssigerweise. "Tuts denn noch sehr weh?"

    8)


    Missmutig schlurfte ich in den Speiseraum dicht bei der Küche. In der Hand hielt ich die gleiche Pampe wie am Tag davor und am Tag davor und am Tag davor und....so weiter eben. Es klang zwar durchgeknallt, aber manchmal wünschte ich mich echt in die Villa Claudia zurück. Da gabs wenigstens nicht dauernd Pampe zu essen.


    Den Typ am Tisch bemerkte ich erst, als ich vorbeischlurfte. "'n Morg'n", wünschte ich miesepetrig und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Die Holzschale mit der undefinierbaren braungrauen Pampe drin stellte ich mit einem hölzernen Klack auf den Tisch, den Löffel legte ich daneben. Ouh, was hatte ich nen Kater. Und überhaupt, das war mir alles viel zu früh heute. Naja, was sollte man machen. Ich klaubte den Löffel von der Tischplatte und starrte erst in den tristen Brei, dann zu meinem Gegenüber. Kannte ich den? Den kannte ich nicht. "Ich bin Nordwin", murmelte ich. "Du?"

    Es knisterte in meinen Ohren. Ich war ja nie sonderlich gut im Namenmerken gewesen, aber DEN hatte ich mir dann doch eingeprägt. Es lief mir aber weder kalt den Rücken runter, noch hatte ich das Bedürfnis, der Flavia vor die Füße zu pullern. Stattdessen starrte ich sie nur mit großen Augen an und ließ den Mund ein wenig aufklappen. Das war also die Flavia, vor der hier alle kuschten! So schlimm fand ich sie bisher gar nicht. Ein wenig durcheinander und ziemlich herrisch, aber waren nicht alle Flavier irgendwie so?


    "Oh. Äh." Etwas Sinnvolleres fiel mir nicht ein, deswegen schob ich ein unverbindliches Grinsen hinterher. "'llgommn i´'n Roohm", nuschelte ich und wollte eben wieder anfangen zu klopfen, als drinnen jemand den Riegel zurückschob und plötzlich die kleine....Wiehießsiedochgleich vor mir stand. "Ah, mmh, jetz'ss offn", sagte ich zu der Flavia und deutete über die Schulter durch den Eingang hindurch. Mir schwante Fürchterliches. Sicher hatte ich nach den Saturnalien einiges zu erwarten. "Tach, öhm, Tut-tut." Irgendso einen seltsamen Namen hatte die Kleene doch gehabt...

    "Klar!" entgegnete ich souverän. Auch wenn das nichts war, dass man ihr schenken konnte. Das musste schon schön ihr Ehemann machen. 8)
    Dann war es an mir, Pallas anzugucken, als sei er ein Schaf. Gut, der Vergleich war vielleicht ein wenig zu unspektakulär, das käme ja vielleicht noch hin, wenn er sich die Haare aufdrullerte... Ich sah ihn jedenfalls an, als hielte ich ihn für komplett daneben. "Kaputte Statuen?" Nur zur Sicherheit fragte ich noch mal. Ich sah mich schon die Arme von so ner Aphrodite abkloppen. Nur wohin mit so zwei steinernen Armen? Vielleicht konnte man die ja dann gleich weiterverwerten und Gracchus schenken. Als Buchstützen oder so. Keine schlechte Idee, das musste ich mir echt eingestehen. "Wen hat sie denn schon? Merkur und Apollo. Ähm. Sind das nicht die gleichen?" Irgendeiner hatte Flügel an den Fersen, das wusste ich. Da hatte ich mich immer schon drüber aufgeregt. Wie die Römer so dumm sein und glauben konnten, dass so zwei kleine Dingerchen einen riesigen Gott tragen konnten.

    Statt der Schachtel griff einer ihrer Begleiter nach meiner Hand. Ich wollte ihm ausweichen, war aber zu langsam und hatte plötzlich ihn am Wickel. Er schob meine Hand fort, woraufhin ich mit den Schultern zuckte und den Arm fallen ließ. Angestrengt blinzelte ich die Frau an. Wie alt die wohl war? Der Anzahl ihrer sichtbaren Falten nach zu urteilen, musste sie ein älteres Kaliber sein, aber ihre Haare waren nach wie vor dunkel. Kein Grau zu sehen. Vielleicht färbte sie sich auch die Haare? Ich hatte gehört, dass die Mutter sich die Haare färbte, weil der Kleene ihr die ersten grauen Haare bescherte. Beim Gedanken daran musste ich schadenfroh grinsen. Was die Weiber immer alle hatten mit ihrem Aussehen!


    Der Vorschlag der Frau hörte sich dann ganz vernünftig an. Schien doch nicht so 'ne alte Megäre zu sein, wie ich zuerst gedacht hatte. Mein Mund klappte schon auf, als sie noch was nachschob. Ich sah zur Tür. Das Mistding war wieder zu gegangen inzwischen. Einmal sah ich zwischen Schachtel und Tür hin und her. "Maich", verkündete ich dann gönnerhaft und torkelte ans Holz der Tür, um kräftig daran zu hämmern. "Eeeeeh..... Mammaaauf! Hiars..." Irritiert hielt ich inne. Erst mit dem Sprechen, dann mit dem Klopfen. "Weh bissennuh ei'ntlich?" fragte ich die Alte.

    Hah, Hippopotamus. Das würde ich mir einfach mit Hintern merken. Hi-popo-tamus. War ja gar nicht so schwer. Ich grinste in mich hinein und hörte dann dem Briten wieder zu. Sonderlich ergiebig waren dessen Informationen ja nicht gerade, fand ich. Das typische Weiberzeugs hatte sie also schon. Mir fiel allerdings auf, dass Pallas das Frauenwort schlechthin nicht erwähnt hatte. Schuhe hatte die Claudia demnach nicht genug. Oder zählten die zur Kleidung dazu? Nachdenklich runzelte ich die Stirn.


    "Eine neue Sklavin?" echote ich. Wie teuer war eigentlich so ein Hi-popo-tamus? Doch sicher nicht viel teurer als eine Sklavin. Ich zuckte mit den Schultern. "Also, bist du nu ihr Leibsklave oder nicht?" maulte ich. Diese ganze Befragewelle ging mir schon beim ersten Kandidaten auf den Keks. Vielleicht, überlegte ich, sollte ich mir einfach mögliche Antworten ausdenken? Ha, das war überhaupt DIE Idee! "Herrin, der Sklave der Claudia sagte 'Schuhe', der des Hausherren sagte gar nichts zu mir und der deines Mannes sagte 'dich mit einer Schleife um die Hüfte und einem Bratenstück im Bauchnabel'." Vielleicht keine allzu schlechte Idee.

    Ich grinste schief, als Siv das Wort für brauchbar befand. "Liebe Siv, meinst du das ernst? Wie wär es mit dem hier..." Und wieder sagte ich ein Schimpfwort. "Aber sag das nicht zu einem Griechen, die sind da ein wenig pingelig bei. Verstehen da keinen Spaß und so", schärfte ich ihr ein. Ich brachte ihr noch einige lateinische Schimpfwörter und Flüche bei, bis ich fand, dass ihr Sortiment damit erstmal ausreichend bestückt war. Wenn Epicharis wüsste, was ich hier tat, hätte sie mich sicher zur Strafe irgendwelche Futzelarbeiten machen lassen. Ihre Schmucksammlung aufräumen zum Beispiel. Es gab ja nichts, was ich mehr hasste als solche Sachen, wo man Fingerspitzengefühl brauchte...


    "Da hast du Recht. Aber ich glaub dir nicht, dass du Latein lernst, du weil du Sprachen magst. Das lernst du, damit du nicht allein dastehst, wenn sich die anderen unterhalten. Ich weiß noch, wie das bei mir am Anfang war. Das hat sich alles angehört, als würden die rückwärts reden. Kein Wunder, dass man da die Endungen vertauscht. Aber du musst dir fürs Erste nur merken, dass du nicht dauernd die Artikel weglässt", riet ich ihr und überlegte dann. "Weißt du was? Was hältst du davon, wenn wir eine Art Rollenspiel aus den Briefen machen? Dein erster Brief an mich, da könntest du dir einfach vorstellen, du würdest mit mir Schluss machen wollen. Und dann legst du los und schreibst. Was meinst du?"

    Wo das eine mir noch einleuchtete, fragte ich mich beim zweiten schon, was da alles zu zählte. Ungehorsam war ich schließlich nicht gewesen, keine Socke hatte sich hingestellt und mir gesagt "Du, Nordin, wenn du jemals aufwachst und noch nicht ganz da bist und falls da ganz zufällig Sciurus neben dir steht... Mach alles, aber dreh ihm nicht den Fuß rum." Nee, so eine Anweisung hatte es nicht gegeben, also konnte man da doch schlecht von Ungehorsam sprechen. "Puh. Dann bin ich ja aus dem Schneider", erwiderte ich dem Hörnchen also gutgläubig und grinste ihn erleichtert an.


    Da erreichten wir den Säulengang und ich blieb unschlüssig stehen. "Öhm. Wo willsten du hin? Und wem soll ich bescheid sagen? Und wie hieß dieser Arzt doch gleich? Ich vergesse ständig die Namen", brummte ich und sah den Gang entlang. Es fehlte jetzt nur noch, dass ich diesem Cras...Gracchus bescheid geben sollte. Denn wenn es einen gab, vor dem ich massig Bammel hatte, dann war der das. Außerdem war es auch noch sein Sklave, den ich kaputt gemacht hatte. Naja, zumindest ein bisschen.

    Ein wenig benommen richtete ich mich wieder auf und rieb mir den Bauch. Der musste schlecht gewesen sein, der Wein. Ich sollte den Keller mal genauer in Augenschein nehmen, damit das nicht mal dem Hausherren passierte, nahm ich mir vor. Einmal musste ich aufstoßen. Ein widerlich saurer Geschmack lag mir wie ein Pelz auf der Zunge. Vielleicht war's doch nicht das Beste, wenn ich mich jetzt noch auf den Weg in die Stadt machte. Andererseits... Jetzt war das schlechte zeug ja draußen, da war wieder Platz für gutes Stöffche.


    Eine Stimme sprach zu mir. Ach ja, da war ja was. Die alte Schachtel. Ich wandte mich von dem unansehnlichen Fleck zwischen Grün und Braun der Rabatte ab, nur ein ganz klein wenig wankend versteht sich, und musterte die Frau, als würde ich sie zum ersten Mal sehen. Hatte die Schrapnelle ihren Namen schon genannt? Mir fiel ein, dass Acanthus heute ja gar keinen Türdienst hatte. "'schpinnohh", begann ich, musste hicksen und daraufhin blinzelte irritiert. Was hatte ich doch gleich sagen wollen? "Mmh... 'schpinnnoh..dwnn", führte ich dann nur ein ganz winzig kleines bisschen nuschelnd aus und streckte ihr kameradschaftlich eine Hand entgegen, natürlich nicht, ohne dabei einnehmend zu grinsen. Sie zu fragen, wer sie eigentlich war und was sie hier überhaupt suchte, vergaß ich schlichtweg. Stattdessen fragte ich schlicht: "Unnu?"

    "Schimpfwörter wie Bona Dea und so?" wiederholte ich, sah sie irritiert an und musste dann breit grinsen. "Bei Hel? Geh zum Hades? Ach Siv, das sind doch keine Schimpfwörter...." Ich schüttelte belustigt den Kopf und beugte mich dann zu ihr rüber - inzwischen saß sie ja neben mir - um ihr ein richtiges Schimpfwort ins Ohr zu flüstern. Eins, das man auch so meinen musste, wenn man es rüberbrachte. Zuletzt hatte ich einen Kerl so genannt, der Epicharis besoffen angepöbelt hatte. Natürlich leise genug, dass sie das nicht verstehen konnte, sonst hätten ihr wohl die Ohren geschlackert. Bei Siv durfte das nun auch der Fall sein, wenn sie sonst nur Kleinkinderschimpfworte wie die von eben benutzt. Ich feixte. "Oder das hier.." sagte ich und flüsterte ihr ein Wort zu, das man eher in der Gosse benutzte als in vornehmen Häusern wie diesem hier oder ihrem. Selbst unter der Sklavenschaft.


    "Was du meinst, ist eindrucksvoll. Oder beeindruckend. Bedeutet beides das gleiche", half ich ihr aus und zuckte mit den Schultern. "Aha, also lernst du Zetern auf Latein und Griechisch. Dein Chef wird ja nicht sehr begeistert sein, wenn er das rauskriegt, mh? Griechisch kann ich leider gar nicht. Aber um ehrlich zu sein, interessiert mich das auch nicht. Es hat ne Weile gedauert, bis ich Latein drauf hatte. Ich weiß noch, wie das war, also Kopf hoch, du bist nicht die erste, die Schwierigkeiten mit den ganzen Endungen hat. Am Anfang hab ich dauernd us und um verwechselt, das war vielleicht peinlich, kann ich dir sagen. Und komm da mal raus, wenn du so nen Edelmacker Dominum nennst..." Ich grinste vielssagend. Immerhin bezeichnete ihn das dann als Neutrum, und das wiederum konnte echt brenzlig werden, wenn der Kerl vielleicht eh schon Potenzprobleme hatte.

    He, jo, Saturnalien! Das ganze Jahr wartet man als Sklave auf die paar Tage, die von geheuchelter Freiheit geprägt sind! Endlich war es mal wieder so weit. Ich hatte mich schief gelacht, als Epicharis mir vom Versäumnis ihres blitzgescheiten Gemahls erzählt hatte. Tränen in den Augen hatten wir gehabt, als wir uns abends vor dem Schlafengehen ausgemalt hatten, wie Antonia und Epicharis Kartoffeln schälten und sich ihre tausendundeine Creme selbst auftrugen, ehe sie zu Bett gingen. Die Pritschen hatten sich vor lachen gebogen, das hatte man sogar noch bis zu den Mädels gehört.


    Der Morgen war prima gewesen. Ausschlafen! Wie lange hatte ich schon nicht mehr ausgeschlafen? Wann waren die Saturnalien letztes Jahr gewesen? Auch egal, ich hatte jedenfalls bis mittags gepennt, mir dann was zu essen organisiert und einen Krug Wein. Und später dann noch einen. Und jetzt war ich auf dem Weg in die Stadt, und zwar zum Feiern. Ordentlich vorgeglüht hatte ich ja, was man ein wenig an meinem bescheidenen Torkeln merkte. Das Eingangsportal hatte ich nach einigem Suchen und einem Umweg über die Besenkammer, in der sich ein sommersprossiger Junge gerade mit einer Küchenmagd vergnügte, schließlich auch gefunden.


    Ein fröhliches, obszönes Lied auf den Lippen, riss ich die Tür auf, wo mich der strahlende Sonnenschein der untergehenden Abendsonne empfing. Einen Blick warf ich noch zurück, um mir das Bild besser einzuprägen, damit ich auch nach Hause fand, wenn ich später stockbesoffen auf allen Vieren gen Bett kroch - sofern ich später stockbesoffen auf allen Vieren gen Bett kroch... Und weil ich mir das Bild des friedlichen, unbelebten Flavieratriums so gut einprägte - und halt ein ganz klein wenig vorgeglüht hatte - lief ich direkt in eine alte Frau hinein. Hastig sah ich nach vorn, beziehungsweise dorthin, wo ich vorn vermutete. "Oh", machte ich, als ich nach kurzem Suchen die alte Schachtel in den Armen des Sklaven erblickte, der geklopft hatte. Und der geistesgegenwärtig genug gewesen war, sie vor dem Sturz zu bewahren. "Schulligung", murmelte ich und streckte die Hand aus, um dem Ömchen einige Male tröstlich auf die Schulter zu patschen. In genau diesem Moment bemerkte ich, dass zwei Weinkrüge wohl doch ein wenig zu viel für den alten Nordwin gewesen waren. Ich dachte an einen Springbrunnen, denn so fühlte es sich an. Glücklicherweise konnte ich mich noch rechtzeitig herumreißen und zwei Schritt weit torkeln. So kotzte ich wenigstens nicht auf die teuer aussehende Tunika der alten Schachtel, sondern nur in die innig geliebten Blumenbeete neben dem Eingang.

    "Für DEN Rest", berichtigte ich sie automatisch. "Aha, man muss also nur das richtige Thema auf den Tisch bringen bei dir. Schimpfwörter kannst du also, na dann lass mal ein paar hören. Aber reih sie nicht aneinander, sondern mach Sätze draus. Dann hab ich wenigstens was zu berichtigen." Ein wenig süffisant grinste ich und ließ mich an der Wand nach unten gleiten, was gar nicht mal so einfach war bei der rauen Oberfläche. Schließlich aber saß ich da und hatte die Füße aufgestellt. "Gut, machen wir das mit den Briefen. Ich sag Acanthus bescheid, du kannst sie dann vorn abgeben. Aber vergiss nicht, meinen Namen draufzuschreiben. Sonst liest das hinterher noch sonstwer... Aber sag mal, wie hast du denn Griechisch gelernt?"