Beiträge von Anchisothep Niger

    Anchisothep befindet sich auf einem Schiff in Richtung Alexandria. Von dort aus wird er irgendwie nilaufwärts gelangen zum jämmerlichen Fellachenhhaus seines Onkels, um sich dort von seiner Verletzung zu erholen. Wann er wieder zurückkehrt ins aktive Leben, ist fraglich.
    Me in exilium mitte!

    Anchisothep fühlte sich sehr schwach als er das Schreiben entgegen nahm. Seine Hände zitterten, obgleich er es zu vermeiden suchte. Wohin nun? Die Classis war lange Zeit seine einzige Heimat gewesen. Zwar war das Bein verheilt und der gebrochene Knochen zusammengewachsen, wenn auch nicht gerade, sodass das Bein etwas kürzer war als das andere, doch Anchisothep fühlte sich nicht mehr in der Lage, auf See Dienst zu tun. So weh es ihm tat, es hätte keinen Sinn, allenfalls für einen Posten in der Verwaltung wäre er noch tauglich, aber das wollte Anchisothep nicht, außerdem war er dafür zu ungebildet und ungeschickt im Umgang mit der lateinischen Sprache.
    "Vielen Dank, Praefecte.", sagte er. Die Worte kamen nur schwerfällig über seine Zunge. Er spürte, zum ersten Mal seit Jahrzehnten, einen Kloß im Hals. Nicht weinen, nicht schwach werden, redete er sich ein. "Vale, Praefecte." Anchisothep nahm ein letztes Mal eine militärische Haltung vor dem Praefekten an. Dann rollte er das Schrifstück vorsichtig auf, verstaute es sorgsam und wandte sich zum Gehen.
    Er würde mit seinem letzten Sold und einigen Ersparnissen eine Schiffsreise nach Alexandria bezahlen. Dann wäre er wenigstens in Bewegung, auf Reisen, müsste sich erst einmal keine Gedanken mehr darum machen, wohin er nun gehen sollte. Vielleicht war bei seinen verbliebenen Verwandten noch ein Platz frei, vielleicht auf dem schäbigen, armseligen Bauernhof seines Onkels, immerhin einer der wenigen freien Bauern in Ägypten. Doch wozu war er noch zu gebrauchen, ein Krüppel, noch geschwächt von der Verwundung? Er verdrängte diese Frage. Es würde sich schon finden. Mochten die Götter ihm beistehen.

    Der Nauta hatte Anchisothep befreien können, doch der Gubernator spürte wieder einen Schwindel. Vor Anchisotheps Augen war es wieder schwarz geworden. Der Nauta konnte den schwergewichtigen Ägypter nicht mehr halten. Anchisothep fiel ins Wasser. Dort verteilte sich das Blut, das aus einer Wunde an seinem eigenartig verdrehten Bein floss, um ihn. Mit dem Bauch auf dem Wasser trieb Anchisothep im Hafenbecken. Im Sog des Schiffes wurde auch Anchisothep in Richtung des Quai gerissen. Eine Welle schlug ihn gegen die Befestigung des Ufers. Dabei riss die Haut auf seinem Schädel auf. Frisches Blut floss ins schmutzige Wasser. Anchisothep prallte jedoch sogleich an der Quaimauer ab und trieb in Richtung des Ausgangs des Hafenbeckens, aufs Meer zu.

    Anchisothep war überrascht von der Nachricht über dieses Gerücht. Er hatte so etwas bereits geahnt. Doch er was war dran an diesem Gerücht? Kein Gerücht kam von ungefähr. Aber vielleicht war es mutwillig verbreitet worden, um Schaden anzurichten. Und wenn nun doch etwas Wahres daran war? Anchisothep wusste wenig, was über seine Arbeit bei der Classis hinausging. Er wusste nichts von machtgierigen Tribunen, vom Caesar, selbst über den Krieg in Parthien wusste er dafür, dass er daran beteilig gewesen war, wenn auch nicht im Kampf, sehr wenig.
    Daher, aus diesem Unwissen, fragte er den Probatus: "Und wie steht es um den Wahrheitsgehalt oder die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Gerücht zutrifft?", und er fragte es in einem Tonfall, der beinahe hilflos war.

    Anchisothep hatte die Unruhe, die in den letzten Tagen im Lager der Classis geherrscht hatte, sehr wohl nicht übersehen. Doch er konnte sich immer noch nicht vorstellen, was genau geschehen sein mochte und in die Männer gefahren. Nun hieß es Antreten, das bedeutete, dass es wichtige Befehle gab. Anchisothep hatte die leise Ahnung, es könnte sich dabei um eine weitere Fahrt in den Osten handeln. Hoffentlich nicht allzu schnell, denn noch war es Winter.

    Anchisothep blickte den Probatus etwas verdutzt zu erst ob dessen Frechheit, dann etwas verärgert an. Doch er war kein Mann, der allzu viel Wert auf förmlichen Gehorsam gegenüber ihm legte, faktischer Gehorsam war ihm in dieser Hinsicht weit aus lieber.
    "Wenn die Leitern stehen, ich hoffe, fest und sicher stehen, könnt ihr mit dem Schleppen beginnen. Doch bringt am besten nur das mit, was die fabri gerade brauchen, damit sich da oben nichts zu hoch stapelt. Aber lasst sie auch nicht warten, das Dach muss schnell fertig werden."

    Anchisothep war in die taberna gekommen, um einige Krüge mit Wein zu holen, für sich, aber vor allem für seinen Triearchus, dem es eine Freude zu sein schien, den Gubernator für solche Lieferdienste zu missbrauchen. Aus diesem Grund war Anchisothep schlecht gelaunt, als er in die taberna kam. Da waren doch Leute aus der Classis hier! Darunter einige ihm bekannte Taugenichtse, die bereits aus der Classis entfernt worden waren. Offenbar hatte Anchisothep viel verpasst von einer längeren Ansprache eines Trunkenboldes, denn er hörte nur noch einen Wortfetzen, der sich anhörte wie verwundet. Er ging zu den Männern. "Was ist los?", rief er gegen den Lärm an. "Wer ist verwundet?"


    Sim-Off:

    Spielt in der Zeit vor der Ausgangssperre.

    Endlich waren alle Eingeschlossenen befreit, oder es schien zumindest so. Anchisothep, der faber navalis und einige der Geretteten, die mitgeholfen hatten, waren erschöpft. In Anchisotheps Bein begann es wieder schmerzend zu pochen. Erst jetzt (erst jetzt?) fiel ihm auf, dass er es nicht bewegen konnte, sondern nur hinter sich herziehen. Dieser Schmerz wurde stärker, zudem schwoll jener in seinem Kopf weiter an und wurde unerträglich. Wieder wurde Anchisothep schwarz vor Augen. Er verlor den Halt und rutschte am geneigten Deck hinunter in Richtung Wasser.
    Auf dem Schiff war inzwischen niemand mehr außer dem faber navalis, Anchisothep (wobei dieser im Begriff war, es unfreiwillig (einen Willen hatte er mangels Bewusstsein gerade nicht) zu verlassen) sowie ein Nauta. Alle anderen Männer waren bereits in Richtung Quai geschwommen, bei manchen sah dies, trotz Schwimmausbildung, eher aus wie das Paddeln von Hunden.
    Inzwischen hatte der faber navalis das Abrutsche des Gubernators bemerkt. Er hielt ihn an einem Bein, nachteilhafter an jenem, das verletzt war, fest. In der Reling hatte sich Anchisotheps Kopf verklemmt. Nun half auch der Nauta, ihn wieder hinauszuziehen. Währenddessen neigte sich das Schiff weiter.

    Anchisothep war bereits vorausgegangen. Nun empfing er die Männer an der Baustelle. "Heute wird das Dachgerüst mit Ziegel bedeckt. Das Bedecken an sich ist sehr schwierig, schließlich muss alles in einander passen und es darf keine Lücken an falschen Stellen geben, daher werden das die fabri allein machen. Unsere Aufgabe ist es, das Material herbeizuschaffen. Die Ziegelplatten sind schon vor einiger Zeit gebrannt worden, sie liegen in diesem offenen Unterstand dort drüben." Anchisothep deutete auf ein entsprechendes Gebäude. "Zuerst jedoch brauchen wir einige Leitern mehr als die, die die fabri bereits aufgestellt haben. Kümmert euch darum."

    Während das Schiff immer weiter absank zerhackten der faber navalis und seine Gehilfen das Deck. Kaum noch Männer waren auf dem Schiff. Anchisothep hangelte sich an Tauen und Aufbauten des Decks zu der Stelle durch, an der der faber und dessen Männer arbeiteten. Von innen waren Schreie zu hören. "Wir ersaufen! Holt uns-" "HILFE!" Fäuste, Füße, Ellenbogen und Knie schlugen von innen gegen den Rumpf. Anchisothep riss einem der Gehilfen des fabers eine Axt aus der Hand. "Verschwinde!", rief er diesem gegen den Lärm, der inzwischen im Hafen herrschte, an. Anchisothep begann nun selbst, ein Loch ins Deck zu schlagen. Endlich waren die ersten Ausschnitte von Armen, Beinen zu sehen und ein Haarschopf. "Vorsicht! Taucht weiter runter!", rief Anchisohtep nach unten. Schließlich war das Loch groß genug, um einen gewöhnlich dicken Mann hinauszuziehen. Der faber und Anchisothep schoben ihre Arme in das Loch. Hände klammerten sich an sie. "Ganz ruhig! Immer einer zur Zeit!", brüllte Anchisothep. Die Konstruktion des Schiffsrumpfs wurde bedenklich auseinander gezogen. Das Loch hatte eine Schwachstelle erzeugt. Doch das war nun nebensächlich. Unter großer Anstrengung gelang es Anchisothep und dem faber navalis, einen der Männer aus dem Rumpf zu ziehen. "Schwimm zum Quai! Schnell!", schrie Anchisothep ihm ins Ohr. Der Mann gehorchte wortlos. Er sprang ins Wasser und beeilte sich, vom Schiff fortzuschwimmen. Anchisothep und der faber machten sich nun daran, einen weiteren Mann herauszuziehen. "Wieviele sind noch drin?", rief Anchisothep in das Loch hinein.

    Nach einiger Zeit war die Pause für die Männer vorbei.
    "Auf zur Baustelle! Die fabri brauchen Leute, die ihnen das Material reichen.", rief Anchisothep durch den Steinbruch. Die Ablösung für die Männer hier war schon da. Nun musste nur noch das Werkzeug übergeben werden. Der Vorgesetze der neuen Schicht größte Anchisothep knapp, Anchisothep erwiderte den Gruß ebenso knapp.

    Was gibt`s ? wollte Anchisothep schon fragen, doch der Probatus beantwortete diese Frage, bevor er sie aussprechen konnte. Nachdenklich sah Anchisothep den jungen Mann an. Dass dieser Anteilnahme am Schicksal seines Kameradens nahm, stimmte Anchisothep ihm gegenüber milde.
    "Der Verletzte ist zu dieser Zeit betäubt. Der Medicus kümmert sich um ihn. Mehr kann ich dazu nicht sagen, das kann nur der Medicus. Aber ich hoffe mal, dass der Junge wieder gesund wird. So, und jetzt nutze den Rest deiner Pause. Es geht gleich weiter. Allerdings werdet ihr hier im Steinbruch abgelöst. Die zweite Hälfte des Tages werdet ihr auf der Baustelle arbeiten. Einen ganzen Tag im Steinbruch kann man euch nicht antun." Daran, dass auf der Baustelle auch schwere Arbeit auf die Männer warten würde, war kein Zweifel. Jedoch blieb der Steinbruch der schwerste und in Friedenszeiten gefährlichste Arbeitsplatz der Classis-Soldaten.

    Nach einiger Zeit kam Anchisothep wieder zurück in den Steinbruch. Er wirkte sichtlich angespannt. Er begutachtete die Arbeit der Männer eine Weile. Der Probatus, der das Bein bewegt hatte (unter dieser Bezeichnung würde er in Anchisotheps Gedächtnis bleiben) schien jetzt mit besonderem Eifer Steine zu klopfen. Anchisothep beobachtete ihn eine Weile dabei.
    "Das reicht erstmal, Jungs!", rief er durch den Steinbruch. "Ihr könnt eine Pause machen."

    Ein Ruck ging durchs Schifff. Anchisothep, der noch an Deck stand, verlor den Boden unter den Fußen und wurde gegen einen Balken geschleudert, der das Castellum trug. Die Strohballen, die als Ballast dienten, rutschten zur Seite hinüber, die jetzt noch weiter versank, während die andere Seite gefährlich steil in den blassblauen Himmel zeigte. Verzweifelt versuchten sich einige Männer festzuhalten, andere waren bereits im Wasser gelandet. Anchisothep war schwarz vor Augen geworden. Lärm erfüllte den Hafen, am Land hatte man jetzt das ganze Ausmaß des Unglücks erkannt und hektische Betriebssamkeit war ausgebrochen. Der proreta fuhr in der völlig überfüllten scapha zurück zum Quai, auf dem Weg sammelte er Männer ein, die vom Deck gefallen waren. Einige von ihnen waren bewusstlos. Das Boot steuerte den Quai an. Dort forderte der proreta weitere Boote an, um die Mannschaft zu retten.
    Am Deck der Trierime inzwischen dachte niemand mehr an das Schiff. Männer sprangen ins Wasser, um sich schwimmend zu retten.
    Anchisothep erwachte aus der Bewusstlosigkeit. Verschwommen nahm er wahr, was um ihn geschah. Er hing mit dem rechten Bein in einer Schlinge aus Tauen fest, das hatte ihn davor bewahrt, ins Wasser zu rutschen. Er versuchte sich zu befreien. Warum spüre ich mein Bein nicht mehr? dachte er. Doch nur kurz. Er versuchte sich aufzurichten, als dies mehrmals missglückte, griff er nach dem Tau und zog sich daran hinauf. Er bekam einen Balken des Castellums zu fassen und konnte sich daran hochziehen. Sein rechtes Bein war schlaff und leblos. Er sah sich um. Die Konturen der Dinge seiner Umgebung waren verwaschen und von einem Rotschimmer bedeckt. Da war der faber navalis, der sich ebenfalls am Castellum festhielt.
    "Bohre Löcher in den Rumpf der Backbordseite. Dann verschließe die Löcher in der Innenewand des Rumpfes. Vielleicht kann das Gewicht des Wassers die Seite nach unten ziehen. Und dann bete zu Neptun, dass er dich verschonen möge. Und dann sieh, dass du fortkommst. Los jetzt!" Anchisothep krümmte sich unter einem stechenden Schmerz, der vom Bein aus die gesamte rechte Seite hinaufzog. Beinahe hätte er den Halt verloren. "Alle Mann vom Schiff weg!", rief er, so laut er konnte. Seine Stimme war heiser und schwach.
    Inzwischen lag in der Nähe des Schiffes eine ganze Anzahl von scaphae bereit, um die Fliehenden aufzunehmen. Anchisothep blieb an Deck. Er würde warten, bis der faber navalis in Sicherheit wäre.
    Dieser hangelte sich an Aufbauten des Decks entlang zu Anchisothep. "Befehl ausgeführt", sagte der faber matt. "Im Rumpf hängen Männer fest, auf der Seite, wo das Wasser steigt." "Dann sorg dafür, dass sie gerettet werden, verdammt.", schnauzte Anchisothep ihn an, das Gesicht vor Schmerz verziehend. "Es gibt kaum noch Männer auf dem Schiff, die diese retten könnten." "Dann hack mit deinen Männern ein Loch ins Deck, über der Stelle, an der sie festhängen. Beeil dich. Und dann sieh zu, dass du Land gewinnst." Der faber hangelte sich wieder vom castelllum weg, um den Befehl auszuführen, wenn es dafür nicht schon zu spät wäre.