Beiträge von Tiberia Albina

    Die Antworten überraschten Albina nicht, doch sie berfriedigten ebenso wenig ihre Neugier.


    "Ich habe bereits vermutet, dass du aus Germanien stammst. Deine Heilfähigkeiten erfreuen mich. Aber ich suche eine Leibsklavin. Daher muss ich wissen, ob du mir persönlich dienen könntest."


    Verstand Aesara wohl, was sie meinte. So recht, war sie sich da noch nicht sicher...


    "Also mir beim Ankleiden helfen, meine persönlichen Dinge aufräumen und Auffüllen. Mich jederzeit begleiten, wenn mir danach ist. Und vor allem jeden meiner Befehle ohne Widerwort zu befolgen. Wenn du das tätest, hättest du es nicht schlecht bei mir. Aber ich will vorher wissen, was du dazu denkst. Ich will mich nicht mit einer widerborstigen Sklavin herumärgern müssen!"


    Sie sah noch einmal Quintus an und sucht in seinem Blick die Bestätigung ihrer Worte...

    Durus war gerade einmal so groß wie Albina, und von hagerer Gestalt. Dennoch hatte er auf sie eine gewisse Anziehungskraft.
    Diese Gedanken schob sie beiseite, immerhin war er ihr Cousin. Aber störte sie das bei Quintus? Nunja, sie war irritiert und verdrängte schnell diese Gedanken. Auf jeden Fall war Durus von Natur aus wesentlich freundlicher als Quintus.


    Er schien jedenfalls eine Ahnung zu haben, wer sie war. Waren sie sich etwa schon einmal begegnet?


    "Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen, lieber Durus." Sie schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln. " Es schien eben beinahe so , als ob du mich kennen würdest. Doch leider kann ich mich an einen Begegnung nicht erinnern."

    Sie war erstaunt von seiner kurzen Berührung, doch wagte sie es nicht zu zucken. Es war nicht ihre Absicht,ihn glauben zu machen, es verwundere sie. Nein, sie freute sich darüber. Ebenso wie über seine ermunternden Worte.


    In aller Ruhe betrachtete sie die dargebotenen Sklavinnen. Es gab so viele, und auch so unterschiedliche. Es waren Frauen fast jeden Alters und fast jeder Herkunft. Sie hatte sich zumindest schon einmal überlegt, dass sie eine Leibsklavin haben wollte, die nur wenig älter als sie selbst war. alt genug um über die jugendlichen Aufbegehren erhaben, und jung genug um sie nicht mütterlich behandeln zu wollen.


    Doch mehr wusste sie noch nicht. Sie sah eine kleine Frau, die anscheinend aus Africa kam. Aber der Blick der Frau erschien ihr hinterhältig. Eine andere, die aus Gallien zu kommen schien, war ihr bei weitem zu ungepflegt.


    Da erblickte sie eine relativ unscheinbare junge Frau. Sie war ebenso groß wie Albina, vielleicht sogar ein klein wenig größer. Sie hatte langes Blondes Haar und graue Augen; eingeutig eine Germanin. Und sie war schön, zumindest für eine Germanin.
    Ihr Blick war ein wenig trotzig und sie schien gedemütigt.Doch dies konnte sich Albina gut vorstellen. Auch wenn Sklaven im eigentlichen Sinne keine Menschen waren, war dieses zur Schau stellen doch sicher das schlimmste am Sklavendasein.


    Albina blickte noch einmal zu ihrem Cousin, der sie weiterhin aufmunternd anschaute und trat dann einen Schritt auf die anscheinend germanische junge Frau zu.


    "Ich bin Tiberia Albina.
    Wie ist dein Name und wo kommst du her? Berichte mir über deinen Werdegang und deine Fähigkeiten!"

    Albina war von den Mühen ihres Cousins aufs Neue überrascht. Hatte er ihr bereits die zwei reizenden Kammern zur Verfügung gestellt, als auch sie in Begleitung seines Leibwächters und eines Haussklaven auf den Markt begleitet um ihre eine eigene Leibsklavin zu kaufen, so hatte er nun ein Abendessen für die gesamte Familie angesetzt, damit sie weitere Familienmitglieder kennenlernen konnte.
    Seine Bemühungen erfreuten sie, aber das minderte nicht ihre Aufregung.


    Nach Innen nervös und nach Außen gefasst, wie immer, betrat sie hoch erhobenen Hauptes das Triclinium.
    Sogleich erblickte sie ihren Cousin.
    "Salve, Quintus."


    Als sie ihren Blick durch den Raum schweifen ließ erblickte sie einen weiteren Mann, den sie zwar noch nie gesehen hatte, der aber dennoch zu ihrer Familie gehören musste.


    "Salve,
    mein Name ist Albina. Die Tochter des Gaius Tiberius Albinus. Mein Besuch war lange angekündigt, so denke ich, dass ihr ohnehin wisst wer ich bin. Dennoch täuscht das aber nicht darüber hinweg , dass ich zu meiner Schmach , nicht weiß, wer ihr seid."

    Gerade erst in Rom angekommen, stand sie nun, nachdem sie das Cubiculum, dass ihr ihr Cousin so großzügig zugewiesen hatte, eingerichtet hatte, mitten auf einem riesigen Markt.
    Zu ihrer Linken ragte Quintus neben ihr auf und nicht weit hinter ihnen standen Titus, ein Mann, so groß und bedrohlich, wie Albina noch keinen zweiten gesehen hatte und Ikarus, einer der Haussklave.


    Nachdem Albina beim Einräumen gemerkt hatte, dass ihr das Ganze ohne eigene Sklavin die ihre privaten Angelegenheiten regeln würde, doch recht schwer fallen würde, war sie noch einmal zu ihrem Cousin gegangen und hatte ihn gebeten, sie doch zum Sklavenmarkt zu begleiten, wie er es ihr vorher bereits angeboten hatte.


    "Wo sollen wir denn hier bloß anfangen? Und wie soll ich mich jemals entscheiden?" fragte sie Quintus von dem riesigen Angebot überwältigt.


    "Ich kenn mich mit sowas nicht aus. Für die Auswahl und den Einkauf der Sklaven war immer einzig und allein mein Vater verantwortlich."

    Langsam und sehr gespannt trat sie in ihre Zimmerflucht ein und das was sie sah überraschte sie. Es war wie alles andere bis jetzt mehr als sie erwartet hätte. Ihr Cousin hatte es ganz offensichtlich gut mit ihr gemeint.


    Noch immer von der Unterhaltung und ihrem spontanen Bedürfnis ihren Cousin zu berühren aufgewühlt war ihr das neue Zimmer eine willkommene Ablenkung.
    In aller Ruhe durchschritt sie die zwei schön verzierten Räume und nahm alle Details in sich auf.
    Ja, dachte sie, hier würde sie sich sicher bald wohl fühlen.


    Anschließend wieder in den größeren der zwei Räume zurückgekehrt ließ sie sich auf einem der Sitzmöbel nieder, legte den Kopf in den Nacken und versank in ihren Gedanken.

    Sie wusste so recht garnicht was sie sagen sollte. Bis hierhin verlief alles wesentlich besser als sie erwartet hatte und ihr Cousin brachte ihr jedwedes Verständniss gegenüber auf.


    "Ich danke dir vielmals, lieber Quintus. Ich weiß garnicht, wie ich das wieder gutmachen kann. Ich hoffe nur, dass ich dich nie zu enttäuschen vermag."


    Sie schenkte ihm ein herzliches Lächeln. Und auch wenn sie ahnte, dass er sich so schnell dazu nicht würde durchringen können, war eben dies ihr ein neues ziel. Sie wollte ihren Cousin dazu kriegen ihr irgendwann ein eben so herzliches lächeln zu schenken.Aber bis zu diesem Tage war es noch eine Weile hin, das war ihr klar.


    "Noch einmal, Danke. Ich werde mich dann vorerst zurück ziehen."


    Sie erhob sich und ging auf ihren Cousin zu, der es ihr soeben gleich getan hatte. Es kostete sie unheimlich viel Mut, aber sie legte , wenn auch nur ganz kurz, ihre Hand auf seinen Arm und sah ihn an.

    "Ich wünsch dir einen angenehmen Rest des Abends,Quintus. Wenn noch etwas sein sollte, so weißt du , wo du mich findest."


    Und schon drehte sie sich um und verließ langsam schreitend das tablinium ohne sich noch einmal umzudrehen.

    Sie hatte damit gerechnet. Es war ihr durchaus bewusst, dass dieser Punkt noch ein Thema sein würde.Aber um ehrlich zu sein, hatte sie gehofft, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt noch eine Weile zum Nachdenken hatte. Aber ob das helfen würde , war auch nicht gesagt.Schließlich dachte sie darüber nach, seitdem ihre Eltern ihr den Entschluss mitgeteilt hatten, dass sie diese Reise für sie geplant hatte. Doch drumrum reden half auch nicht, das war ihr klar.


    "Deine Intention ist mir durchaus nicht fremd. Man könnte unterstellen, dass es auch vor allem diese Motivation war, die meine Eltern damit verfolgten mich hierher zu schicken."


    Warum sollte sie die Wahrheit nicht aussprechen, die ohnehin so offensichtlich war.

    "Da ich mich in der hiesigen Gesellschaft noch nicht so recht auskenne, so werde ich auch in diesem Gebiet auf deine Gutmütigkeit hoffen und mich auf dein Urteil verlassen. Dennoch möchte ich dich bitten, mir zunächst ein paar Tage zu gewähren um mich an die Umgebung zu gewöhnen."


    War das zu viel verlangt? Sie hoffte und glaubte es nicht.


    "Anschließend widme ich mich gerne dieser Thematik. Oder gibt es schon konkrete Dinge, die du mir in dieser Hinsicht darlegen möchtest?"

    Anders als man hätte erwarten können, stand ihr die Erleichterung über das Verständnis ihres Cousins nicht ins Gesicht geschrieben. Aber es stand ihr prinzipiell immer nur das im Gesicht, was sie auch offenbaren wollte. Von daher ähnelte sie ihrem Cousin vielleicht sogar ein wenig, nur dass sie eine andere Art zeigen wollte wie er.


    "Danke für dein Verständnis. Aber nein, leider habe ich keine eigenen Sklaven mitgebracht."


    Das war eher ungewöhnlich, aber sie wollte nicht erwähnen, dass sie zu gutmütig war um einen ihrer Sklaven zuhause nur um ihretwillen aus seiner vertrauten Umgebung zu reißen.


    "Ich denke zunächst würde es völlig ausreichen, wenn ich einen eurer Sklaven als Begleiter nehme. Sicher wird der ein oder andere mir angenehm sein. Und wenn es sich abzeichnet, dass mein Besuch in deinem Haus auf Dauer sein sollte, so werde ich mich selbst, gerne auch in deiner Begleitung, nach einem eigenen Sklaven umsehen."


    Sie hielt dies für die diplomatischste Lösung und hoffte die Zustimmung von Quintus zu gewinnen.


    "Gibt es noch weitere Dinge, die du im Moment noch gerne mit mir besprechen würdest?"

    Sie war froh, dass er ihr Erröten nicht bemerkte und vielmehr noch ihre Offenheit in diesem Punkt nicht anklagte sondern zu begrüßen schien. Langsam hegte sie die Hoffnung, dass die beiden doch besser mit einander auskommen würden, als sie zunächst befürchtet hatte.
    Er kam wieder auf sie zu , stellte eines der beiden Gläser vor ihr auf den Tisch und nahm ihr gegenüber wieder Platz.

    "Zum Wohl!"


    Sie musterte ihn kurz und das kurze Schweigen ließ sie Ahnen was nun kommen mochte. Es war unumgänglich , dass ihr Cousin sie mit den Regeln des Hauses vertraut machte, und so hatte sie diese beinahe schon erwartet.


    "Deine Bedenken erscheinen mir berechtigt. Meine Eltern haben mich bereits mehrere Male im Vorhinein ermahnt. Vor allem auch, weil sie ahnten, dass die Einschränkungen für mich, für die solche auf dem Land bisher nie von Nöten waren , eine starke Umstellung bedeuten würden."


    Sie hob ihren Blick an und schaute ihm direkt , klar aber nicht provozierend, in die Augen.


    "Aber wie gesagt, ich werde dir keine Sorgen machen. Ich werte diese Worte als Zeichen der Fürsorge. Und solange ich mich in deinem Haus befinde, so werde ich deinem Rat stets folgen."


    War das was nun kam anmaßend? Sie wusste es nicht, aber es lag ihr am Herzen.


    " Dennoch möchte ich dich um eines bitten. Wenn ich nun schon so viel Zeit in Begleitung eines anderen Verbringen muss. So würde ich mir gerne selbst einen Sklaven erwählen, der mich gegebenfalls begleitet. Ich denke, dass ich , wenn ich schon viel Zeit in der Gesellschaft eines anderen verbringe, so sollte er mir seine Anwesenheit zumindest nicht unangenehm sein."


    Wieder senkte sie abwartend den Blick.

    "Verstehst du meinen Wunsch?"

    Der Bote hatte sich auf Befehl seiner Auftraggeberin beeilt. So erreichte er leicht erschöpft die schola athenienses , wo er folgende nachricht überbrachte :


    Die kürzlich in Rom eingetroffene Tiberia Albina möchte sich
    hiermit für den Cursus Res Vulgares XXVIIII anmelden.


    Die Nachricht überbracht machte sich der noch immer schwer atmende Bote auf den Weg zurück.

    Der Hauch eines Lächelns! Sie war begeistert. Und der letzte Hauch der Anspannung, die sich aufgrund dieser Unterhaltung in ihr aufgebaut hatte verflog.


    "Ein Glas Wasser sollte genügen, viel Dank. Zwar Danke ich Dionysos häufig für die Schöpfung des Weines, aber dennoch trinke ich ihn nur selten und nur zu Gelegenheiten die einer Dame meiner Meinung nach schicklich sind und das sind zumeist Gastmähler. Schließlich braucht man nicht zu leugnen, dass die Auswirkungen des Weines eine Frau viel leichter treffen als einen Mann und der Ruf einer Frau in dieser Hinsicht wesentlich schneller leidet.", sagte sie und lächelte.


    Sie beobachtete ihn genau, während er sich leicht von ihr abwandte um das Tischchen mit den Getränken zu erreichen. Er war groß, sehr viel größer als sie erwartet hatte. Dies war ihr als er noch gegenüber am Tisch saß völlig entgangen. Umso mehr bestaunte sie nun sowohl seinen Körperbau als auch seine Haltung an der es keinen einzigen Mangel zu geben schien.


    "Verzeih, wenn ich es anmerke, Quintus, aber ich muss dir meine Bewunderung aussprechen. Du scheinst noch immer voll und ganz ein Soldat zu sein und die römischen Tugenden sehr enrst zu nehmen. Würden das nur mehr unserer Männer auch heute noch so sehen. Die meisten Herren meines Alters die ich kenne fröhnen vor allem ihrem eigenen Luxus und Pflichtbewusstsein ist ihnen fremd." , sprach sie ihn an, während er ihr wieder entgegen kam um ihr das Glas Wasser zu überreichen.


    "Ich hoffe, du empfindest es nicht als unschicklich, wenn ich das so unumwunden ausspreche."sagte sie schnell, als sie merkte, dass sie vielleicht zu vorschnell die distanzierte Höflichkeit durchbrochen hatte und senkte leicht ihren Blick in der Hoffnung Quintus würde so das Erröten ihrer Wangen entgehen.

    Eben diese Antwort hatte sie erwartet. Ihr Vater schien der Meinung zu sein, dass sie in Quintus Obhut gut aufgehoben sei und sie war zu gut erzogen, um die Entscheidungen ihres Vaters in Zweifel zu ziehen.


    "Nein, ich war noch nie in Rom. Und ich muss gestehen, dass die Größe der Stadt alle meine Erwartungen übertroffen hat. Ich habe zwar schon sehr viel aus den Erzählungen meiner Eltern über Rom erfahren, aber ich vermute, man kann etwas solch großartiges garnicht in die entsprechenden Worte kleiden. "


    Wie schaffte es ihr Cousin bloß, dass sie sich, obwohl sie sich unterhielten, fühlte als seie sie Luft. Nicht mehr als ein Wissensspeicher, um die Antworten auf seine Fragen zu liefern. Ja, er war gut... Doch sie würde sich nicht einschüchtern lassen.
    Sie reckte ihr Kinn leicht nach vorne und blickte ihn unumwunden an.


    "Also hat mein Vater die die Sorge um mich während meines Aufenthaltes hier übertragen? Ich kann nur hoffen, dass die , werter Cousin, das wirklich Recht ist. Schließlich obliegt dieser Aufgabe viel Verantwortung, das ist mir durchaus bewusst und ich kann mir vorstellen, dass deine Pflichten als Senator dir bereits einen Großteil deiner Zeit abverlangen."


    Sie wollte ihm vor Augen führen, dass sie kein naives Dummchen vom Lande war, wie man vielleicht annehmen konnte.
    Auch wenn sie sich nie über gebühren für die Politik ereifert hatte so war sie den Unterhaltung der Männer auf dem Landgut ihres Vaters doch immer mit offenem Ohr gefolgt und hatte die wesentlichen Elemente in sich verinnerlicht.


    "Aber Sorge dich nicht, ich weiß wo mein Platz ist und ich werde dir, das ist eines meiner größten Bestreben, so wenig zur Last fallen wie möglich und mich hüten dir Anlass zur Sorge zu geben."

    Warum um alles in der Welt vermochte sie nicht zu ihm durchzudringen? In jeder anderen Situation war es ihr ein leichtes, die Menschen für sich zu begeistern. Das allerdings ließ sich leider auch zu wesentlichen Teilen auf ihr Äußeres zurückführen und das war etwas , was ihr stets mißfiel. Sie hätte es garnicht nötig gehabt, der liebenswürdige Mensch zu sein, der sie war. Die meisten nahmen dies erst war, nachdem sie schon von ihr begeistert waren. Doch Quintus schien das garnicht war zunehmen. Sein Blick hatte sich im Gegensatz zu dem aller anderen für gewöhnlich nicht bei ihrem bloßen Eintreten erhellt und das war etwas, das sie durchaus reizte. Was auch immer ihr Cousin auch war, er erschien ihr weder Oberflächlich noch Unaufrichtig.


    Die Frage die er ihr gestellt hatte berührte ein Thema, das sie selbst brennend interessierte. Zwar hatte ihr Vater ihr davon erzählt, dass es diesen Brief gäbe, aber was drin stünde, wusste sie selbst nicht so genau... sie konnte es nur erahnen. Daher sprach sie einfach mit der selben Offenheit wie ihr Cousin es ihr vorgemacht hatte :


    "Nein, ich weiß es leider nicht. Ich kann es höchstens ahnen. Wirst du mir berichten, was mein lieber Vater dir geschrieben hat?"

    Nun denn, so hatte sie der erste äußere Eindruck wohl doch nicht getäuscht... er war kühl. Doch was sonst sollte sie zunächst von ihm erwarten. Sie vergaß immer wieder, dass auch sie ihm fremd war, auch wenn sie so viel jünger war als er.
    Aber immerhin hatte er sie gefragt wie ihre Reise war und es ihrem Vater ginge. Auch wenn man dies als einfach Höflichkeiten betrachten konnte, hatte sie das Gefühl ein klein wenig mehr Herzlichkeit in seiner Stimme zu hören. Und dies war immerhin ein Anfang, sagte sie sich.

    "Meinem Vater geht es bestens, lieber Cousin. Er und Mutter sind bei guter Gesundheit. Sie lassen dich und den Rest der Familie herzlich grüßen. Sie überlegen schon, ob sie nun, da ich ihnen vorausgegangen bin nicht auch wieder die alte Heimat aufsuchen sollten!"


    Sah sieh dort etwa eine klitzekleine Regung des Interesses in seinem Blick. Sie war aufs Äußerste von der Selbstbeherrschung dieses Mannes beeindruckt. Es war ihr nämlich nicht möglich sich vorzustellen, dass diese Kälte alles war, was in ihrem Verwandten existierte.


    "Die Reise, nun ja, sie war ein wenig anstrengend. Aber ich habe früh gelernt, die Dinge im Allgemeinen positiv anzugehen und daher war die Reise durchaus eine Bereicherung. Ich hab sehr viel vom Reich sehen können und die Spannung auf den letzten Kilometern der Fahrt war sehr aufregend. Es war meine erste große Reise und wirklich schön. Aber wieso hast du uns nicht schon längst einmal in Illyricum besucht?"


    Konnte sie vielleicht auf diese Weise ein wenig mehr Persönlichkeit in die Unterhaltung bringen?

    "Was hätte ich dort auf dem Land für den Besuch aus der Stadt und vor allem für die Gesellschaft eines Cousins gegeben?"

    Mit einem freundlichen "Danke" nickte Albina dem Sklaven noch einmal zu um dann innerlich zögernd doch nach Außen hin bestimmt das Zimmer zu betreten.
    Dort saß er, ihr Cousin. Ein Mann der ihr Verwandter war, der den gleichen Großvater wie sie hatte und der ihr dennoch ebenso fremd war, wie jeder Fremde auf der Straße.
    Sie trat vor und blieb einige Schritte vor seinem großen Schreibtisch in gebührendem Abstand stehen.
    Er wirkte streng, ja beinahe verbittert. Nichts an seinen Zügen verriet Freude oder Freundlichkeit. Aber sie hatte schon früh gelernt Menschen nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen.


    "Salve, mein lieber Cousin. Schon lange freue ich mich dich kennenzulernen. Und nun ist es endlich soweit!Es ist schön, dir endlich gegenüber zu stehen!"

    Albina war hoch erfreut, war sie doch von der langen Reise erschöpft.
    So stand sie auf und folgte ihm. Während sie nebeneinander her schritten fragte sie den ianitor:
    "Wie lange bist du schon in den Diensten meiner Familie?"

    "Salve!
    Mein Name ist Tiberia Albina. Ich möchte zu meinem werten Cousin Quintus Tiberius Vitamalacus. Ich habe meinen Besuch lange angekündigt und er müsste mich bereits erwarten. " sagte Albina und hoffte sogleich, dass es stimmte, was sie sagte.
    Denn der Brief, den ihr Vater seinem Neffen geschickt hatte, wurde doch erst kurz vor ihrer Abreise einem Boten anvertraut. Wenn alles nichts nützt, dachte sie, dann hilft vielleicht ein Lächeln und schenkte dem höflichen Ianitor ein gewinnendes Lächeln .