Beiträge von Kaeso Annaeus Modestus

    Es dauerte noch einen Moment, bis Modestus das Atrium betrat. Als er es dann tat, wurde er von drei Männern begleitet. Die beiden Römer trugen die typische Militärkleidung, wobei die Waffen selbstverständlich fehlten. An ihren Händen konnte man bei genauerem Hinsehen jedoch silberne Ringe von Equites erkennen. Der andere Mann stammte offensichtlich aus dem Osten. Sein Bart und seine Haare waren kurz geschoren. Obwohl er recht muskulös war und das Gesicht eines Boxers hatte, schien er doch nicht nur ein Leibwächter zu sein. Dies wurde offensichtlich, nachdem Modestus die beiden Soldaten verabschiedet hatte. Beim Herausgehen grüßten die natürlich kurz die anderen Gäste, wie es die Höflichkeit vorschrieb. Als Modestus sich dann seinen Verwandten zudrehte und ein paar Schritte auf sie zu machte, konnte man erkennen, dass der Mann immer nur einen Schritt hinter seinem Herrn blieb. Er schien ständig darauf gefasst zu sein Modestus zur Seite zu springen, um ihn zu stützen. Dies schien auch notwendig, denn Kaeso Annaeus Modestus benutzt einen Gehstock. Jeder seiner Schritte wurde von dem klacken des kunstvoll verzierten Stocks in seiner linken Hand begleitet. Gekleidet war Modestus mit einer eleganten Tunika. Tiefgrün mit weißen Streifen an den Rändern und silbernen Stickereien.


    "Sergia Fausta, es ist mir eine Freude, dass du meiner Einladung gefolgt bist." begrüßte er seine Nichte und sah dann zu dem Mann hinüber der sie begleitete. "Marcus Iulius Dives, nehme ich an. Es freut mich dich kennen zu lernen." Dann bemerkte Modestus den Sohn der beiden, der sich offensichtlich noch dabei war, sich in der neuen Umgang zurechtzufinden. Er beobachtete ihn einen Moment lang, bevor er lächelnd fortfuhr. "Und das muss euer Sohn sein."

    "Wie wahr. Der Bürgerkrieg hat überall seine Spuren hinterlassen. Ich hoffe, dass mit dem Antritt des neuen Kaisers eine Zeit des Friedens anbricht, damit die Wunden heilen können." sagte Modestus nachdem er bemerkte, dass dieses Thema für seinen Gast eher unangenehm zu sein schien. Er selbst wusste nur zu gut, wie Erinnerungen und Versäumnisse einen auch noch nach vielen Wochen quälen konnten. Offenbar war er nicht der einzige der versehrt aus diesem Krieg hervorgegangen war. Daher entschloss er nicht weiter in alten Wunden zu stochern und das Thema zu wechseln. "Ich habe übrigens gerade eine Einladung zur Hochzeit deiner Cousine Flavia Domitilla erhalten. Es hat mich sehr gefreut, trotz meiner langen Abwesenheit mit einer Einladung bedacht worden zu sein."


    Als das Essen angerichtet war, wartete Modestus, bis sein Gast sich bedient hatte. Erst danach lies er sich von seinem Leibsklaven verschiedene Happen auf einen Teller reichen. "Da ich dich heute Mittag nicht all zu lange aufhalten möchte, will ich auch gleich auf den Grund meiner Einladung zu sprechen kommen, wenn du erlaubst." Modestus macht eine kurze Pause und verspeiste etwas von dem Brot und den Oliven, bevor er fortfuhr. "Traditionell werden die Sitze in den Collegia auf Lebenszeit vergeben. Im Zuge meiner Statthalterschaft und späteren Proskription wurde meine Mitgliedschaft im Collegium der Quindecemviri mehr oder minder aufgelöst. Daher ist mir mein momentaner Status unklar. Habe ich noch Verpflichtungen gegenüber dem Collegium oder ist meine Mitgliedschaft tatsächlich erloschen? Dazu würde ich gerne deine Meinung einholen." fragte Modestus seinen Gast und trank noch einen Schluck verdünnten Wein aus seinem Becher. "Sofern ich frei von Verpflichtungen bin, würde ich mich eventuell gerne dem Collegium Augurum anschließen. Mein Großvater, der Augur Tiberius Annaeus Sophus, hat mir nach seinem Tod seine Unterlagen vermacht. Daher spiele ich mit dem Gedanken in seine Fußstapfen zu treten." Nach einigen Augenblicken fügte er noch etwas hinzu. "Das kommt zum Teil auch darauf an, welches Collegium momentan am ehesten Unterstützung benötigt."

    "Nun es wäre sicherlich nicht das erste Mal in der Geschichte Roms, dass ein Consular Septemvir wird. Aber ich verstehe deine Bedenken." Immerhin kümmerten sich die Septemviri eher um das Alltagsgeschäft, was einem Consular im Ruhestand vielleicht nicht ganz entgegen kam. Auch war Collegium Septemvirorum nicht so angesehen, wie die anderen Collegia. Allerdings sah Modestus keinen Grund, warum sein Patron nicht das Amt eines Pontifex anstreben sollte. "Zwar kämst du sicherlich auch für andere Collegia in Frage, aber ich glaube das Collegium Ponficium entsprecht deinem Status. Du bist weithin für diene Verdienste und deine Integrität bekannt. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass das Collegium dich ablehnen würde. " Natürlich spielte Politik noch eine entscheidende Rolle, aber Purgitius Macer war weithin geachtet.

    Modestus hatte sich nicht die Mühe gemacht im Triclinium stehend auf seinen Gastgeber zu warten. Als Soldat, der im Krieg eine schwere Verletzung erlitten hatte und immer noch darunter litt, nahm er sich die Freiheit heraus sich schon einmal niedergelassen. Als der Duccier dann aber den Raum betrat hatte Modestus dennoch Anstalten gemacht sich aufzurichten. So viel Respekt schuldete man seinem Gastgeber. Connacht, sein kräftiger Leibsklave aus dem Osten, half ihm dabei so gut es ging.


    "Nun eigentlich wäre ich sogar noch länger im Osten geblieben, aber die Neuigkeit, dass der Consul Duccius Vala einen neuen Kaiser hat wählen lassen, hat meine Meinung geändert." entgegnete Modestus und musste wohl auch nicht erklären, warum diese Nachricht seine Aufmerksamkeit erregt hatte. "Nun die Wunde in meinem Bein verursachte mir große Probleme, auch nachdem ich mich weitestgehend erholt hatte. Nachdem bekannt ist, dass die besten Ärzte aus dem Osten kommen, habe ich dort mein Glück versucht. Im Asklepieion von Pergamum konnten sie mir helfen. Da ich den Göttern und insbesondere Apollo im Gegenzug für meine Genesung einige Versprechungen gemacht hatte, blieb ich länger in Asia. Ich habe die verschiedenen Apollo-Kulte besucht und teilweise auch in ihre Mysterien einweihen lassen." Damit erzählte Modestus wieder einmal die geschönte Version seine Reise. Von dem Suff, seiner damaligen Verbitterung und den Tobsuchtsanfällen braucht niemand erfahren. Dass Modesuts sich eine Pause von dem Stress der ständigen Machtkämpfe genommen hatte, konnte man zwischen den Zeilen lesen. "Nachdem es sich um sehr persönliche Angelegenheit handelte, hatte ich auch kein Interesse daran es für den römischen Klatsch weit zu verberieten. "

    "Machen wir uns es doch erst einmal bequem." Modestus den Flavier ein sich auf einer der beiden vorbereiten Liegen niederzulassen. Mit einer Geste hin zu den Liegen unterstrich er dies noch einmal. Neben den beiden Möbelstücken warteten Sklaven mit einer Schale Wasser und Handtüchern darauf sich um den Gast zu kümmern, wie es Sitte war. Modestus lies Flavius Gracchus den Vortritt und lies sich dann auf der anderen Sänfte nieder. Dabei half ihm sein Leibsklave Connacht. Den Gehstock seines Herren legte er zur Seite und machte sich dann daran ihm einen Becher verdünnten Wein einzuschenken.


    Auf einem Tablett standen drei silber glänzende Kannen bereit, die Wein, Wasser und Mulsum enthielten, sodass sich der Gast ein Getränk seiner Wahl aussuchen konnte. "Trinken wir auf den Pax Deorum. Möge der Frieden zwischen den Göttern und den Menschen ungestört bleiben." setzte Modestus zu einem Trinkspruch an. Er schwang den Becher einen wenig, sodass etwas Wein als Trankopfer aus dem Becher auf den Boden schwappte. Dann wartete er einen Moment auf seinen Gast, um gleichzeitig mit ihm zu trinken. Nach einem Schluck von dem Wein, ein recht guter Weißwein aus Apulia, wandte er sich wieder an den Flavier. "Ich hoffe deine Familie und du haben die letzten Jahre gut überstanden. Es war sicherlich eine turbulente Zeit." sagte Modestus ohne genauer darauf einzugehen.


    Währenddessen die Sklaven begannen das Essen anzurichten. Auf Beistelltischen wurden für Flavius Gracchus und Modestus verschiedene Platten angerichtet. Da es Mittagszeit war, würde es nur einen Gang geben. Doch anstatt aufgewärmter Reste gab frische Speisen aus der Küche. Für den Hausherr und den Gast waren jeweils ein Fisch und ein Hähnchen zubereitet worden. Hinzu kamen Platten mit frischem Brot, verschiedenen Käsesorten und Oliven. Als alles angerichtet war, begannen sich die Sklaven langsam zurückzuziehen. Modestus würde von seinem Leibsklaven Connacht bedient werden. Für den Fall dass der Mann des Flaviers ihn nicht bediente verharrte noch ein Sklave der Annaeer im Raum. Nach den religiösen Angelegenheiten, wollte Modestus noch etwas anderes ansprechen, was nicht jeder Sklave im Haus sofort erfahren musste. Diese Sache war das Schicksal von Manius Tiberius Durus.

    Zu seinem ersten Worten im Senat seit seiner Statthalterschaft in Germania erhob sich Modestus auf seinen Gestock gestützt adressierter ehr in seiner Toga praetexta die Sentoren. "Patres conscripti, es ist mir eine Ehre und ein Privileg heute wieder vor euch sprechen zu können. Das letzte Mal ist schon viel zu lange her." setzte Modestus mit einem zufriedenen Lächeln an. Er machte eine kurze Pause und lies seinen Blick über die Reihen der Anwesenden wandern, um so auch jedem die Gelegenheit zu geben ihn zu sehen "Wenn ich es richtig verstehe, wünscht Praetorier Germanicus Avarus eine genauere Kontrolle der Publicani, während Consular Purgitius Macer gleiche Fristen für alle Publicani für unpraktisch hält. Ich denke dafür gibt es eine Lösung."


    "Wir könnten im ersten Paragraph einfügen, dass eine solche Ausschreibung bestimmte Auflagen enthalten muss, wie die Aufgabe zu erledigen ist. Im fünften Parapgah fügen wir dann noch hinzu, dass der Publicanus nicht nur die Gesetze sondern auch die Auflagen der Ausschreibung einhalten muss. Tut er das nicht, verstößt er gegen geltendes Recht und der Auftrag kann ihm jederzeit entzogen werden. Damit erlauben wir eine genauere Kontrolle durch die damit befassten Amtsträger ohne zu sehr ins Detail zu gehen." Führte Modestus aus und machte noch einmal eine kleine Pause. Er wollte diese kleinen Anmerkungen nicht zu einer theatralischen Rede vor dem Senat aufbauschen. Aber nach vielen Jahren der Abwesenheit sollte sein erster Redebeitrag im Senat auch mehr als zwei Sätze enthalten. Also fuhr er fort. "Ich möchte noch vorschlagen im dritten Paragraphen statt Publicanus das Wort Unternehmer zu verwenden. Schließlich ist es nicht erforderlich Publicanus zu sein, um sich für einen Auftrag zu bewerben." Und nach einem letzten Blick in die Reihe der Senatoren setzte sich Modestus wieder.

    "Nun dann gab es auf jeden Fall keine mehr, die es Wert war sich daran zu erinnern." entgegnete Modestus seinem Patron schmunzelnd. Dann fuhr er mit dem Grund seines Eifers für die stadtrömischen Collegia fort. "Es liegt gewissermaßen in der Familie. Mein Großvater Tiberius Annaeus Sophus war bereits Augur. Er hat mir seine Unterlagen und seine Bibliothek vermacht, sodass ich mich verpflichtet fühle in seine Fußstapfen zu treten."


    "Nun eine Position in den stadtrömischen Collegien erfordert sicherlich eine gründliche Vorbereitung. Manche Collegien sind auch nur für Mitgliedern bestimmter Familien zugänglich, die ihr Wissen über die alten Mysterien nur intern weitergeben." Modestus hatte Verständnis für das Zögern seines Patrons. Schließlich gab es einige Hürden zu nehmen. Erst ein intensives Studium religiöser Texte, dann das erlernen und üben bestimmter Rituale. Anschließend musste man je nach Collegium die Mitglieder überzeugen einen aufzunehmen. Mit letzterem würde sein Patron aber weniger Probleme haben. "Trotzdem glaube ich, dass es ein erstrebenswertes Ziel ist. Es würde ich freuen, wenn ich dich in diesem Bestreben unterstützen kann. Gibt es denn ein Collegium zu dem du eine besondere Verbundenheit empfindest?


    Theogenes


    So wie es seine Aufgabe war, öffnete Theogenes auch an diesem Mittag die Tür. Manius Flavius Gracchus, der patrizische Praetorius der noch dazu den Pontifex Maximus vertrat, wurde bereits erwartet. Schließlich hatte sein Herr ihn zum Mittagessen eingeladen. Daher fragte Theogenes nicht erst, wer gerade angekommen war, sondern schob die Türen weit auf. "Salve. Mein Herr deinen Herren bereits im Triclinium." erklärte Theogenes dem Vilicius Sciurus. Anschließend machte er Anstalten Flavius Gracchus und seine Begleiter ins Innere des Hauses zu führen.





    IANITOR - GENS ANNAEA

    Normalerweise machte er sich nicht die Mühe für das Prandium die Toga anzulegen. Doch dies war nicht irgendein Mittagessen. Modestus erwartete Manius Flavius Gracchus, den Pontifex pro Magistro. Der Mann war einer der bedeutendsten Patrizier Roms und verfügte über großen Einfluss im Cultus Deorum. Immerhin war der Kaiser gerade erst zum Pontifex Maximus geweiht worden und würde sich in vielen Dingen auf seinen Stellvertreter verlassen. Daher galt es ihm einen gewissen Respekt zu erweisen.


    Während er auf seinen Stock gestützt am Eingang des Tricliniums auf seinen Gast wartete, überlegte Modestus, wann er den Flavier das letzte Mal gesehen hatte. Er brauchte nur einen Moment aber dann erinnerte er sich an jenen exklusiven Zirkel von Verschwörern in der Villa Tiberia. Der Flavier war auch auf die Proskriptionslisten gesetzt worden, aber im Gegensatz zu Modestus hatte er über keine Armee verfügt und war geflohen. Sicherlich keine Zeit an die Flavius Gracchus gerne zurückdachte. Aber das war bei Modestus nicht anders.


    "Salve, Manius Flavius Gracchus. Es freut mich, dass du gekommen bist. Nachdem ich dich mit meinen Fragen malträtieren muss, dachte ich es wäre das mindeste dich zum Mittagessen einzuladen." begrüßte Modestus seinen Gast. Zum Glück war heute ein guter Tag und das Stehen viel ihm nicht schwer. Trotzdem stützte er sich wie immer auf den prächtig verzierten Gehstock in seiner linken Hand. Abgesehen von diesem Detail konnte man ihm die Torturen seiner Verwundung nicht mehr ansehen. Das hatte er sich zumindest sagen lassen.

    "Nun das macht Sinn." kommentierte Modestus die Ausführungen seines Patrons. Trotzdem hielt er es für richtig, dass ein Kandidat für die ritterliche Militärlaufbahn bestimmte Grundkenntnisse nachweisen musste. Aber in Zukunft würde dies eben auf informellerem Wege geschehen. Schließlich kontrollierte die kaiserliche Kanzlei die Vergabe der Posten. Und diese würde sich nicht nur nach den Beziehungen eines Mannes richten.


    "Ich danke dir. Momentan spiele ich auch mit dem Gedanken neben den klassischen Gladiatorenspielen auch wieder eine Naumachie zu veranstalten." erklärte Modestus seinem Patron. Sicherlich waren Naumachien keine besonders billige Angelegenheit, aber deswegen sah man sie auch so selten in Rom. Aber nach seiner Statthalterschaft hatte er keine Geldsorgen mehr. Denn selbst welcher ehrliche Statthalter war je ärmer aus seiner Provinz zurückgekehrt. Nicht zu vergessen die Besitzümer des Vesculariers und seiner engsten Vertrauten im Norden Italias. Vor Viceta hatte er noch einniges bei Seite schaffen lassen. Für den Fall, dass seine Partei im Bürgerkrieg unterlag und der fliehen musste. "Ich habe mir sagen lassen, dass Rom seit meiner Naumachien keine mehr gesehen hat und womit könnte man einen ehemaligen Praefectus Classis besser ehren?"


    "In den nächsten Tagen werde ich erst einmal um einige Familienangelegenheiten kümmern. Was danach kommt? Nun ich werde wohl mit dem Pontifex pro Magistro sprechen. Sobald ich meine Rückkehr im Senat bekannt gebe, wird sicherlich die eine oder andere Einladung folgen. Dann gilt es erst einmal wieder mit den anderen Senatoren ins Gespräch zu kommen. "

    Modestus saß in einem bequemen Sessel, den er sich hatte in den Garten stellen lassen. Er wartete auf seinen Vetter Decimus Annaeus Varus. Varus und er wollten sich über die Geschicke der Familie unterhalten. Sein Vetter hatte sich zu einer ähnlichen Zeit wie Modestus aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Modestus war nun bereit das Privatleben hinter sich zu lassen und die Annaeer wieder in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Daher wollte er im Hinblick auf die Familien-Angelegenheiten auch wieder die Zügel in die Hand nehmen. Das erforderte natürlich ein Gespräch mit Varus, der diese Rolle bisher ausgefüllt hatte. Und so wartete er auf seinen Vetter und nippte an einem Becher germanischem Weißwein. Der Wein stammte offenbar aus seiner ehemaligen Provinz Germania Superior. Sicherlich kein Vergleich zu italischen Weinen, aber für einen Nachmittag wie diesen nicht zu verachten.


    Theogenes



    Nach einem Moment öffnete Theogenes, der alte Ianitor des Hauses, die Tür. Er war über die vielen Leibwächter etwas überrascht. Mehr als ein halbes Dutzend. Dabei sollte doch nur die Nichte des Hausherren zu Besuch kommen. Doch er hielt sich nicht lange daran auf. Rasch schob er die breiten Türen weiter auf um die Gäste samt der Begleiter einzulassen So dann führte er sie auch gleich in das Atrium des Hauses.







    IANITOR - GENS ANNAEA

    "Nun dann bin ich gespannt, was die nächsten Wochen zeigen werden." antwortete Modestus seinem Patron, nachdem dieser die neuen politischen Verhältnisse beschrieb. Ihm war klar, dass er in den nächsten Wochen viele Gespräche und führen musste um alte Kontakte zu reaktivieren und neue Kontakte zu gewinnen. Dann kam er auf die Sache mit Annaeus Florus zu sprechen. "Nun Annaeus Florus starb, als ich gerade meine Statthalterschaft in Germania angetreten hatte. Mein Vetter Decimus Annaeus Varus, war zu jener Zeit Praefectus Aegypti. Es gab niemanden aus der Familie in Rom der sich darum hätte kümmern können. Die Annaeer waren über das Imperium verstreut, wenn man so will. Und als ich das letzte Mal in Rom war, lebte Annaeus Florus noch." Sein letzter Satz war eigentlich unnötig, aber diese Erkenntnis hatte ihn selbst verblüfft. Es waren mehr als nur wenige Monate. Es waren Jahre die er außerhalb Roms verbracht hatte. Einige Jahre.


    "Aber ich danke dir für dein Angebot. Bei der Organisation würde ich gerne auf einige deiner Klienten zurückgreifen wollen. Vielleicht fallen dir ja einige tüchtige Organisationstalente ein." nahm Modestus das Angebot gerne an. Spiele waren immer eine große Herausforderung und man konnte nie genug Helfer und Helfershelfer haben. Dann fuhr Modestus im Hinblick au die Academia fort. "Der Fokus muss nun auf einer eher praktischen Ausbildiung der Offiziere liegen. Ich vermute, dass wir das gar nicht ungelegen ist, eine weitere Belastung los zu sein."


    Praetorius
    Manius Flavius Gracchus

    Villa Flavia Felix | Roma


    K. Annaeus Modestus Man. Flavius Gracchus s.d.


    Praetorius,


    ich schreibe dir in deiner Funktion als Pontifex pro Magistro. Nach einer langen Abwesenheit, bin ich vor wenigen Tagen nach Rom zurückgekehrt. Da es mir immer ein Anliegen war zum Allgemeinwohl der Stadt beizutragen, möchte ich mich wieder einem der stadtrömischen Collegia anschließen. Wie du vielleicht noch weißt, hatte ich vor meiner Statthalterschaft in Germania einen Sitz im Collegium der Quindecimviri sacris faciundis inne.


    Allerdings bin ich momentan nicht auf dem Laufenden, welches Collegium an ehesten Unterstützung benötigt. Auch habe ich verschiedene Fragen zu Formalien im Hinblick auf meine ehemalige Position als Quindecemvir. Daher möchte ich in naher Zukunft deinen Rat einholen. Als Pontifex pro Magistro bist du sicherlich der beste Ansprechpartner dafür.


    Aus diesem Grund möchte ich dich zu einem informellen Prandium in meinem Haus einladen. Bitte lass mich wissen, ob du in den nächsten Tagen Zeit für mich hast.


    Vale bene,



    Procuratrix Annonae
    Sergia Fausta

    Casa Iulia | Roma


    K. Annaeus Modestus Sergiae Faustae s.d.


    Liebe Nichte,


    ich habe mich mittlerweile von meinen schweren Wunden erholt und bin nach Rom zurückgekehrt. Ich residiere wieder in der Domus Annaea auf dem Mons Esquilinus.


    Es ist schon viel zu lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Wie ich von deiner Einladung weiß, bist du mittlerweile mit Marcus Iulius Dives verheiratet. Ich würde mich daher freuen, wenn du mich in den nächsten Tagen mit deiner neuen Familie besuchst, damit ich sie kennenlernen kann.


    Vale bene,


    "Mein Beileid. Ich hoffe deine Tochter bereitet dir viel Freude."


    sagte Modestus und entschloss sich nicht weiter auf den Tod der Ehefrau seines Patrons einzugehen. Was immer er auch sonst sagen mochte, anderen hatten es wohl schon gesagt, und er wollte keine alten Wunden aufreißen. Immer wieder darauf angesprochen zu werden, hatte Modestus nach dem Tod seiner Frau, doch als sehr unangenehm empfunden.


    "Ich habe in der Tat vieles gelesen und einiges gehört. Aber die Details bleiben meist auf der Strecke. Ich denke ich werde mich in den nächsten Tagen erst einmal wieder einleben müssen."


    Entgegnete Modestus und dachte schon an all die Dinge, die zu erledigen waren, bevor an eine Rückkehr ins gesellschaftliche Leben zu denken war. Insbesondere der Weinkeller musst unbedingt wieder aufgestockt werden. Aber das hatte noch etwas Zeit. Die ersten Tage wollte er in Ruhe und Frieden verbringen. Ohne Heerscharen von Bittstellern oder feurige Debatten im Senat.


    "Momentan bin ich auch am überlegen, wie es für mich weitergehen soll. Vielleicht kandidiere ich irgendwann für das Consulat, wenn die Zeit reif ist. In zwei Dingen bin ich mir allerdings sicher. Zum einen werde ich mich wieder einem der Priestercollegia anschließen. Zum anderen werde ich Munera zu Ehren von Lucius Annaeus Florus veranstalten."


    Damit offenbarte Modestus seine Pläne für die nächste Zeit und wartete, ob dieser Einwände oder vielleicht Ratschläge für ihn hatte. Schließlich war er sein Patron und es war nur Brauch ihn vorab zu informieren.

    Es war Nachmittag und Modestus saß in einem bequemen Sessel im Peristylium. Er trank einen Schluck von dem sabinischen Weißwein, den er auf dem Markt ausgewählt hatte, und sah einige Briefe durch. Bald würde wieder Ordnung in seinem Haushalt herrschen. Normalerweise wäre das eine Aufgabe für seine Frau gewesen. Als Witwer blieb ihm diese Aufgabe selbst überlassen, da er auch keine anderen weiblichen Verwandten mehr hatte. Das stimmte allerdings nicht ganz. Ein Klient hatte ihm von einer Nichte erzählt. Keine Annaea, eine Sergia.


    Wie dem auch sei. Er hatte einen Vilicus bestimmt, der sich um den Haushalt kümmern wurde. Danach hatte er veranlasst, dass seine Besitztümer, die momentan noch über das Imperium verstreut waren, nach Rom gebracht würden. Durch den raschen Aufbruch aus Mogontiacum war dort noch einiges zurückgeblieben. Das galt auch für seine Abreise aus Mantua. Doch innerhalb der nächsten Tage würden die restlichen Möbel und Sklaven ankommen. Den engsten Kreis seiner Mitarbeiter, sowieso fast alles Klienten, hatte er wieder um sich versammelt.


    Wie sollte es nun weitergehen? Die Förderung des Apollo-Kultes war er den Göttern schuldig. Davon abgesehen hatte er sich zwei weitere Ziele gesetzt. Die Ludi Annaei Flori zu ehren seines verstorbenen Verwandten und den Posten des Magister Quindecimvirorum. Was kam danach? Das Consulat. Decimus Livianus und Duccius Vala waren während seiner Abwesenheit zu Consuln gewählt worden. Warum nicht also auch Annaeus Modestus. Die Familie in die Nobilitas zu führen, wie einst sein Urgroßvater Annaeus Seneca Maior, war ihm schon immer ein anliegen gewesen. Aber neben dieser eher symbolischen Errungenschaft? Ein neues Kommando, Macht und Verantwortung? Wohl eher nicht. Seinen Geschmack dafür hatte er verloren.


    Zu Beginn des Bürgerkriegs wähnte schätzte er die Chancen nicht all zu schlecht ein, selbst der neue Augustus werden zu können. Die Armeen Germanias wurden von seinem Schwager Flaminius Cilo und ihm selbst kontrolliert. Sein Vetter Annaeus Varus hielt als Praefectus Aegypti die reichste Provinz des Reiches. Mit Terentius Cyprianus war ein alter Freund Praefectus Praetorio. Die Armee des Nordens waren als erste in Rom einmarschiert. Er hätte sich zum Kaiser erklären lassen und den Cornelier in den Staub treten können. Doch die Götter hatten ihn eines besseren belehrt.


    Die verpasste Chance hatte ihn verbittert werden lassen. Selbst wenn er nicht selbst Kaiser geworden wäre, so wäre er doch sicher zu einem der führenden Männer unter dem Cornelier geworden. Flaminius Cilo war zum Praefectus Urbi aufgestiegen und wurde danach mit der Provinz Asia belohnt. Einem der prestigeträchtigsten Posten für einen Consular. Der ideale Abschluss einer glänzenden Karriere. Aber Modestus hatte die Lektion in Demut akzeptiert, die ihm die Götter erteilt hatten. Gelegentlich sinierte er noch, was hätte sein können. Doch eigentlich war er darüber hinweg.


    Er merkte, dass er schon wieder abschweifte. Er winkte seinen persönlichen Schreiber herbei und begann einige Briefe zu diktieren.

    "Ich danke dir." entgegnete Modestus und meinte es auch. Länger zu stehen, selbst mit seinem Gehstock, war immer noch unangenehm. So trat er zu dem Stuhl und setzte sich. Seinen Stock lehnte er zunächst gegen die Seite des Stuhls. Dann kam ihm jedoch, dass er bei einer Bewegung klappernd umfallen könnte. Also behielt er ihn in den Händen und stützte sich nach vorn gelehnt auf ihn.


    "Du wirst sicherlich gehört haben, dass ich in der Schlacht von Vicetia verwundet wurde. Zwei Bolzen einer Manuballista, wie mir später gesagt wurde. Einer Durschlug meinen Brustpanzer, der andere traf mich im Oberschenkel. An viel kann ich mich nicht erinnern, aber ich bin wohl ins Lager gebracht worden. Nach der Schlacht übernahm Flaminius Cilo das Kommando und ich verblieb in Mantua. Die Wunden waren schwer und entzündeten sich. Es vergingen Wochen, bis ich das Bett verlassen konnte. Doch damit war die Sache noch nicht überstanden. Mein linkes Bein machte mir immer noch große Probleme. Ich lies verschiedene Ärzte kommen, aber keiner konnte mir helfen."


    berichtete Modestus und verschwieg dabei doch einige Dinge. Manches musste sein Patron auch nicht wissen. Wie die Verbitterung und der Schmerz ihn in den Suff getrieben hatte. Diese Episode seines Lebens war vorbei und es war am Besten sie in der Vergangenheit zu belassen.


    "Einige Freunde ermunterten meine Suche nach Heilung auf das Gebiet außerhalb Italias auszudehnen. Der Bürgerkrieg war gerade erst am abklingen, weshalb ich keine große Aufmerksamkeit auf mich ziehen wollte. Ich brach nur mit einigen engen Vertrauten auf, ohne jemandem davon zu unterrichten. Ich hoffe du kannst das verstehen. Kurz zuvor hatte mein Name noch die Proskriptionslisten angeführt und wer konnte schon ahnen, wo die Anhänger des Ursupators noch überall lauerten?"


    Während er dies erklärte, wunderte sich Modesus wie es seinem Patron während des Bürgerkriegs ergangen war. Er war immerhin Patron eines der führenden Rebellen gewesen. Nachdem Purgitius Macer noch am Leben und erfreut gewesen war ihn zu sehen, konnte es ihm nicht all zu schlecht ergangen sein.


    "Ich konsultierte also die berühmtesten Ärzte in Achaia und Asia. Ich besuchte die großen Tempel des Apollo überall im Osten des Reichs. Aber erst im Asklepieion, dem Heiligtum des Aesculapius in Pergamon fand ich wonach ich gesucht hatte. Im Gegenzug für meine Heilung machte ich den Göttern einige Versprechungen. Eines der Gelübde führte mich dann auch nach Cyprus. Man kann sagen, dass ich seitdem ein großer Förderer des Apollo-Kults geworden bin."


    Und damit beendete Modestus auch seine längere Ausführung zu seiner langwierigen Abwesenheit. Zum Schluss kam er aber nicht umhin die Frage zu stellen, wie sein Patron die letzte Zeit überstanden hatte.


    "Und wie ist es dir ergangen? Ich hoffe du hast den Bürgerkrieg gut überstanden. Ich muss gestehen, dass ich nicht ganz im Bilde bin, was in der Zeit meiner Abwesenheit hier in Rom passiert ist."