[Blockierte Grafik: http://img443.imageshack.us/img443/921/soeldnerfuehrerca1.jpg] | Xvásak
Den Sogden sagte man im Allgemeinen einen Hang zum Verrat nach. Xvásak war Sogde, und er sah sich nicht im geringsten als Verräter. Auch nicht als Deserteur. Er war einfach nur schon lang genug in dem Geschäft, um zu wissen dass Ruhm und Ehre niemanden satt machten. Zusammen mit seinem Bruder führte er eine Rotte von Söldnern, kampferprobte Eisenfresser aus den verschiedensten Ecken des parthischen Grossreiches, die sich ihre Narben im Laufe der Jahre in Gefechten von Hyrkanien bis zum Indus zugezogen hatten. Sie waren mit dem Satrapen Surenas geritten, aber das hatte ihnen bisher wenig eingebracht - bei Edessa hatten sie tatenlos zugesehen wie die Armee von Osroëne von den Römern geschlagen wurde, am Chaboras hatten sie zwar gesiegt und ganz gut Beute machen können, vor allem Sklaven, doch dann hatte der Satrap sein Heer wieder zurückgepfiffen und sich nach Dura zurückgezogen anstatt den Römern den Rest zu geben. Xvásak missbilligte diese Taktik, ausserdem fehlte ihm und seinen Männern die Geduld sich auf unbestimmt Zeit in der Stadt zu verschanzen. Deshalb hatten sie sich eines Nachts verabschiedet ohne auf Wiedersehen zu sagen, um ihr Glück weiter im Süden zu versuchen, in einem der ewigen Grenzkonflikte zwischen den nabatäischen Adeligen, oder indem sie den schwerbepackten Karawanen die trotz des Krieges von der Hauptstadt nach Palmyra zogen die Last etwas erleichterten...
Dummerweise hatte einer der Generäle des Satrapen ihren Abschied tatsächlich als Desertieren interpretiert! Man hatte sie verfolgt, sie hatten sich der Verfolger entledigt, dabei aber auch Federn lassen müssen. Avíl, ein alter Haudegen der von Anfang an in ihrer Truppe dabeigewesen war, hatte es dabei schwer erwischt. Vor zwei Tagen war das gewesen, jetzt hatte er Wundfieber bekommen, redete wirres Zeug, ächzte und schien jeden Moment die Brücke der Seelen überschreiten zu wollen.
Aus diesem Grund hatten sie hier halt gemacht, in diesem gottverlassenen Dorf im tiefsten Mesopotamien. Einer der jüngeren Rekruten stammte aus der Gegend, er hatte mit dem Dorfvorsteher in einem schier unverständlichen Dialekt lange palavert, so waren sie zu einem Arrangement gekommen. Sie hatten nicht marodiert, und sich mitsamt der Pferde einfach in einer grossen Scheune einquartiert.
Durch die groben Bretterwände drang das Licht in den weiten, halbdunklen Innenraum, es malte schmale Streifen auf den strohbedeckten Boden, und strahlte die Staubkörnchen an, die langsam durch die Luft schwebten. Auf einer Decke ausgestreckt lag Avíl im Sterben, er murmelte leise vor sich hin, sah hin und wieder mit weitaufgerissenen Augen um sich. Ein Freund kühlte ihm die schweissige Stirn und redete ihm gut zu, der Rest der Rotte wartete, ruhte sich aus nach dem harten Ritt. Ein paar schliefen, auf dem Boden ausgestreckt, die Köpfe auf den Satteltaschen. Die Pferde standen im hinteren Teil, zermahlten das Stroh mit den Zähnen und schlugen träge mit den Schweifen. Eine Fliege surrte um Xvásak herum, ein lästiges, hartnäckiges Ding. Er zog den Dolch aus dem Gürtel und begann sich einen runzeligen Maschansker (noch aus Edessa) zu schälen, löste spiralförmig die Schale von der Frucht, sah immer mal wieder zwischen den Brettern hindurch hinaus. Sein Bruder war im Dorf unterwegs, wollte was zu essen auftreiben, ausserdem hatte er die Trossjungen ausgeschickt, die nach Verfolgern Ausschau halten sollten. Und einer von denen kam jetzt angelaufen, brach aufgeregt in die Ruhe in der Scheune hinein.
"Savaran Salar, es kommt etwas!", sprudelte der Junge schnell hervor, "Die Bauern kommen vom Feld gelaufen, ich habe eine Staubwolke gesehen und Eisen in der Sonne glänzen!"
"Auf Männer, zu den Waffen!", kommandierte Xvásak auf der Stelle, und winkte dem Jungen ihn die Schnallen des Panzerhemdes zu schliessen. "Ihr sattelt die Pferde, Du berichtest meinen Bruder, ihr geht raus und späht die Lage aus! Auf, los!"
Ob der Satrap sie noch weiter verfolgen liess? Wäre ganz schön unversöhnlich. Sie mussten auf jeden Fall wissen was sich da näherte, um zu entscheiden ob das Heil wiederum in einer schnellen Verabschiedung lag - oder ob sich da vielleicht ein lohnendes Ziel bot.