Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    "Ah ja. Ich sehe, die Angelegenheit ist bei dir in guten Händen, Tribun." Ich war froh, dass ich mir diese Sandale nicht auch noch anziehen mußte, ich hatte auch so genug zu tun.


    "Der zweite Punkt, der mich zu dir führt: ich möchte fünf von deinen Stadtsoldaten die Ehre zuteil werden lassen, in der kaiserlichen Garde zu dienen. Und zwar handelt es sich um diese Männer."
    Ich schob ihm eine Tabula rüber, auf der stand:



    Optio M. Cantilius Globulcis
    Miles C. Mindius Geminus
    Miles M. Calventius Cicero
    Miles S. Decius Vindullus
    Miles A. Iunius Avianus


    Die Männer auf der Liste waren unseren Ausbildern allesamt als ausgezeichnete und verlässliche Soldaten ins Auge gesprungen, und durch die ausgesandten Vexillationes hatten wir doch leider die ein oder andere Lücke zu füllen. Was den Iunier anging... hatte es mich sehr überrascht, beim Blick in die Akte zu erfahren, dass sein Vater niemand anderes als mein alter Kamerad Lucullus war (ich sollte wirklich mal an seinem Grab vorbeischauen......), darum drückte ich bei dieser Anforderung ein Auge zu:
    "Der letzte ist, soweit ich weiß, noch nicht formell in diesen Rang erhoben worden, aber dem kannst du ja sicherlich schnell Abhilfe schaffen."
    Wir konnten schließlich niemandem im Rang eines Rekruten aufnehmen. Wie hätte das denn ausgesehen.

    "Eines noch, Imperator. Kriegswichtige Schreiben sollten in Zukunft wirklich ausschließlich von den Kurieren der Equites singulares überbracht werden. Meine Männer sind schneller, verlässlicher und vertrauenswürdiger als jeder andere Bote. " Das war natürlich eine Binsenweisheit, und es war mir echt unangenehm, dem Kaiser gegenüber etwas so selbstverständliches extra zu erwähnen, aber erstaunlicherweise hatten sich in der Vergangenheit nicht nur einmal kaiserliche Briefe zum Cursus Publicus verirrt.
    "Hinzu kommt, dass dem Cursus Publicus nicht zu trauen ist. Im Augenblick taugt er höchstens noch dazu, Fehlinformationen an den Feind zu streuen." Ich wollte keine Namen nennen, aber wenn ich an das äusserst dubiose Gespräch zurückdachte, in das mich Germanicus Avarus zu verwickeln versucht hatte, dann hätte ich schwören können, dass der Mann meiner Tante gewaltig Dreck am Stecken hatte.

    @ Vala - Danke fürs Trennen, das ist wirklich eine ganz andere Frage.


    Dass man es nie allen rechtmachen kann, stimmt wohl, aber dass Spieler über die Handlungen ihrer IDs frei entscheiden können sollten, und damit auch die Geschichten um sich herum gestalten können sollten, ist, jedenfalls meiner Überzeugung nach, die Grundvorraussetzung für "Rollenspiel". Ich denke, man kann als Spielleiter Geschichten auch vorantreiben, also auf ihre "Form" einwirken, ohne den Inhalt festzuschreiben.
    Ja... "Augen zu und durch" ist wohl das einzige was jetzt noch funktioniert.


    Lupus - Dinge, die so viele angehen, können meiner Meinung nach ruhig öffentlich besprochen werden.

    Im Morgengrauen verließen wir die Castra und marschierten durch die erwachende Stadt auf das Marsfeld. Die Zeit der Vorbereitungen war vorbei, und auch die des Haderns, jetzt hieß es beherzt handeln und stur seine Soldatenpflicht tun. Vor der Saepta Iulia war aus großen Rasensoden ein Feldaltar aufgeschichtet und geschmückt. Denn natürlich mußten wir uns erst einmal des Beistandes der Götter versichern, und hier war zum einen genug Platz, um das vor den Augen aller Soldaten tun, zum anderen war das Feld des Mars schon dem Namen nach dafür prädestiniert. Ausserdem konnten so auch die Bewohner der Stadt, für deren Schutz wir in diesen verdammten Bruderkrieg zogen, dabeisein, sehen, was sie an uns hatten, und uns verabschieden.
    Die Opfertiere waren mit allersorgfältigster Sorgfalt ausgesucht worden, und den Priestern hatte ich im Vorfeld die allerkostbarsten Geschenke zukommen lassen. Schließlich wollte ich gute Omen.
    Centurie für Centurie, Cohorte für Cohorte, Turma für Turma, nahmen die Männer der Garde Aufstellung, mit der üblichen perfekten Präzision, auf die ich jedes Mal stolz war. Ich selbst ritt wieder meinen wunderschönen schneeweißen hispanischen Hengst, der mich schon zur Amtseinführung getragen hatte. (Später würde ich ihn dann gegen ein schlachterprobtes und weniger hübsches Ross eintauschen.) Aber anders als an jenem Freudentag, trugen die Männer heute keine Paraderüstungen, sondern die gewöhnlichen Harnische, und jeder hatte bereits sein Marschgepäck dabei.

    "Salve alter Freund..." Um mich ragten die verwitterten Fassaden der alten Grabmäler in einen Himmel, der ebenso trübe war wie mein Gemüt. 'Appius Iunius Lucullus' stand eingemeißelt in der Mamorplatte vor mir. 'Er diente dem Imperium als Legionär der Legio I Traiana und fiel in Parthia.' Zu Lebzeiten hatte er von seiner Familie nicht viel gehalten, aber jetzt war er inmitten seiner Verwandten beigesetzt. Feuchter Dunst hing zwischen den Steinen, blass wie ein Leichentuch. Ich schauderte, zog die wollene Paenula enger um mich, und sprach leise, beklommen:
    "Ich bins, Faustus. Hier, ich habe dir etwas mitgebracht..."
    Meine Sklaven warteten ausser Hörweite drüben an der Straße. Ich trug die Opfergaben selbst, Milch, etwas Olivenöl, ein Krug bester Mulsum. Langsam vergoß ich sie, nach und nach sickerten sie in den dunklen Boden.
    "Ach Lucullus! Ich hoffe es geht dir gut, da drüben auf der... anderen Seite. Ich kann jetzt übrigens eher verstehn, warum du so ungern 'Roma Victrix' gerufen hast. - Es ist so, morgen rücken wir aus, und ich... hab ein ganz mieses Gefühl. Das kann ich aber niemandem sagen, weil... die einen würden sich nur mehr Sorgen machen, und bei den anderen wäre es schädlich für die Moral. Also, entschuldige, dass ich dich so vollquatsche, aber... du kennst mich ja. - Noch etwas Mulsum?"
    Ich nahm selbst einen Schluck, vergoss den Rest für den Toten. Erinnerungen stiegen auf, an sorglose, im Nachhinein sicher verklärte, Momente, und an die Schlacht, und daran, wie wir um seinen Scheiterhaufen herumgestanden hatten.
    Finsternis deckt nun Dein Antlitz, mein Freund, und der Sterne Gezweig, /
    Da wir um Dich stehen, am Abend, dunkel die Herzen vor Trauer...


    Würgend legte sich die alte Trauer um meine Kehle. Das war der Grund, warum ich es so lange vor mir hergeschoben hatte, hierherzukommen, das und eine vage Schuld, die ich gegenüber Lucullus und all den anderen empfand - Warum ihr und nicht ich? Dabei war das mit Parthien alles schon so lange her. Lucullus, mein großer Kamerad und Beschützer, war mir unheimlich reif und erwachsen vorgekommen, jetzt war ich selbst viel älter als er damals bei seinem Tod. Ich seufzte und schilderte ihm mein Leid.
    "Du mußt wissen... Ich diene einem Kaiser, der... kein guter Kaiser ist. Aber er ist nun mal der Kaiser, und sein Gegner ist noch viel schlimmer: er hat Valerianus ermordet. Und jetzt hat sich sogar unsere alte Legion auf dessen Seite geschlagen. Bona Dea, Lucullus, ich weiß echt nicht ob ich das kann, gegen die alten Kameraden zu kämpfen, Marcus Licinus, Optio Priscus...." Ich schluckte schwer, strich mir fahrig die Haare zurück. "Aber ich muß, ich meine, sie haben sich schließlich gegen Rom gewandt... Ich wünschte - aber das sag ich nur dir, denn ich weiß du verstehst mich, (und deine Verschwiegenheit steht ja auch ausser Frage) - ich wünschte, ich könnte einfach abhauen, weit weg, dem ganzen Scheiß den Rücken zukehren...!! Aber ich kann meine Männer nicht im Stich lassen, und die Familie und die Pflicht, Honor et Fortitudo, blabla... verstehst du mein Dilemma, ja?"
    Ich war mir sicher, er verstand. Eine Zeitlang blieb ich vor dem Grabmal auf einem Stein sitzen und starrte blicklos auf die Inschrift. Dann erhob ich mich. "Also, ich muß dann mal wieder, danke fürs zuhören. Bis dann. Vale!"
    Ich wandte mich ab, und ging schweren Schrittes zur Straße zurück. Morgen früh ging es los.

    Ach, das mußte der Grund für den Lärm im Atrium eben gewesen sein.
    - "Das war sicher nicht leicht." bemerkte ich anerkennend, als er vom Getreide erzählte. Zur Zeit sass doch jeder auf seinen Vorräten wie eine Glucke auf den Eiern. A propos Hühner... "Ich werde in den kommenden Tagen auch noch mal da hin müssen..." sagte ich, halb zu mir selbst, dann horchte ich auf.
    Varenus war wirklich vollkommen aus der Art geschlagen. Ich runzelte die Stirn und erinnerte mich an die unsäglichen Streitereinen mit meiner Mutter, damals, als ich mich noch mit Händen und Füßen dagegen gesträubt hatte, die Familientradition weiterzuführen. Und nun hatte mein Neffe aus dem entgegengesetzten Grund das gleiche Problem. Armer Caius!
    Icarion massierte währenddessen ganz unaufdringlich weiter.
    "Hm." machte ich, lehnte den Kopf zurück in diese segensreichen Hände, und fasste meinen Neffen, ihn meine Nase entlang anvisierend, forschend ins Auge. Wollte doch mal wissen, wie ernst es ihm damit war. "Und warum willst du zur Legio?"

    Und der Marschbefehl ließ nicht lange auf sich warten:


    Ad
    Cohortes Praetoriae



    Hiermit erteile ich den Cohortes Praetoriae den sofortigen Marschbefehl, um als Unterstützung zum Heer des Laberius Maturus zu stoßen. Die Cohortes Urbanae und die Infanterie der Classis Misenensis wird in Rom zurückbleiben, um eventuelle Volksaufstände wegen der Getreideknappheit niederzuschlagen und um zur besonderen Verfügung zu stehen.


    Die Cohortes Praetoriae werden für die Dauer der Schlacht dem Kommando des Laberius Maturus unterstellt!


    Ich erwarte, dass meine Leibgarde ihren Dienst tut und alles daran setzt, die Rebellion gegen den legitimen Imperator Caesar Augustus niederzuwerfen und die Aufständischen zu bestrafen!




    Ich knirschte mit den Zähnen, erzürnt darüber dass ich - ich, Praefectus Praetorio!! – erstens nicht zum Kriegsrat des Kaisers gerufen worden war, und zweitens mich und meine Männer dem Laberius unterstellen sollte! Und drittens weil der Kaiser taub war und blieb gegen meinen Rat, die Soldaten selbst ins Feld zu führen. Dabei wußte doch jeder Depp, der die Academia Militaris bis zum dritten Examen absolviert hatte, was für einen enormen Effekt er damit verspielte!


    Tja. Befehl war Befehl. Ich lockerte meinen Kiefer, packte Zorn und Resignation in die Kiste meiner privaten Befindlichkeiten, die den Dienst nicht beeinträchtigen durften, sandte reichlich Späher los und gab den Befehl aus: Morgen in aller Frühe alle Mann mit Marschgepäck antreten auf dem Campus, dann Zug zum Marsfeld; dort, das durfte ja nicht fehlen, würde es die angemessene Opferzeremonie geben; und dann begann der Marsch in den Norden...


    >>

    Es gab so viel zu regeln... Und so war ich, gefolgt von meinen Leibwächtern, an einem dieser Tage, in denen der baldige Aufbruch schon in der Luft lag, noch hastig nach Ostia geritten, und hatte ein langes und ernstes Gespräch mit dem Verwalter geführt. Es war ein kühler Tag, windig, der Himmel hing regenschwer über dem vergilbten Röhricht, und ich beschloß ob des schlechten Wetters erst am nächsten Morgen zurückzureiten. Gegen Abend zündeten die Bediensteten ein Feuer in dem großen Kamin in der Wohnstube an. Atta und Telysa, unser Verwalter und seine Frau, beide Freigelassene und beide schon betagt, zogen sich früh zurück. Ich saß da, an dem blanken Holztisch, die Wärme des Feuers im Rücken, lauschte dem Kistern der Flammen und dem Raunen des Schilfs da draussen. Eine große Erschöpfung erfüllte meine Glieder und mein Gemüt, aber zugleich fühlte ich mich rastlos getrieben. Und... einsam.
    Ob ich vielleicht mal bei Dives vorbeischauen sollte...? Er wohnte doch gar nicht weit weg... Nein, sagte ich mir, besser nicht, es war ja so schon kompliziert genug mit Manius, auch ohne dass ich ihn hinterging.
    Aber ich könnte ihm ja mal schreiben. Dives. Es wäre doch sehr schnöde, ihm nicht zu schreiben, nachdem er mir so... höflich? dreist? sehnsüchtig? geschrieben hatte. Am Equus October.
    Also nahm ich mir Schreibzeug zur Hand. Ich könnte ihm ja etwas dichten, dachte ich mir, etwas schönes, er hatte doch einen Sinn dafür. Aber zu persönlich sollte es auch nicht sein, sonst verstand er es todsicher falsch. So saß ich da, die Feder in der Hand, und starrte auf die grob verputzte Wand des Bauernhauses, kapitulierte schließlich vor dieser unmöglichen Gratwanderung.
    Statt dessen trieben Fetzen eines halbvergessenen Traumes durch meinen Geist. Ich schauderte trotz der Wärme des Feuers und schrieb dann etwas vollkommen zweckloses, vollkommen trübes, und vollkommen anderes, als ich es eigentlich vorgehabt hatte.


    Es zog ein Nebel auf von Niedertracht und Trug,
    Drang klamm durch jeden Spalt in jedes Haus.
    Still! Dämpft die Stimmen. Wer sich duckt ist klug.
    Erstickt die Flammen, löscht die Lichter aus...


    Und in den leeren Straßen geh ich frierend,
    Es weht der Keren böses Heulen mit dem Wind -
    Des Krieges grause Töchter, nach dem Blute gierend,
    In dieser Schwärze, die kein Mond, kein Stern durchdringt.


    Da stehn am Wegesrand der alten Freunde fahle Schatten,
    Gefallen jenseits des Euphrates und in Nubiens Sand.
    So jung die Züge derer, die kein Leben hatten,
    Aschgrau die Augen. Leere, die die Furcht gesandt,


    So tief in meine Glieder. Mich erfasst ein Grauen...





    ACH! - Abgeschmackt, Zeitverschwendung, eines Soldaten nicht würdig. Ich ließ die Feder beinahe angewidert fallen, knüllte das Papyrus zusammen und vergrub das Gesicht in den Händen. Einfach nicht drüber nachdenken, alles andere machte es nur noch schlimmer.


    Nach einer Weile stand ich auf, streckte mich, und öffnete die Türe.
    "Lupus!" rief ich nach draussen, in Richtung Gesindestube. "Lupus, komm mal rüber!"
    Darauf ging ich zum Feuer, fuhr mir fahrig über die Brauen, hob dann meine Hände und betrachtete durch die gespreizten Finger hindurch die rote Glut.


    Entspannung war es, was ich dringend brauchte! Warmes Wasser und einen willigen Körper. So begab ich mich, zusammen mit meinem schönen neuen Icarion ins Balneum. Allerdings war ich nicht der einzige, der auf diese Idee gekommen war.
    "Salve Caius." grüßte ich meinen ... Neffen. (Neffen! Bona Dea, ich fühlte mich gleich zehn Jahre älter...) "Wie geht's? Was macht das Gehöft?"
    Ich zog mir meine Tunika über den Kopf und stieg ins Wasser, tauschte unter, setzte mich dann auf eine Stufe am Rande. Auch Icarion ließ die Hüllen fallen und ich sah wieder mal bestätigt, dass er wirklich jeden einzelnen Aureus wert war. Er umrundete das Becken, benetzte sich die Hände mit Duftöl und begann feinfühlig, meinen armen verspannten Nacken zu liebkosen.

    .... erreichte ich, wie immer gefolgt von meinen Leibwächtern, das Haus der Vestalinnen. Ich instruierte Arkadios (vor allem schärfte ich ihm ein, dass auf keinen Fall reingehen durfte), dann schickte ihn vor.
    Er klopfte, und als ihm aufgetan wurde meldete er: "Der Gardepräfekt Decimus Serapio. Er wünscht seine Nichte, die vestalische Jungfrau Decima Messalina zu sprechen."

    "Ich danke dir!" erwiderte ich, erleichtert dass wir das so sachlich über die Bühne bringen konnten. "Die wichtigen sind im Tablinum in der hinteren Truhe eingeschlossen, der ganze Rest ist in meinem Officium... Ravdushara kümmert sich darum, er hat mir in den letzten Monaten unheimlich geholfen mit dem ganzen Kram. Ich lasse ihn dir hier, dann kann er dir zeigen wo was ist, und überhaupt ist er da gut im Bilde."
    Besser als ich, ich hatte zwar den Familiensinn für die Landwirtschaft, aber ich hasste so Listen und Zahlen und Kalkulationen, und solange ich nur genug Geld zum Feiern und für meine extravaganten Spielzeuge hatte, überließ ich diesen anstrengenden Part liebend gerne anderen.


    "Ähm ja..." Ich nahm mir das Dokument und ging die Liste durch. "In Hispania läuft alles wie immer, und das Korn, das wir hierher verschiffen, erreicht Rekordpreise. Wir haben ein rentables kleines Arrangement mit dem Hafenmeister Gallonius in Portus, solange wir für den Weg den Tiber hinauf nur die Frachtkähne von 'Dillius et filii' nutzen, das ist sein Schwager. - In Cosentia allerdings gab es im Sommer ein Reblaus-Problem... Nur an den Blättern zum Glück im Unglück, aber der Jahrgang wird wohl leider nicht so berauschend. Das Ostia-Gehöft habe ich im Augenblick rein für die Versorgung unseres Haushaltes eingeplant. Ich muß da sowieso nochmal hin, dann sag ich gleich, dass sie ab jetzt dir berichten sollen."
    Ich überlegte, wollte nichts wichtiges vergessen. "Das Stadthaus ist ja wieder vollbesetzt, naja, kein Wunder bei der Lage. Die Vorräte habe ich aber frühzeitig aufstocken lassen, die reichen noch lange. Das haben Rhea und Pontia im Blick. Ähm.... um das Albaner Gut kümmerst du dich ja eh schon, wichtig ist, dass die Vorratsspeicher jetzt besonders gut bewacht werden. - Falls..." Unbehaglich stützte ich den Kopf in die Hand, rieb mir über den Schmiss, verzog das Gesicht. "...falls es hier irgendwelche größeren Unruhen geben sollte, Plünderungen... oder so... geh nicht aufs Land. Auf keinen Fall! Im Umland treiben jetzt schon Banden ihr Unwesen, und ausserdem würde dort zuallererst requiriert. Falls... dann geh lieber still und leise in eines der Ianiculum-Häuser, da ist so ein Kommen und Gehen, da fallen Fremde eh nicht auf. Es ist zwar unkomfortabel, aber für eine gewisse Zeit sicher auszuhalten, falls... hm ja, soviel dazu. Ich weiß ja nicht was dein Mann für Vorkehrungen getroffen hat. - Hast du noch Fragen?"

    [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara


    Damit war die Sache klar. Ravdushara erwiderte mit nichtssagender Miene den Blick Decimus Massas, und schwieg. Es waren ja wohl eher rhetorische Fragen, kein Grund den Herrn noch mehr zu reizen. Im Grunde fand Ravdushara dieses Familiendrama eher... komisch, die beiden erbitterten Streithähne, das naive Mädchen, er hätte sich über diese Irrungen und Wirrungen herrlich amüsieren können, wenn, ja wenn er nicht in diese undankbare Position mittendrin im Geschehen gestoßen worden wäre. Und selbstverständlich endete sein Auftrag nicht hier, da hatte der Centurio ganz recht. Ein vages Schmunzeln huschte über sein Gesicht bei der Vorstellung wie sein Herr explodieren würde, wenn er, Ravdushara, in die Casa Decima zurückkehrte und berichtete: 'Sorge dich nicht Herr, deine Cousine ist sicher in Obhut Decimus Massas.'


    Schon war der Centurio verschwunden, und Ravdushara wurde hinausgebracht.
    "Er hat sie hier irgendwo versteckt." informierte er die beiden Costodes, die gelangweilt mit den Pferden auf ihn gewartet hatten. "Habt ihr irgendeine Frau ins Lager gehen sehen?"
    Das war nicht der Fall. Und während der Nabatäer noch über das weitere Vorgehen sinnierte, (den Calo bestechen?) spuckte das Lager einen Reiter aus.
    "Hinterher!" flüsterte Ravdushara aufgeregt. "Verfolgt ihn! Aber unauffällig!"
    Und so hefteten sich die beiden an die Fersen des Centurios, während Ravdushara in größerem Abstand hinterherzuckelte. Im Inneren der Stadt verloren sie ihr Ziel dann leider irgendwann aus den Augen. Und so kamen die armen Sklaven doch nicht darum herum, stundenlang durch die Straßen zu streifen, überall herumzufragen, um mit Hilfe des ein oder anderen Bakschisch' Stück für Stück die Fährte der Verschollenen aufzunehmen....



    Natürlich hatte meine kluge Schwester sich dazu schon Gedanken gemacht. Ich erwiderte ihr trauriges Lächeln, und auch wenn wir beide nicht in lautes Wehklagen ausbrachen, es war ein schrecklicher Augenblick, es brach mir das Herz sie wieder einmal alleine lassen zu müssen, und ich dachte: Und wenn das eines der letzten Male ist, wo wir so beisammen sitzen.... Ich schob den Gedanken energisch beiseite, es blieb eine dumpfe Beklemmung.
    "Ja mach ich, ich versprechs dir."
    Ich trank schnell noch einen großen Schluck. "Die Chancen sind gut. Wir sind den Rebellen an Zahl überlegen, und ihr "Feldherr" Annaeus ist ein Bürokrat ohne Kriegserfahrung. Ich weiß noch, als ich in Mantua Optio war, da hat er sein Tribunat absolviert, er hatte einen Pfau als Haustier dabei und war das Gespött der gesamten Legion..."
    Trotzdem hatte ich ein ganz mieses Gefühl. Die Vorstellung, gegen meine Kameraden von damals kämpfen zu müssen, war unerträglich. Und es konnte immer was schiefgehen.


    "Aber genug davon! Ich wollte dich noch um was bitten. Und zwar, wenn ich jetzt wieder unterwegs bin, und ich weiß ja noch nicht wie lange sich das hinzieht und so, könntest du dann bitte in der Zeit die Verwaltung des gesamten Familienbesitzes übernehmen? Sonst läuft ja alles aus dem Ruder, wenn ich das nicht kontrollieren kann, und die Verwalter wirtschaften nur noch in die eigene Tasche..." Natürlich war es auch eine Vorsichtsmaßnahme falls mir etwas passieren würde, oder, Fortuna bewahre, wir unterliegen sollten, aber das mochte ich so nicht aussprechen.
    "Ich hab hier was vorbereitet..." Dabei kramte ich in meiner Ledertasche, zog dann ein Pergament hervor, auf dem geschrieben stand, dass alle meine Ländereien, bis auf bescheidene 100 Heredia hispanischer Olivenhain, mit dem heutigen Tag in den Besitz meiner Schwester übergingen. Mein Name und Siegel waren schon daruntergesetzt, Seiana mußte nur noch ihre hinzufügen.
    "Können wir das so machen?"

    Was für ein kitschiger, blutrünstiger Spruch war denn das?... und so merkwürdig!! Irgendwie deplaziert. (Man könnte auch sagen: Er passte nicht in unsere Zeit.)


    Ich überließ den Gefangenen seinem kindischen Trotz. Die Türe schwang mit einem tiefen, vertrauenserweckenden Knarren zu, der Riegel wurde vorgelegt. Ich gab dem Kerkermeister noch ein paar Anweisungen – vor allem sollte der Gefangene weiter strengstens isoliert bleiben. Erfahrungsgemäß brach das mit der Zeit einen jeden, irgendwann sehnte die menschliche Natur sich eben so schmerzlich danach, der vernichtenden Einsamkeit zu entrinnen, dass sie auch mit dem verhaßtesten Gegenüber vorlieb nahm.
    Wie jedesmal wenn ich in den Verließen zu tun hatte, war ich heilfroh, danach wieder gehen zu können. Die Luft erschien mir auf einmal so rein, die Farben so köstlich und der Himmel so weit. Nur das Mißtrauen gegenüber Manius... das nagte, keineswegs besänftigt, immer weiter.

    "Jawohl." Ich machte mir eine Notiz, denn so langsam wurde es schwer, meine mannigfaltigen Aufträge allesamt im Kopf zu behalten. Und für meine Schwester würde es immer schwerer werden, nicht deutlich Stellung zu beziehen.
    "Gerade jetzt wäre es sicherlich von Vorteil, zu den kommenden Ludi Plebei Spiele abzuhalten und Brot zu verteilen. Es wäre ein wirkungsvolles Signal an die Öffentlichkeit, dass die Lage weitgehend unter Kontrolle ist und kein Grund zur Sorge oder gar zum Aufruhr besteht."


    Hispania und Südgallien, das konnte dauern.
    "Hm. Dann ist es klüger wenn wir getrennt marschieren, um keine Zeit zu verlieren."
    Resigniert dachte ich an die tapferen Männer der Vexillationes, die ich in die Alpen geschickt hatte, um uns Zeit zu erkaufen. Ich hatte keine Nachricht mehr von ihnen erhalten.
    "Wie macht sich dein Adjutant?" fragte ich dann beiläufig, oder bessergesagt, ich wollte es beiläufig fragen, es klang aber eher spitz.


    Bot er mir da gerade tatsächlich Wasser an? Ich hatte mich heute schon gewaschen.
    "Nein danke."
    Seine Antwort war äusserst vage, darum wiederholte ich meine Frage mit deutlicherer Betonung:
    "Und was genau habt ihr herausgefunden, was liegt konkret gegen sie vor, welche Indizien, welche Beweise? Und ist bereits Anklage erhoben worden?"

    Sie umbringen sobald ich die Beweise hatte?
    "Du würdest das also so machen, ja?" antworte ich süffisant, hielt ihren Arm weiterhin umfasst. "Bring mich nicht auf Ideen, Aurelia!"
    Wahrscheinlich hatte sie recht und es war der logische Weg. Anständig zu sein rächte sich doch immerzu. Harpie!
    Endlich ein Name. Tilla. Ich nickte zögernd. Das klang nach einem gar nicht so dummen Kompromiss. Andererseits versuchte sie sicherlich, mich wieder übers Ohr zu hauen, wahrscheinlich war es besser wenn ich das Wissen direkt aus jener Tilla herauspresste.
    "Ja... das können wir machen." stimmte ich argwöhnisch zu. Ich ließ ihren Arm los und ging zur Türe, öffete sie und rief zum Atrium rüber:
    "Bringt mir die Sklavin Tilla!"


    Worauf ich die Frau gleich wieder scharf ins Auge fasste, als wäre sie eine Giftschlange, die jeden Augenblick losschnellen könnte.
    Eine Garantie wollte sie. Ich schnaubte spöttisch. "Du verkennst noch immer deine Lage, Aurelia. Für mich geht es um einen angekratzten Ruf, für dich geht es um..." Ich musterte sie mit eisiger Miene von oben bis unten. Wenn sie mich schon für einen kaltblütigen Frauenmörder hielt um so besser. "...weitaus mehr."
    Ich könnte sie natürlich unter Hausarrest stellen, damit hätte ich den Befehl des Kaisers noch immer so halbwegs ausgeführt. Aber die Bewachung band viele Männer, und sie wäre damit längst nicht so sicher wie in der Castra verwahrt.
    "Du glaubst nicht wirklich, dass du ohne Gegenleistung um den Carcer herumkommst, oder? Du hast meine Briefe gestohlen, Briefe, die nur für die Augen eines einzigen anderen Menschen bestimmt waren! Ich will sie zurück!! Und zwar... werde ich dich hier in der Villa wohnen lassen, unter meinem Schutz, und Bewachung, versteht sich... solange du mir jede Woche einen meiner Briefe zurückgibst."
    Dann verstummte ich, denn vom Atrium her näherte sich der Hall von Caligae.