"Salve alter Freund..." Um mich ragten die verwitterten Fassaden der alten Grabmäler in einen Himmel, der ebenso trübe war wie mein Gemüt. 'Appius Iunius Lucullus' stand eingemeißelt in der Mamorplatte vor mir. 'Er diente dem Imperium als Legionär der Legio I Traiana und fiel in Parthia.' Zu Lebzeiten hatte er von seiner Familie nicht viel gehalten, aber jetzt war er inmitten seiner Verwandten beigesetzt. Feuchter Dunst hing zwischen den Steinen, blass wie ein Leichentuch. Ich schauderte, zog die wollene Paenula enger um mich, und sprach leise, beklommen:
"Ich bins, Faustus. Hier, ich habe dir etwas mitgebracht..."
Meine Sklaven warteten ausser Hörweite drüben an der Straße. Ich trug die Opfergaben selbst, Milch, etwas Olivenöl, ein Krug bester Mulsum. Langsam vergoß ich sie, nach und nach sickerten sie in den dunklen Boden.
"Ach Lucullus! Ich hoffe es geht dir gut, da drüben auf der... anderen Seite. Ich kann jetzt übrigens eher verstehn, warum du so ungern 'Roma Victrix' gerufen hast. - Es ist so, morgen rücken wir aus, und ich... hab ein ganz mieses Gefühl. Das kann ich aber niemandem sagen, weil... die einen würden sich nur mehr Sorgen machen, und bei den anderen wäre es schädlich für die Moral. Also, entschuldige, dass ich dich so vollquatsche, aber... du kennst mich ja. - Noch etwas Mulsum?"
Ich nahm selbst einen Schluck, vergoss den Rest für den Toten. Erinnerungen stiegen auf, an sorglose, im Nachhinein sicher verklärte, Momente, und an die Schlacht, und daran, wie wir um seinen Scheiterhaufen herumgestanden hatten.
Finsternis deckt nun Dein Antlitz, mein Freund, und der Sterne Gezweig, /
Da wir um Dich stehen, am Abend, dunkel die Herzen vor Trauer...
Würgend legte sich die alte Trauer um meine Kehle. Das war der Grund, warum ich es so lange vor mir hergeschoben hatte, hierherzukommen, das und eine vage Schuld, die ich gegenüber Lucullus und all den anderen empfand - Warum ihr und nicht ich? Dabei war das mit Parthien alles schon so lange her. Lucullus, mein großer Kamerad und Beschützer, war mir unheimlich reif und erwachsen vorgekommen, jetzt war ich selbst viel älter als er damals bei seinem Tod. Ich seufzte und schilderte ihm mein Leid.
"Du mußt wissen... Ich diene einem Kaiser, der... kein guter Kaiser ist. Aber er ist nun mal der Kaiser, und sein Gegner ist noch viel schlimmer: er hat Valerianus ermordet. Und jetzt hat sich sogar unsere alte Legion auf dessen Seite geschlagen. Bona Dea, Lucullus, ich weiß echt nicht ob ich das kann, gegen die alten Kameraden zu kämpfen, Marcus Licinus, Optio Priscus...." Ich schluckte schwer, strich mir fahrig die Haare zurück. "Aber ich muß, ich meine, sie haben sich schließlich gegen Rom gewandt... Ich wünschte - aber das sag ich nur dir, denn ich weiß du verstehst mich, (und deine Verschwiegenheit steht ja auch ausser Frage) - ich wünschte, ich könnte einfach abhauen, weit weg, dem ganzen Scheiß den Rücken zukehren...!! Aber ich kann meine Männer nicht im Stich lassen, und die Familie und die Pflicht, Honor et Fortitudo, blabla... verstehst du mein Dilemma, ja?"
Ich war mir sicher, er verstand. Eine Zeitlang blieb ich vor dem Grabmal auf einem Stein sitzen und starrte blicklos auf die Inschrift. Dann erhob ich mich. "Also, ich muß dann mal wieder, danke fürs zuhören. Bis dann. Vale!"
Ich wandte mich ab, und ging schweren Schrittes zur Straße zurück. Morgen früh ging es los.