Beiträge von Aurelia Prisca

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    ..."Schwöre mir bei deinen Ahnen das mir nichts passiert und ich das hier behalten kann und ich bringe dich unberührt hier raus. Die Alternative ist da draußen ungefähr zwei Dutzend aufgekratzte und betrunkene Legionäre die es nach rosa Fleisch giert."



    Prisca musste nicht lange darüber nachdenken, ob sie dem Alten einen Eid schwören wollte oder nicht. Die Betrunken vor dem Wagen und deren lautes Gegröle reichten da vollends aus, da musste er ihr nicht erst die Alternative vor Augen führen: Ich schwöre es dir bei der Ehre meiner Ahnen und auf Jupiters Stein! Du hast mein Wort. Du und dein Begleiter werdet es nicht bereuen, sofern ihr mich heil hier heraus bringt", bekräftigte Prisca ihr Versprechen nochmals mit einem flehentlichen Blick in seine Augen. Seine Absicht, sie hier tatsächlich heraus schaffen zu wollen, machten ihr den weißbärtigen Griesgram fast schon sympathisch. Aber nur fast! Jedoch hätte er genauso gut anders handeln können und sie einfach der Meute überlassen, sobald er den Schmuck in seinen Händen hatte. Aber gut, womöglich hatte der Name ihres Cousins einen doch so großen und respekteinflößenden Bekanntheitsgrad, dass keiner von den Soldaten sich so einfach mit ihm anlegen wollte. … Oder war es schlichtweg die Gier nach noch mehr Gold, die den Mann dazu trieben ihr zu helfen? Der Aurelia war dies letztendlich egal. Hauptsache er half ihr. Sollte er sie also ruhig als willkommene Gelegenheit betrachten, seine dürftige Pensionskasse nochmal ordentlich aufstocken zu können.


    Allerdings hatte Prisca so ein mulmiges Gefühl im Magen, dass der Alte und sein Begleiter am Ende den Betrunkenen nicht her werden könnten. Das änderte sich auch nicht, als die Kerle da draußen plötzlich anfingen, lauthals seinen Namen und anzügliche Bemerkungen aus zu rufen. Im Gegenteil, jetzt wurde ihr so richtig übel wie sie hörte, was die da draußen von ihm und ihr hier drinnen dachten. "Die … die scheinen dich ja richtig zu mögen. ..." Oh bitte bitte ihr Götter, macht, dass ihm niemand seine "Beute" streitig machen will, bemerkte Prisca dazu mit versagender Stimme, als sie stumm ein Gebet zum Himmel schickte und sich Schutz suchend hinter den Rücken des Mannes flüchtete. Ihre beiden Sklavinnen taten es ihr augenblicklich nach und zu Dritt drängten sie sich zitternd halb hinter dem Rücken des Alten zusammen - inständig darauf hoffend, dass dieser die Situation im Griff behalten würde.

    Langsam wanderte Priscas Augenbraue nach oben, während sie den Alten ungläubig (aber auch mit einem Funken Wut in den Augen) anfunkelte. Das gibt es doch nicht. Der machte sich glatt über mich lustig! Wäre die Angst vor dem, was die Männer mit ihr und ihren Sklavinnen anstellen könnten nicht so groß gewesen, hätte sie diesem vulgären Kerl sicherlich eine patzige Antwort zurück gegeben. Von wegen Cäsars Sohn, Herrscher der Welt, der mit dem Längeren pissen kann und mich, mich eine Aurelia, als billige lupa bezeichnet . Pah! … Caesarion Vulgaris Longus, oder mit wem habe ich die Ehre? Pass nur auf. Wenn ich meinem Cousin erzähle wie du mit seiner Cousine umgesprungen bist, wird er dir dein Teil eigenhändig abschneiden! Dann kannst du zu sehen, wie du künftig auf deine alten Tage pissen wirst Tja nur leider, ...leider musste sich Prisca diese, gedanklich so schön zurecht gelegte, Antwort wohl oder übel verkneifen, da sie den Alten auf keinen Fall provozieren wollte.


    Zumal sich der Jüngere durchaus zurück haltend ihr gegenüber verhielt und er mit seinem Bericht über das peinliche Versagen des Decimers, Prisca sogar kurzzeitig zum schmunzeln brachte: "Oh ja, ich hätte ebenfalls nur zu gerne sein dämliches Gesicht gesehen", nickte sie dem Mann beifällig nickend zu: "Das geschieht diesem Widerling Recht. Schade nur, dass das Geschoss das arme Tier und nicht seinen Reiter zerfetzt hat", fügte Prisca in einem Anflug von Genugtuung seufzend hinzu. Der Decimer war also gefangen genommen worden und damit hatten sich die Briefe, mit denen sie ihn hinsichtlich seiner homosexuellen Neigungen hatte erpressen wollen, wohl endgültig erledigt. Ebenso war die Gefahr, von dem Decimer wegen selbiger Briefe auf unschöne Weise beseitigt zu werden damit vorüber.


    Aufatmen konnte die Aurelia allerdings noch lange nicht. Schon waren Stimmen zu hören, die sich gröhlend und lauthals singend rasch dem Wagen näherten. "Ihr könnt mich meinetwegen halten wofür ihr wollt, ..., sagte Prisca deshalb schnell zu ihren beiden Entdeckern und machte zähneknirschend gute Miene zu der infamen Behauptung, sie wäre eine lupa: " Aber wenn ihr mich und meine Sklavinnen unbeschadet zu Aurelius Ursus bringt, so soll es Euer Schaden nicht sein. Versteht ihr? Hier nehmt das als Anzahlung …"Mit diesen Worten ließ Prisca den Dolch endgültig fallen um stattdessen nach einem Kästchen* zu greifen, welches direkt neben ihr auf einer Truhe stand. Dieses schob sie dem Älteren nun regelrecht in die Arme, gerade noch rechtzeitig ehe auch schon ein angetrunkener Kerl einen Weinschlauch in das Innere reichte und irgend etwas unverständliches daher faselte. Priscas Augen weiteten sich augenblicklich und angsterfüllt starrte sie auf die Türe und auf die Betrunkenen, die sich plötzlich um den Wagen herum scharten.


    *) In dem Kästchen selbst war nur ein kleiner Teil des Schmucks derAurelia enthalten, den sie hatte mitnehmen dürfen und darunter befanden sich auch die typischen aurelischen Insignien, in Form eines Löwenkopfanhängers an einer wertvollen Goldkette und der Siegelring ihres verstorbenen Onkels Marcus Aurelius Corvinus. Recht viel mehr an Wertsachen gab es im übrigen im Wagen nicht mehr zu finden, von den seidenen Gewändern und den edlen Düften mal abgesehen, die sich noch in den herum stehenden Truhen befanden.

    "Volltreffer ... Patrizierpack ... Lupas ... Bäuche aufschlitzen … In meinen Gedärmen stehen?" Prisca wurde übel, wie sie den Mann so reden hörte und alles um sie herum begann sich zu drehen. Der Alte machte ihr große Angst. Dazu sein fieses zufriedenes Grinsen. Was werden die jetzt mit uns machen..., schoss es ihr als nächstes durch den Kopf und der Blick fiel dabei auf den Dolch, den sie immer noch mit beiden Händen vor den Körper hielt und ihren Scarabäus Ring, in welchem ein kleiner Giftdorn verborgen war. Prisca wusste was sie zu tun hatte. Eigentlich. Wenn sie nur nicht so sehr an ihrem Leben hängen würde! Aber was wäre dieses Leben noch wert, wenn sie geschändet worden wäre? Sie und ihre beiden Sklavinnen, denn offensichtlich hielten die Beiden sie für Lupae, die zum Vergnügen der hohen Herren mitgereist waren. Das ist doch wohl ein schlechter Scherz?! Erkannten diese Banausen denn keine echte Patrizierin, selbst wenn sie in - zugegeben - etwas einfacher Gewandung, wenig Schminke und lose geflochtenem Haar vor ihnen stand? Offenbar nicht und das lag wohl daran, dass hier nicht Rom war sondern ein Kriegsschauplatz und sie in keiner noblen Villa standen, sondern in einem einfachen Reisewagen.


    Das alles entspannte die Situation nicht unbedingt und bei dem Gedanken daran, auf welche Gedanken die beiden Kerle kommen könnten, lief es der Aurelia eiskalt den Rücken herunter. Also lieber gleich den Freitod wählen, ehe sie am Ende doch von dem gladius eines alternden Legionärs aufgeschlitzt würde? Während Prisca noch mit sich haderte, sprach der Zweite und seine Worte machten zumindest ein wenig Hoffnung, dass sie womöglich ungeschoren davon kommen könnten. Mit einem knappen Nicken lenkte Prisca ein, aber den Dolch senkte sie dennoch nur zögerlich: "Ich werde euch keinen Ärger machen, wenn ihr versprecht, dass ihr mich und meine Sklavinnen in Ruhe lasst." Nur was wäre dieses Versprechen wert, selbst wenn die Kerle auf ihre Forderung eingingen? Herzlich wenig. Aber vielleicht hilft es ja, wenn ich gleich vorweg klar stellte mit wem sie es zu tun haben, überlegte Prisca weiter und fasste allen Mut zusammen, um wenigstens mit fester Stimme und erhobenen Hauptes weiter zu sprechen: "Ich bin im übrigen keine lupa, sondern Aurelia Prisca, die Cousine des Legaten Titus Aurelius Ursus. Falls ihr zu den Rebellen gehört, sollte euch dieser Name eigentlich etwas sagen ..."Ein fragender Blick - Oder etwa nicht? "Ich wurde von dem Anführer der Prätorianer hierher verschleppt und gefangen gehalten, aber wie es aussieht ist dieser Mistkerl Decimus Serapio endlich besiegt und hoffentlich längst tot", spie sie den verhassten Namen den beiden Soldaten regelrecht vor die Füße und in dieser Sekunde wich die Angst in Prisca sogar der erwartungsvollen Haltung, dass ihre Odyssee doch ein gutes Ende nehmen könnte ...

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    " ... Was haben wir denn da?"


    Zitternd und starr vor Schreck kauerte die Aurelia mit ihren Sklavinnen in der hintersten Ecke des Reisewagens und sie rechnete fest damit, dass ihr Leben jeden Moment ein jähes Ende nehmen würde. Doch keiner von ihren Bewachern ließ sich blicken, stattdessen deuteten alle Geräusche - die gedämpft ins Innere des Wagen drangen - darauf hin, dass die verbliebenen Wachen das Lager vielmehr fluchtartig verließen. Wäre das nicht die Gelegenheit gewesen, um sich unbemerkt davon zu schleichen? Nein! Ohne zu wissen wer oder was sie da draußen erwarten würde, wagte es die Aurelia nicht auch nur einen Fuß vor die Türe zu setzen. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als weiter zu warten und zu beten, dass die erhoffte Rettung bald nahen würde.


    In dem Augenblick jedoch, als die Türe aufgerissen wurde und eine Männerstimme in das Innere des Wagens schallte, wurde jede Hoffnung der Aurelia auf eine Rettung jäh zunichte gemacht. 'Was haben wir denn da?' Erschrocken kreischte Prisca auf und drängte sich noch enger mit ihren Sklavinnen zusammen als sie den bärtigen Mann in seiner vollen Rüstung im Türrahmen erblickte. Wie der erhoffte Retter aus der Not, den sie sich hoch und stolz zu Ross vorgestellt hatte, sah dieser Kerl nun wirklich nicht aus und egal, welche Absichten er auch verfolgen mochte, seine Frage trug nicht gerade dazu bei ihn als selbstlosen Samariter erscheinen zu lassen (und auch nicht der andere Mann, der soeben hinter ihm in den Wagen kletterte). Zumindest nicht auf den ersten Blick. Aber das lag wohl daran, dass Wirklichkeit und Wunschvorstellung eben meist weit auseinander lagen.


    "Nichts, was euch zu interessieren hätte!... , hörte sich Prisca in der nächsten Sekunde bereits zur Antwort geben, indem sie die Männer regelrecht anblaffte. Sie wusste nicht was in sie gefahren war und sie war sich fast sicher, dass sie die Beiden wohl kaum damit beeindrucken könnte, aber die ganze Situation wirkte plötzlich so unwirklich und bedrohlich - fast wie in einem Albtraum. "Geht weg! …. Lasst uns in Ruhe! …", schrie sie den Kerl an, den Blick aus glänzenden Augen heraus und starr vor Angst auf ihn gerichtet. Mit beiden Händen hielt sie den Dolch abwehrend vor sich und ihre beiden Sklavinnen, so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten und so zitternd, dass sie kaum fähig wäre mit diesem ernsthaften Schaden anzurichten …

    Die ansonsten aufmerksamkeitsverwöhnte Aurelia war ganz froh, dass man ihr im Lager der Prätorianer eher weniger bis gar keine Beachtung schenkte. Außer ihren beiden Bewachern kam niemand in ihre Nähe und umgekehrt durften sie und ihre beiden Sklavinnen den Reisewagen und das abgesperrte kleine Stückchen Land davor nicht verlassen. Die Nerven der Aurelia lagen dementsprechend blank und hinzu kam die große innere Anspannung angesichts der bevorstehenden Schlacht. Niemand wusste wie diese ausgehen würde und was anschließend weiter mit ihnen geschehen würde. Würden die Prätorianer siegreich daraus hervor gehen, so wäre ihr Leben wohl kaum mehr etwas wert, aber auch wenn die Rebellen gewinnen sollten blieb ungewiss, was weiter mit ihr und ihren beiden Sklavinnen geschehen würde...


    Der Tag der Schlacht kam und nach vielen Stunden erreichte endlich die Nachricht vom Sieg der Rebellen das Lager. Ein Grund zum auf atmen war dies jedoch noch lange nicht. Unter den verbliebenen Wachen und sonstigen Anwesenden im Lager der Prätorianer setzte hektisches Treiben ein. In dem Moment zog die Aurelia es vor, sich mit ihren beiden Sklavinnen in der hintersten Ecke des Reisewagens zu verstecken um dort (bewaffnet nur mit einem Dolch) zitternd und betend der Dinge zu harren, die nunmehr auf sie zukommen mochten …

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    Original von Faustus Decimus Serapio


    Dieser selbstgefällige Blick, den ihr der Decimer zum Schluss der "Verhandlungen" zu warf, … ein direkter Schlag ins Gesicht hätte schmerzhafter nicht sein können. Wie bitte?"Aber ... ", da blieb Prisca glatt jedes weitere Wort im Hals stecken. Hatten sie nicht eben erst eine Abmachung getroffen? Wenn ja, dann war diese in jener Sekunde den orcus hinunter gespült worden, von diesem … diesem:Arrrggghh!! Das hab ich nun davon. Wie konnte ich nur…??!! …so 'dumm' - 'naiv' - 'selbstsicher' - so was auch immer sein, die richtige Bezeichnung war in jedem Fall dabei. Priscas Mund klappte auf ohne, dass ein Ton über ihre Lippen kam und ihre Gesichtsfarbe erstrahlte in einem Weiß, dass sie mit keinem Blei der Welt besser hin bekommen hätte.


    Schon packten starke Soldatenhände die Aurelia links und rechts an den Armen und sie fühlte sich regelrecht von ihnen hoch gehoben. Einsperren, fesseln und knebeln?... Was glaubte dieser Kerl eigentlich wer er war? "Was fällt euch ein. Das hier ist immer noch mein Zuhause. Lasst mich sofort runter!", fauchte Prisca die beiden Soldaten wütend an, nachdem sie ihre Stimme endlich wieder gefunden hatte, aber außer einem süffisanten Grinsen konnte die Aurelia den beiden Soldaten keinerlei Reaktionen entlocken. Da half alles Strampeln und Zerren nichts, außer, dass der Decimer am Ende tatsächlich seine Genugtuung bekäme, sie bei seiner Rückkehr gefesselt und geknebelt auf dem Bett liegend vor zu finden: "Ihr verdammten Mistkerle, das werdet ihr noch bereuen. Ihr Alle! SO behandelt niemand ungestraft eine Aurelia …"

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    Original von Faustus Decimus Serapio
    ... Ausserdem stieß ein Reisewagen mit verhängten Fenstern zu uns, den ich von verschwiegenen Soldaten scharf bewachen ließ...


    Hatte sie tatsächlich geglaubt es könne nicht mehr schlimmer kommen? Hatte sie tatsächlich angenommen, mit dem auferlegten Hausarrest wäre sie bestens bedient? Welch ein fataler Irrtum. Denn es kam noch viel schlimmer - und völlig überraschend obendrein. Schlimmer konnte es jedenfalls in einem Verlies auch nicht sein, dachte Prisca während sie tagsüber stumm in diesem stickigen Reisewagen saß und den Blick durch ihre beiden Leibsklavinnen hindurch jenseits der hölzernen Wände schweifen ließ. Ihre äußerlich erscheinende Ruhe war trügerisch, denn in ihr brodelte es gewaltig und es verging keine Minute in der sie nicht den Decimer stumm dafür verfluchte, dass er es gewagt hatte sie zu "entführen" und sie sozusagen als Geisel mit in die Schlacht schleppte. Oh du hinterhältiger Mistkerl, wenn ich könnte würde ich dich erwürgen und dir Augen auskratzen, um sie dir sonst wo hin zu schieben … arrrggh Zum wiederholten Male ballte die Aurelia unbewusst ihre Hände und sie begann regelrecht zu zittern, um nur ja nicht loszuschreien und herum zu toben wie eine Furie.


    Das Schreien und Toben hatte sie bislang jedenfalls unterlassen, angesichts der Androhung von Fessel und Knebel. Nein, diese Schmach wollte sie nicht auch noch erdulden. Schlimm genug, dass hier in diesem engen Gefährt eingesperrt war, allein mit ihren beiden Sklavinnen, zwei Kisten Kleidung und dem Allernötigten zum Leben. Wenigstens hielten ihre persönlichen Bewacher etwas Abstand zu dem übrigen Tross und es wurde auch sonst dafür gesorgt, dass in den Marschpausen und über Nacht der Platz um den Wagen herum durch Decken und Fellen vor unliebsamen Gaffern geschützt wurde. So konnte die Aurelia dann wenigstens ungestört ein bisschen frische Luft schnuppern und ihrer üblichen Körperpflege nachgehen.


    Dazu gehörte auch das tägliche Bad in einem hölzernen Waschbottich, der eigens zu diesem Zweck mitgeführt wurde. Eigentlich war es ja unter ihrer Würde in ein so kleines und schäbiges Fass zu steigen, aber sie hatte keine Wahl. Da war es nur ein schwacher Trost, dass wenigstens das Wasser extra für sie temperiert wurde - nur eben an jenem vierten Tag nicht. Warum auch immer und wessen Schuld es war sei mal dahin gestellt, jedenfalls geschah ein Malheur, sodass die Zehenspitzen der Aurelia in eiskaltes Wasser tauchten, worauf ihr prompt der Kragen platzte: "Ahhhhhh! Das Wasser ist ja eiskalt!!! … Jetzt reicht es mir aber endgültig. Will dieser Mistkerl mich umbringen? Dann soll er es gefälligst schnell und schmerzlos tun und mich nicht tagelang durch die Gegend schleifen", schallte die wütende Stimme der Aurelia vernehmlich über ihre abgesperrte Parzelle hinaus. Hastig streifte Prisca ihre Kleider wieder über, stieß ihre Leibsklavinnen zur Seite und war im Begriff den wachhabenden Soldaten ebenfalls umzurennen, wenn dieser sie nicht auf der Stelle durchlassen würden: "Weg da. Aus dem Weg. … Ich will Decimus Serapio sprechen. Jetzt sofort! ", blaffte sie den Soldaten an, der sich natürlich nicht so einfach umrennen ließ wie ihre beiden Sklavinnen. ...

    "Pah! Ihr Prätorianer seid doch allesamt skrupellos genug um über Leichen zu gehen. Warum also solltest du ausgerechnet bei mir eine Ausnahme machen?", antwortete Prisca gerade heraus wie sie über die Prätorianer und ihre Methoden dachte. Gut möglich, dass sie ihn damit erst auf dumme Gedanken gebracht hatte, aber ihr loses Mundwerk war eben manchmal schneller als ihre Gehirnzellen. Schnaubend wand sich die Aurelia weiter in seiner Umklammerung, bis er sie endlich los ließ. Na bitte, geht doch!, triumphierte Prisca innerlich, als der Decimer tatsächlich auf ihre Forderung einging, ohne dabei in Betracht zu ziehen, dass dieser Mistkerl womöglich ihre Sklavin verhören lassen würde. Aber dazu müsste er Tilla mitnehmen und spätestens bei deren Verschwinden würden bei Prisca sämtliche Alarmglocken angehen. Schließlich gehörte eine Leibsklavin an die Seite ihrer Herrin, so wie das gladius an die Seite des Soldaten gehörte .


    Gut möglich, dass Prisca im Augenblick ihre tatsächliche Lage etwas verkannte und sie sich ihrer Sache zu sicher war, aber ganz sicher würde dieser Kerl ihr nicht weiß machen können, dass ihn sein angekratzter Ruf nicht weiter "kratzen" würde. "Mag sein, dass es für mich um weitaus mehr gehen mag, aber glaub mir, auch aus einem 'Kratzer' kann sehr schnell eine eiternde Wunde werden kann, wenn man nur genügend Dreck hinein streut",tat Prisca seine Bemerkung entsprechend gelangweilt und müde lächelnd ab. Sie war sich sicher, dass diese Liaison dem Decimer schnell das Genick brechen könnte wenn die Gerüchte erst mal kursieren würden. Ein Mann in seiner Position? In seinem Alter? Mit einem älteren Mann, einem Patrizier und überdies noch Landesverräter dazu? Na, wenn das kein Stoff wäre um daraus die wildesten Geschichten zu konstruieren.


    Die unterschwellige Drohung in Priscas Stimme war hinsichtlich dieser Möglichkeiten nicht zu über hören. Sollte er sie doch ruhig für eine miese Erpresserin oder Diebin halten, Pah! hier ging es schließlich - wie er richtig sagte - um weitaus mehr als nur um ihren guten Ruf. Der zählte dieser Tage ohnehin nichts mehr viel, so lange der Name der Aurelier mit dem Kaisermord in Verbindung gebracht wurde. Oberstes Ziel war es also fürs Erste, um die drohende Kerkerhaft herum zu kommen und dies gelang ihr auch. Zumindest vorübergehend.


    So so, du willst also jede Woche einen Brief zurück und wenn ich dir alle gegeben habe, ist die Sache damit erledigt oder was? So einfach wirst du es nicht haben, aber na gut. Es bringt mir wenigstens etwas Zeit ein, überlegte Prisca hinter ihrem eisigen Blick, was sie am besten auf seine Forderung erwidern sollte. Welches Druckmittel hätte sie dann noch gegen ihn, in sechs Wochen? Keine, also war das inakzeptabel. "Erstens habe ich dir die Briefe nicht gestohlen, sondern ich habe sie unter Flavius Gracchus´ Bett gefunden" Besser gesagt wurden sie dort von den Urbanern entdeckt, aber wen interessierte das schon: "… und zweitens wirst du erst dann alle deine Briefe zurück erhalten, wenn ich mich in Sicherheit fühle", gab sie ihm schließlich eiskalt zu verstehen, dass sie seine Forderungen so nicht akzeptieren würde.


    Damit war zwar noch lange nicht alles gesagt, geschweige denn geregelt, aber in diesem Moment wurde ihre Leibsklavin herein geführt. Ohne auf den begleitenden Soldaten zu achten, machte Prisca einen Schritt auf Tilla zu um sie sanft am Handgelenk tu packen. "Da bist du ja Tilla. … Wenn du un kurz entschuldigen würdest …" Oder auch nicht, mir doch egal Mit ein abfälligen Blick in Richtung des Decimers und des anderen Soldaten zog Prisca ihre Sklavin näher zu sich heran. "Pass auf, du musst etwas für mich erledigen …", begann Prisca ohne Umschweife mit der Instruktion ihrer Sklavin, wobei sie im folgenden die Stimme in den Flüsterton versetzte und sie zudem ihre Hand zwischen ihre Lippen und Tillas Ohr hielt:


    "Stell jetzt keine Fragen! Tu einfach genau das was ich dir jetzt sage. … Du musst mir einen von den Briefen des Decimers holen, die sich in der vergrabenen Schatulle neben der Löwenstatue befinden. Aber pass gut auf! Ich vermute mal, dass die Soldaten dir folgen werden. Egal wie, du musst sie zuerst abhängen, ehe du die Schatulle ausgräbst, verstanden? Mein Leben hängt davon ab, dass die Briefe nicht in falsche Hände gelangen. … Das Kästchen mit den restlichen Briefen bringst du am besten zu deiner Mutter. Sie soll es vorerst hüten wie ihren Augapfel. Alles weitere sehen wir dann. … Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann"


    Mit diesem Geständnis ihres Vertrauens und einem eindringlichen Blick in Tillas Augen ließ Prisca schließlich das Handgelenk ihrer Sklavin los, um sich wieder an den Decimer zu wenden: "Tilla wird den gewünschten Beweis jetzt holen und ich verlange, dass man sie alleine gehen lässt!", stellte sie dabei ganz unverfroren ihre Forderung, gefolgt von einer nicht minder wichtigen Frage zum Schluss: "Möchtest du so lange hier warten und meine Gastfreundschaft genießen?", schlug sie mit einem aufgesetztem Lächeln vor, wobei sie alles andere als Wert auf seine Gesellschaft legte: " …oder soll meine Sklavin den Brief wo anders abliefern, bezwiehunsweise soll sie ihn eventuell einem deiner Soldaten übergeben?"


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    Es fiel Prisca immer schwerer nach Außen hin ihre kühle und gelassene Fassung zu wahren während in ihrem Inneren ein Emotionschaos par excellence brodelte. Nicht nur, dass dieser Mistkerl sie als Hochverräterin beschuldigte, nein, er wollte sie also tatsächlich mitnehmen und in den Kerker werfen lassen. Er, diese Prätorianer-Schwuchtel, wollte tatsächlich Sie, eine Aurelia, eine Adelige und unbescholtene Bürgerin Roms zur Rechenschaft ziehen. Ja für was denn?? … Na warte! So die Götter es wollen wird der Tag kommen, an dem du dafür bezahlen wirst und ich hoffe es wird mir vergönnt sein dabei zu sehen zu dürfen, wie man dich hinter einem Streitwagen her ins Kollosseum schleift und dich dort den Löwen zum Fraß vorwirft Oh ja, Prisca ging nicht gerade sparsam mit ihren Verwünschungen und Flüchen um, mit denen sie den Decimer im Gedanken belegte. Der Wunsch ihn öffentlich gedemütigt zu sehen, wie er mit einer Schlinge um den Hals hinter einem Pferdegespann herlaufen muss, war dabei noch eine von den harmlosesten Vorstellungen, auch wenn so was in der Realität den Besiegten womöglich erspart bleiben würde. Egal, wünschen konnte sie es sich trotzdem und sie würde ihren Cousin Ursus so lange drängen, bis er diesen Kerl wenigstens vor ihren Augen würde auspeitschen lassen. Darauf konnte dieser Mistkerl Gift nehmen!


    Im Grunde muss ich gegenüber Ursus nur behaupten du seist zudringlich geworden und hast mich unzüchtig berührt, funkelte Prisca dem Decimer finster an als sie im Begriff war an ihm vorbei zu laufen. Schwul oder nicht - das würde ihm dann auch nichts mehr nützen. Und was tat er just in der Sekunde, als sie dies dachte? "Autsch!! …"Das gibt es doch nicht. Dieser Kerl wagt es tatsächlich mich anzufassen Fassungslos blieb Prisca stehen, doch ehe sich ihre geballte Wut auf diesen Mann in einer Tirade von Schimpfwörtern entladen konnte passierte es … Wie bitte? Hatte sie sich gerade eben verhört, oder hatte er tatsächlich gesagt, dass man sich irgendwie arrangieren könne? Zum Glück konnte niemand den Stein plumpsen hören, der Prisca in jener Sekunde vom Herzen fiel als sie einen Lichtschweif am Horizont aufgehen sah ...


    Jetzt hab ich ihn in der Hand!, triumphierte die Aurelia innerlich und verdrängte dabei völlig die Tatsache, dass er sie genauso in der Hand hatte (und das nicht nur buchstäblich). Also noch mal ganz von vorne: … "Salve, Decimus. Schön dich kennen zu lernen, wie geht es dir? Was, du liebst Männer? Oh wie schön, ich auch ..." So weit würde der Austausch von Höflichkeiten natürlich niemals gehen, aber Prisca erkannte durchaus, dass sie den Decimer von jetzt an nicht mehr zu sehr herauszufordern durfte - und schon gar nicht mit seinem "kleinen Makel", der ihm anhaftete. Eigentlich eine Schande, dass ausgerechnet so gutaussehende Männer wie er nicht zu haben sind…, ertappte sie sich prompt dabei, wie sie zwanghaft an ihm nach etwas positivem suchte und ...naja, attraktiv fand sie ihn durchaus …


    … attraktiv aber anscheinend ziemlich dämlich! Oder hält er mich gar für so dämlich, dass ich auf seine Forderung tatsächlich eingehe?,wanderte einen Wimpernschlag später Prisca´s Augenbraue fragend nach oben als sie ihn ungläubig anstarrte. Er wollte zuerst die Briefe sehen? "Ich kann gut verstehen, dass du Beweise sehen willst obwohl es mich persönlich kränkt, dass dir mein Wort allein nicht genügt", ging sie dann in einem leicht spöttelnden, wie ruhigem Tonfall auf seine Worte ein während sie gleichzeitig versuchte ihren Arm aus seiner Umklammerung zu befreien: "Du willst also, dass ich dir die Briefe zeige? Natürlich! … Du willst du sie ja nur sehen und sie nicht gleich behalten. … Und selbstverständlich wirst du mir die Briefe anschließend anstandslos wieder zurück geben und mich stattdessen nicht umbringen wenn du die Beweise hast. Hattest du dir das in etwa so einfach vorgestellt? " Vergiss es …niemals!! Reichte ihm das als Antwort?


    Aber halt! Wir wollen ja gemeinsam einen Weg finden, besann sich Prisca auf ihre guten Vorsätze und schließlich wollte sie nicht riskieren, doch noch im carcer zu landen. Also galt es wiederum einen konstruktiven Vorschlag zu machen: "Die Briefe sind abgesehen davon nicht hier. Ich werde dir aber einen davon bringen lassen. Von meiner Sklavin Tilla. Ich möchte, dass du sie herholen lässt. ...Bitte!", verband Prisca das hervor gepresste "bitte" unmissverständlich mit einer Forderung. Nur Tilla wusste außer ihr wo die Briefe waren und nur Tilla wäre flink und schlau genug etwaige Verfolger abzuschütteln, sofern der Decimer ernsthaft darüber nachdachte ihre Sklavin auf dem Weg zur villa Flavia beschatten zu lassen.


    Und weil sie gerade dabei war: "Aber wenn du deinen Beweis hast verlange ich wiederum eine Garantie von dir, dass weder du noch sonst wer mich in den Kerker werfen kann. … Oder wie soll es - deiner Ansicht nach - dann mit uns weiter gehen?" Die Forderung nach freiem Geleit aus Rom heraus wäre wohl zu viel auf einmal verlangt gewesen, also wartete Prisca zunächst geduldig die Antwort ihres Gegenübers ab und das, obwohl es sie immer noch leicht in den Fingern juckte ihm die Augen auszukratzen ...

    Tilla wusste also auch nicht was passieren wird, seufzte Prisca resignierend, als sie die geflüsterten Worte ihrer Sklavin vernahm. Irgendwie wusste niemand um sie herum was passieren wird und noch weniger, was zu tun wäre. Es waren eben nur Sklaven, die selbst herum kommandiert werden wollten, obwohl sich Prisca in diesen Tagen mehr denn je nach einer "starken Hand" sehnte. Nach der ihres Onkels, oder der eines ihrer Cousins, die ihr gezeigt hätte wo es lang geht. "Schon gut Tilla, …. ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht was es bringen soll meinem Cousin ins Gewissen zu reden, … aber lassen wir das …", schob sie alle weiteren Gedanken an ihre augenblickliche Situation zusammen mit einer vagen Handbewegung beiseite. Viel einfacher und erhebender war es im Moment mit anzusehen wie ergeben doch ihre Sklavin war. Mochte sich Priscas Wankelmütigkeit auch oft in Strenge und Unnahbarkeit zeigen, so war davon im Augenblick jedenfalls nichts zu sehen oder zu spüren. Ich bin eine gütige Herrin? Das hatte ihr in der Tat noch kein Sklave gesagt und mal abgesehen davon, dass sie darauf normalerweise nichts geben würde, entlockte ihr diese Bemerkung doch ein leichtes dankbares Lächeln.


    Als Tilla dann sogar vor ihr auf die Knie sank und Tränen ihre Augen füllten, musste auch Prisca an sich halten um nicht los zu weinen. Die Situation war der Aurelia unangenehm, fast peinlich, wie sie Tilla nun vor sich auf dem Boden knien sah und auch wenn es sonst völlig normal war, den Sklaven auf diese Weise ihren Stand aufzuzeigen, so hatte Tilla nichts verbrochen, wofür sie hätte bestraft oder gedemütigt werden müssen: "Was soll das denn? … Steh bitte sofort wieder auf!", versuchte die Aurelia vergeblich die nötige Strenge in ihre Stimme zu legen während sie mit den Fingerspitzen schnell die glänzenden Augen betupfte. Was wusste dieses einfache Mädchen schon von wegen "schuldig oder nicht" und was würde das letztendlich an den Tatsachen ändern denen sie sich stellen musste? ... Das fehlt noch, dass ich weine … , versuchte Prisca im Gedanken ihre Emotionen dahingehend zu beherrschen, wenigstens noch eine gewisse Distanz zu wahren und nicht gleich ihrer Sklavin um den Hals zu fallen. Dennoch berührten Tillas Worte und ihre Ergebenheit die Aurelia sehr, insbesondere die letzten beiden Sätze. Ich werde alles für uns tun was ich kann. … so sei es.


    Das war das Stichwort für einen Auftrag, den Prisca ohnehin für Tilla vorgesehen hatte und deshalb winkte sie diese sogleich zu sich heran: "Warte! …Es gibt tatsächlich etwas, dass du schon längst hättest für mich tun müssen. Komm her!, kündigte Prisca mit bedeutungsvoller Stimme an und mit schnellen Schritten huschte sie zu einer unscheinbar wirkenden Truhe an der Wand, in der sich allerlei persönliche Dinge befanden. Aber nicht die Sachen in der Truhe interessierten Prisca, sondern etwas das gut versteckt im Boden der Kiste verborgen war: "Wusstest du eigentlich von meinem kleinen Versteck hier? Gib es ruhig zu, ich bin dir nicht böse ... ", musste Prisca spontan grinsen, da sie ja von Tillas "spitzen Fingerfertigkeiten" wusste. Gut möglich, dass ihre Sklavin längst heraus gefunden hatte wie man das Geheimfach öffnete, indem man zuerst den linken Tragegriff nach oben drehte - dann auf zwei ganz bestimmte Nägel in der untersten Reihe des Beschlags drückte und schließlich den Griff wieder nach unten um legte. Spätestens jetzt kannte Tilla das Versteck in dem Prisca in einer kleine Schatulle (neben ihrem Testament) noch folgende sechs Briefe verwahrte:


    Diese Schatulle nahm Prisca nun heraus. Wortlos öffnete sie den Deckel, lwarf einen kurzen Blick hinein und verschloss die Schatulle wieder. Im Gedanken ging Prisca kurz ihren Plan durch, der so recht keiner sein wollte, ehe sie dann das Kästchen - mit folgenden den Worten und einem bedeutungsvollen Blick - ihrer Sklavin überreicht: "Hör mir jetzt genau zu, Tilla und stell keine Fragen. Tu einfach genau das was ich dir jetzt sage: … Vergrabe diese Schatulle bei dem Löwenbrunnen und zwar genau unter dem Rosenbusch auf der linken Seite. Pass auf, dass dich dabei niemand beobachtet. Niemand, hörst du. Nicht einmal deinem Hektor darfst du das Versteck verraten. Nur du und ich wissen davon - versprich mir das." Es war zwar einerseits müßig und fast unsinnig, einem Sklaven ein solches Versprechen abzuverlangen, aber nicht umsonst besaß Tilla das vollste Vertrauen ihrer Herrin: "Du wirst die Schatulle erst dann wieder holen, wenn ich dich entweder darum bitte, oder …", bei dem "oder" musste Prisca schlucken:"Naja du weißt schon das, was ich dir vorhin versucht habe zu erklären. ... In diesem Fall übergibst du dieses Kästchen hier meinen beiden Freundinnen, Germanica Calvena und Iunia Serrana. Die beiden werden " - hoffentlich - " wissen was weiter damit geschehen soll." So sicher wie es klang war sich Prisca darüber auf gar keinen Fall. Aber wenigstens war es ein leicht beruhigendes Gefühl zu wissen, dass vielleicht doch nicht alles verloren und umsonst gewesen wäre …


    "So und jetzt geh bitte und lass mich allein, ja?!", gab Prisca abschließend ihrer Sklavin zu verstehen, dass sie jetzt Ruhe brauchte. Nicht, ohne Tilla aber zuvor noch einen zärtlichen Kuss auf die Wange zu hauchen. Das geschah im übrigen ganz spontan und ohne jeglichen Hintergedanken, eben einfach so wie es bei Freundinnen üblich war …

    Auch wenn der gewohnte Tagesablauf der Aurelia meist nur aus Körperpflege und feiern, einkaufen und "süßem Nichtstun" bestand, so gab es doch jene Momente in denen sie besinnlich wurde und sich Gedanken über ihr Leben und ihre Zukunft machte. In solchen Momenten schloss Prisca sich in ihrem cubiculum ein und nicht einmal ihre Leibsklavinnen durften zu ihr. Manchmal dauerte es nur wenige Minuten und manchmal die ganze Nacht, bis sie die Türe schließlich wieder freigab.


    Heute war so eine Nacht, in der Prisca einfach kein Ruhe fand und trübe Gedanken sie beschäftigten. Ausnahmsweise griff sie jedoch nicht zu den Kräutern um damit die Sinne zu benebeln, nein, heute wollte sie unbedingt bei klarem Verstand bleiben um zu tun, was sie schon längst hatte tun wollen.


    Eingehüllt in warme Decken saß Prisca auf ihrem Bett. Auf ihrem Schoss lag das Schreibzeug bereit und mit entrückter Miene starrte sie auf das ausgebreite Papyrus, auf das die Feder dank ihrer Hand bedächtig Zeichen um Zeichen formte.



    ANTE DIEM IX KAL NOV DCCCLXII A.U.C.


    Im Vollbesitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte verfüge ich, Ich, Aurelia Prisca, hiermit meinen letzten Willen:


    Wenn ich ins Elysium gehe, soll mein geliebter Cousin und nächster Verwandter, Titus Aurelius Ursus, mein gesamtes Barvermögen, meinen Grundbesitz und alle meine Betriebe erben. Sollten es die Götter bestimmen, dass er zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht mehr unter den Lebenden weilen sollte, erhält der mir dann am nächsten stehende lebende Verwandte mein gesamtes Vermögen. Dieses Erbe verbinde ich mit folgenden Auflagen:


    Ich möchte, dass alle meine Sklaven freigelassen werden. Darüber hinaus soll meine treuergebene Leibsklavin Tilla frei wählen dürfen, ob sie weiterhin in bezahlten Diensten unserer Familie stehen will oder sie lieber ihren eigenen Weg gehen möchte. In jedem Fall soll sie zum Zeichen meines Dankes für ihre treuen Dienste 5.000 Aurei erhalten. Mögen die Götter meine Tilla beschützen und das Schicksal ihr ein schönes Leben in Freiheit vergönnen.


    Mein restliches Vermögen soll dem Wohle aller Aurelier dienen und dementsprechend muss es erhalten werden. Dies gilt insbesondere für meine Ländereien, welche nur dann übereignet werden dürfen wenn eine entsprechende Klausel sie wieder in das Familienvermögen zurück führen für den Fall, dass der- oder die Begünstigte ins Elysium oder ins Exil gehen sollte. Ich vertraue darauf, dass meine Erben sich dieser Verantwortung bewusst sein werden.


    In Liebe und in den Gedanken an meine Familie schreibe ich heute dieses Testament auf da ich nicht weiß, welches Schicksal mich hier in Rom ereilt sobald der Bürgerkrieg die Tore erreicht haben wird. Mögen die Götter euch alle beschützen, egal wo ihr seid.


    Aurelia Prisca


    Nachdem Prisca ihren Namen unter das Geschriebene gesetzt hatte, las sie die Zeilen noch einmal durch. Ganz zufrieden war sie mit ihrem Testament noch nicht, aber es enthielt zumindest die wesentlichsten Punkte die ihr am Herzen lagen. Außerdem hatte die Aurelia nicht vor so bald schon ins Elysium zu gehen. Also bliebe ihr (hoffentlich) noch jede Menge Zeit um das Schriftstück gegebenenfalls zu verfeinern oder es gar zu verändern, doch für den Moment legte sie es in die Schatulle mit den anderen Briefen und versteckte es an einem sicheren Ort ...

    Zitat

    Original von Aulus Tiberius Ahala Tiberianus
    Der Postkasten von Aurelia Prisca ist leider komplett überfüllt.


    ach herrje, wie gibt es denn sowas? 8o ... *die verantwortlichen Postsklaven augenblicklich zur Rechenschaft zieht :schwert:* ...soo, jetzt ist wieder Platz genug. ^^

    Dieser Kerl schien gegen alle Mittel und Argumente resistent zu sein und langsam dämmerte der Aurelia in welcher prekären Lage sie sich befand. Nun gut, soll er doch ruhig diesem Despoten weiter die "Stange halten" wenn er tatsächlich so überzeugt ist, dass die Rebellen keine Chance haben werden. Ja ja, grins du nur weiter so spöttisch. … Wenn unser Ruf und der der Flavier erst wieder hergestellt ist, dann wirst du schon sehen wie viel unsere Hilfe hätte wert sein können. Am Ende wirst du hoffentlich bitter dafür bezahlen …, schoss Prisca im stumm ihre Pfeile entgegen wobei sie inständig hoffte, dass es ihr vergönnt wäre den Tag zu erleben, an dem man diesen Mistkerl zusammen mit dem Vescularier durch die Straßen treiben würde. Das war freilich nur ein Wunschdenken und würde ihr nicht viel helfen, jetzt, da sie dem Decimer völlig allein gegenüber stand. Zwar wahrte Prisca nach außen hin weiter tapfer ihre gelassene Haltung, doch ein Atemzug aus der 'Schale der Sinne' hätte wahrlich Wunder gewirkt, um die aufkeimende Panik in ihr wieder in das Reich der rosafarbenen Nebel zu verbannen. Nur leider, leider hatte dieser Rohling die süßen Kräuter allzu weit fortgeschleudert, sodass nur noch ein Hauch davon ihre bebenden Nasenflügel erreichte.


    Doch halt! Was war das? Dieser Gesichtsausdruck! Kreidebleich und ungläubig starrte er sie plötzlich an, oder besser gesagt, starrte er im Gedanken taumelnd regelrecht durch sie hindurch. Es stimmte also! Er und Flavis Gracchus … beinahe hätte Prisca laut triumphierend aufgeschrien. Aber was nützte ihr der Triumph, wenn dieser Mistkerl sie trotzdem in den Kerker werfen ließe? Prisca versuchte vergeblich den Kloß im Hals hinunter zu schlucken, der ihr langsam die Luft zum Atmen nahm, just, als seine Worte wie Messerstiche auf sie eindrangen. Ich eine dem Untergang geweihte Kollaborateurin? … Das war eine so absurde Behauptung, eine derart bodenlose Frechheit und infame Verleumdung, dass sie ihm am liebsten mit der Faust ins Gesicht geschlagen hätte. Lediglich die neuerliche Androhung des Kerkers stoppten die bereits geballten Fäusten der Aurelia in letzter Sekund. Die Lippen fest zusammen gepresst funkelte die Aurelia ihr Gegenüber böse an, während sie innerlich zitternd um Fassung und weitere Argumente rang.


    "Ich eine Lügnerin? … Welche Beweise hast du denn für deine infamen Behauptungen und Lügen? … Oder Ist es neuerdings erlaubt römische Bürger willkürlich zu beschuldigen und zu verhaften?", presste die Aurelia schließlich hervor, den Blick dabei weiter tapfer in seine Augen gerichtet. Er oder ich … Es musste doch irgend eine Möglichkeit geben, sich zu arrangieren ... "Ich für meinen Teil habe Beweise. Die Briefe mit deiner Handschrift darauf, die ich unter Flavius Gracchus´Bett fand, wirst du wohl kaum als ein Lüge abtun wollen, oder?" Dass der Fund durch die Urbaner gemacht worden war verschwieg Prisca. Ob den Soldaten damals die Besonderheit Schrift und der Name des Decimers darauf aufgefallen war? Die Aurelia bezweifelte dies, aber ganz auszuschließen war es auch nicht. "Mag also durchaus sein, dass mich niemand schreien hören wird aber sei dir gewiss Decimus, umso mehr werden diese Briefe und die Gerüchte, die man daraus über Atons Geliebten heraus lesen kann Gehör finden, das schwöre ich dir auf Jupiters Stein. Willst du das wirklich riskieren, dass man hinter deinem Rücken zu tuscheln beginnt und man sich gar lustig über dich macht, oder wollen wir nicht einen Weg finden, der für uns beide von Vorteil sein kann?" Mochte die gleichgeschlechtliche Liebe auch allgemein im Volk akzeptiert sein, so praktizierte man diese doch lieber still und heimlich für sich, um nicht ins Gerede zu kommen - vor allem nicht in höheren Positionen. So hatte es Prisca jedenfalls immer gehandhabt, wenn sie ab und zu Lust auf eine Frau bekam und auch wenn sich die Akzeptanz in der Öffentlichkeit mittlerweile gebessert haben mochte, so würde immer noch der Makel an dem Decimer haften bleiben, mit einem Hochverräter herum posiert zu haben


    Die Briefe waren jedenfalls gut versteckt, fast zu gut, aber sie lagen bereit und sie waren alles, was Prisca als Druckmittel gegen diesen Kerl ihn in der Hand hatte. Waren das also nicht Gründe genug? Gebannt und vor innerer Aufregung bebend stand Pricsa nun vor dem Mann und sie hoffte inständig, dass er sich doch noch auf einen Handel einlassen würde. Sie erwartete ja gar nicht, dass er sie gehen lassen würde aber wenigstens der Kerker sollte er ihr doch ersparen. Oder hatte sie sich gar zu weit aus dem Fenster gelehnt mit dem was sie gesagt hatte und was sie sich von den Briefen erhofft hatte? Je länger diese Situation andauerte um so mehr schwand jede Hoffnung in ihr dahin. Ich und eingesperrt in einem dunklen Verlies? Dieser Gedanke war so unvorstellbar, so grausam, dass es Prisca beinah die Tränen in die Augen trieb. Diese Blöße wollte sie dem Decimer gegenüber jedoch nicht zeigen ebenso wenig, wie sie sich von ihm oder seinen Leuten halbnackt durch die Straßen schliefen lassen wollte. Also bückte sie sich schnell und hob vorsorglich den Umhang auf, in der Absicht sich damit an dem Decimer vorbei zu schieben und erhobenen Hauptes ins atrium voran zu schreiten . Mochte sie auch alles verloren haben, so würde dieser Umhang wenigstens ein bisschen Wärme spenden - oder zumindest den Ring verbergen den Prisca am rechten Mittelfinger trug (Ein schlichter goldener Ring mit dem Abbild eines Skarabäus darauf, unter dessen gefalteten Flügeln ein spitzer und mit einem tödlichen Gift bestrichener Dorn saß) … nur für den Fall, dass der Weg am Ende doch eine unschöne Abzweigung nehmen würde …

    Es gibt nichts zu erklären … Ach wirklich nicht? Da war Prisca ganz anderer Meinung während sie mit leicht verengten Augen und zusammengepressten Lippen den "großen Auftritt" dieses .. dieses … (ein passendes Wort wollte ihr gerade nicht für ihn einfallen) verfolgte. Ich habe es versaut? Oh ja, im Prinzip hatte sie es gründlich versaut. Ich hätte niemals hier bleiben dürfen und mich in Sicherheit wiegen. … Nicht so lange diese fette Made auf dem Kaiserthron sitzt, der uns Patrizier hasst und uns alle Schuld in die Schuhe schieben will. Pah! Von wegen hochverräterische Machenschaften, verkommene Gens und so weiter … Was habe ich eigentlich mit eurem verdammte Krieg zu tun? Ich bin hier ganz auf mich allein gestellt! Glaubst du eigentlich du … du … es wäre so einfach für mich, in diesen Tagen mal eben so auf die Schnelle nach Mantua zu reisen?, warf sie dem Decimer stumm giftige Blicke zu. Na gut sie hätte auch einfach einen Boten schicken können. Hatte sie nicht. Aber theoretisch hätte sie es (zumindest vor gehabt). Im nachhinein betrachtet wäre ein solcher Brief allerdings weitaus weniger effizient gewesen gegenüber einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht.


    Sei´s drum. Jetzt war es zu spät mit all den "wenn" und "hätte ich nur" und überhaupt: Ich hätte Ursus ohnehin nicht davon überzeugen können diesem homo novus in den Allerwertesten zu kriechen. Nicht, so lange mein Cousin noch einen Funken Ehrgefühl besitzt. Dafür kenne ich ihn mittlerweile zu gut und letztendlich hat er recht wenn er sich gegen diesen Mistkerl auflehnt, der uns Adelige behandelt wie den letzten Dreck Prisca seufzte innerlich. Mit diesen Argumente und Ansichten würde diesen …diesen … und seine Prätorianer kaum mehr aufhalten können. Eine Diskussion mit ihm wäre vertane Zeit, genauso wie es nun müßig war über die Fehler nachzugrübeln, die sie leichtsinniger Weise begangen hatte.


    Es blieb der Aurelia also nichts weiter übrig als wenigstens nach außen die Contenance zu wahren, selbst als man ihre Leibsklavinnen zusammen mit dem anderen Sklaven hinaus trieb wie Vieh. Das über sie hereinstürzende Chaos schien nicht mehr aufzuhalten zu sein und am liebsten hätte sie diesem spöttisch drein blickenden Decimer (einer Harphyie gleich) die Augen ausgekratzt als dieser es auch noch wagte, ihr das Friedensangebot buchstäblich aus der Hand zuschlagen. Prisca zuckte auf diese heftige Reaktion hin erschrocken zusammen, aber sie schaffte es dennoch - ungeachtet der davonfliegenden Schale - ihm weiter direkt in die Augen zu blicken. Wenigstens den Becher mit dem "angeblich vergifteten" Wein hätte sie ihm dafür ins Gesicht schütten sollen, aber sie tat es nicht. Stattdessen huschte wie zum Trotz ein belustigt wirkendes Grinsen über ihre Lippen. Je grimmiger dieser Kerl im Begriff war sie anzublaffen und je grober er sie anpackte, desto gelassener reagierte sie darauf wie zum Trotz.


    Gut möglich, dass Prisca aufgrund ihrer immer noch leicht benebelten Sinne die augenblickliche Lage völlig falsch einschätzte, aber noch ging sie fest davon aus, dass sie dieses Haus heute nicht verlassen würde. Weder in ihrem durchsichtigen Gewand, noch in eine palla gehüllt und schon gar nicht in Begleitung dieses … dieses … Noch immer wollte ihr kein passenden Wort für ihn einfallen und so blieb sie weiter stumm vor ihm stehen, den Blick in seine Augen borhrend. Das zugeworfene Tuch ließ sie achtlos an ihrem Körper herab gleiten lassen und seelenruhig leerte sie vor seinen Augen den Becher mit Wein. Sollte dieser Feigling ruhig sehen, dass seine Befürchtung völlig unbegründet war oder sie aber durchaus den Mut gehabt hätte, sich selbst zu richten …



    " Eigentlich eine gute Idee den Wein zu vergiften. …Aber dieser hier war einfach zu köstlich um ihn an dich zu verschwenden", begegnete Prisca dann seinem feindseligen Verhalten endlich mit Worten, wobei der Spott und Hohn für ihn ihrer Stimme deutlich mit schwang. Ihn zu reizen mochte gefährlich sein, aber dennoch konnte sie es sich nicht verkneifen, ihm den Becher provokant vor die Füße zu werfen. "Aber vielleicht würdest du nun die Güte besitzen und eine Minute deiner kostbaren Zeit an mich "verschwenden", denn womöglich kann ich und meine verkommene gens dir noch einmal von großem Nutzen sein wenn die Rebellen Rom von dieser Plage namens Salinator befreit haben werden. Oder hast du gar niemals ernsthaft in Betracht gezogen, dass dies im Bereich des Möglichen liegt? … Und auch für den Fall, dass dein geliebter Kaiser an der Macht bleiben wird" Was die Götter hoffentlich zu verhindern wissen. " Was glaubst du , würde er wohl dazu sagen wenn er erfährt, dass sein hübscher Präfekt hier sich zu Landesverrätern hingezogen fühlt. ... Oder sollte ich besser sagen: Er in Atons Hinterteil verliebt ist?! … Na möchtest du, dass er davon erfährt? ... du ...du pathicus*!!!", konfrontierte Prisca ihr Gegenüber mit dem was sie sich aus dem Inhalt der Briefe zusammen gereimt hatte. Ob wahr oder unwahr, spielte jetzt keine große Rolle mehr. Jetzt galt es ihn irgendwie zu beeindrucken, sonst würde sie seiner angedrohten Demütigung - sie halbnackt durch die Straßen schleifen zu lassen - wohl kaum mehr entgehen. Na hatte sie seine Aufmerksamkeit? Hatte sie ihn neugierig gemacht, … ihn wenigstens ein bisschen verwirren und verunsichern können? Egal, wenigstens hatte Prisca endlich eine passende Bezeichnung für ihn gefunden, die sie ihm direkt ins Gesicht schleudern konnte so nah, wie sie augenblicklich im Begriff war vor ihm zu stehen.



    Sim-Off:

    *) aus dem Lateinischen (in Ermangelung besserer Kenntnisse) - im abwertenden Sinne - als "Schwuchtel" zu übersetzen.


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    Nein Details interessierten Prisca nicht. Ihr war nur wichtig, dass alle ihre Befehle und Wünsche zu ihrer vollsten Zufriedenheit umgesetzt wurden. So wie sie es immer gewohnt gewesen war. Nur "so wie immer" lief momentan eigentlich nichts. Ob sie wollte oder nicht, musste sie bestimmte Dinge und Entscheidungen immer öfter selbst in die Hand nehmen, jetzt, da sie völlig auf sich allein gestellt war. Allein in Rom. Allein zu Haus und … allein unter Sklaven. Das schlimmste daran war nicht, dass sie sich dieser Herausforderung nicht stellen wollte, nur war die junge Patrizierin eben alles andere als perfekt darin sich um sich selbst zu kümmern. Aber was blieb ihr anderes übrig, als es wenigstens zu versuchen. Mit diesen Tatsachen hatte sie sich schweren Herzens längst abgefunden und mehr denn je hatte sie dabei die Treue ihrer Leibsklavin schätzen gelernt. Prisca hatte es Tilla gegenüber nie offen gezeigt, um die nötige Distanz zwischen ihnen zu wahren, aber im Grunde betrachtete sie die junge Sklavin längst als Vertraute und gute Freundin. Bis heute hatte sie sich immer auf ihre Dienste verlassen können und sie vertraute darauf, dass dies auch in Zukunft so bleiben würde.


    Doch die Zukunft war alles andere als rosig, geschweige denn sicher, sollte der Bürgerkrieg tatsächlich zugunsten des Vesculariers ausgehen. Spätestens dann würde man sie und die gesamte Familie verfolgen und enteignen und damit würde sie auch ihre Sklavin für immer verlieren. Darüber hatte Prisca (nicht nur dank der süßen Kräuter) noch nie so richtig nach gedacht aber jetzt, da sie im Spiegel in die Augen ihrer Sklavin blickte und die geflüsterten Worte zur Kenntnis nahm, tat sie es: Wir überleben .. Wir werden das schaffen .. Gemeinsam "Gemeinsam?! … Ja, sofern wir noch rechtzeitig nach Germanien aufbrechen und ich es irgendwie schaffe meinen Cousin zu erreichen, sonst … ach ich weiß ich auch nicht was dann passieren wird", schob Prisca resigniert klingend hinterher. Ein flüchtiges Lächeln huschte dennoch über ihre Lippen und einsam rann eine Träne über ihre linke Wange herab. Tillas lieb gemeinte Worte berührten sie und mit der Rechten strich sie zum Dank sanft über die Hand ihrer Sklavin "Weißt du, du bist für mich zu einer guten Freundin geworden, Tilla. Eine Freundin, die mich noch nie enttäuscht hat und der ich vertraue." In guten Zeiten, aber auch in schlechten Zeiten, welche nun einen ganz bestimmte Entscheidung erforderlich machten.


    Langsam drehte Prisca sich um und blickte Tilla lange in die Augen. Was wird aus ihr werden, wenn es zum Äußersten kommt? Ob eine Freilassungserklärung sie davor schützen könnte, zusammen mit den anderen aurelischen Sklaven verkauft zu werden - sofern man uns enteignet? Oder wird man meinen Willen nachträglich für nichtig erklären und sie wird weiterhin als Sklavin gelten? Auch wenn Prisca in letzter Zeit so manche wichtigen Dinge und Entscheidungen vernachlässigte, so sorgte sie sich trotz allem sehr um das Wohl ihrer treuen Dienerin.Zumindest heute.

    "Hör mir bitte genau zu, Tilla, denn was ich dir jetzt sagen werde ist sehr wichtig. Für mich, für dich, für uns beide", begann die Aurelia schließlich eindringlich aber mit sanfter Stimme auf ihre Sklavin einzureden. "Du weißt, dass meiner Familie schwere Zeiten bevorstehen. Der Name Aurelia wird mit dem Mord an Valerianus in Verbindung gebracht, ein Bürgerkrieg droht und je nachdem für welche Seite mein Cousin Ursus sich entscheidet, wird man uns hier nicht länger in Frieden lassen. Deshalb werde ich wohl oder übel nach Germanien gehen und das bedeutet wiederum, dass ich das Haus und die meisten Sklaven hier ihrem Schicksal überlassen muss" Prisca machte eine kurze Pause und versuchte in Tillas Augen zu lesen, ob sie verstand welches Schicksal diesen Sklaven drohte, da sie aber noch nicht fertig war sprach sie nach einem tiefen Seufzer weiter: "Aber keine Sorge. Dich nehme ich natürlich mit und deine Mutter auch. … Und auch für deinen Hektor werde ich Sorge tragen", gab Prisca ihrer Sklavin ein Versprechen das durchaus ernst gemeint war. So weit so gut, aber …"Sollte mir jedoch etwas zustoßen, oder ich nicht mehr in der Lage sein mich selbst - und damit euch - mit meinem Namen und meinen Mitteln zu schützen so zögere nicht, dich und die Deinen in Sicherheit zu bringen. Du hast deine Freiheit längst verdient und wenn es das Schicksal so will, dann nimm es in deine Hand!! Hörst du?! So schwer es mir auch fällt dich irgendwann los zu lassen … "Warum sagte sie das eigentlich ausgerechnet jetzt? Was scherte sie das Leben einer einfachen Sklavin? Vielleicht weil sie glaubte, dass auch eine unbeschriebene Tafel es verdient hatte eines Tages mit Leben gefüllt zu werden ...

    Lag es am Wein, oder an den Kräutern? Oder warum zum Hades hörte sich für Prisca der Briefinhalt ziemlich 'zusammen gestammelt ' an. Wie bitte? Der Mittelteil und der Schluss fehlen noch. … Und was soll das mit dem Tod meines Mannes? Das weiß mein Cousin doch längst schon! Etwas irritiert zog Prisca eine Augenbraue in die Höhe, während sie ihre beiden gar so geschäftigen Leibsklavinnen misstrauisch musterte. Nicht genug damit, jetzt flüsterte Tilla auch noch etwas von einer Einkaufsliste, als sie auf die mysteriöse Papyhrusrolle angesprochen wurde. "Es reicht! Kann es sein, dass ihr den Text vergessen habt den ich euch unlängst diktiert habe? Und das da? Gib mir das, ... sofort!", unterstellte die Aurelia ihren Sklavinnen die eigene Vergesslichkeit und im selben Atemzug verlangte sie mit ausgestreckter Hand nach dem Papyhrus: "Proskription? …", weiter las sie gar nicht, stattdessen warf sie den Wisch achtlos beiseite. Das hätte ich mir ja denken können, dass Ursus sich den Rebellen anschließen wird. Verflucht nochmal, seufzte Prisca innerlich. Es war zu spät. Jetzt, da auch noch ihr Cousin offiziell auf der Todesliste stand konnte sie sich darauf einstellen, dass seine Entscheidung Konsequenzen für die gesamte Familie haben würde. Welche genau, das wollte sich die jungen Patrizierin gar nicht erst ausmalen. "Warum nur erfahre eigentlich immer ich als Letzte von derart wichtigen Dingen und erst dann, wenn alles schon zu spät ist?, bedachte Prisca mit strengem Blick ihre beiden Sklavinnen, auf der Suche nach einem Schuldigen.


    Wie gut, dass es Sklaven gab, die man für alles verantwortlich machen konnte und die man vor allem ungestraft strafen durfte. Das war schon eine feine Sache: "Wie mir scheint habt ihr nur noch Das Eine im Sinn, anstatt euch um wichtigere Dinge zu kümmern", schob Prisca die Schuld somit auf das Liebesleben ihrer Sklavinnen, da sie erst kürzlich von Maras Turteleien mit Einar erfahren hatte. Die Aurelia nahm einen großen Schluck Wein und es folgte ein tiefer Atemzug aus der Räucherschale, worauf sie wiederum eine kurze Gedenkminute einlegte. Worauf wollte ich eigentlich hinaus? "Ach was soll´s. Ich habe keine rechte Lust euch heute zu bestrafen..." Den Rauschmitteln sein dank, war der Grund ihres Unmutes schnell wieder vergessen. Die Anspielung auf die Liebschaften ihrer Sklavinnen stand jedoch noch im Raum und bei dem Gedanken an 'Das Eine' bekam Priscas leicht benebeltes Gehirn spontan Lust auf etwas Zärtlichkeit und auf gemeinsames Kuscheln: "Kommt her ihr beiden und legt euch zu mir!", winkte die Aurelia die jungen Frauen nunmehr zu sich, indem sie einladend auf die Kissen zu beiden Seiten klopfte. "Na los! Ziert euch nicht. Heute dürft ihr zur Abwechslung mal mich mit euren Liebeskünsten verwöhnen", ermunterte Prisca zwinkernd ihre beiden Skavinnen und sie war fest entschlossen, sich hier und jetzt von Tillas und Maras "Qualitäten" zu überzeugen - in deren Genuss ansonsten nur ihre Leibwächter kamen …


    Tja, nur leider sollte daraus nichts werden, da just in dem Augenblick das schöne Fest ein unschönes Ende fand. Was war das für ein Geschrei und warum liefen die Sklaven plötzlich derart panisch herum, als würde das ganze Haus lichterloh brennen. "Was … was ist denn los?" Von dem Trubel aufgeschreckt ließ Prisca ihre Augen von Tilla und Mara ab, um den Blick zu der Quelle des Aufruhrs schweifen zu lassen. Ach herrje, wo kommt der den plötzlich her?? Prisca schluckte als sie den Prätorianer wieder erkannte just als dieser (wie Mars höchstpersönlich), seinen Männern voran durch die Reihen der Sklaven stob und diese auseinander scheuchte wie Vieh. Ein Teil ihrer berauschten Sinne war auf den Schlag wieder nüchtern. Bei allen Göttern was soll ich nur tun? Kurz nachdenken. Soll ich den Ring mit dem Pulver, den Dolch …. Nein, jetzt nur nicht die Nerven verlieren!, mahnte Prisca sich mit pochendem Herzen zur Ruhe . Am besten lächeln und so tun als sei nichts gewesen … lächeln … Lächle verdammt! Ein wenig gezwungen wirkte das Lächeln zwar schon, aber schließlich schaffte es die Aurelia sogar ihre strahlend weißen Zähne zu entblößen ...


    "Oh Werter Decimus! Welch eine Überraschung. Wie schön dich zu sehen. Ich wusste gar nicht, dass du mich heute mit deinem Besuch beehren würdest", grüßte sie den Eindringling so überschwänglich, als würde sie einen guten alten Freund begrüßen: "Verzeih mir. Ich hätte dir natürlich eine Einladung schicken können. Aber das ist doch kein Grund um hier gleich eine derart unschöne Szene zu veranstalten", tat sie dann mit tadelnden Blicken ihren Unmut darüber kund, dass er und seine Soldaten hier so ungestüm herein geplatzt waren. "Naja schade, aber egal …, sah Prisca leise seufzend ihren Leibsklavinnen nach, wie diese zusammen mit den Anderen von den Soldaten hinaus getrieben wurden. Damit war das schöne Fest nun endgültig ruiniert. Dank der verliebenden Anzahl freigesetzter Endorphine in ihrem Körper konnte Prisca allerdings eine gewisse Beschwingtheit nicht verleugnen, mit der ihr irgendwie im Moment alles egal erschien. Trotzdem galt es halbwegs einen kühlen (und vor allem einen klaren) Kopf zu behalten, um nicht gänzlich vom Weg abzukommen, der bis gerade eben noch so schön gewesen war. Entweder würde es ihr gelingen den Decimer zu beeindrucken, oder aber …


    Über das unschöne "Oder" wollte Prisca lieber erst gar nicht weiter nachdenken. Nicht, so lange sie noch einen Funken Leben, Ehrgefühl, Würde und Restalkohol in ihrem Körper tragen würde. Also ließ sie es erst einmal gemächlich angehen, indem sie sich ohne Hast aus den Kissen erhob und - in Ermangelung eines Trägers - notgedrungen selbst nach dem Becher mit dem Wein und der Schale mit den Kräutern griff. Die beiden Sachen in jeweils einer Hand haltend, balancierte die Aurelia anschließend auf Zehenspitzen über das Meer aus Kissen und Rosen hinweg auf den Decimer zu, wobei sie trotz der Schwierigkeit gekonnt und elegant wie auf Wolken "schwebte". Schick sieht er ja aus, dieser Mistkerl, in seiner prächtigen Uniform. Das muss man ihm lassen. Schade nur, dass ausgerechnet solche Männer wie er meist schon vergeben sind, oder die - wie in seinem Fall - mehr den maskulinen Reizen zugetan waren.


    Nichtsdestotrotz wollte Prisca ihr Bestes geben, um den Decimer aus seinem Konzept zu bringen und ihn davon zu überzeugen, ein wenig kooperativer zu sein. Mit allen Mitteln und Wegen und wenn es sein musste mit den Briefen, die sie immer noch in der Hinterhand hatte. Ein hoffentlich geeignetes Druckmittel, wenn es hart auf hart käme. Das hoffte die Aurelia zumindest als sie schließlich vor ihm stand:"Ich kann mir schon denken warum du hier bist und ich kann verstehen, dass du erzürnt bist. Aber lass es mich bitte erklären … "Mit ihrem reumütigen Verhalten wollte Prisca dem Decimer ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen und deshalb hielt sie ihm gleichzeitig versöhnlich lächelnd den Becher mit Wein und die Schale mit dem Opium entgegen - symbolisch als Friedensangebot sozusagen: "Möchtest du Wein? Oder hier, … möchtest du etwas von den Kräuter probieren? ...

    Naja, aufmunternd waren Tillas Erklärungen nicht gerade für Mara. Weder wollte sie das Austreten üben müssen, noch brauchte sie unbedingt noch mehr Abreit als ohnehin schon. Was war denn nur so schlimm daran untätig herum sitzen zu müssen? … Und zu allem Überfluss durfte sie nicht einmal in der villa Aurelia bleiben. Och menno … "Na wenn du meinst …", antwortete Mara zunächst leicht eingeschnappt, um gleich darauf aber wieder verschmitzt zu grinsen wieTilla ihr zu verstehen gab, dass sie Einar mit einspannen durfte. "Danke… Ich werde Einar ordentlich viel schleppen lassen, verlass dich drauf. … Und auf dem Rückweg darf er mich dann auf Händen tragen", gab Mara kichernd zurück und wieder guter Laune sprang die junge Sklavin sogleich auf, um den Germanen suchen zu gehen.


    Esther blickte Mara nach und schüttelte leicht den Kopf. Was sollte sie von diesem unbedarften Ding nur halten? "Ja auf dem Markt machen Neuigkeiten und Gerüchte aller Art eben schnell die Runde", sprach sie gleichzeitig weiter zu ihrer Tochter: "… und wenn die Gattin eines bekanten Senators ihr drittes Kind gesund zur Welt bringt, so ist das allemal eine freudige Nachricht." Drei Kinder waren schließlich ein guter Schnitt für eine Römerin, noch dazu wenn sie und ihre Kinder alle drei Geburten unbeschadet überstanden hatten und sie alle am Leben blieben. Ein Glück, das nicht jedem zu Teil wurde.


    Mit einer liebevollen Berührung strich Esther versonnen ihrer Tochter über den Rücken, als für einen kurzen Augenblick die Erinnerungen zurück kamen: An Tillas Geburt und an die schicksalhafte Fügung, die ihrer beider Leben bestimmt hatte. Esther war unendlich froh, dass sie ihre Tochter nach all der langen Zeit zurück hatte, doch vieles aus der Vergangenheit beschäftigte sie heute noch. Nur gut, dass die Arbeit sie von diesen trüben Gedanken würde ablenken und so raffte sich Esther ebenfalls auf: "Bis später mein Herz. Ich hab dich lieb", verabschiedete sie sich mit einem Kuss auf Tillas Stirn und einem Lächeln von ihrer Tochter, ehe sie dann in die selbe Richtung wie Mara entschwand. Irgendwie musste sie Einar ins Gewissen reden ehe es zu spät wäre, dass er keinesfalls zu weit gehen dürfte, selbst wenn Mara ihn dazu animieren würde. Doch wie sollte sie ausgerechnet DAS einem Mann klar machen? …


    Solche Sorgen hatte Prisca zur Zeit nicht. Die Aurelia plagten ganz andere Gedanken und entsprechend abwesend erscheinend empfing sie ihre Leibsklavin stumm und ohne ein Wort zu verlieren. Das Kämmen der Haare war eine derart gewohnte Routine, dass es Prisca zunächst gar nicht auffiel, ehe sie Tilla und der Bedeutung ihres Flüstern und ihrer Gesten gewahr wurde. "Der Umzug? … ach so. Ja ja schon gut. … Verschone mich bitte mit Details und sorg einfach dafür, dass meine Befehle befolgt werden. Ich weiss doch, dass ich mich auf dich verlassen kann", winkte Prisca beiläufig ab da es für sie eine Selbstverständlichkeit war, dass Alles zu ihrer vollsten Zufriedenheit erledigt würde. Dafür würde Tilla schon sorgen und so könnte ihre Leibsklavin die eher genervt klingenden Worte ihrer Herrin durchaus als persönliches Lob auffassen.


    Genau so schnell konnte es aber passieren, dass Tilla den ganzen Unmut ihrer Herrin abbekam, insbesondere für solche Nebensächlichkeiten, die keinen Menschen interessierten. Ob ich die Beziehung zwischen Mara und Einar erlaube???? "Wie bitte? … ", zuerst einmal blickte Prisca ungläubig drein, ehe sie überhaupt verstand um was es ging. Nicht genug damit, dass sie Tilla erlaubt hatte mit Hektor zusammen zu sein, nun kam auch noch Mara daher und Tilla spielte die Fürsprecherin für sie: "Was bildet ihr euch eigentlich ein?", wurde sie deshalb etwas ungehalten und laut, den bittenden Blick ihrer Sklavin dabei völlig ignorierend : "Glaubt ihr etwa dieses Haus hier ist eine Art Liebeslaube für Sklaven? … Wenn ich die beiden dabei erwische, lasse ich sie zusammengebunden in den Tiber werfen. Dann haben sie ihre Beziehung!! ..." Damit war wohl alles gesagt oder? Mit einem strengen Blick bedachte die Aurelia ihre Leibsklavin und lediglich die unmittelbar folgende Frage nach Hektor brachte sie davon ab eine Strafe für Mara und Einar auszusprechen.


    Prisca atmete tief durch und sekundenlang schwirrten ihre Gedanken völlig durcheinander. Eigentlich scherte sie sich augenblicklich so gut wie gar nicht um ihre Sklaven, angesichts der prekären Situation in der sie sich selbst befand: Völlig allein gelassen zwischen den Fronten und ohne eine Plan, wie sie heil aus dieser Situation heraus kommen sollte. "Deinem Hektor geht es gut. Er berichtet mir regelmäßig wie es um meine Ländereien steht … Mach dir keine Sorgen um ihn, er wird bald zu dir zurück kehren", hörte sich Prisca dennoch selbst sagen und sie konnte es kaum glauben, dass sie tatsächlich einer Sklavin gut zu redete. Und wer tröstet mich? Die Gefühle drohten Prisca zu übermannen und verräterisch glänzten ihre Augen als sie kurz vor dem Zusammenbruch stand. Sie hatte niemanden mehr, dem sie noch vertrauen konnte und sie wähnte sich Mutterseelen allein, hier in Rom …

    ... lass uns nicht fragen, wohin er führt. (Anatole France 1844-1924)



    Ja wenn der Weg schön ist, weil er am Ende doch nicht nach Germanien führt, so ist das allemal schön! Also stellte sich diese Frage erst gar nicht, dafür aber so manch Andere: Was nun?... Soll ich mich jetzt auf eine nicht minder beschwerliche Reise nach Mantua begeben, oder bleib ich einfach hier? Aber wie sag ich es dann am besten Ursus, dass er gut daran täte dem Vescularier die Treue zu schwören und was antworte ich dem Decimer, wenn dieser irgendwann Ergebnisse sehen will? Ihr Cousin war so gesehen das Zünglein an der Waage und mit seiner Entscheidung würde er wohl das Schicksal aller Aurelier besiegeln (wenn er es mittlerweile nicht schon längst getan hatte). Sehr unwahrscheinlich, dass man uns Aurelier weiterhin in Ruhe lässt, sollte sich Ursus offiziell gegen diesen homo novus stellen und das wird er sicher tun, so wie ich ihn kenne. Irgendwie muss ich also diesen Decimer hinhalten und einen Weg finden, wie ich ihn mit seinen Liebesbriefen an Flavius Gracchus erpressen kann… Oder sollte ich vielleicht doch besser flieh..pardon, verreisen und damit möglichen Gefahren hier in Rom aus dem Weg gehen? Reisen oder nicht reisen? Fragen über Fragen, die der Aurelia langsam über den Kopf zu wachsen drohten, je länger sie hier in der villa Aurelia quasi auf gepackten Kisten saß. Eine "kleine Reise" hatte sie im übrigen bereits hinter sich, denn erst vor wenigen Tagen waren ihre Sachen aus der villa Flavia hierher in die villa Aurelia geschafft worden. Eigentlich hatte die Aurelia sich in der Obhut der flavischen Sklaven sehr wohl gefühlt, aber schlussendlich stellte das Haus, der Familie ihres verstorbenen Mannes kein Heim mehr für sie da und es war einfach ein befremdliches Gefühl gewesen, auf Dauer dort weiter alleine zu wohnen. Aber ob nun hier, oder dort, oder anders wo, …dieser Tage lebte es sich eigentlich überall "befremdlich" und andererseits wieder ganz gut. Eigentlich wie immer und das trotz der latenten Gefahren, die überall um sie herum lauerten.


    Wie sollte sie auch die Gefahr erkennen in der sie womöglich gerade schwebte, nachdem mittlerweile sowohl die Urbaner als auch die Prätorianer beide Villen durch sucht hatten. Ergebnis? Gleich Null. Na gut, der Ruf der Familie hatte bis dato zwar ein paar unschöne Kratzer bekommen, man wurde nicht mehr zu allen Festivitäten eingeladen und hie und da wurde hinter ihrem Rücken getuschelt, Na und? Eigentlich war doch alles wie immer. Die Patrizier waren seit je her nicht sonderlich beliebt, aber trotz der Ereignisse blieb alles friedlich. Warum also extra in die Ferne schweifen, wenn das Gewohnte doch so nah lag. Abgesehen davon war es zur Abwechslung mal ganz schön und überdies eine völlig neue Erfahrung, eine riesige Villa für sich alleine zu haben. Niemand hier der mir Vorschriften macht, was ich tun soll und wie ich mein Geld auszugeben habe, und und und ... rings herum nur Sklaven und der übliche Luxus der ihr (noch) geblieben war, … also was gab es also schöneres als diesen Luxus und die vermeintliche Freiheit zu genießen. Tag für Tag. Carpe diem. Mehr denn je das Motto das Prisca an den Tag legte, je länger sie dazu verdammt war hier in Rom der Dinge zu harren, die da kommen mochten.


    So auch an jenem Tag, den die Aurelia, aus der Langeweile heraus geboren, kurzerhand zu einem persönlichen Feiertag erklärte und worauf die aurelischen Sklaven das gesamte Haus entsprechend schmücken und für den nötigen Kurzweil sorgen mussten: Mit Musik,Tanz, Gesang , kleinen Theaterstücken und einer Vielzahl an Köstlichkeiten, was eben zu einem richtigen Gelage dazu gehörte, im Sinne der Ästhetik und dem Credo ihres verblichenen Gatten folgend. Und mitten drin lag die Aurelia, einem Kunstwerk gleich gehüllt in ein Hauch von Nichts und umgeben von betörenden Aromen und sanfter Musik, zu der man sich so wunderbar lasziv schwebend auf einem Meer von Kissen und Rosenblüten räkeln konnte. So als würde sie auf einen feurigen Liebhaber warten, der jeden Moment zur Tür herein stürmen könnte und "…" Ach ja … das war natürlich nur reines Wunschdenken , aber wenigstens sorgten die Sklaven gerade für einigermaßen befriedigendes Amüsement, mit ihrer - mehr oder weniger gelungenen - Interpretation von einer von Aesops Fabeln. Der Löwe und das Mäuschen. Wie putzig. Schauspielerisch konnten die Sklaven jedenfalls kaum überzeugen, aber lustig anzusehen waren sie allemal, wie sie da in ihren freizügigen Tierkostümen umher sprangen und -tanzten. Das hätte ihren Freundinnen sicher gefallen! Davon war Prisca zumindest fest überzeugt, nur leider konnten Serrana und Calvena nicht mitfeiern, da sie sich um ihre Familien kümmern mussten. Insbesondere Serrana, die durch die Geburt ihres Jüngsten sozusagen "schuld" daran war, dass die Reise nach Germanien auf unbestimmte Zeit verschoben worden war. Ach ja, die gute Serrana! Mehr als einmal hatte Prisca den Göttern für die Niederkunft ihrer Freundin gedankt und auf ihr Wohl, das ihrer Kinder und das ihrer Familie getrunken. Ich muss sie unbedingt besuchen und mir den Kleinen mal anschauen. Gleich morgen. Ganz bestimmt, nahm sie sich wieder einmal fest vor zu tun, wozu sie schon in den vergangenen Tagen nicht fähig gewesen war.


    Das lag aber nicht daran, dass Prisca nicht gewollt hätte. Wenn da nur nicht der viele Wein und die vielen Rauschmittel gewesen wären. Allein bei dem Gedanken an das Schaukeln der Sänfte wurde der Aurelia schon schlecht und sie musste sich übergeben, um im nächsten Moment schon wieder in ausgelassener Stimmung nach: "Mehr Wein!" zu rufen und dazu kichernd: "Und gebt mir noch etwas von den süßen Kräutern, die so schön benebeln die Sinne …" Ach ja! Mit einem wohligen Seufzer kuschelte sich Prisca in die weichen Kissen und verspeiste dazu eine süße Traube, die ein Mundschenk ihr zwischen die Lippen geschoben hatte. Ja so ließ es sich aushalten und so manches Unschöne vergessen, so wie zum Beispiel den Tod ihres Mannes und die infamen Anschuldigungen gegen ihre Familie. Über den Verlust ihres Gatten war Prisca - den Kräutern sei dank - schon seit Antium hinweg und ebenso wenig wie sie seitdem an ihn dachte, hatte sie weiter über den Decimer und das Gespräch in dessen Büro nach gegrübelt. Mit Sicherheit hatte der Kerl längst seine Spione nach Mantua entsandt und wüsste wahrscheinlich mehr als sie, was die Haltung ihres Cousins betraf. Blieb nur zu hoffen, dass das ganze nicht noch ein unschönes Ende nehmen würde. Apropos ...


    "Das Wort unschön ist übrigens ab sofort tabu und wird nicht mehr laut ausgesprochen. Verstanden?", wandte sich die Aurelia aus ihren Gedanken heraus völlig zusammenhangslos an ihre beiden Leibsklavinnen, die neben ihr saßen und sich um das leibliche Wohl ihrer Herrin zu kümmern hatten. Das Gesagte war zwar völlig sinnfrei, aber das störte Prisca wenig. Kichernd schnuppert sie kurz an einer Räucherschale, nahm einen weiteren Schluck Wein aus dem Becher und blickte dann mit glasigen Augen zu ihren Sklavinnen: "Ach da fällt mir ein ihr zwei Hübschen, … wie weit waren wir eigentlich mit dem Brief an meinen, ehm ,… lieben Ursus? Ihr wisst doch wie wichtig es ist, dass er diesem Vescularier in den Allerwertesten kriecht, oder zumindest zum Schein so tut als ob. Lest doch mal vor was wir bis jetzt haben!… ", befahl Prisca ihren Sklavinnen fingerschnippend, ohne sich auch nur ansatzweise an den Wortlaut des Schreibens erinnern zu können. Hatte ich überhaupt schon was diktiert? Egal. Irgendwas werden die beiden schon aufgesetzt haben. Praktischerweise konnte Tilla schreiben und Mara sprechen, sodass die beiden Dinger sich wunderbar ergänzten. Dabei verließ sich Prisca weniger auf Mara und dafür voll und ganz auf Tilla, denn der Brief an ihren Cousin hätte eigentlich schon längst fertig sein müssen. Und wenn nicht? …Naja, Hauptsache der Weg ist schön ...

    Ob nun erlaubt oder nicht, … Mara war froh, dass wenigstens Tilla Verständnis für sie und ihre Turteleien zeigte. Schließlich war das Sklavendasein öde genug und zur Abwechslung mal ein bisschen herum fummeln und küssen war doch nicht weiter schlimm, oder? Mehr hätte Mara auch nicht zugelassen, da es ihr viel mehr Spaß machte die Männer hin zu halten. Insbesondere bei Einar, den sie am liebsten von allen neckte. So wie vorhin in der Speisekammer, als sie Einar mit ihren Reizen verzückt hatte … aber davon würde sie Tilla nachher mehr erzählen, wenn ihre Mutter nicht dabei wäre. Für Mara war das eben mehr wie ein Spiel und es hatte für sie weniger mit Liebe zu tun, wobei sie durchaus verstehen konnte, dass Tilla "ihren" Hektor über alles liebte. Von daher war der Grieche auch absolut tabu, wenngleich Mara dies manchmal bedauerte.


    Das war aber nicht der Grund für den tiefen Seufzer, den Mara nunmehr ausstieß. Sie war Tilla keineswegs böse für die tadelnden Worte, vielmehr hatte sie keinerlei Verständnis für die Aurelia und deren Launen: "Ja ja. Ich weiß, … ich darf nicht sprechen, ich darf mich nicht bewegen, … ich darf nicht atmen, ich darf nicht mal Pipi machen, außer die Herrin erlaubt es mir. Pah!" Schmollend schob Mara die Unterlippe vor, ehe sie zum Thema Umzug hinzu fügte: "Nein ich hab mich nicht verhört. Sie sagte, dass wir heute noch mit dem packen anfangen sollen. Das macht die doch mit Absicht, um uns zu schikanieren …" Lustlos sah Mara iauf hre Zehenspitzen herab, mit denen sie unruhig auf dem Boden herum tippelte, als sie einem weiteren tadelnden Blick der Ägypterin aus wich.


    "Du solltest besser nicht so vorlaut sein. Du bist schließlich eine Sklavin und als solche hast du die Wünsche deiner Herrschaft nicht zu hinterfragen", belehrte Esther kurz die junge Sklavin, um sich dann den Fragen ihrer Tochter zu zu wenden: "Stimmt. Deine Herrin wollte eigentlich zu den Germanicern ziehen aber wie ich neulich auf dem Markt erfahren habe, hat Iunia Serrana erst vor kurzem ihr drittes Kind zur Welt gebracht. Gut möglich, dass die Reise deshalb verschoben wurde und sich damit auch der Umzug zu den Germanicern vorerst erübrigt hat", schlussfolgerte Esther daraus, wobei auch Tillas Vermutung nahe lag: "Ja das kann auch mit ein Grund dafür sein, dass eure Herrin von hier fort möchte", nickte Esther und sie überlegte kurz wie lange es wohl dauern würde bis alle Sachen in die andere villa hinüber geschafft wären.


    "Ich denke auch, dass ihr es in zwei oder drei Tagen schaffen solltet", meinte sie dann. Länger würde es sicher nicht dauern, schließlich ging es ja ausschließlich um die persönlichen Dinge der Aurelia (wie Kleider und Schminkutensilien) und nicht um das Interieur, welches selbstverständlich hier bleiben würde. Trotzdem würde es einige Zeit dauern, bis alles aus- und wieder eingeräumt und zur vollsten Zufriedenheit der Herrin erledigt wäre. Von daher: "Sputet euch jetzt besser! Ich werde mich um die Träger kümmern und Einar und Bernulf Bescheid geben" Mit diesen Worten erhob sich die Ägypterin, nachdem sie ihrer Tochter noch einmal aufmunternd über die Wange gestrichen hatte. Mara hingegen erntete wieder einmal einen strengen Blick, worauf die junge Sklavin murrend ebenfalls auf stand: "Ist ja gut. Ich eile ja schon und sage Saba Bescheid, dass jetzt bald wieder ein anderer Wind in der villa Aurelia wehen wird. Ach da fällt mir ein, ...soll ich nicht besser gleich dort bleiben, um die Arbeiten vor Ort zu überwachen?", schlug Mara dann nicht ganz ohne Hintergedanken vor gleich in der der villa Aurelia zu bleiben. Zwei ganze Tage! Das wäre lange genug, um neben der Arbeit ein wenig Spaß zu haben und männliche Sklaven gab es auch bei den Aureliern genügend …