Beiträge von Fiona

    Mit einem Fetzen stinkigen Stoffes, hatten diese Kerle Fiona zum Schweigen gebracht und sie in einen dreckigen Sack gesteckt. Der Sack wurde irgendwo unsanft auf die Erde geworfen. Panik brach bei Fiona aus, da sie nicht wußte, was mit ihr und Tilla geschah. Ob man sie töten wollte? Wenn man das wollte, hätten die Schurken das bereits getan. Alles Mögliche ging Fiona durch den Kopf, nur hatte sie keine Idee, was sie machen sollte.
    Die Kerle hatten vergessen, ihr die Hände zu binden. So riß sie sich den Knebel einfach vom Mund und versuchte, herauszufinden, was diese Schurken mit ihnen anstellten. Offenbar war keiner der Kerle mehr in der Nähe. Fiona tastete nach dem Messer, daß sie unter ihrer Tunika trug und schlitzte damit den Sack auf. Ganz vorsichtig steckte sie ihren Kopf hinaus, um nachzusehen, ob die Luft rein war. Der Sack, in dem sie gefangen war, lag unbeaufsichtigt unter einem Baum, nur ihr Sack! Tilla war weg! Sie hatten sie getrennt und offenbar hielten sie sich außerhalb Roms auf. Hier kannte sie sich überhaupt nicht aus. Verdammt, was sollte sie denn jetzt nur machen? Als erstes musste sie von hier weg, bevor einer dieser Schurken zurück kam. Fiona versteckte sich hintere einem Gebüsch. Bald schon kam einer der Männer zurück. Er hielt ein Messer in der Hand. Für sie war es unmißverständlich, was er vorgehabt hatte. Sie verhielt sich still hinter dem Busch. Bevor sie floh, mußte sie erst herausfinden, wo man Tilla hingebracht hatte.

    "Ja, Kosmetik!" widerholte sie verächtlich, obwohl sie es auch immer sehr gemocht hatte, wenn sie sich bei Epicharis´ Kosmetikprodukten bedienen durfte. Aber im Augenblick zählte das alles nicht. Seit jenem Nachmittag im flavischen Garten fühlte sie sein verraten und verkauft. Zurecht gestutzt und an den Platz zurückgesetzt, an den sie nach Ansicht ihrer Herrin hin gehörte. Sie war nichts weiter als eine einfache Sklavin und sie hatte nach Meinung ihrer Herrin auch noch nichts in ihrem Sklavendasein vollbracht, was ihre Freilassung hätte rechtfertigen können.
    Daß die beiden Fremden Frauen sich nun hinter ihrem Rücken ihrer Aussage wegen über sie lustig machten, konnte sie nicht ahnen. Die beiden hatten es gut, dachte Fiona neidisch. Sie waren niemanden hörig. Sie konnten tun was sie wollten.
    Als die Nubierin sie schließlich fragte, warum sie wieder zurück nach Britannia wollte, blieb sie mitten im Weg stehen und drehte sich zu den beiden um.
    "Als man mein Dorf überfiel und mich verschleppte, da glaubte ich, auch mein Geliebter wäre unter den Toten. Nun habe ich aber vor einigen Wochen erfahren, daß dem nicht so ist! Er lebt! Und ich bin hier! Meine Herrin denkt nur an ihr eigenes Glück und an ihre Liebe und verwehrt mir meine. Deshalb will ich zurück. Nein, ich muß zurück!" Hinter den drei Frauen bildete sich ein kleiner Menschenstau. Einige derer, die kein Durchkommen mehr fanden, beschwerten sich lautstarkt, doch Fiona interessierte das nicht. Sie blieb weiterhin stehen.

    Fiona wurde immer misstrauischer, je länger sich Tilla mit dem Fremden aufhielt. Das roch förmlich nach Ärger und am liebsten hätte sie das Mädchen von diesem schmierigen Kerl weg gerissen. Dieser Marduk war ihr überhaupt nicht geheuer! Was sich auch nicht änderte, als er ihr erklärte, woher es den Jungen angeblich kannte. "Aha, ihr macht Geschäfte! Soso!" Spätestens jetzt hätte sie Tilla nehmen und von hier fort bringen sollen. Aber sie tat es nicht. Das Mädchen was so vertrauensselig und hing förmlich an seinen Lippen. Eigentlich hätte sie doch vorsichtig sein müssen, denn schließlich war die doch einmal ein Straßenkind gewesen und hätte die Tricks solcher Gauner kennen müssen. Aber nichts von alledem. Tilla wich nicht von Marduks Seite. Fiona wurde immer unruhiger. Vielleicht war sie auch einfach zu übervorsichtig und später würde sich sogar herausstellen, daß dieser Marduk am Ende doch nur ein 'netter Kerl' war.
    Plötzlich erfaßte ein Windstoß die Gasse. Tillas neues Tuch wollte sich selbstständig machen, doch der nette Marduk kam ihr zur Hilfe. Was Fiona leider erst zu spät bemerkte, war Marduks Griff um ihr Handgelenk. Er zog sie mit sich fort. Fiona aber ließ er achtlos stehen. Sie folgte den beiden in eine Seitengasse. Und siehe da erschien ganz plötzlich Pumilio.
    Da stimmt was nicht, dachte Fiona noch. Nein! Da war etwas ganz gewaltig faul! Fiona versuchte die beiden aufzuhalten. Dieser Kerl hatte irgendetwas mit Tilla vor. Aber was wollte er denn mit einem Sklavenmädchen anfangen? Ihren Herrn erpressen, oder gar weiterverkaufen? Wenn sie jetzt nichts unternahm, dann verschleppte er Tilla einfach! Das konnte Fiona nicht zulassen. "He, du! Laß sie sofort los! Hörst du!"
    Aber zu spät! Einige Männer, die wie aus dem Nichts auftauchen, stürzten sich auf sie, und rissen sie mit sich fort. Sie wehrte sich mit Händen und Füßen, wollte schreien, aber ehe sie sich versah, hatte sie einen Knebel im Mund und fand sich kurze Zeit später in einem Sack wieder. Wo war Tilla? Was hatten die Kerle mit ihr vor? Und was geschah, wenn sie jetzt nicht wieder in die Villa zurückkehrte? Dann würde es heißen, sie sei geflohen. Fiona konnte sich ausmalen, was das hieße! Sie mußte sich ganz schnell etwas einfallen lassen! Nur was?

    Die beiden Frauen sprachen Fiona aus der Seele! Nun ja, Epicharis war nicht wirklich eine Furie. Aber sie hatte jetzt ihr wahres Gesicht erkannt. Sie war nicht die nette junge Frau, die so etwas wie eine Freundin war. Epicharis war nicht ihre Freundin! Sie war ihre Herrin und das hatte sie ihr in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben. Eigentlich wollte sie gar nicht mehr über ihre Herrin nachdenken, sonst wurde sie nu noch wütender.
    "Ja, und wie sie eine Furie ist! Sie ist so gemein zu mir.", jammerte sie der Nubierin vor. "Ich soll eine Kosmetik für sie besorgen. Für ihr Gesicht, glaube ich." So genau wußte das Fiona nicht. Schließlich hatte Epicharis ihr gegenüber ihre Wünsche nicht selbst geäußert.
    "Ja, du hast recht! Wir sind alle Menschen. Auch wenn das einige nicht wahrhaben wollen.", entgegnete sie der Blonden. Endlich hatte sie jemanden zum Reden gefunden, wo sie all ihren Frust abladen konnte. Jemand der sie verstand!
    "Ich bin nicht glücklich, nein. Vor einigen Tagen habe ich meine Herrin gebeten, mich frei zu lassen. Aber sie hat nicht zugestimmt, obwohl es doch so wichtig für mich wäre, wieder nach Hause zu kommen! Sie ist so gemein! Nur ihr eigenes Glück hat sie in ihrem hübschen Köpfchen. Sonst nichts!" Wieder begann sie sich in Rage zu reden.

    Gebannt starrte Fiona auf die Szenerie, die sich vor ihr darbot. Wasser hatte schon von jeher eine anziehende Wirkung auf sie gehabt. Vielleicht weil sie damit viele schöne Kindheitserinnerungen verband. Sehr oft war sie mit ihren Brüdern am Ufer des Usk zum Spielen gewesen. Manchmal hatten sie sich auch davon geschlichen, um bis zur Mündung des Flusses ins Meer zu reiten. Meistens hatten sie danach Ärger mit ihrer Mutter bekommen, die dies für zu gefährlich hielt. Ihr Vater hatte das immer etwas gelassener gesehen, weswegen sie ihn auch immer etwas mehr gemocht hatte.
    Oh, ja sie liebte das Meer! Auch später noch, als sie zu einer jungen Frau herangewachsen war, liebte sie es, endlose Spaziergänge am Strand zu machen. Am liebsten tat sie das mit…
    "Owen.", sagte sie plötzlich ganz geistesabwesend. Die Nachricht, ihr Geliebter könne noch am Leben sein, ließ sie einfach nicht los. Ihr Blick fiel unweigerlich auf Hannibal. Sie errötete vor Scham, da sie sich ertappt gefühlt hatte, doch glücklicherweise schien er dies zu übersehen, als er zu sprechen begann.
    "Du warst zu oft im Meer? Ich hätte nicht genug davon haben können!" Sie grinste ebenfalls. "Dort wo ich herkomme fließ ein Fluß nahe an unserem Dorf vorbei, der dann etwas südlicher ins Meer mündest. Ich war oft dort, als Kind und auch später. Allerdings Seeungetüme uns Seeschlangen habe ich nie dort gesehen. Ich kenne auch niemanden, der so etwas jemals bei uns gesehen hätte." Woher nur immer diese seltsamen Geschichten stammten, fragte sich Fiona. Doch eine noch ganz andere Frage stellte sich ihr. "Sag mal, kann man auch mit einem solchen Segelboot weit übers Meer fahren? Bis nach Britannia, vielleicht"

    Gewiss konnte man Fiona nicht vorwerfen, sie sei einfältig. Schon oft in ihrem Leben hatte sie einen gewissen Spürsinn bewiesen, der sie wachsam werden ließ, wenn jemand es nicht ehrlich mit ihr meinte. Diese Fähigkeit hatte ihr in so mancher brenzligen Situation geholfen. Vielleicht war es nun einfach nur der Zorn, der sie seit Tagen übermannte und sie in mancher Hinsicht blind werden ließ für Dinge, die man besser hätte hinterfragen sollen.


    Sie wollte schon weiter gehen und die beiden Frauen ihres Weges ziehen lassen, als die Stimme der Nubierin sie doch zurückhielt. Auch die blonde Frau schlug ihr vor, sie könne sie gerne ein Stück begleiten zu. Daß die beiden Frauen mit ihrem Angebot einen gewissen Hintergedanken verfolgten, ahnte Fiona nicht. Noch nicht!
    Das Gesicht der Sklavin erhellte sich wieder und ihre gewohnte Freundlichkeit kehrte zurück. "Gerne. Das freut mich aber! Ich habe noch so ein komisches Zeug zu besorgen. Ich weiß gar nicht, wo ich das her bekommen soll. Eigentlich ist es mir auch gleich, ob ich es finde. Notfalls er zähle ich ihr, ich hätte es nirgends bekommen können." Fiona grinste schelmisch. Für ihre Herrin würde sie sich so schnell nicht mehr ins Zeug legen.
    "Wenn ihr keine Sklavinnen seid, seid ihr dann Römerinnen?" Nun ja, die Nubierin sah wirklich nicht danach aus, aber vielleicht besaß sie ja das viel gerühmte römische Bürgerrecht.

    Fiona war es nicht peinlich. Eher fühlte sie sich noch mehr frustrierter, nachdem sie erfahren hatte, daß die beiden das besaßen, was sie verloren hatte und auf einfachem Wege nicht wieder bekam. Die Frauen sahen überhaupt nicht besonders römisch aus, was das ganze für die Sklavin noch schlimmer machte. Wie konnte man nur freiwillig in dieser Stadt sein, fragte sie sich selbst, ohne dabei zu berücksichtigen, daß auch sie einmal vor langer, langer Zeit den Wunsch gehegt hatte, einmal nach Rom zu kommen. Ihr Wunsch hatte sich auf tragische Weise erfüllt. Die Wege des Schicksals waren zu weil recht grausam.
    "Dann könnt ihr euch glücklich schätzen! Ich wünschte, ich könnte solches auch von mir behaupten."
    Offenbar hatte sie mit ihrer Frage zumindest die blonde Frau irritiert. Es war besser, wenn sie die beiden wieder sich selbst überließ. "Es ist wohl am besten, wenn ich euch nicht weiter störe. Ich hab noch viel zu tun, damit ich meine Herrin beglücken kann."
    Fionas Blick wurde wieder düster, als sie weiter gehen wollte.

    Fiona hatte lange mit sich gerungen, ob sie zur cena gehen sollte oder nicht. Seit dem Streitgespräch mit Epicharis, ihrer Herrin, war sie nicht mehr in deren Nähe gewesen. Den Groll den sie gegen sie hegte, war noch so stark, wie an jenem Herbstnachmittag vor mehreren Wochen.
    Als sie sich dann doch dazu durchrang, zur cena zu erscheinen, war es nicht um des lieben Frieden willen. Vielmehr war ihr Erscheinungsbild reinste Provokation. Sie hatte ihre römische Tunika gegen eine grobgewebte hellgrüne Wolltunika eingetauscht, die große Ähnlichkeit mit der Kleidung ihrer Heimat aufwies. In ihrer freien Zeit hatte sie begonnen, eine bunte Bordüre zu weben, die nun die den Halsausschnitt und die Ärmel ihres Gewandes zierten. Die wollenen Fäden dafür hatte sie sich von ihrem Gesparten gekauft.
    Auch ihr Haar trug sie nicht, wie üblich und der römischen Mode folgend, hochgesteckt. Bis auf zwei geflochtene Zöpfe, links und rechts, trug sie es offen. Als sie sich im Spiegel betrachtet hatte, konnte sie eine große Ähnlichkeit mit der Fiona, die vor einigen Jahren noch in Britannia gelebt hatte, feststellen. An ihrem Hals fehlte nur der Torques, den sie einst getragen hatte.
    So erschien sie im Triclinium. Mit ihrem düsteren Blick musterte sie die Gesellschaft, die bereits auf den Klinen lag oder saß. Einige Sklaven, wie Hannibal, Chimerion und Cassim waren darunter und Epicharis war da! Sie saß zwischen der Flavierin, die man irrtümlich für tot gehalten hatte und dem parthischen Sklaven.
    Von Minna, ihrer Freundin, war noch nichts zu sehen. Auch Nordwin fehlte noch, was sie vermuten ließ, daß die beiden wohl besseres zu tun hatten, als den Abend im Beisein der flavischen Herrschaften zu verbringen. Fiona hatte nicht vor, lange zu bleiben. Den Rest des Abends wollte sie noch in der Stadt verbringen.
    "Salvete", presste sie hervor und vermied es, ihre Herrin dabei anzuschauen. Fernab von Epicharis ließ sie sich auf einer freien Kline nieder. Sie wünschte sich nichts sehnlicheres, als das dieser Abend vorüber ginge.

    Kaum hatten die beiden Sklavinnen sich in den Brautzug eingereiht, übergab man ihnen eine Spindel und einen Spinnrocken in ihre Hände. Fiona nahm sich den Rocken, während Minna die Spindel trug. Langsam schob sich der Brautzug voran und mit ihm die beiden Sklavinnen, für die nun endlich ein neuer Abschnitt in ihrem Dasein beginnen sollte. Fiona, für die eine solche Zeremonie auch völlig neu war, hätte nicht beschreiben können, was in diesem Moment in ihr vorging. Zum einen war sie fasziniert von alledem, was sie umgab zum anderen stellte sich auch die Frage nach ihrer Zukunft. Das letztere versuchte sie an diesem Abend zu unterdrücken. Dieser Abend war ihrer Herrin alleine gewidmet. In einigen Tagen, wenn der ganze Trubel vorbei war, wollte sie mit ihr sprechen.
    Immer wieder wandte sich Epicharis nach ihr um und sie lächelte ihr zurück. Sie sollte sich keine Sorgen machen müssen, an ihrem schönsten Tag ihres Lebens.
    An ihrer neuen Heimstatt angekommen, sprach Epicharis ein Gebet. Fiona beobachtete sie dabei und verfolgte nun gespannt, was danach passierte. Sie bestrich die Türpfosten mit Hilfe eines Pinsels mit einem Öl, welches man ihr mittels einer Schale gereicht hatte. Dann befestigte sie Wollbändchen daran. Wieder sah sich die Herrin nach ihren Sklavinnen um, doch nun reichte sie Fiona die übriggebliebenen Fäden. Welcher Sinn hinter diesen Riten steckte, konnte Fiona nicht ergründen. Trotz allem sah sie gespannt dem weiteren Fortgang entgegen. Sie nahm an, Epicharis würde nun die Villa betreten und danach auch sie.

    Natürlich war Tilla glücklich! Auf wundersame Weise war sie doch noch zu ihrem Tuch gekommen. Wer hätte ihr das auch verdenken können? Fiona freute sich auch für sie. Doch dieser Fremde war ihr unheimlich. Sie konnte nicht verstehen, warum dieser Mann so freundlich zu zwei unbedeutenden Sklavinnen war. Tillas Wachsamkeit, wohl ein Relikt aus ihrer Zeit als Straßenkind, war auf einmal wie weggeblasen. Ein paar freundliche Worte, die so zuckersüß waren, so daß man daran festkleben mußte, ließen Tilla aber auch Fiona unachtsam werden. Nun fehlte nur noch der Junge, dieser Pumilio. Fiona hielt Ausschau nach ihm, konnte ihn aber auch nicht erspähen. "Tut mir leid, Tilla. Ich kann ihn nicht erkennen."
    Diese ganze Situation war ihr äußerst suspekt! Als nun der Fremde auch sie ansprach und ihr ebenso eines der Tücher kaufen wollte, war Fiona erst davon angetan. Jede Frau wünschte sich ab und an etwas Hübsches. Warum also sich nicht auch eines der Seidentücher erwählen? Eine solche Gelegenheit kam nicht jeden Tag! Doch dann war es wieder da, ihr Mißtrauen, das sie nur selten im Stich ließ.
    "Ach nein, lieber nicht! Mein Herr ist sehr streng und wenn er das Tuch bei mir findet, denkt er sicher, ich hätte es gestohlen." Die Sklavin lehnte freundlich aber bestimmt ab.
    "Angenehm Marduk. Mein Name ist Fiona. Wie kommt es eigentlich, daß du…" Fiona konnte ihre Frage nicht zu Ende stellen, da Marduk mit einem Mal Pomilios Namen erwähnte. Rom mußte offensichtlich ein Dorf sein, dachte sich Fiona noch, wenn dieser Marduk ganz zufällig auch diesen Jungen kannte. Für Fionas Geschmack waren das einige Zufälle zu viel! "Äh, Tilla, ich glaube wir sollten besser..." Doch nun, da er den Namen des Jungen erwähnt hatte und noch mehr, er machte Tilla regelrecht neugierig, mit etwas, was der Junge angeblich von ihr besaß, war das Mädchen wohl nicht mehr länger zu halten. Jedes von Fionas warnenden Worten war nun nutzlos. Sie konnte aber Tilla auch nicht alleine in ihr Unglück rennen lassen. Also blieb sie bei ihr. Allerdings wollte sie auf der Hut bleiben, um nicht in eine Falle gelockt zu werden. Ganz unauffällig fühlte sie an ihre Tunika. Ja, es war noch da, ihr geheimes Messer, welches sie für gewöhnlich unter ihrer Tunika trug. "Du kennst also Pumilio? Das ist ja interessant! Woher denn, wenn ich fragen darf?"

    Man konnte dem Mädchen die Enttäuschung ansehen, auch wenn man sie nicht so gut kannte. Zwanzig Sesterzen waren eindeutig zu viel für Tilla und auch zuviel für Fiona. Das Geld, das sie noch übrig hatte, reicht gerade mal so aus, um die Lebensmittel, die sie neu kaufen mußte, zu bezahlen. Eigentlich hatte sie gehofft, sich selbst etwas von dem Restgeld kaufen zu können, doch die Hoffnung hatte sie in dem Moment begraben, als der Einkaufskorb, mit sämtlichen Lebensmitteln zu Boden gegangen war.
    Aber Fiona war eine Frau, die nicht gleich beim ersten Mal aufgab. Warum sie das jetzt für Tilla machte, konnte sie selbst nicht so einfach beschreiben. Wahrscheinlich war es das schlechte Gewissen, gegenüber dem ehemaligen Straßenkind, das sie dazu trieb.
    "Findest du nicht, zwanzig Sesterzen ist ein bißchen zu viel? Das Tuch ist ja wirklich schön, aber was hältst du davon, wenn sie dir jetzt etwas gibt und den Rest zahlt sie später? Sagen wir, fünf Seterzen?" Fiona setzte ihr süßestes Lächeln auf, um den Händler zu umgarnen. Der aber winkte gleich ab. "Ihr wollt in Raten zahlen? Nein, nein, so was mache ich nicht! Nachher renne ich noch wochenlang meinem Geld hinterher! Zwanzig Sesterzen und keine Sesterze weniger! Wenn nicht, nehmt doch ein billigeres Tuch! Das hier! Das kostet nur 5 Sesterzen." Der Händler deutete auf ein unscheinbares Tuch aus Leinenstoff, das in ein tristes Grün gefärbt war Was das Seidentuch anbetraf, so war hart geblieben und Fiona sah traurig zu dem Mädchen hin. Heute sollte es nicht sein, daß sie Glück hatten.
    Tilla versuchte ihr nun zu erklären, warum es so wichtig für sie war, gerade dieses Tuch zu haben und so unternahm Fiona einen weiteren Anlauf.
    "Für sie wäre dieses Tuch aber sehr wichtig, verstehst du? Erst kürzlich wurde sie von Delphinen gerettet! Und sie hat eben keine zwanzig Sesterzen, sondern nur fünf. Wenn du es uns nicht verkaufst, dann hat sie nichts davon und du auch nicht! Na, wie wär´s?" Der Händler musterte die beiden Sklavinnen. Er sah nicht besonders gewillt aus, sich auf dieses Geschäft einzulassen. "So, sie hat also nicht so viel! Ihr beide seid doch gut gekleidet! Ihr müßt nur nach Hause laufen und Geld holen, dann könnt ihr auch das Tuch bezahlen."
    Langsam wurde Fiona ungehalten. weil der Händler so stur blieb. Andererseits wusste er vielleicht nicht, dass sie Sklavinnen waren.
    "Wir können nicht einfach nach Hause gehen, und Geld holen! Wir sind Sklaven! Komm Tilla, der will uns nichts verkaufen!" Sie nahm das Mädchen und wollte sie von dem Stand weg ziehen. Plötzlich trat ein Fremder zu ihnen an den Stand des Händlers und mischte sich mit ein. Er drückte den Preis auf zwölf Sesterzen hinunter und war dann auch noch so dreist und warf dem Händler die Münzen zu. Der war so verdutzt und eingeschüchtert, so daß er nichts mehr sagen konnte und einverstanden war.
    Fiona war mehr als erstaunt und konnte es kaum glauben. Der Mann imponierte ihr, auch wenn er etwas unheimliches an sich hatte!"Das Tuch ist für Tilla hier! Sie wollte ers haben. Danke!", sagte sie ihm und sah wieder zu Tilla. Eigentlich wollte sie so schnell wie möglich gehen. Der Fremde machte ihr Angst auch wenn er so freundlich war. Gerade, weil er so freundlich war!


    Acanthus saß, wo er immer saß, um das zu tun, was er immer tat. Auf seiner Bank an der Tür, um auf die Besucher zu warten, die an der porta anklopften. An diesem Nachmittag war es relativ ruhig gewesen. Acanthus nutze die Zeit um nachzudenken über die Götter und die Welt. Doch dann wurde er von einem rhythmischen Klopfen jäh unterbrochen!
    Wie gewöhnlich, öffnete er und wollte seinen gewohnten Spruch aufsagen. Aber dazu kam es nicht...


    "Salve... ohhh!" Der Ianitor hatte zuerst den Soldaten in blauer Uniform erblickt. Dies war nicht weiter ungewöhnlich. Als er aber die Dame hinter dem Centurio erblickte, wurde er kreidebleich, so als hätte er einen Geist gesehen.
    "Domina Celerina?! Du lebst?"
    Langsam kehrte die Farbe wieder in sein Gesicht zurück. Besonnen rief er nach den Sklaven, die sich gerade in der Nähe aufhielten.
    "Domina, wenn du es wünschst, wird man dich umgehend in dein cubiculum bringen!"

    "Jetzt sollte ich langsam mal das erledigen, wofür ich eigentlich hergekommen bin", sagte leise die Sklavin zu sich selbst und sah sich nach den Marktständen um, die sie noch besuchen mußte. Die Liste ihrer Besorgungen war zwar nicht sehr lang, doch standen einige ausgefallenen Dinge darauf, die sie erst noch finden mußte. Eine ganz besondere Art von Papyrus sollte sie beschaffen. Dabei fragte sie sich, warum es nicht der herkömmliche Papyrus tat, den Epicharis sonst auch immer benutzte. Wieder stieg in ihr der Ärger hoch, wenn sie nur an ihre Herrin denken mußte. Wieso hatte sie sich in ihr nur so täuschen können? Das wollte ihr einfach nicht in den Kopf!
    Vor ihr nahm das Markttreiben wieder zu. Durch die Gasse war kaum noch ein durchkommen. Fiona seufzte. Zur Zeit hasste sie nur noch ihr Leben. Es gab nur wenig, was sie wirklich hätte erfreuen können. "Darf ich bitte mal? Könntest du mich vielleicht mal durchlassen!" Mit solchen Worten, die bestimmt nicht freundlich klangen, zwängte sie sich ihren Weg durch, zu dem Stand mit dem Papyrus, der schier in unerreichbarer Ferne zu liegen schien.
    Wie es der Zufall wollte, erkannte sie einige Schritte vor ihr die beiden Frauen wieder, die ihr bereits vor einer Weile aufgefallen waren. Witzig, dachte sie, daß man sich in einer solchen Menschenmenge wieder fand. Als das Gedränge vor ihr wieder etwas nachließ, schloß sie zu den beiden Frauen auf und sprach die vermeintlichen Sklavinnen an. "Na, auch unterwegs, um eure Herrin zu beglücken?" Vielleicht konnte ja eine kleine Plauderei von der Schwere des Lebens ablenken, wenigstens für einen Moment.

    So einfach war es also, sich dem Sklavenleben zu entziehen und dabei nicht einmal die Stadt verlassen müssen, dachte sich Fiona. Was aber, wenn man beides haben wollte, frei sein und an den Ort zurück kehren, an dem man den Liebsten zurückgelassen hatte, nach den man sich sehnte? Das war weitaus schwieriger, als in der Suburba unterzutauchen. Fiona hatte auch nicht den Mut dazu, Hannibal frei heraus danach zu fragen. Sie kannte ihn ja kaum und außerdem, wer wusste, vielleicht würde sich alles von selbst lösen. So wie sie Epicharis einschätzte, würde diese keine Minute zögern, sie gehen zu lassen, wenn sie ihr alles erzählte. Da war sich die Sklavin relativ sicher.


    Freudig lächelte sie, als Hannibal sich damit einverstanden fand, zum Fluß zu gehen. Leichtfüßig folgte sie dem Sklaven auf dem Weg durch die Stadt, der sie schließlich zum Tiber führen sollte, dem Lebensquell dieser Stadt. Fiona staunte nicht schlecht. Die meisten dieser Bauwerke, an denen sie vorüber gingen, hatte sie noch nie zuvor gesehen. Und doch war es der Fluß gewesen, zudem sie unbedingt gehen wollte, nicht die großartigen Gebäude, mit den klangvollen Namen und den prächtigen Säulen.
    Endlich lag er vor ihnen! Der Fluß, der von manchen bösen Zungen schlichtweg auch als stinkendes Drecksloch bezeichnet wurde, was aber der Realität nicht wirklich entsprach. Unweit von der Stelle, an der sie zum Ufer traten, konnte man eine Insel in der Mitte des Flusses erkennen, die mit Häusern bebaut war. "Oh, wie schön!" rief Fiona aus, als sie das glitzernde Wasser erblickte. Sie trat ganz nah an das Ufer heran und betrachtete das silbrig glitzernde fließende Wasser.
    "Der Fluß, er fließt ins Meer nicht wahr? Etwas weiter westlich." Sie erinnerte sich noch genau. Ein Jahr zuvor hatte sie eine claudische Dame nach Ostia begleitet. Von der Straße aus hatte sie einige Male den Fluß sehen können, bis er sich bei Ostia schließlich ins Meer ergoß.
    "Warst du schon mal am Meer, Hannibal? Ich meine, so richtig! Bist du schon einmal im Meer geschwommen?"Ein wenig erinnerte sie der Fluß an ihre Heimat. An ihrem Dorf floß ein kleines Flüßchen vorbei, welches einige mille passus südlich ins Meer mündete. Früher war sie dort mit ihren Brüdern zum schwimmen und auch später mit dem Mann, den sie liebte. Dort hatten sie manchmal stundenlang nur da gesessen und den Wellen zugesehen.

    Während sie die letzten Bissen ihres Lammspießes kaute, mußte sie wieder an die seltsame Begegnung mit dem netten Claudier denken. Warum konnten nicht alle Römer blind, wie er sein. Dann wäre ihr Leben um einiges erträglicher gewesen. Ob er sie gehen gelassen hätte, wenn sie ihn darum gebeten hätte? Ach was, natürlich nicht, rief ihre innere Stimme. Sie kam sich schon etwas lächerlich vor, daß sie solche Gedanken hatte! Alle Römer waren gleich und dabei spielte es überhaupt keine Rolle, ob sie blind waren oder nicht.


    Den abgegessenen Holzspieß, auf dem einmal das gegrillte Lammfleisch aufgespießt war, warf sie achtlos beiseite. Die beiden Frauen, die ihr vorher aufgefallen waren,hatte sie aus den Augen verloren ud dachte auch gar nicht mehr an sie. Wahrscheinlich waren sie längst weitergegangen und hatten die Besorgungen für ihre Herrin erledigt, so wie sie es eigentlich hätte tun sollen.
    Er war wieder da, dieser Ärger, der sie innerlich aufzufressen schien. Hätte sie doch nur eine gute Idee gehabt, wie sie aus dieser Stadt kommen konnte und endlich diesen Claudiern und Flaviern den Rücken kehren konnte! Nie wieder würden sie sie so demütigen, wie sie es in der Vergangenheit getan hatten! Menecrates, Ofella, Callista und zuletzt auch Epicharis! Nach Britannia,rief die Stimme in ihr. Nie war die Sehnsucht so groß gewesen, wie in den letzten Tagen und Wochen, seit sie den alten Mann aus ihrem Dorf getroffen hatte.
    Callista, aus irgendeinem Grund mußte sie ständig an diese furchtbare Claudierin denken, die von ihrem Vater nach Britannia abgeschoben worden war, und das nicht nur, weil sie unter den claudischen Sklaven ihr ganz privates Massaker angerichtet hatte. Nein, auch um sie gewinnbringend zu verheiraten. Callista, wie sehr ihr doch dieser Namen zuwider war! Kurz nach ihrer Ankunft hatte sie sie damals kennengelernt. Die Claudierin wäre ihr damals beinahe zum Verhängnis geworden. Nein, sie verdrängte diese Erinnerungen wieder!
    Ob Callista bereits in Britannia angekommen war? Britannia…
    In Fiona wurde soeben eine Idee geboren, die langsam aber unaufhaltsam in ihr heranwuchs. Eine Idee, wie sie wieder nach Hause kommen konnte!
    Beschwingt und mit einem Lächeln auf den Lippen setzte sie ihren Weg fort.

    "Du meinst, ich kann sie wirklich behalten?" Fiona sah sich noch einmal das Abbild der Göttin an. Wenn sie nicht das Gefühl beschlichen hätte, daß die Statuette gestohlen war, hätte sie sie ohne weiteres behalten. Aber vielleicht machte sie sich einfach wieder, wie zu oft, unnötige Gedanken. Schließlich sah sie ihn lächelnd an und bedankte sich für das Geschenk.


    Fiona fiel die Unruhe auf, die von Hannibal ausging. Etwas mußte ihm unangenehm sein. Vielleicht waren es Fionas Fragen, die kein Ende nehmen wollten. Sie hörte ihm aufmerksam zu, als er begann ihre Frage zu beantworten. Er hatte hier ohne seinen Herrn gelebt? Wie war das nur möglich? Die Antwort darauf folgte sogleich. Sie staunte nicht schlecht, was sie da zu hören bekam. Er war in Schwierigkeiten geraten und mußte abtauchen? Das war ja interessant! Sie hätte gerne mehr darüber gehört, zweifelte aber mittlerweile an sich, ob sie ihn weiterhin ausfragen sollte. Es war ihm scheinbar schon unangenehm genug. Schließlich war sie für ihn eine Fremde, vor der er gerade sein halbes Leben ausbreitete. "Aha, verstehe! Und da konntest du einfach so hier leben?" Sie verstand gar nichts und hätte ihn liebend gerne noch weiter ausgequetscht. Aber sie ließ es, vorerst jedenfalls. Manchmal neigten die Menschen ja dazu, von sich aus zu erzählen, wenn es ihnen Erleichterung verschaffte.


    Hannibal stand ihrem Vorschlag, die Stadt noch etwas zu erkunden, noch unschlüssig entgegen. "Also, wenn ich meinen Liebsten nach so langer Zeit wieder sehe, von dem ich zeitweise sogar geglaubt hatte, er sei Tod, dann könnte die Zeit, in der ich mit ihm allein sein kann, nicht lange genug sein!" Das sagte sie mit voller Überzeugung und hoffte insgeheim, auch ihren Liebsten bald wieder zu sehen, um ihn endlich in ihre Arme zu schließen.
    "Der Fluß! Ich würde gerne einmal zum Fluß gehen. Da war ich noch nie!"

    Hätte der Römer nicht dort gestanden, wo er stand, wäre Fiona mich großer Gewißheit auf dem harten Pflaster gelandet. Schnell versuchte sie, sich wieder aufzurichten und ihre Tunika zu glätten. Das war ihr alles so unangenehm! Der Claudier schien es ihr nicht krumm zu nehmen, obwohl sie ihn fast zu Fall gebracht hatte. Im Gegenteil, er schien sogar darüber zu scherzen. Er meinte, sie seinen nun quitt. "Ja, das sind wir!", antwortete Fiona, wobei sie noch nicht so recht überzeugend lächeln konnte. "Der Hund, er hätte mich fast umgerannt. Als ich ihm ausweichen wollte, bin ich gestolpert," erklärte sie und sah zu Tuccas Sklaven, der sich seinem Herrn annahm. Einen Moment stand sie einfach nur so da, bis sie sich endlich dazu entschloß, weiter zu gehen.
    "Jetzt muß ich aber gehen, fürchte ich. Ich werde deine Grüße ausrichten, Herr! Habe noch einen schönen Tag, Herr!" Sie nickte Tucca und seinem Sklaven zu und setzte dann ihren Weg fort. Für eine Weile war sie in ihrem Ärger milde gestimmt und hatte schon fast vergessen, was wenige Tage zuvor im Garten der Villa Flavia zwischen Epicharis und ihr vorgefallen war. Gedankenverloren sah sie sich bei den vielen Ständen um, die allerlei Waren aus aller Welt boten. Dinge die sie kannte und anderes, was ihr gänzlich unbekannt war. Die Gerüche von Gewürzen, frischen und getrockneten Kräutern stieg ihr in die Nase und sie erinnerte sich, wie lange es bereits her sein mußte, seit sie zum letzten Mal etwas gegessen hatte. Während sie sich nach ihrer nächsten Mahlzeit umschaute, fielen ihr zwei Frauen auf. Eine Blonde und eine Schwarzhäutige mit lockigem Haar. Zwei Sklavinnen, war ihr erster Gedanke, so wie Minna und sie, die ihre vermeidliche Freiheit auf dem Markt während ihres Einkaufs genossen, aber letztlich doch Gefangene dieser Stadt waren. Der Duft von gegrillten Lammspießen, solche, die auch Tuccas Sklave seinem Herrn gebracht hatte, lenkte sie von den beiden Frauen ab. Sie kaufte sich einen und suchte sich einen ruhigen Ort, an dem sie ihn verspeisen konnte, den sie an einer Hausnische schließlich fand.