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Hannibal
Einst gab es womöglich eine Zeit, eine Zeit, die so fern erscheint, wie das Licht der Sonne in der Sklavenunterkunft, in der der Geist von Asa sich in guter Gesellschaft der gehobensten Art von ganz Rom befunden hätte, auf die gequälten Geister bezogen. In der die Menschen in der Villa noch gezittert hatten vor dem Zorn und der Grausamkeit, die den Flaviern an zu haften schien, an dem Wahn, den man den Familienmitgliedern nachsagte und die sie für die Sklavenschaft umso unberechenbarer machte, doch womöglich waren die Strahlen der Sonne ein Zeichen dafür, dass andere Zeiten in der Villa herein gebrochen waren, ausgedünnt war das Blut der Flavier, wässrig in der Natur geworden, seicht im Gemüt und milde in den Stimmungen. Keine heulenden Geister flogen mehr durch die Räumlichkeiten, Sklavenlachen ertönte stattdessen in dem Gesindetrakt und der Gang der Unfreien war leichter in jenen Monaten und Wochen geworden. Der Letzte der Flavier, dem man noch mit Fug und Recht einen Flavier nennen konnte, weilte schon lange nicht mehr in der Villa, er war nach Sardinia gewandert und manche munkelten, selbst der Sklave Sica war der Grausamkeit des Felix am Ende anheim gefallen. Doch solche Satanie schien fern zu sein und die Folterkammer nur noch ein trauriger Rest des einstiegen Schreckens, der von den Flaviern ausging. Neue Zeiten, neue Sitten hatten sich eingeschlichen, Menschenfreundlichkeit oder einfach auch nur die Ignoranz gegenüber dem Ruf, den es eigentlich zu wahren galt. Dachte Hannibal über solche Dinge nach? Nein, werte Leser, selbst wenn er sich dessen bewusst war, womöglich sogar mit Erleichterung, aber nicht mit großer Freude, so war er mit gänzlich anderen Dingen beschäftigt, zudem gewiss, dass in Baiae ganz sicher noch den alten Traditionen der Flavier gefrönt wurde. Braune Augen versanken in himmelblaue Seelentore, die geschlossen vor ihm lagen und sich keinen Zoll öffnen wollten, um Hannibal zu verraten, was hinter den Toren vor sich ging, was Asny wirklich dachte und fühlte. Ob ihre Worte mehr ein Einschmeicheln waren oder von großem Ernst beseelt, zeigend, dass sie schon jetzt, obwohl sie ihren Herrn noch nicht einmal kannte, von Ehrgeiz ergriffen war. Ihm zu gefallen oder ihm nicht zu missfallen? Die Grenzen waren fließend und nicht zu bestimmen. Hannibal nahm die Erwiderung mit einem leichten Kopfnicken hin, kommentierte es jedoch nicht. Es würde sich zeigen, ob ihr Ehrgeiz sich auch in Taten zeigte oder es nur leere Worte von einer jungen Frau war, die gerade in eine fremde Umgebung kam und danach suchte, zu gefallen.
Verspürte Hannibal tatsächlich etwas von all den bösen Wünschen, die ihm entgegen schlugen? Schwer zu sagen, aber dann zuckte doch Hannibals Nase, seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er musste niesen. „Entschuldige...“ Ein Blick auf das voll geschnupfte Taschentuch genügten Hannibal, dass er den Impuls, danach zu greifen, unterließ. Stattdessen ließ er seine Hand sinken und lauschte den Worten von Asny. Zuerst verstand er nicht ganz, was sie wollte, doch dann blinzelte er verblüfft und sah Asny erstaunt an. Sie wollte die Tänze der Salier einüben, sicherlich, der Zug der Salier wurde auch von tanzenden Frauen begleitet, angemietete Tänzerinnen meistens, aber auf den Gedanken, eine Sklavin könnte den heiligen Tanz der Salier, der noch aus den Zeiten der römischen Könige stammte und eine tiefe römische Tradition war, erlernen wollen, das war für Hannibal neu. Aber amüsant fand er das, darum breitete sich ein Schmunzeln auf seinem Gesicht aus. Aber es kam noch besser. Die sachlich, nüchternen Worte aus dem Mund einer Frau, die womöglich gerade erst noch ein Mädchen war und wohl kaum viel von der Welt gesehen haben konnte, geschweige denn große Erfahrung in solchen Angelegenheiten hatte, erweckten Heiterkeit in Hannibal. Er verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Augenbrauen zuckten einige Male, seine Mundwinkel folgten diesen im Takt und er nickte, in dem Versuch, verstehend zu sein. „Hmh!“, murmelte. „Ach ja?“, fügte er an. Die Serenität wuchs und wuchs, je länger Asny sprach und Hannibal über die Nichtigkeit und Bedeutungslosigkeit der Jungfernschaft aufklärte. Hannibal nickte, scheinbar verständnisvoll und gab ein: „Ah so ist das!“, von sich. Doch ein aufmerksamer Beobachter würde sicherlich sofort sehen....Moment mal, war Asny aufmerksam? Wohl eher nicht, oder? Aber der Schwester Asa würde es sicherlich nicht entgehen, dass Hannibal schwer mit sich kämpfte, um den Lachkrampf zu unterdrücken. Es war ein Gefecht, dass die Wangen des Sklaven leicht rötete, ein fröhliches Leuchten in seine braunen Augen trieb und letztendlich gewann. Einen triumphalen Sieg über den Willen des Sklaven und sich in einem herzlichen Lachen entlud, das die gesamte Sklavenunterkunft füllte und bei Dido auf einen verständnislosen Blick traf, die jedoch schon seit dem Ende des Tanzgespräches nicht mehr den Worten von Asny folgen konnte und sehr irritiert aus der Wäsche schaute.
Von den befremdeten Blick seiner Tochter ließ Hannibal sich nicht aus dem Lachen heraus reißen, auch schien sich Hannibal keinerlei Gedanken darüber zu machen, ob das Thema für die junge Seele von Dido nicht zu deftig war. Rom war nun mal eine Stadt, in der man um solche Dinge nicht herum kam, warum einer Sklavin, einer kindlichen Serva etwas vor gaukeln und sie in einer Welt leben lassen, die so eminent wichtige Angelegenheiten außen vor ließ. Sprich: Hannibal hatte keine Skrupel, derlei vor Didos Ohren zu besprechen, im Gegenteil. Je mehr Dido lernte, desto besser. Es trieb Hannibal einige Lachtränen in die Augen, so sehr konnte er sich dem Heiterkeitsausbruch nicht erwehren, aber es war wohl das erste Mal seit Monaten, dass Hannibal sich derart amüsierte. Schließlich verklang das Lachen, nur noch ein schnelles Atmen blieb übrig und ein Wegwischen der Lachtränen. „Ich sehe schon...“, meinte Hannibal und atmete tief ein. „Ich habe eine belesene und sehr reflektierte junge Frau vor mir. Also gut, dann möchte ich dem natürlich nicht widersprechen und Dir voll und ganz Recht geben. Zudem ist die Bewertung Deines körperlichen Zustandes und den damit einhergehenden Implikationen natürlich Dir überlassen oder Deinem Herrn, schließlich gehört Dein Körper auch gänzlich ihm.“ Noch einige Male zuckte es um Hannibals Mundwinkel, einem Echo gleichend, dass von dem Lachen hervor gerufen wurde.
„Die Tänze der Salier hingegen wirst Du wohl nicht zu lernen brauchen, denn es sind die Patrizier selber, die die Kriegstänze vollführen. Sie tragen dabei die archaischen Rüstungen von der Zeit der Könige und einer der zwölf Salier bei den Tänzen hält das heilige Schild des Mars' in seinen Händen, ein sehr alter Kultgegenstand. Aber ob Sklaven dort zugelassen sind...da fragst Du lieber Deinen Herrn selber.“ Natürlich gab es noch zwei andere Salier im Haushalt, Gracchus und Aquilius, aber er würde gewiss nicht die Sklavin dort hin schicken, schließlich waren die Sklaven zum Dienen da und nicht die Herrschaften, um sie über Kult und Sitte zu informieren. Das oblag höchstens dem eigenen Herrn, so sah das zumindest Hannibal. „Ein blutiges Opfer also? Was möchtest Du denn Mars für Deinen Herrn opfern und noch viel mehr, woher willst Du das Tier nehmen, Asny?“ Ein Seitenblick genügte um Hannibal zu zeigen, dass es bereits in Didos Geist rumorte, sie sicherlich Ideen von Hühnerstall bis Küche durchging, um an das nötige Opfertier zu kommen. Hannibal wusste, dass Dido vor dem Diebstahl des herrschaftlichen Besitzes gewiss nicht zurück schreckte und Hannibal hatte in dieser Hinsicht auch vollkommen Recht. Doch darum würde sich Hannibal, wenn überhaupt, später kümmern. Nachdenklich betrachtete Hannibal Asny schließlich. Sklavenzucht? Hatte Dido ihr gar schon davon erzählt? Das wunderte Hannibal auch nicht, Dido prahlte zu sehr damit. „Ich glaube, die Sklavenzucht ist etwas, worum Du Dir im Moment noch keinen Gedanken machen musst. Ich meinte viel mehr, dass Du nicht glauben musst, ein anderer Sklave im Haus könnte Dir, bezüglich seiner Gelüste, seinen Willen aufdrücken. Du gehörst Deinem Herrn und nur er kann darüber bestimmen...“ Hannibal beugte sich etwas nach vorne und stützte seine Hände auf seinen Oberschenkeln ab. „Was nicht heißt, dass Du züchtig leben musst und darauf warten, dass Dein Herr Dir in dieser Hinsichten Anweisungen gibt. Verstehst Du, was ich damit meine?“