Beiträge von Dido

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    Hannibal


    Einst gab es womöglich eine Zeit, eine Zeit, die so fern erscheint, wie das Licht der Sonne in der Sklavenunterkunft, in der der Geist von Asa sich in guter Gesellschaft der gehobensten Art von ganz Rom befunden hätte, auf die gequälten Geister bezogen. In der die Menschen in der Villa noch gezittert hatten vor dem Zorn und der Grausamkeit, die den Flaviern an zu haften schien, an dem Wahn, den man den Familienmitgliedern nachsagte und die sie für die Sklavenschaft umso unberechenbarer machte, doch womöglich waren die Strahlen der Sonne ein Zeichen dafür, dass andere Zeiten in der Villa herein gebrochen waren, ausgedünnt war das Blut der Flavier, wässrig in der Natur geworden, seicht im Gemüt und milde in den Stimmungen. Keine heulenden Geister flogen mehr durch die Räumlichkeiten, Sklavenlachen ertönte stattdessen in dem Gesindetrakt und der Gang der Unfreien war leichter in jenen Monaten und Wochen geworden. Der Letzte der Flavier, dem man noch mit Fug und Recht einen Flavier nennen konnte, weilte schon lange nicht mehr in der Villa, er war nach Sardinia gewandert und manche munkelten, selbst der Sklave Sica war der Grausamkeit des Felix am Ende anheim gefallen. Doch solche Satanie schien fern zu sein und die Folterkammer nur noch ein trauriger Rest des einstiegen Schreckens, der von den Flaviern ausging. Neue Zeiten, neue Sitten hatten sich eingeschlichen, Menschenfreundlichkeit oder einfach auch nur die Ignoranz gegenüber dem Ruf, den es eigentlich zu wahren galt. Dachte Hannibal über solche Dinge nach? Nein, werte Leser, selbst wenn er sich dessen bewusst war, womöglich sogar mit Erleichterung, aber nicht mit großer Freude, so war er mit gänzlich anderen Dingen beschäftigt, zudem gewiss, dass in Baiae ganz sicher noch den alten Traditionen der Flavier gefrönt wurde. Braune Augen versanken in himmelblaue Seelentore, die geschlossen vor ihm lagen und sich keinen Zoll öffnen wollten, um Hannibal zu verraten, was hinter den Toren vor sich ging, was Asny wirklich dachte und fühlte. Ob ihre Worte mehr ein Einschmeicheln waren oder von großem Ernst beseelt, zeigend, dass sie schon jetzt, obwohl sie ihren Herrn noch nicht einmal kannte, von Ehrgeiz ergriffen war. Ihm zu gefallen oder ihm nicht zu missfallen? Die Grenzen waren fließend und nicht zu bestimmen. Hannibal nahm die Erwiderung mit einem leichten Kopfnicken hin, kommentierte es jedoch nicht. Es würde sich zeigen, ob ihr Ehrgeiz sich auch in Taten zeigte oder es nur leere Worte von einer jungen Frau war, die gerade in eine fremde Umgebung kam und danach suchte, zu gefallen.


    Verspürte Hannibal tatsächlich etwas von all den bösen Wünschen, die ihm entgegen schlugen? Schwer zu sagen, aber dann zuckte doch Hannibals Nase, seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er musste niesen. „Entschuldige...“ Ein Blick auf das voll geschnupfte Taschentuch genügten Hannibal, dass er den Impuls, danach zu greifen, unterließ. Stattdessen ließ er seine Hand sinken und lauschte den Worten von Asny. Zuerst verstand er nicht ganz, was sie wollte, doch dann blinzelte er verblüfft und sah Asny erstaunt an. Sie wollte die Tänze der Salier einüben, sicherlich, der Zug der Salier wurde auch von tanzenden Frauen begleitet, angemietete Tänzerinnen meistens, aber auf den Gedanken, eine Sklavin könnte den heiligen Tanz der Salier, der noch aus den Zeiten der römischen Könige stammte und eine tiefe römische Tradition war, erlernen wollen, das war für Hannibal neu. Aber amüsant fand er das, darum breitete sich ein Schmunzeln auf seinem Gesicht aus. Aber es kam noch besser. Die sachlich, nüchternen Worte aus dem Mund einer Frau, die womöglich gerade erst noch ein Mädchen war und wohl kaum viel von der Welt gesehen haben konnte, geschweige denn große Erfahrung in solchen Angelegenheiten hatte, erweckten Heiterkeit in Hannibal. Er verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Augenbrauen zuckten einige Male, seine Mundwinkel folgten diesen im Takt und er nickte, in dem Versuch, verstehend zu sein. „Hmh!“, murmelte. „Ach ja?“, fügte er an. Die Serenität wuchs und wuchs, je länger Asny sprach und Hannibal über die Nichtigkeit und Bedeutungslosigkeit der Jungfernschaft aufklärte. Hannibal nickte, scheinbar verständnisvoll und gab ein: „Ah so ist das!“, von sich. Doch ein aufmerksamer Beobachter würde sicherlich sofort sehen....Moment mal, war Asny aufmerksam? Wohl eher nicht, oder? Aber der Schwester Asa würde es sicherlich nicht entgehen, dass Hannibal schwer mit sich kämpfte, um den Lachkrampf zu unterdrücken. Es war ein Gefecht, dass die Wangen des Sklaven leicht rötete, ein fröhliches Leuchten in seine braunen Augen trieb und letztendlich gewann. Einen triumphalen Sieg über den Willen des Sklaven und sich in einem herzlichen Lachen entlud, das die gesamte Sklavenunterkunft füllte und bei Dido auf einen verständnislosen Blick traf, die jedoch schon seit dem Ende des Tanzgespräches nicht mehr den Worten von Asny folgen konnte und sehr irritiert aus der Wäsche schaute.


    Von den befremdeten Blick seiner Tochter ließ Hannibal sich nicht aus dem Lachen heraus reißen, auch schien sich Hannibal keinerlei Gedanken darüber zu machen, ob das Thema für die junge Seele von Dido nicht zu deftig war. Rom war nun mal eine Stadt, in der man um solche Dinge nicht herum kam, warum einer Sklavin, einer kindlichen Serva etwas vor gaukeln und sie in einer Welt leben lassen, die so eminent wichtige Angelegenheiten außen vor ließ. Sprich: Hannibal hatte keine Skrupel, derlei vor Didos Ohren zu besprechen, im Gegenteil. Je mehr Dido lernte, desto besser. Es trieb Hannibal einige Lachtränen in die Augen, so sehr konnte er sich dem Heiterkeitsausbruch nicht erwehren, aber es war wohl das erste Mal seit Monaten, dass Hannibal sich derart amüsierte. Schließlich verklang das Lachen, nur noch ein schnelles Atmen blieb übrig und ein Wegwischen der Lachtränen. „Ich sehe schon...“, meinte Hannibal und atmete tief ein. „Ich habe eine belesene und sehr reflektierte junge Frau vor mir. Also gut, dann möchte ich dem natürlich nicht widersprechen und Dir voll und ganz Recht geben. Zudem ist die Bewertung Deines körperlichen Zustandes und den damit einhergehenden Implikationen natürlich Dir überlassen oder Deinem Herrn, schließlich gehört Dein Körper auch gänzlich ihm.“ Noch einige Male zuckte es um Hannibals Mundwinkel, einem Echo gleichend, dass von dem Lachen hervor gerufen wurde.


    „Die Tänze der Salier hingegen wirst Du wohl nicht zu lernen brauchen, denn es sind die Patrizier selber, die die Kriegstänze vollführen. Sie tragen dabei die archaischen Rüstungen von der Zeit der Könige und einer der zwölf Salier bei den Tänzen hält das heilige Schild des Mars' in seinen Händen, ein sehr alter Kultgegenstand. Aber ob Sklaven dort zugelassen sind...da fragst Du lieber Deinen Herrn selber.“ Natürlich gab es noch zwei andere Salier im Haushalt, Gracchus und Aquilius, aber er würde gewiss nicht die Sklavin dort hin schicken, schließlich waren die Sklaven zum Dienen da und nicht die Herrschaften, um sie über Kult und Sitte zu informieren. Das oblag höchstens dem eigenen Herrn, so sah das zumindest Hannibal. „Ein blutiges Opfer also? Was möchtest Du denn Mars für Deinen Herrn opfern und noch viel mehr, woher willst Du das Tier nehmen, Asny?“ Ein Seitenblick genügte um Hannibal zu zeigen, dass es bereits in Didos Geist rumorte, sie sicherlich Ideen von Hühnerstall bis Küche durchging, um an das nötige Opfertier zu kommen. Hannibal wusste, dass Dido vor dem Diebstahl des herrschaftlichen Besitzes gewiss nicht zurück schreckte und Hannibal hatte in dieser Hinsicht auch vollkommen Recht. Doch darum würde sich Hannibal, wenn überhaupt, später kümmern. Nachdenklich betrachtete Hannibal Asny schließlich. Sklavenzucht? Hatte Dido ihr gar schon davon erzählt? Das wunderte Hannibal auch nicht, Dido prahlte zu sehr damit. „Ich glaube, die Sklavenzucht ist etwas, worum Du Dir im Moment noch keinen Gedanken machen musst. Ich meinte viel mehr, dass Du nicht glauben musst, ein anderer Sklave im Haus könnte Dir, bezüglich seiner Gelüste, seinen Willen aufdrücken. Du gehörst Deinem Herrn und nur er kann darüber bestimmen...“ Hannibal beugte sich etwas nach vorne und stützte seine Hände auf seinen Oberschenkeln ab. „Was nicht heißt, dass Du züchtig leben musst und darauf warten, dass Dein Herr Dir in dieser Hinsichten Anweisungen gibt. Verstehst Du, was ich damit meine?“

    Unbestreitbar war das Stück Fleisch nicht sonderlich groß gewesen, denn Dido hatte es Ruckzuck hinunter geschlungen und leckte sich gierig die Finger ab, die noch etwas von dem salzigen Fett des Fleisches an sich haften hatten. Dabei unterließ es Dido nicht, zwischen den Statuebeinen zu Bridhe zu gucken, hoffend, sie würde den Happen an der Angel packen und sich von der Statue wieder zum Feuer ziehen lassen. Aber Nyx hatte wohl genug von Didos Unehrlichkeit, womöglich war es den Unsterblichen auch zuwider, dass sie eine Göttin, selbst wenn es keine Römische war, nach äffte. Oder die Götter kümmerten sich gar nicht um die kleine Sklavin, was sehr viel wahrscheinlicher war, und der Zufall, ein launisches und sehr seltsames Wesen, dass immer wieder über die Welt hin weg strich und jeden berührte, egal ob Sklave oder Patrizier, ob Kaiser oder Latrinenreiniger, wie dem auch sei, der Zufall schien Dido einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen. Die arme kleine Dido? Da war es um die arme kleine =) Dido aber geschehen, schließlich war sie nicht zu klein gewachsen für ihr Alter. Arm, pah! Eines Tages würde sie, wenn Serenus Kaiser war, schließlich die Obersklavin von allen sein. Dido erhob sich und ihre grün-blauen Augen, die in den Augenhöhlen der Nacht wegen tief umschattet waren, funkelten böse. Dass ihr Täuschungsvermögen eventuell nicht aufgegangen war, das hatte Dido schon erkannt. Blöd war sie nicht, naja, zumindest eine sooo lange Leitung hatte sie auch wieder nicht. ;)


    Sie leckte sich den Daumen ab und trat um die Statue herum. „Ich bin nicht klein!“, gab sie murrend als Antwort. „Was macht ihr hier?“, fragte Dido nun offen, schließlich war ihre Tarnung nun aufgeflogen. „Macht ihr eine Konspiripation?“ Dido war sprungbereit, falls das alles ein Trick gewesen war, um sie nun zu packen, in einen Sack zu zwängen und dann zum Tiber zu tragen und wie eine junge Katze zu ertränken. Aber wenn hier eine Revolte im Gang war, alle Zeichen sprachen schließlich dafür!, dann waren Zeugen gewiss nicht liebsam. Und alle in der Villa wussten schließlich, dass Dido gerne um Sciurus herum strich und versuchte, ihm zu gefallen. Didos Augen huschten von Bridhe zu Micipsa und Pallas, falls sich einer von ihnen ihr gefährlich näherten, ja, dann würde Dido auf dem Absatz sich herum drehen und so schnell rennen wie sie konnte, und flink, das war Dido durchaus. Zudem kannte sie sich gut in der Villa aus!

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    Hannibal


    Es war gut, dass Hannibal meist keinen Sinn für Geister und übersinnliche Erscheinungen hatte, er hatte weder eine sensible Ader dafür, noch das Talent, in die Zwischenwelt von Leben und Tod zu sehen, um die herum spuckenden Seelen zu erkennen, die die Menschen tagein, tagaus begleiteten, danach suchten sie zu schützen oder ihnen nach ihrem Glück und Frieden zu trachten. Aber dennoch war auch Hannibal nicht frei von solchen Dingen, es gab Momente in denen die Schatten sich um ihn herum zusammen zogen, Augenblicke, in denen seine Sinne verklärt waren, durch gewisse Substanzen, damit er seine Schuld und seine Taten erneut vor Augen geführt bekam. Dann sah er die Gesichter, dann sah er die Menschen, die ihm sein ganzes Leben lang folgen würden. Rehaugen, die ihn voller Hass ansahen, die Liebe längst erloschen, Romana. Jadegrüne Augen, die ihn traurig mustern, schwarze Hände, die nach Hannibals schlagendem Herzen greifen, eifersüchtig um jenes Leben spendende pulsierende Organ, dass mit jedem Schlag davon zeugte, dass Hannibal noch lebte, im Gegensatz zu ihnen. Viele Schatten begleiten den Sklaven, schon seit vielen Jahren und immer wieder kommt ein weiterer dieser geisterhaften Silhouetten hinzu, die Hannibal nur sah, wenn sein Geist jenseits von Verstand und Klarheit schwebte und er sich all dessen entsann, was er in seinem Leben verbrochen hatte. Nicht, dass Hannibal es nicht auch in wachen Momenten tat, aber er versuchte es immer zu verdrängen, was ihm in den letzten Wochen und Monaten sichtlich schwerer fiel. Zudem glaubte Hannibal in manchen Momenten auch noch die dunklen Augen von Arrecina zu sehen, und wenn es besonders schlimm wurde, dann sah er ihre Augen, ihre leuchtend blauen, ihre strahlenden und lachenden schönen Augen und dann war es für mehrere Tage um Hannibal geschehen und er kaum zu etwas in der Lage. Dann konnte er stundenlang vor sich hin brüten, ohne etwas um sich herum wahr zu nehmen.


    Aber, werter Leser, verlassen wir doch die Gefilde von Hannibals Befindlichkeiten, seinem Seelenzustand, wenn ihn seine, zugegebenermaßen selbst verschuldeten, Geistererscheinungen einholten und seine Augen dieses Flackern erhielten, in dem Augenblick man den Sklaven besser nicht ansprach und Hannibal nicht mehr er selbst war. Nein, widmen wir uns lieber wieder dem heutigen Tage, der Sklavenunterkunft und dem ersten Tag einer jungen Sklavin, die doch hervorragend zu einem Teil der Flavier passte, womöglich nicht alle, aber zumindest zu der alten Liga der Flavier und Sklavenschaft, ehe Humanismus, Nächstenliebe und Menschenfreundschaft, der vor christlichen Art, in die Villa Flavia einzog. Zudem machen wir doch einen kleinen Ausflug in Didos Befindlichkeiten, denn gerade legen sich zwei verführerische Köstlichkeiten auf ihr Bein.


    - Dido -


    Das voll geschnupfte Taschentuch hatte Dido zur Seite gelegt, mittlerweile war der Tränenfluss aus ihren Augen getrocknet, die Wogen des blauen Nass verblieben nun in der Farbe ihres Meeres und schienen keine weiteren Sturmfluten auf den Gefilden ihrer Wangen auslösen zu wollen. Misstrauisch verfolgte Dido den Bewegungen von Asny, sah, wie sich ihr Beutel öffnete, der Hort ominöser Schätze und großer Leckereien, und wie tatsächlich erneut etwas von dem delikaten Naschereien den Weg ans Tageslicht, viel mehr dem Dämmerlicht der Sklavenunterkunft, fand. Verschnupft beäugte Dido die süßen Teile, denn im Grunde wollte sie noch weiter sauer sein und sich nicht so leicht umgarnen lassen. Aber das Dilemma war nun mal: Dido war einfach bestechlich, in jeder Hinsicht. Und gerade was Essen anging, war sie nun mal recht empfänglich. Wenn das Gegebene dann auch noch honigsüß war, dann war es um ihre bockige Standhaftigkeit geschehen. So dauerte es auch nicht lange, da griff Dido schon zu und steckte sich schnell das erste Teilchen in den Mund und kaute. Natürlich kam Dido nicht auf den Gedanken zu teilen. Zum einen teilte Dido nicht gerne, wenn, dann nur im Notfall und bei Menschen, die sie wirklich mochte, davon gab es nicht sehr viele, zum anderen hätte Dido schon gar nicht erwogen mit Hannibal zu teilen. Nein, nein, der konnte sich seine süßen Verlockungen schließlich selber kaufen, der war auf solche Geschenke nicht angewiesen. Dido kam natürlich nie auf den Gedanken, dass es auch Menschen geben konnte, die solche Honig getränkten Früchte gar nicht mochten. Schon war die zweite Frucht in ihren Mund gewandert, wobei sie etwas langsamer kaute als beim ersten Mal und dabei ihre Augen anhob und Asny mit ihren noch rot geränderten Augen ansah, kauend, schmatzend und ohne ein Lächeln oder sonstige Regungen zu offenbaren, außer ein gewisses Wohlgefallen an den Früchten.


    So viel erst Mal zu Dido und zurück zu Hannibal...


    Mit einer leichter Bewegung seines Kinns registrierte Hannibal den Wunsch, die Lyra zu lernen, er wüsste nichts, was dagegen sprechen sollte, im Gegenteil, es würde wohl mehr Wohlgefallen bei seinem Herrn finden und das konnte Hannibal durchaus gebrauchen, wenn sein Herr von Parthia zurück kehrte. Schuld und Sühne; Schuld nagte an ihm, die Sühne suchte Hannibal noch, hatte sie nicht gefunden bis anhin. Seine Mundwinkel wölbten sich nach oben. „Den Griechen sagt man nach, sie würden die Flöte nicht als ein Instrument der schönen Künste halten, verstellt es doch das Gesicht des Künstlers. Und im Wettstreit mit Apollo wäre ein Lyra sicher auch vorteilhafter. Ich werde mich in der Villa um hören, wer die Lyra spielt, ansonsten werde ich einen anderen Lehrer für Dich auftreiben, Asny.“ Was die Sklavenschaft in der Villa anging, war sich Hannibal nicht absolut sicher, ob dort ein Lyraspieler war, aber er meinte einen Sklaven zu kennen, ansonsten hatte er noch jemand im Auge, den er noch aus seiner Zeit in der Subura kannte und der zwar nicht mehr der virtuose Spieler von früher war, aber doch ausreichend für eine Anfängerin mit diesem Instrument. Schließlich musste auch erst erkundet werden, ob Asny ein Talent für das Instrument hatte und ob sich eine Vertiefung lohnte. Aber wenn sie das selbe Potential wie bei der Flöte besass, dann versprach das durchaus einiges. Doch das würde die Zeit zeigen und Hannibal war gewiss kein ungeduldiger Mensch.


    Ob es ihn erleichterte, dass Asny nicht zu dem Christengott betete? Eigentlich war es Hannibal egal, denn der Glaube eines Sklaven zählte nicht besonders und darum und womöglich weil die römischen Götter wenig auf die Seelenwelt der Sklaven achtete, hatte gerade der Christengott so viel Zulauf von der Sklavenschaft. Aber wer gab schon zu, ein Christ zu sein? Selbst wenn in dieser Zeit nicht mehr Tod und Arena auf einen Christen wartete, der Kaiser die Christen sogar in seinem Reich tolerierte, so lange sie nicht offen predigend herum zogen und ihre kultischen Angelegenheiten im Stillen und Verborgenen vollzogen. Hannibals rechter Mundwinkel hob sich eine Nuance. Bei Asnys letzter Offenbarung blinzelte Hannibal einen Moment, dann wanderte auch der andere Mundwinkel in die Höhe und ein Lachen löste sich aus einem Mund. Es war kein gehässiges Lachen, freundlicher Natur und selten in den letzten Wochen von Hannibal genutzt, womöglich war er schon außer Übung geraten, denn lange lachte Hannibal nicht, gleichwohl ihn die Geständnisse von Asny noch länger amüsierten. Er beugte sich etwas nach vorne und fixierte Asny mit seinen braunen Augen. „Was die Buchführung angeht, mache Dir diesbezüglich keine Sorgen. Alles was die Finanzen meines Herrn angeht, darum kümmere ich mich.“ Dass das nicht sonderlich kompliziert war, erwähnte Hannibal nicht. „Und zu den Nachtstunden...“ Hannibals Lippen verzogen sich zu einem belustigten Grinsen. „Auch in dieser Hinsicht kein Bangen. Sicherlich musst Du Deine Jungfräulichkeit wohl nicht Deinem neuen Herrn opfern.“ Hannibal hob die Hand und ergriff einer der hellen, fast schon weißen Haarsträhnen von Asny. „Hübsch bist Du, Asny, und es gibt viele hier in der Villa, vor denen Du Dich sicherlich in Acht nehmen solltest, von der Herrschaft natürlich, die Sklaven musst Du nicht an Dich heran lassen. Aber mein und Dein Herr bevorzugt andere Frauen.“ Weich fühlte sich die Haare zwischen Hannibals Fingern an, langsam ließ Hannibal die Haarsträhne wieder dort hin zurück sinken, wo sie sich mit ihren Schwestern vereinen konnte. „Du wirst Aristides sicherlich mit Deiner Musik gnädiger stimmen können als mit Deinem Körper, Asny!“


    Hannibal zog seine Hand wieder zurück und verschränkte sie vor der Brust. „Was die Wahl des Gottes angeht.“ Hannibal betrachtete das Gesicht der jungen Sklavin und war sich einen Moment unschlüssig. Er war kein Gelehrter, was die Dinge der römischen Kulte anging, noch der Verehrung, es ging nicht über das hinaus, was ein jeder Römer wissen musste. Und Hannibal musste das wissen, um seinem Herrn, sollte er mal wieder eine grobe Bildungslücke offenbaren, damit aushelfen konnte. „Dein Herr gehört zu den Saliern!“ Hannibal sah in Asnys Augen, um zu sehen, ob ein Erkennen dort sich wieder spiegelte. „Die Salier sind eine kultische Vereinigung von Patriziern. Sie ehren mit ihren Tänzen die Kriegsgötter, Mars und Quirinus!“ Hannibals Finger seiner linken Hand tippten gegen seinen Oberarm, während er nachdachte. „Bellona wäre möglich. Mars natürlich. Vica Pota, des Sieges Willen, Pax, um Frieden zu schaffen, Virtus, um ihm Stärke zu verleihen. Oder Du betest zu dem Genius der Flavier!“


    - Dido -


    Mittlerweile hatte Dido auch den letzten Rest von den süßen Früchten herunter geschluckt und sah mal von Hannibal, dann zu Asny. Sie hatte irgendwann in dem Gespräch den Faden verloren, worum es eigentlich ging. Das mit der Lyra leuchtete Dido ein, auch, dass Asny wohl die Buchhaltung nicht mochte, aber was meinten sie mit Nachtstunden? Was hatte Blut damit zu tun? Und wie kam Hannibal zur Jungfräulichkeit? Womit konnte Asny nicht erfreuen? Mit ihrem Körper nicht? Mochte der Vater ihres Herrn etwa kein Tanz? Denn etwas anderes fiel Dido in dem Moment einfach nicht ein, was sonst gemeint sein könnte. Aber Dido wollte sich ihre Verwirrung nicht anmerken lassen. Sie tat, als ob sie absolut den Durchblick hatte, nickte hin und wieder, rümpfte die Nase oder sah zur Seite, als ob sie das Ganze eher langweilen würde, dabei dachte sie fieberhaft darüber nach, worum es ging. Als es dann zu den Göttern ging, wurde das Terrain wieder vertrauter, schließlich hatte Serenus Lehrstunden bei Gracchus gehabt und darum hatte Dido doch einige Dinge mitbekommen. „Mars wäre am Besten!“, verkündete sie darum selbstsicher. „Aber wenn Du ihm ein Tier opfern willst, musst Du darauf achten, dass es die richtige Farbe hat. Kein weißes und kein schwarzes Tier für Mars. Das würde er nicht annehmen. Aber natürlich kannst Du auch ein un...ähm...unblutiges...oder?...ja, ein Opfer ohne Tier machen, aber das ist natürlich nicht so viel Wert!“ Sie merkte, dass Hannibal sie betrachtete und den Kopf schüttelte, dabei an Asny wandte. „Auch ein unblutiges Opfer hat einen hohen Wert! Es genügt für Dein Anliegen mit Sicherheit!“ Dido verzog schmollend das Gesicht. Pah, SIE wußte es besser, glaubte sie zumindest!

    Formidabel schmeckte das Fleisch, denn natürlich schlang Dido eilends das stibitzte Stück hinunter, wer weiß, wie lange es in ihrer Obhut blieb und ihr nicht gleich wieder weg genommen wurde. Da half nur eins: So schnell verschlingen wie es ging, damit es ihr niemand mehr abnehmen konnte. 8) Und das tat Dido mit einer Affengeschwindigkeit, die jeden Vieleßer vor Neid hätte erblassen lassen, aber Dido war darin geübt, schließlich musste sie sich das Essen mit vielen hüngrigen Mäulern in der Villa teilen, die ebenso zu der unpriviligierten Schicht der Sklavenschaft, wie Dido mittlerweile, gehörten. Also die Kinder der Mägde und Knechte, die mehr geduldet wurden, niedere Arbeiten verrichten mußten und als kleine Erwachsene betrachtet wurden. Selbst wenn das schnelle Essen Didos Aufmerksamkeit fesselte, so sah sie sich gleichzeitig nach einem Fluchtweg um, denn, dass der Bruch des Bechers wohl bemerkt werden musste, das war ihr sofort klar. Ihre blaugrünen Augen huschten über die Wiese. Nein, keine gute Idee. Da würde sie sofort gesehen werden. Und der nächste Strauch stand zu weit entfernt. Denk nach, Dido, denk nach, schoss es ihr durch den Kopf.


    Da! Schritte. Dido spähte an der Statue vorbei, hatte immer noch nicht bemerkt, dass sie sogar schon gesehen worden war, darum drückte sie sich, kauend, an die Statue. Eilends kroch Dido wieder mehr hinter die Statue und von Bridhe fort. Hatte Bridhe sie gesehen? Dido war sich nicht sicher, auch nicht, vor wem Bridhe sich gerade hinkniete. Vor ihr? Nein, ausgeschlossen. Sicherlich vor der Statue, der sie schon opfern wollte. Huh?, dachte Dido. Die glaubt wohl, die Statue hat den Becher kaputt gemacht. Dido blinzelte und sah zu der Statue hinauf, womöglich konnte sie ja sprechen. Denk nach, Dido, erneut drang die Aufforderung in ihren Kinderkopf und da kam der Geisteblitz. Sie drückte sich fest an den Stein und holte tief Luft, dann senkte sie ihre Stimme, so tief es ging. "Oh Sterbliche!", gab Dido von sich. Natürlich klang es nicht gerade wie die Stimme eines Jünglings, schließlich war Didos Kinderstimme trotz Verstellung einfach zu hell. "Ich stehe hier gut auf dem Sockel...ähm...feier mal weiter, mein Kind....öhm...ich schaue zu. Dreh Dich um und geh wieder zum Feuer zurück....Dir ist sicherlich schon ganz schön kalt...Husch! Husch!" Das Husch, Husch hatte sich Dido von einer Waschsklavin abgeschaut, die das stets zu Dido sagte, wenn sie wieder mal störte. Dido spähte an der Wade vorbei und fühlte sich nicht im Mindesten schuldig, eine Göttin zu imitieren. Nur wunderte sich Dido langsam schon, warum Bridhe zu einer Jünglingsstatue sprach, wenn es sich doch um eine Göttin handelte. :hmm: Aber wenn Bridhe schon daran zu glauben schien, warum dann das nicht ausnutzen? :]

    Ein triumphales Jubilieren keimte in Dido auf als sie die Statue erreichte, denn sie glaubte sich unentdeckt von jeglichen Gartenfeiernden oder sonstigen Besuchern des nächtlichen Gartens, die ähnlich geheimnistuerisch sich dort herum trieben. Im Schatten des Jünglings kauerte sich Dido an den Sockel der Statue heran und legte ihre Hände auf den Sims, auf dem die Füße der Statue ruhten, ein Fuß etwas angehoben, das Knie gebeugt, damit er auch einen dynamischen Eindruck machte und gänzlich mit dem Stil der alten Griechen brach oder gar der Ägypter, deren Statuen starr und leblos ihr Beine zusammen gepresst hielten. Aber Dido hatte wahrlich keinen Sinn für solche künstlerischen Feinheiten, für die Ästhetik der Statue und dem Einfallsreichtum des Künstlers, der einen armen Jungen von der Straße in Marmor verewiglicht hat. Dessen Jünglingsgesicht von nun an in der Geschichte nur als der Mundschenk des Zeus gelten würde, aber nicht mehr als der arme Junge, der er wirklich mal war. Dido spähte an der Wade des Jungen vorbei. Hah, sie war jetzt wirklich nahe dran und sie konnte ganz eindeutig die Stimmen hören. Und schon vernahm sie auch klar und deutlich die Worte von Bridhe vernahm. Opfergabe? Brigid...? Bridhe? Brigid? Hatte sich Dido nur verhört? Brigid? Wer ist das? Erschrocken presste sich Dido fester an die Statue als Bridhe so nahe an sie heran kam und wagte es nicht, sich zu rühren. Erst als sie meinte, dass Bridhe wohl wieder einige Schritte weiter weg gegangen war, spähte Dido hervor. Und sah es! Die Opfergaben an Brigid, wer auch immer das war! Dido spähte von dem Fleisch und dem Becher zu der Statue und zurück. Da Bridhe es direkt vor dem Jüngling abgestellt hatte, lag die Vermutung für Dido nahe, dass es sich wohl bei dem Jüngling um Brigid handeln mußte. Wo kommt Bridhe noch mal her? Hispania? Thrakien womöglich!


    Verführerisch stieg der Duft von Essen in Didos Nase. Wie bei einem kleinen Mäuschen zuckte Didos Nase mal nach rechts und dann nach links, sie blähte ihre Nasenflügel auf als sie den deliziösen Duft noch mehr in sich einziehen wollte. Hm...lecker! Dido, die gefräßige kleine Sklavin, zudem scheinbar jeden Tag noch sehr viel mehr in die Höhe strebend, bekam Hunger. Hätte sie Barthärchen gehabt, sie hätten jetzt eindeutig gezittert. Dido sah wieder an marmornen Beinen vorbei und hatte nur noch das Fleisch in Sicht. Wann hatte sie das letzte Mal Fleisch gehabt? Ah ja...bei den Saturnalia. Denn Kinder hatten es bei den Sklaven in der Villa nicht einfach, die Hackordnung galt eben auch dort. Und Dido hatte niemanden, der sich wirklich gut um sie kümmerte. Hannibal war immer weg, ihr Herr in Baiae und die Alte aus der Küche konnte ihr kein teures Fleisch zustecken. Ein sehnsuchtsvoller Ausdruck trat auf Didos Gesicht. Nicht!, hörte sie noch die Warnung. Die Dido jedoch in den Wind schlug. Wäre doch schade, wenn das gute Fleisch nur als Opfer endet, dachte sich Dido. Vorsichtig begann sie um den Sockel der Statue zu kriechen, noch immer im Schatten bleibend. Dann streckte sie ihre Hand aus! Uff, war das weit weg. Sie streckte sich noch etwas mehr und noch etwas mehr, dann berührten ihre Fingerspitzen schon das saftige Stück Fleisch. Mit einem Ruck wollte sie es wegziehen, doch dabei stieß sie gegen den Becher, der wackelte, kippte sachte und fiel letztendlich herunter, wobei er zu Bruch ging. „Ieeh!“, gab Dido wie ein kleines, räuberisches Mäuslein von sich und wollte sich schnell, natürlich mit dem Fleisch, wieder in den Schatten der Statue bewegen.

    Ein kleines Sciurus, das wäre Dido mit Sicherheit gerne, strebte sie doch schon seit Wochen danach dem großen Sciurus nachzueifern, dennoch war sie kein Eichhörnchen und weit davon entfernt, derart souverän und abgebrüht wie der großes Sklave zu sein. Ihr Herz schlug wild bis zu ihrem Hals hoch als sie sah, dass sich zwei Gesichter in ihre Richtung um wandten. Dido atmete nicht, Dido bewegte sich nicht. Nur ein vorsichtiges Schlucken konnte sie nicht kontrollieren. Nyx hatte wohl ein Einsehen mit Dido und hielt ihre Töchter darum an, der kleinen Dido bei ihrer Spionagetätigkeit, denn sie würde gewiss alles Sciurus berichten, unter die Arme zu greifen. Denn augenblicklich kam schon Micipsa heran und lenkte die Aufmerksamkeit von Bridhe und Pallas auf den dunkelhäutigen Sklaven. Dido atmete erleichtert auf, ahnte sie doch nicht, dass noch weiterhin der Keim des Misstrauens und des Ahnens bei der anderen Sklavin geweckt war. Dido holte tief Luft und lächelte vergnügt. Ha, drei auf einem Fleck, das schien etwas größeres zu werden. Womöglich doch ein Aufstand? Sciurus wird bestimmt zufrieden nicken, wenn sie ihm davon berichtete. Brühwarm und in allen Details. Aber unzufrieden würde der ältere Sklave sein, wenn sie nichts genaueres vermelden konnte und sie vernahm kaum etwas von den Stimmen. Da hieß es: Näher heran und mehr in Erfahrung bringen. Vorsichtig drückte sich Dido im Schatten des Baumes weiter entlang. Sie setzte erst ihre Fußspitze auf, um nicht noch einmal so einen Ast zu verbrechen, ehe sie den nächsten Schritt tat. Dabei zog Dido vorsichtig ihren Kopf ein und ließ die drei Gestalten am Lagerfeuer nicht aus den Augen. Neben einem Rosenstrauch blieb Dido stehen. Gleich an der nächsten Statue eines Jünglings, dahinter könnte sie sich gut verstecken und wäre nur wenige Schritte von den Sklaven entfernt. Aber dafür musste sie auch einige Schritte über offene Fläche hinweg laufen. Dido zauderte einen Moment. Los, Dido! Womöglich nimmt mich Sciurus dann noch mal mit. Als Belohnung. Dido nickte stumm zu ihren eigenen Gedanken. Sie wartete ab, bis sie glaubte, dass die Sklaven gerade nicht in ihre Richtung sahen, dann huschte sie über das Gras, was an ihren bloßen Waden entlang strich, immer die schützende Statue als Ziel vor Augen...

    Es rumorte in der Villa, mitten in der Nacht, während doch alle anständigen Sklaven schlafen sollten. Oder etwa nicht? Gut, Dido haben wir somit als nicht sehr brav enttarnt, denn sie war wach. Aber mehr durch Schritte, die die Sklavenunterkunft verließen. Stimmen auf dem Gang und ein leises Wispern, ganz als ob eine Verschwörung im Gange war oder eine Revolte ihren Anfang nahm. Dido war noch eine Weile auf ihrem Lager geblieben, ehe sie schnell die Decke herunter geworfen hatte, sich eine andere Tunika übergezogen und vorsichtig zur Tür geschlichen war. Ein letzter kontrollierender Blick zu den schlafenden Sklaven, dann war sie ebenfalls in den nächtlichen Gang geschlüpft. He, brannte dahinten nicht ein Licht? Dido betrachtete es mißtrauisch und schlich sich langsam durch die Villa, verharrte an Ecken und folgte den Stimmen, die der Wind zu ihr hinüber trug. Bis in den Garten, der von einem warmen Schimmer erhellt wurde. Ein Lagerfeuer? Dido zog ihren Augenbrauen zusammen und versuchte zu den Gestalten hinüber zu spähen. Für einen Sklavenaufstand sah das ein wenig zu tölpelhaft aus. Zu leicht zu entdecken. Aber was machten die Sklaven sonst hier mitten in der Nacht. Und wer war das überhaupt? Dido schlich in den Garten hinaus und eilig zum nächsten Baum, hinter dem sie sich versteckte und erneut zu den sich leise unterhaltenden Erwachsenen sehend. Kalt war es. Dido fröstelte jetzt schon und bereute es, keinen Umhang mitgenommen zu haben. Ihr Atem stob mit einer kleinen weißen Wolke von ihrem Mund hinfort. Dido zitterte leicht und schon nach kurzer Zeit suchten die Zähne schon danach, heftig aneinander zu klappern. Dido presste ihren Mund fest aufeinander, sah an dem Baum vorbei. Hah, doch. Die eine Gestalt...das war doch Bridhe, von der Dido noch vor kurzem Asny erzählt hatte. Aber wer war die andere Silhouette am Lagerfeuer? Bekannt kam das Gesicht schon vor, aber Dido hatte nicht den blaßesten Schimmer, wer das sein könnte. Sie griff an den Baum und schob sich etwas zur Seite, um besser sehen, vor allem, besser lauschen zu können. Ein Ast knackste unter ihrem Fuß. Erschrocken hielt Dido den Atem an und drängte sich enger in den Schatten.

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    Hannibal


    Eine braune Haarsträhne strich Hannibal an der Schläfe entlang, der Rauch der Öllampe kitzelte in seiner Nase. Er drehte seinen Kopf ein wenig nach links und nach rechts und betrachtete die Sklavenunterkunft, wobei seine Augenbraue andeutungsweise nach oben wanderte, in einer schönen geschwungenen Wölbung. Seine Augenbrauen waren überhaupt sehr akkurat gestrichen, elegant geschwungen, ganz als ob er dem etwas nachgeholfen hätte. Was er auch hatte, aber zu dem Thema kommen wir heute besser nicht, werte Leserschaft, sondern widmen wir uns lieber ganz und gar der Betrachtung der Sklavenunterkunft. Dreckig war sie nicht unbedingt, selbst wenn man die Generationen, die die Sklavenschaft schon in diesen Räumlichkeiten gehaust hatte, nicht mehr wegwischen konnte, nicht ausradieren. Manche der Bewohner hatten sich mit Kohle oder Messerspitzen in den Wänden verewigt. Ein Romulus war hier!, prangte neben einer kleinen obszönen Zeichnung. Hannibal inspizierte näher die Wand, an der mancherorts Stellen der Kalk bereits abgeblättert war und darunter die nackten und braun roten Ziegelsteine offenbarten, woraus auch die Villa Flavia gemacht war. Egal welchen Prunk und Luxus, Dekadenz und Verschwendungssucht sie sonst zeigte, so war sie aus dem selben Stein gemacht, wie hunderte Insulae von Rom, in denen die Ärmsten der Armen hausten, dicht gedrängt, nicht selten hungernd, ohne zu Wissen, was die Zukunft ihnen schenken mag. Wie die Sklaven in dieser Unterkunft. Domitian ist eine T... Was Domitian laut des bestimmt schon verstorbenen Sklavens war, Hannibal konnte es nur vermuten, ließ es aber lieber und wandte sein Gesicht wieder der jungen Asny zu. Die Gesichtskonturen der jungen Sklavin betrachtete Hannibal, die Form, die Linien und Rundungen, die sich in ihrem Antlitz zu einem Bild von der jungen Asny formten, dass Hannibal gleichsam ein Kind, ein Mädchen verriet, aber dennoch die Ernsthaftigkeit einer erwachsenen Frau zeigte. Besonders jene Augen, die so hell und klar wie ein leuchtender Winterhimmel waren. Die stille Würde, die ihre Haltung auszudrücken vermochte, die Stimme, die Wahl der Worte, freundlich, ruhig, gesittet. Ohne Aufbegehren, Stursinn oder Hass zu verraten, die viele Sklaven zeigten, wenn sie gerade erst in Gefangenschaft gekommen waren und das erste Mal als Sklaven in ein vornehmes römisches Haus kamen. Ein Haus, was sie nicht zu einer Arbeit zwang, wo sie den ganzen Tag auf dem Feld schuften mussten und nur nachts in ihr Bett, auf ihren Strohsack, fielen, um ermattet einzuschlafen. In einem Haus mit wenig Arbeit, da konnte es sich ein Sklave leisten, aufmüpfig den ganzen Tag zu verbringen und dem persönliche Groll zu frönen...oder wie Hannibal, seinen nächtlichen Angelegenheiten nachzugehen. Turteltaube? Trantüte? T...T...! Spartakus ließ Hannibal mal außer acht und dass eben jener bestimmt den ganzen Tag geschuftet hatte und gelitten. Um ihn nicht zu enttäuschen? Hannibal lauschte den Worten der jungen Asny und war deutlich positiv überrascht. Sicherlich, sie hat zwar auf dem Sklavenmarkt schon sehr ansprechend auf ihn gewirkt...


    Moment, werter Leserschaft, nicht das, was Sie jetzt denken könnten, nein, rein von ihrem Benehmen her. Wir wissen ja, Hannibal hat erst mal genug von den Frauen und außerdem war die junge Asny womöglich doch ein wenig zu jung für den Mitte-Dreißiger...sagen wir mehr auf die Vierzig zugehende, Marke Süditalien...aber zurück zum eigentlichen Thema: Asnys vorzügliches Benehmen!


    Hannibal unterbrach den Blickkontakt einen Augenblick lang, um sich der Betrachtung der schniefenden Dido zu widmen, die sich immer wieder an der Nase rieb und deutlich, statt sich zu schnäuzen, den Schnodder lieber hoch zog. Die Vorstellung der Personen in der Villa hätte Hannibal wohl lieber selber vorgenommen, aber Dido war ihm eindeutig zuvor gekommen. Als er sein Gesicht wieder Asny zu wandte, zog er aus einer kleinen Tasche, die an seinen ledernen Gürtel gebunden war, ein Taschentuch hervor...


    Für den aufmerksamen Beobachter und Leser: Es ist mit einer Fliederblume und zahlreichen sehr weiblich anmutenden Stickereien verziert....aber wieder zurück.


    Das Taschentuch reichte Hannibal weiter, an die junge Dido, die es mehr widerwillig an nahm und feindselig auf das Tuch starrte. Tunte? T...T...? Hannibal beachtete das bockige Verhalten seiner Tochter jedoch nicht länger, hatte er doch früh gemerkt, damit auch nur auf taube Ohren und sturem Verhalten zu stoßen. „Ein Frischling? Womöglich kann man das so sagen. Aber ich denke, Asny, Du wirst Dich schnell in der Villa einleben. Insbesondere, da Du jetzt schon einen bewundernswerten Fleiß offenbarst.“ Hannibal lächelte, doch schon die nächsten Worte vertrieben Dieses von seinen Lippen. „Dein Herr befindet sich mit den Truppen des Kaisers im Krieg, natürlich gegen die Parther. Es kommt also darauf an, wie lange der Kaiser den Kampf in Parthien fortsetzen möchte und kann. Ob sie einen schnellen Sieg oder längere, erbitterte Kämpfe ausfechten müssen. Danach entscheidet sich, ob Dein Herr bald oder mehr in ferner Zukunft nach Italia zurück kehren wird.“ Hannibal schwieg einen längeren Moment und sah an Asny vorbei, nachdenklich und in sich versunken. „Es gibt einige, die auf seiner Rückkehr warten...seine Familie...und...“ Hannibal wußte nicht so recht, ob er selber tatsächlich darauf wartete, dass sein Herr zurück kehrte. Freute er sich schon darauf? Fürchtete er sich mehr? Denn dann würde Hannibal ihm gewiss Rede und Antwort stehen müssen und das würde sehr schwer werden. Hannibal konnte es noch nicht mal vor sich selber, wie dann vor seinem Herrn. Immer mit der Gewissheit, versagt zu haben. Was die Tochter von seinem Herrn anging. Ein kräftiges Schnäuzen ließ ihn aus der Gedankenwelt auffahren, Hannibal blinzelte einige Male und registrierte erstaunt, dass Dido tatsächlich das Tuch benutzte, um sich von den Zeugnissen ihrer Tränen zu befreien.


    Hannibal leckte sich schnell über die Unterlippe und nickte. „Tatsächlich, Asny, hast Du nicht unrecht. Ich habe Dich wegen Deiner musischen Talente erworben...für unseren Herrn. Marcus Flavius Aristides hat ein Faible für Musik, für schöne Musik. Wenn er aus Parthia zurück kehrt, wird er ein wenig Aufmunterung und eine fröhliche Gesellschaft gut gebrauchen können. Ein Mädchen wie Dich, liebenswürdig, aufmerksam und talentiert in den schönen Künsten.“ Und dabei war Asny, trotz aller ihrer Talente und ihrem erstaunlich gutem Benehmen, fern von dem Beuteschema des Aristides, schließlich hatte sein Herr vor zu heiraten, da würde Hannibal erst mal es tunlichst unterlassen, ihm die Versuchung direkt vor die Nase zu setzen. „Natürlich kannst Du jeden Tag Zeit darauf verwenden, Dich in Deinen Fähigkeiten zu üben. Es gibt auch manche Sklaven im Haushalt, die ebenfalls ein Instrument spielen.“ Wie Hannibal, aber das ließ er im Moment noch außen vor, außerdem hielt sich Hannibal für einen Dilettanten. Mehr holprig als melodiös entlockte er dem Instrumente die Stücke. „Wenn Du es Dir zutraust, kannst Du sicherlich auch noch den Umgang mit der Lyra lernen. Das Massieren wird nicht notwendig sein, die Flavier besitzen einen Sklaven für derartige Belange.“ Selbst wenn die Flavier nicht derart sich der Dekadenz und Luxus hingaben, um Sklaven für jede kleine Handlung, wofür der Sklave ausschließlich zuständig war und sonst keine Aufgaben hatte, zu halten, so gab es dennoch schon genug Sklaven, die den Komfort der Patrizier in der Villa steigern sollten. Oder auch die groben Dinge erledigten.


    Interessiert betrachtete Hannibal die Gesichtszüge von Asny und suchte darin, die Gefühle und Intention der jungen Frau zu erkennen. Meinte sie es gar ernst mit der Sorge um einen Mann, den sie noch nicht einmal begegnet war und der ihr neuer Herr war? Dem sie als Sklavin dienen musste und der über Leben und Schicksal der jungen Frau bestimmen konnte? Die Entrücktheit konnte Hannibal jedoch in seinem Suchen nicht durchdringen, er konnte kein Zeichen von Falschheit oder dem Einschmeicheln, das manche Sklaven am Anfang versuchten, erkennen. Was nicht hieß, dass es nicht da war. Hannibals Mundwinkel hoben sich ein kleines Stück. „Es gibt einen Hausaltar. Das Lararium, an denen die Ahnen der Patrizier, aber auch die Götter verehrt werden können. Aber das ist der Altar der Patrizier. Es wird nicht gerne gesehen, wenn ein Sklave dort sein Gebet an die Götter richtet.“ Hannibal dachte einen Augenblick nach. Unreligiös war Hannibal gewiss nicht, aber was hatten die Götter ihm schon zu bieten, würden sie überhaupt auf ihn hören? Hannibal war schon vor vielen Jahren zu dem Schluss gekommen, dass die Götter nicht für die Sklaven da waren. Sondern für die Herrschaft, deren Macht und Glück sie förderten. „Es kommt natürlich darauf an, zu welcher Gottheit Du beten möchtest. Bona Dea womöglich? Diana? Oder bist Du...“ Hannibal zögerte einen Moment und suchte danach keine Abneigung in seine Stimme zu legen. „...ein Christin?“ Man konnte nie sicher sein, schließlich vereinte die Sklavenschaft alle Glaubensrichtungen, von dem Geisterglauben der Nubier bis hin zu dem strengen Glauben der Hebräer oder Christen.



    Dido


    Das voll geschnäuzte Taschentuch hielt Dido fest in ihren Händen und hatte die Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen gepresst. Wütend, auf die Götter und die Welt, sich selber und Asny, auf Hannibal sowieso und jederzeit, stierte sie auf das kleine Tuch in ihrer Hand, betrachtete die Stickereien darauf und runzelte die Stirn. Ein wenig zögerlich sah sie auf und von Hannibal zu Asny, konnte aber nicht lange zu der Sklavin schauen, deren Gunst Dido als verspielt glaubte. Was soll's! Ist halt wie immer, Dido! Rom ist nun mal nicht Baiae! Dido nickte, zustimmend zu ihren eigenen Gedanken. Ohne auf das zu hören, was Hannibal von sich gab. Dem Blabla von ihrem Vater, nein, sagen wir besser, Erzeuger, lauschte Dido selten, es sei denn, sie wurde direkt angesprochen und dann hörte sie auch nur widerwillig zu.

    Eine einzige Öllampe brannte in jenem Augenblick in der Sklavenunterkunft, altes und billiges Öl füllte das tönerne Gefäß, weswegen die schwache Flamme immer mal wieder beleidigt aus der Öffnung des Tons hervor spähte, in die Sklavenunterkunft blickte und noch mehr indigniert sich schnell wieder zurück zog und nur eine einsame und stinkende, schwarz graue Rauchsäule in den Raum schickte, ganz als ob die Flamme damit sagen wollte: Das habt ihr nun davon, mir diesen billigen Fusel zu geben. Viel Licht spendete die Lampe nicht in dem Raum, weiße Flecken zeichneten sich auf dem Boden ab, dort wo ein wenig von der Sonne durch die schmalen Fensterschlitze hinein fielen. Schatten spielten in dem Licht, kleine graue Flecken, die hin und her tanzten, Blätter, die, neidisch und geizig, der Sklavenunterkunft noch mehr von dem spärlichen Licht rauben wollten. Das Stroh raschelte leise bei jeder Bewegung von Dido, die immer wieder auf ihrem Lager hin und her rutschte, dabei Asny nicht aus den Augen lassend. Blinzelnd beobachtete die junge Sklavin, wie mehrere von den Spinnentiere errettet wurden. Dido hätte mit einem Brett kurzen Prozess mit den kleinen Wesen gemacht, ohne mit der Wimper zu zucken und schlechtes Gewissen. Dido teilte aber auch nicht gerne, schon gar nicht ihr eigenes Lager und am Allerwenigsten mit Ungeziefer. „Manchmal gib's auch Ratten hier!“, murmelte Dido leise. Dafür brauchte sie unbedingt ihre Zwille wieder. Dido beugte sich zu ihren Sandalen vor und begann an dem Lederband herum zu spielen, denn ihr drückten die Sandalen schon seit dem Morgen auf ihre Zehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, dass Asny ihr neues 'Bett' einweihte und spürte den Blick auf sich ruhen. Dido spähte auf. Persönliches? Dido stockte und richtete sich langsam auf. Persönliches? Fragen? Asny fragen? Enttäuschen? Dido war im ersten Moment verwirrt über eine solche Aussage, was man, wie immer, an ihren sehr lebhaften Mimikspiel erkennen konnte. Dido wähnte sich zwar als abgebrüht und eifrig, im Nachäffen von Sciurus, aber wirklich gelang ihr das noch nicht. Ihre Augen weiteten sich, ihre Pupillen wurden ein wenig größer und ihr Mund öffnete sich. Dido hatte irgendwie das Gefühl, sie hätte etwas falsch gemacht. Da hast Du's! Sie wird Dich bald auch nicht mehr mögen. Du bist ganz schön blöd, Dido. Ganz schön dumm! Eine dumme, unnütze Sklavin eben, die keiner in diesem Haus braucht. Keiner!


    Didos Unterlippe erzitterte einen Moment lang und sie senkte die Augen, betrachtete stumm und verlegen ihre Fußspitzen, die Haut war an ihrem Zeh etwas gerötet, womöglich bekam sie morgen dort eine Blase, die schrecklich brennen würde. Das alles nur, weil sie neue Sandalen bekommen hatte vor ein paar Tagen. Die Alten, mit den zwei Löchern in der Sohle, waren einfach bequemer gewesen, aber auch viel zu klein. Es war nicht zu leugnen, Dido wuchs eben noch. Sie wackelte mit ihrem großen Zeh hin und her und dachte darüber nach, was sie erwidern sollte. Das mit dem Lügen schien ihr ein weiterer Vorwurf zu sein. Asny war ehrlich, Dido log gerne, so kam das bei Dido an, die noch ganz schockiert war, davon, dass sie wohl eindeutig etwas falsch gemacht hatte. Frag sie doch etwas! Dido grübelte. Was sollte sie bloß fragen. Ob sie gerne spielt? Dooof, sie ist doch erwachsen. Die spielen nicht gerne. Ob sie Geschwister hat? Neee, will ich gar nicht wissen. Am Ende will sie zu ihnen zurück, weil sie viel toller als ich sind und dann bin ich wieder alleine! Ob sie auch Süßigkeiten mag? Noch dooofer! Etwas trotzig sah Dido auf und starrte Asny an. „Ich bin auch stolz, jawohl!“, erwiderte Dido patzig. „Ich bin schließlich eine wertvolle Sklavin, in der aaaachten Generation. Nicht so ein Frischling wie Du!“ Schmollend verzog Dido den Mund. Sie konnte ganz schön ungerecht und gemein werden, wenn sie Angst hatte. Und das hatte Dido in dem Moment ganz gewiß, denn im Grunde wollte sie Asny als Verbündete, als Freundin gewinnen. Aber sie glaubte, schon wieder alles ruiniert zu haben. Das milde Lächeln von Asny wirkte gar nicht milde, sondern im dem Moment spöttisch auf Dido, die ihre Augen etwas verengte. „Ja!“, grummelte sie. „Sciurus ist mein Vorbild! Der ist ein ganz großer Sklave. Nicht groß nur vom Körper, sondern auch weil er mächtig ist. Und das werde ich auch eines Tages sein!“ Didos Augen funkelten drohend, ganz als ob sie damit sagen wollte: Sieh, ich werde mächtig, stell' Dich also am Besten gleich gut mit mir. Das wird besser für Dich sein. Dido verschränkte die Arme vor der Brust, abwehrend und mit eingesunkenen Schultern.


    Innerhalb weniger Momente schlug Didos Stimmung um, das kleine Mädchen war auch recht wankelmütig, teils aus ihrem Wesen heraus, andererseits aus der latenten Unsicherheit, die sie besaß, seitdem sie alleine war und ohne Herrn. Dido verzog ihr Gesicht, liess ihren Mund von einer Seite zur anderen Wandern, kniff mal das eine Auge zu, dann das Andere, zog ihre Augenbrauen zusammen, hatte die Lippen fest zu einem schmalen Strich zusammen gepresst, all dieses Spiel offenbarte sich in kürzester Zeit. Sie ist auch blöd, wie alle Großen!, dachte sich Dido und betrachtete Asny stumm. „So wie Sciurus kannst Du bestimmt nicht werden...“ Dido sprach und sprach, ehe sie nachdenken konnte. „Dafür bist Du zu schwächlich! Blöde Sklavin!“, platzte es ihr sofort pampig und rüde heraus. Dido sprang auf und wollte sich herum drehen, um aus dem Zimmer zu stürmen. Du hast es vermasselt, Dido, ganz eindeutig. Blöde, unnütze Sklavin! Dido hatte das Gefühl, Sciurus Stimme in ihrem Nacken zu vernehmen, die sich ihr näherte und kalt in das Ohr raunte. Didos Augen wurden feucht und sie lief schnell auf die Tür der Sklavenunterkunft zu und riß sie auf, um vor Asny zu fliehen und der Wut, die sie bestimmt ihr, Dido, gegenüber hegen würde. Doch sie prallte gegen einen Körper, spürte eine Hand die sich auf ihre Schulter legte. „Dido, wo willst Du hin?“ Dido sah auf, die Tränen verschleierten ihren Blick und sie sah verschwommen Hannibal, der im Eingang der Sklavenunterkunft stand. Sie schniefte und suchte schnell danach, die Tränen, die sich in ihren blaugrünen Augen sammelten, weg zu drängen. Mit mäßigem Erfolg, sie spürte, wie Hannibal sie aufmerksam musterte und mochte das gar nicht, hätte sich am liebsten wie eine kleine Maus in einem Loch versteckt und zusammen gerollt. Sie spürte, dass Hannibal sie wieder in die Sklavenunterkunft dirigierte und die Tür hinter sich schloß. Willenlos und wie eine Puppe folgte Dido ihrem Vater, den sie am Meisten in der Villa verachtete, und wehrte sich nicht als Hannibal sie neben sich auf ein Lager zog, wo sie sich hinsetzte und den Anblick von Asny mied. Sie warf einen schnellen Seitenblick zu Hannibal und sah, dass er sich auch auf das Lager gesetzt hatte, Asny gleich gegenüber. Sie schniefte und hob die Hand, um sich ein paar Tränen von der Wange zu wischen, doch die Tränen dort bekamen weiteren Zuwachs aus ihrem Augenwinkel.



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    Ein fragend, verwunderter Gesichtsausdruck zeigte sich bei Hannibal, als er auf dem Lager, Asny gegenüber saß. Eine schlichte, dunkelgrüne Tunika trug Hannibal, gegürtet mit einem dunkelbraunen Ledergürtel. Im Gegensatz zu Dido hatte Hannibal seine Arme nicht vor der Brust verschränkt, sondern stützte sich damit auf dem Strohlager ab. Sein Blick schweifte durch die Sklavenunterkunft, die nicht einen Deut besser geworden war, seitdem er das letzte Mal hier genächtigt hatte. Schließlich ließ er seine Augen über Dido gleiten, die sich abmühte, nicht zu sehr zu schniefen und sich immer wieder Tränen abwischte, die über ihre schon rot gefleckte Wange lief, dann sah Hannibal zu Asny und musterte sie aufmerksam, um die junge Frau noch einmal zu begutachten. „Hat Dido Dir die Villa gezeigt?“, fragte Hannibal und ignorierte im Moment das Schluchzen von Dido. Den Grund dafür würde er eventuell später noch erfahren können. „Du hast Dir schon ein Lager ausgesucht?“ Hannibal sah fragend auf das, wo sich 'ausgebreitet' hatte. Da Hannibal nicht oft in der Sklavenunterkunft war, war ihm die 'Belegung' der Betten nicht sonderlich geläufig.

    Tropf! Tropf! Stetig fielen die kleinen Wassertropfen in einer Perlenschnur durch eine schmale Ritze im Gebälk. Tropf! Tropf! Ein kleiner Wassertropfen, aus dem Schoße des diffusen Nebels geboren, fand den Weg durch Ziegel, Schindel, das feuchte Stroh, das das Haus abdichten sollte, durch poröse Lehmfüllung der Mauern und schließlich durch altes Holz, das schon beim Bau dieses Hauses nicht hätte verwendet werden dürfen, Grünspanig. Einen Herzschlag lang hielt sich der Wassertropfen am Rande fest, dann stürzte er sich todesmutig in die Tiefe. Tropf! Er zerbarst auf dem hölzernen Tisch und vereinte sich, zerflossen, mit seinen Brüdern und Schwestern zu einer kleinen Lache. Unbeachtet von zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein können. Cupa, der Gerber, saß starr auf dem Schemel, er konnte den Blick nicht von Sciurus blauen, eisblauen, Augen lösen. Obwohl sich Cupa innerlich wandte, nach Ausflüchten suchte und am Liebsten wie ein Maus davon getrippelt wäre, der der Katze gegenüber saß, so war Cupa erstarrt. Das Mädchen, das die Szene gebannt verfolgte, bemerkte Cupa nicht. Die Frage stand im Raum. Was wollten die Totengräber von Dir? Tropfen um Tropfen fiel auf den Tisch, Stille herrschte im Raum und doch fand ein lautloses Ringen statt und zeigte sich im marginalen Erzittern von Cupas Unterlippe und der Schweiß, der sich immer mehr auf seiner Stirn sammelte und zu einem kleinen Rinnsal an seiner Schläfe bildete. Unerträglich frostig wurde die Stille im Raum, dann war das Eis gebrochen, der Kampf entschieden. Cupa schlug die Hände vor das Gesicht. "Oh, ich sag' Dir alles, alles! Oh!" Seine Schulter erzitterte vor Furcht. Stück für Stück sanken die Hände herunter und mit aufgerissenen Augen starrte Cupa zu Sciurus, den Dido voller Bewunderung betrachtete. Welcher Mann konnte schon mit einem Blick jemand anders derart einschüchtern? Doch schnell sah Dido zu Cupa, der erneut, mit weinerlicher Stimme, begann zu sprechen: "Es war vor einigen Tagen, ja, vier Tage ist es nun schon her...mitten aus dem Nichts tauchten sie auf, wie Du!"


    Kehren wir doch einige Tage zurück, in das Leben von Curgetorix Narbonensis, auch einfach nur Cupa genannt...


    ...Es war ein trüber Wintertag, grau und bleiern hingen die Wolken über Rom, schwer und bedrohlich türmte sich in der Ferne eine schwarze Eiswolkenfront auf, die am liebsten mit Hagel und Eisschauer über Rom hergefallen wäre. Der Gestank der Gerberwerkstatt mischte sich mit dem rußigen Geruch eines Schmiedes in der Nähe und wurde untermalt von dem steten Klopfen eines Kesselflickers, der mit seinem kleinen Handkarren schon den ganzen Tag in den Straßen umher fuhr, um die Kessel der Römer und Peregrini zu flicken. Cupa stand in seiner Werkstatt, große Rinderhäute lagen über einer Stange, wellig und fast so als ob sie gerade erst dem Tier vom Leibe gezogen war. Mit einem großen Schaber fuhr Cupa über die schorfige Haut eines Tieres und schor damit große borstige Büschel ab. Den groß gewachsenen, klobigen Mann, der sich in seinem Bottich erleichterte, wie so viele andere Passanten, bemerkte Cupa nicht. Er achtete auf derart nicht mehr, so sah er nicht, wie der Mann seinen Gürtel wieder zurecht rückte, die Tunika fallen ließ und ein Messer hervor zog, das schartig und scharf an der Kante war. Erst als das Messer seine Haut am Hals berührte, bemerkte Cupa seinen Irrtum. "Wir gehen rüber." Cupa nickte und ließ sich in seine Wohnräumlichkeiten bucksieren. Zwei Männer, Schatten nicht unähnlich, folgte den Beiden.


    Und wieder bei Sciurus und Cupa, ebenso der kleinen Dido. Cupa stöhnte leise und ächzend, ganz als ob er den Schock noch einmal erleben müsste. "Sie drohten mir, sie wollten mein Geschäft anzünden, alles was ich hatte und..." Er stockte. "Und dann...ja, sie sagten, sie würden mir großes Leid antun. Besonders er, er, mit den gelben Adleraugen. So einen stechenden Blick habe ich noch nie gespürt...." Cupa zögerte und musterte Sciurus. "Bis heute...was er tat...ich..."


    Unzusammenhängend war die Stotterei von Cupa, darum sehen wir doch noch einmal zurück, werter Leser. Derselbe Raum, in dem nun auch Dido, Sciurus und Cupa waren, doch einige Tage zuvor:


    Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten der Wand und trat auf Cupa zu, der mit ängstlicher Miene genau auf demselben Schemel saß, wie in der Nacht der Saturnalia. Die Gestalt stellte sich ihm gegenüber auf und beugte sich etwas vor, bis er ihm sehr eindringlich und starr mit seltsamen gelblichen Augen in die von Cupa sah. Cupa erzitterte unter dem Blick und griff an die Tischkante, als ob er sich daran fest halten müsste. "Cupa!", mehr ein Flüstern war die Stimme. "Ich habe zugesehen, wie man viele Menschen gefoltert hat. Arme ausgerenkt bis sie ihre Mutter verraten haben, bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen bis sie die Kinder verkauften. Ich garantiere Dir, alle reden früher oder später!" Schweißbäche flossen an Cupas Stirn und seinem Hals entlang. Die Gestalt mit den gelben Augen, einer scharfen Adlernase und einem dichten, krauseligen Bart drehte sich um und ging zu einer Öllampe. "Wo ist es?" Cupa schüttelte den Kopf. "Das weiß ich nicht...bei der großen Iuno und bei Iuppiter, ich schwöre es!" Der Mann trat zurück zu Cupa und blieb vor ihm stehen, langsam schob er sich den Ärmel der Tunika hoch. "Sieh her!" Vor der Nase von Cupa hielt der Mann die Flamme an sein nacktes Fleisch, es roch nach versenkter Haut, während der Mann die Lippen zusammenpresste, die Faust ballte, doch seine gelben Adleraugen, die blieben unerschütterlich. Cupa fielen die Augen vor Schreck fast aus den Augenhöhlen. Der Mann nahm die Flamme von seiner Haut, ein furchtbarer Brandfleck in der Größe eines massiven Aureus prangte an seinem Arm. "Cupa!", flüsterte der Fremde. "Wenn ich mir das selber antue, stell Dir vor, was ich Dir antun kann!"


    Wieder zurück zu Dido und Sciurus.


    "Aber ich habe gaaar nichts gesagt. Ich habe still gehalten." Auch hier begegnete Cupa einem kalten und unerschütterlichen Blick, der sich tief in seine Seele zu bohren schien. "Ich...", hauchte er. "Oh, es tut mir leid, ich habe ihm alles erzählt. Und ich habe ihm den Schlüssel gegeben. DEN Schlüssel. Sie wollen heute Nacht noch ihren Plan damit vollführen. Heute, während der Saturnalia. Der Friede ist ihnen nicht heilig genug!" Wie ein wehleidiges Häuflein Elend sackte Cupa zusammen.

    Langsam beschlich Dido so ein seltsames Gefühl, während sie am Rande des Teiches stand, in dem sich Fische tummelten, Seerosen sich im Wasser wogen ließen und die Sonne sich in funkelnden Strahlen brach, um das klare Nass mal in dunkle und dann wieder gleißende Nuancen zu tauchen. Aber selbst wenn Dido sich prächtig mit sich selber unterhalten konnte, wenig dann von ihrer Umgebung mitbekam, denn Dido war in den letzten Wochen meistens in der Villa alleine und tat am Tage, wozu ihr der Sinn stand, wenn nicht gerade einer der Sklaven auf die Idee kam, sie herum zu scheuchen mit: 'Dido, mach die Betten der Herrschaften hier.', 'Dido, jetzt trag mal die Kohle in das Zimmer. Nichtsnützige Sklavin!' oder 'Dido, helfe mal in der Küche, wir bekommen heute Besuch!' und ähnliche Aufträge, die ihren meist langweiligen Müßigang unterbrach und mit Plackerei füllte; lange Rede, kurzer Sinn: Dido war nicht gänzlich taub und blind ihrer Umgebung gegenüber, denn sie hatte zwischen dem Strom von Erzählungen immer wieder zu Asny gespäht und konnte sich nicht des Gefühls erwehren, dass die etwas ältere, dennoch junge Frau, immer mal wieder abwesend wirkte, als ob sie vor sich hin träumte. Didos Augen verengten sich und sie betrachtete Asny nun einen längeren Augenblick sehr aufmerksam, aber dann konnte Dido wiederum nichts entdecken und gab ihren Argwohn schnell wieder auf. Außerdem wollte Dido da nichts sehen. Wenn es ihr in den Kram passte, konnte Dido ganz wunderbar blind für gewisse Dinge werden und sie wollte kein Haar in der Suppe bei Asny finden. So wie sie es bei all den anderen Menschen, die sie sonst umgaben, es tat. Dido bückte sich und griff nach einem weiteren Stein, rieb damit gegen die Innenseite ihrer Handfläche und spürte die kalte und etwas schorfige Marterie. Das, was Asny vorschlug, das klang in der Tat nicht nur gut, sondern regelrecht brillant. Sie, Dido, wäre gewiss nicht auf eine so gute Idee gekommen. Angetan lächelte Dido, ihre Mundwinkel hoben sich als ob sie danach suchten ihre Nase an Höhe zu übertrumpfen. „Oh, das ist gut. Das ist toll. Das ist groooßartig. Genial, formi...formi...toll halt!“


    Achtlos ließ Dido den Stein auf den Boden fallen, sie hatte nicht vor, ihn noch mal zu werfen, außerdem gab es andere Dinge, die ihre Aufmerksamkeit fesselten. Süßigkeiten!!! Welches Kind würde sich da noch mit Steinewerfen abgeben? Dido eilte auf Asny zu und ließ sich nicht lange bitten, sondern nahm gleich die Dattel entgegen und stopfte sie sich in den Mund. „D..Du...Duanke!“, gab sie schmatzend von sich und schlang gierig, Dido hatte immer Hunger, Dido konnte stets essen wie ein Nimmersatt!, die süße Frucht hinunter und leckte sich noch sorgfältig die Finger von dem süßen Honig frei. „Hmm...Du hast ja tolle Sachen!“ Dido reckte und streckte sich und wollte wohl in den kleinen Beutel von Asny spähen, Diskretion war eine Tugend, die Dido völlig fremd war und der sie nicht im Mindesten frönte. Aber wirklich viel konnte Dido in dem Augenblick nicht erspähen, wusste somit nur, dass dort ein Hort von begehrlichen Leckereien lag. Dido wippte auf und ab auf ihren Zehenballen und spitze die Lippen, in einer nachdenklichen Mimik. „Hmm...ja, dann wunderbar. Dann gehen wir morgen gemeinsam zu Lucanus. Wenn er mir meine Zwille nicht gibt, muss ich mir eine Neue ertauschen. Aber das ist keeeein Problem.“ Dido lächelte verschwörerisch. „Ich häb nämlich da so meine Verbindungen...wenn Du verstehst, was ich meine?!“ Dido grinste fröhlich. Die kleine Kinderbande der 'Gaius ist der Beste-Fanclub' hat Dido in gänzlich andere Kreise noch geführt, schließlich hatten auch viele der anderen patrizischen und plebejischen Kinder Sklaven in ihrem Alter. „Mir wird kalt!“, verkündete Dido plötzlich. „Gehen wir ins Haus! Ich zeig' Dir mal die Sklavenunterkunft, dann kannst Du dort Deine Sachen ablegen. Komm!“


    Wie ein kleiner Zinnsoldat marschierte Dido vorran, im schnellen Marsch, aufgerichter Haltung und wichtigtuerischem Gesichtsausdruck, ehe sie wieder zur fröhlichen Dido wurde und anfing von einem großen Stein, der als Weg diente, zum Nächsten zu hüpfen. „Und hopp, hopp, diehopp!“ Mit einem großen Sprung landete Dido vor einer großern Terasse, an deren Aufgang zwei steinerne Löwen saßen und die Treppe zum Haus hinauf säumten. Didos Finger strichen über die steinerne Mähne, berührten die langen Fangzähne des Löwens, dessen Augen golden glänzten. Einige schnelle Schritte und schon war Dido die Treppen hoch geeilt und stand auf der Terrasse, betrachtete von hier aus den Garten, der für eine Villa in der großen Stadt Rom, nicht unprächtig und sogar sehr luxeriös war, sich aber nicht mit den Gartenanlagen in seiner Weite mit einer Landvilla messen konnte. In der Ferne erspähte Dido das Kapitol und die prachtvollen Bauten, einige Vögel zogen in Schwärmen ihre Kreise über das Stadt, an zahlreichen Häusern stieg der Rauch auf, den die Öfen ausspuckten, es war zwar ein milder Wintertag, aber dennoch immer noch die kältere Jahreszeit. Wirklich interessierte sich Dido jedoch nicht für die Aussicht, sie drehte sich flink um und eilte in das Haus hinein, vorbei an dem großen Säuleninnenhof, in dessen Mitte ein weiterer, aber in Kleinform gehaltener, Garten angelegt war und der auch einen Brunnen hatte, in dem es mild vor sich her plätscherte. Dido hüpfte über den Marmor, ihre ledernen Sandalen klackten auf dem glänzend polierten Boden, respektlos strich sie über die Freskenwände und war gleich darauf in einen anderen Gang abgebogen, der erneut in Richtung des Sklaventraktes führte.


    Düster erschien der Gang, nach all der hellen Pracht der flavischen Villa, schmucklos, grob und regelrecht abweisend, Dido stiess eine Tür auf und trat in einen Raum hinein, der die Nacht darstellte, wenn der Luxus der Villa der Tag war. Strohlager waren hier zu besichtigen, ein kalter und abweisender Boden, schmale Fenster, die kaum Licht hinein fallen ließen, einige Öllampen aus groben Ton und nicht sehr kunstvoll gefertigt erhellten den Raum, wenn man von 'erhellen' überhaupt sprechen durfte, denn im Grunde berußten die Öllampen mehr die Decken, machten den Raum stickiger und spendeten nur flackerndes und unstetes Licht. Dido trat in die Mitte des Raumes und drehte sich einmal im Kreise herum, die Arme ausgestreckt. "Das ist es! Unser bescheidenes Heim!" Bescheiden war wahrlich noch eine Übertreibung, armselig passte sehr viel besser. Einige Sklaven waren in diesem Raum eingepfercht, die Anzahl der Lager verriet es eindeutig. Auch die Umgebung schlug auf das Gemüt der kindlichen Sklavin, denn das fröhliche Hüpfen wurde durch ein vorsichtiges Schleichen ersetzt, Dido sah sich in der Sklavenunterkunft um, ob einer der unliebsamen Gesellen gerade dort war, einer der Schnepfen, die Dido tagein, tagaus plagten und ihr das Leben schwer machten, denn schließlich wußten die Sklaven, dass ihr Herr in Baiae war und Dido niemanden hatte, der sich für sie stark machen würde oder die Sklaven disziplinieren, sollten diese die kleine Dido verletzen, egal welcher Weise. Und da Dido vorher, als Serenus noch in der Villa war, nicht zimperlich mit ihrem Geprahle bezüglich ihrer Stellung als 'Leibsklavin' war, hatte sie genug Neider und zornige Sklaven gegen sich aufgebracht.


    Dido konnte indes niemanden in der Sklavenunterkunft entdecken, im Moment, und bewegte sich auf einer der Lager zu. Mit einem Grunzen ließ sich Dido auf das Lager fallen, das Stroh raschelte unter dem groben Tuch, was sich Dido über das Stroh gelegt hatte. "Da schlaf ich!" Auch Didos Stimme war nun eine Nuance leiser, nicht mehr laut und krakeelend, sondern etwas gedämpft. "Das Lager an der Wand dort, das neben der Tür und das dort hinten sind noch frei, alle anderen sind schon belegt. Außer mit den gaaaaaanz wichtigen Sklaven, selbst wenn sie blöd sind, so sind manche doch wohl wichtiger, aber die gaaaaanz wichtigen Sklaven, die schlafen oft bei ihrem Herrn oder in ihrer Nähe. Sciurus schläft nicht hier, zum Beispiel! Ich hatte früher auch eine eigene Kammer, jaaaha! Bei Serenus! Aber der ist ja jetzt in Baiae." Einladend deutete Dido auf die 'freien' Lager, die nicht wirklich ansprechend waren. "Da, such Dir ruhig aus, wo Du schlafen willst. Und Decken und Tücher für das Stroh sind in der Kiste dort..." Dido deutete auf eine grobe und große Holzkiste unter einem der schmalen Fenster, die kaum Licht der Unterkunft spendete. Dido rutschte etwas von dem Strohlager herunter und an den Rand, ließ dabei ihre Beine über den Boden baumeln. "Magst Du noch mehr sehen von der Villa?" Didos Ton suggerierte gerade zu, dass das Mädchen die Lust verloren hat, länger durch die Villa zu toben. "Wir könnten Tauben abschiessen, sonst kommt noch Hannibal oder jemand anders und gibt uns Arbeit."

    Völlig still war die Hand von Dido, die im Wasser versunken ruhte und von kühlem Nass umfangen wurde, das wilde metaphysische Platschen, Wassersprudeln und Spritzen erreichte die Finger nicht, selbst die Fische waren nicht sonderlich beunruhigt und Dido völlig ahnunglos. Etwas glitt an ihrem Finger vorbei, Dido betrachtete den Fisch, deren Flosse ihre Hand kurz gestreift hatte und wartete weiter ab, dabei sah sie zu Asny hoch und lauschte ihren Worten. Ja, dem Dominus Gracchus wollte Dido auch nicht zu gerne begegnen, der sah sie immerzu sehr befremdlich an, als ob Kinder und Sklaven von einer anderen Welt kamen, einer Sphäre, die sonst den niederen, dienenden Kreaturen vorbehalten war und es mehr ein Unfall war, dass Kinder und Sklaven in die Welt der Patrizier stürzten, um sie zu unterhalten oder mehr noch zu ärgern! Didos Augenbrauen zuckten, sie kräuselte ihre Nase bei dem Gedanken an Flavius Gracchus. Nein, wenn der weit weg von ihr war, dann war es gut. Aber immerhin nahm er sie meistens nicht wahr, was auch von Vorteil war. Da! Wieder fühlte sie etwas an ihrem Finger, schnell schloß sie ihre kindliche Hand, doch der Fisch entschlüpfte Dido und das Wasser wurde heftig aufgeworfen, die anderen Fische verschreckt. Enttäuscht sah Dido auf die Ringe und zuckte mit der Schulter, es war ihr noch nie gelungen, so einen Fisch zu fangen, obwohl es ihr der Gärtner ein Dutzend Mal gezeigt hatte, aber der hatte ja auch den ganzen Tag Zeit im Garten das zu üben, so zumindest in Didos Vorstellung. Sie legte den Kopf zur Seite und betrachtete Asny nachdenklich, wobei sie sich ihre tropfende Hand an ihrer Tunika trocken rieb, einige Wasserflecken zeigten sich nun auf dem groben Stoff, der im Winter zumindest warm hielt, wenn er auch kratzte und Dido ihn nicht mochte. "Hm?", murmelte sie und bewegte ihre Nasenflügel mal nach rechts und dann nach links, indem sie entsprechend ihre Oberlippe verzog. "Hm! Darüber muss ich nachdenken.", erwiderte Dido auf das Angebot, wie sie ihre Waffe zurück bekommen könnte und der Anmerkung bezüglich Lucanus Entscheidungsvielfalt.


    Dido griff mit beiden Händen in das Gras und stemmte sich in die Höhe. "Also, wenn Du einem der Domini begegnest, musst Du gaaaaar nichts sagen, wenn sie Dich nicht fragen und wenn Dir nichts einfällt. Einfach so machen!" Dido verbeugte sich, sah dabei auf die vielen graugrünen Grashalme zu ihren Füßen. Das junge Sklavenmädchen richtete sich wieder auf und blies sich eine bonde Haarsträhne aus dem Gesicht. "Also, wenn Du nix zu sagen hast, dann reicht auch eine Verbeugung. Ansonsten kannst Du noch sagen: Salve, Herr. oder Salve. Kann ich etwas für Dich tun? Oder eben halt gar nichts oder so!" Dido hob die Hand und rieb sich an ihrem Nasenflügel herum, dieses Mal verirrte sich der Finger jedoch nicht in ihr Nasenloch. "Wenn die Herrschaft was will, dann sagt sie das schon. Und wenn sie das dringende Bedürfnis nach Konva...Konvi...Konvasitation verspüren, werden sie auch schon das Wort an Dich richten. Du wirst bestimmt sowas hören wie: Bist Du neu in der Villa? Wem gehörst Du? Kommst Du aus Germania? Hast Du Geschwister? Und ähnlich bescheuertes Zeug. Dabei interessiert es die Herrschaft doch gar nicht wirklich, aber ich glaub', sie fühlen sich dann besser, weil sie uns nicht wie Dinger behandelt haben, dann sind wir nicht wie die Tür, die man benutzt, der Stuhl auf dem man sitzt. Die Herrschaften sind einfach seltsam manchmal." Dido zuckte mit der Schulter und verzog abfällig das Gesicht. "Und von dieser komischen Herrschaft haben wir einen ganzen Haufen hier in der Villa. Flavius Lucanus hast Du ja schon heute kennen gelernt. Den kenne ich auch nicht so gut, der ist erst seit kurzem hier in der Villa! Aber er ist der Jüngste, wenn Serenus hier wäre, wäre der der Jüngste, aber so ist das Lucanus." Dido vermochte es tatsächlich herum zu plappern ohne zwischen den vielen Sätzen Atem holen zu müssen. Aber da selten jemand mit Dido derart lange sprach, beziehungsweise Dido endlich mal die Gelegenheit hatte, ihrem Plappertrieb nachzukommen, war sie nicht mehr zu bremsen.


    "Dann ist hier noch Flavius Lucullus. Der ist der Bruder von Flavius Gracchus, den wirst Du aber fast nie oder gar nicht sehen, der ist entweder außer Haus oder in seinem Zimmer und der läuft immer sooo herum." Dido zog die Schultern ein, die Mundwinkel herunter und tappste schlürfend durch den Garten und am Rande des Sees entlang. Sie richtete sich auf, rollte mit den Augen und zeigte deutlich mit Mimik und Gestik, dass sie von dem Flavier auch nichts hielt, was sie wohl von vielen nicht tat, außer sie hatten die Serenus-Ehrung erhalten, zu den Ausgewählten zu gehören und die waren momentan recht rar gesiedelt. Außer Leontia hatte wohl noch kein Flavier nicht die Gunst des Flavius Serenus verscherzt. "Felix, Gracchus, Lucullus...die haben wir schon. Lucanus auch...Furianus, das ist der Cousin von Serenus, der ist aber schon groß und der ist der Legatus von Hispania oder so etwas...keine Ahnung, ganz wichtig zumindest. Aber der lebt in Hispania, ab und an. Oft ist der auch in Rom, aber ich weiß nicht, wann der wieder kommt. Den kenne ich auch nicht so gut. Hab ich wen vergessen?" Dido spähte zu Asny hoch, als ob Asny ihr bei dem flavischen Monolog behilflich sein könnte.


    Dido spähte zum See, in den Himmel, zu den Ställen, zum Haus, zum Hühnerstall. Da kam es ihr! "Ah! Ich weiß, Flavius Aquilius." Dido klatschte sich in die Hände. "Der ist ja der Herr von Bridhe und Straton und Severus und der ist Vingimbingins, irgend so ein Amt, aber noch kein Senator!" Wie stand Aquilius auf der Rangliste von Serenus? Wohl eher bei den Neutralen, aber Dido konnte es nicht beschwören. "Den wirst Du gleich erkennen, entweder ist der mit einer der Frauen hier zusammen oder geht soooo durch die Villa!" Dido richtete sich auf, hob das Kinn einige Zoll in die Höhe, streckte die Brust voran und stolzierte, Hände in die Seiten gestemmt, am Seeufer auf Asny zu. Vor Asny blieb sie stehen und zwinkerte ihr einige Male auffällig zu, Dido senkte die Stimme tiefer, um wohl einen Mann nach zu äffen. "Na, meine Hübsche, kennen wir uns nicht von irgendwo her?" Erneut ein Gezwinkere und dann kollerte Dido vor Lachen los und hielt sich dabei den Bauch. Zwischen einigem Lachen, prustete sie hervor: "Der ist auch mit Bridhe zusammen. Vielleicht auch mit Straton und Severus, aber ich weiss das auch nicht so genau, die sind halt oft zusammen und Severus weicht ihm nie von der Seite. Glaub ich!" Dido holte tief Luft und wischte sich eine Lachträne aus den Augenwinkeln. "Und mit Antonia ist der auch zusammen, die sieht man auch ständig zusammen. Claudia Antonia, die Frau von Flavius Gracchus. Man sieht sie auch selten, sie ist oft beim Einkaufen oder so, weiß auch nicht so genau. Sie hat einen gaaaaaaanz dicken Hintern, jawohl! Und ja..ähm...der...also der Aquilius... will wohl bald so eine blöde Patriziergans heiraten, sind ja alle blöd die Patrizierfrauen, Claudiae, Aureliae, nur Leontia, die ist toll!" Wobei Dido nicht wußte, warum Leontia toll war, eigentlich erschien Dido die Flavierin immer etwas seltsam und sie hatte so ein grausames Funkeln in den Augen gehabt, was Dido gar nicht behagte, aber Serenus hat sie abgöttisch geliebt. "Aber die ist leider tot." Dido sah einen Moment andächtig traurig auf das Gras, aber wirklich berührt war sie davon nicht. So dass sie schnell wieder ihre Augen hob und recht vergnügt wirkte. "Aber die wirst Du alle bestimmt noch kennen lernen, ganz bestimmt." Dido bückte sich und griff nach einem Stein, der am Rande des Teichs lag, sie zielte und warf den Stein auf das Wasser. Plumps! Der Stein versank im Wasser. Dido verzog mißmutig das Gesicht, auch das wollte ihr nicht gelingen, dass der Stein endlich mal hüpfte. "Ich weiß!", krakeelte Dido plötzlich und drehte sich zu Asny um. "Du kannst mir helfen, eigentlich soll ja Hannibal morgen mit mir mitkommen zu Lucanus, aber ich hab ihn...also den Hannibal...deswegen angelogen. Er weiß davon gar nicht! Wie wäre es, wenn Du mitkommst? Ja, machst Du das? Biiiiiiiiittteeeee!" Treuer Hunde-Kinder-Augenaufschlag, ein breites Lächeln, vielleicht tat das auch hier seine Wirkung.

    Ein Rotkehlchen sprang von einem Ast zum Anderen, die Zweige erzitterten marginal und die Blätter raschelten leise, der kleine Vogel blieb auf einem filigranen Ast sitzen und plusterte sein Federkleid auf. Ein Fiepen entfleuchte seinem leicht geöffneten Mund und er ließ sich nicht im Mindesten von den beiden weiblichen Wesen am Fuße des Baumes stören. Dido sah zu Asny hoch und dachte einen Augenblick lang über die Aussage mit den Geistern nach, ihr Blick schweifte zur Villa Flavia und ein Grinsen breitete sich über ihre kindlichen Züge aus. "Oh ja!" Da konnte Dido ganzen Herzens zustimmen. "Die Flavier sind gewiss kein netten Leute, die haben bestimmt schon viel Böses getan und vielen Leid angetan...jaja, ganz sicher!Verdient haben sie das allemal!", somit war für Dido klar, warum die Geister in dem Haus herum streiften, die im Keller erwähnten, aber womöglich waren es noch weit mehr. Dido erschauderte wohlig, sie liebte solche Geschichten. Was Hannibal anging, verzog Dido etwas skeptisch das Gesicht, ganz unrecht hatte Asny gewiss nicht mit der unschlagbaren Logik, aber welches Kind war schon einer rational, vernünftigen Erklärung und Begründung gegenüber offen, wenn sie im Grund daran nicht glauben wollte. So gab Dido nur ein undefinierbares: „Grmpf!“ von sich. Dido wollte es sich jedoch nicht mit Asny verprellen, sie hatte schon genug Feinde im Haus und genug Erwachsene, denen die kleine Dido völlig egal war. „Gut. Ich werde es mir mal überlegen, was Du gesagt hast. Aber meine Mutter kannte den Hannibal schon gut...glaub ich und sie mochte ihn nicht. Meine Mutter war keine dumme Sklavin, kein unnützes Ding, nein!“ Dido nickte und ihre Augen leuchteten einen Moment ganz stolz, ehe sie sich trübten, denn es war schon mehr als zwei Jahre her, dass Dido ihre Mutter gesehen hatte, ehe die mütterlich blonde Sklavin fort geschickt wurde zu einem anderen flavischen Haushalt. Oder wurde sie gar woanders hin verkauft? Dido wusste es einfach nicht. „Danke!“, erwiderte Dido auf das Versprechen. „Das werde ich nicht vergessen und Du kannst immer auf mich zählen, Asny. Das verspreche ich Dir auch. Morgen hab ich meine Zwille bestimmt auch wieder und ein Messer bekomm' ich sicherlich auch bald! Dann werde ich für Dich kämpfen, wann immer Du das brauchst! Versprochen!“ Dido lächelte wohlgemut. Ohne ein Zaudern streckte Dido ihre eigene Hand der von Asny dargebotenen, dabei Asny gleich mit sich ziehend und vorbei an der geflügelten Armorgestalt tiefer in den Garten schreitend, nein, hüpfend und marschierend, zu einem Schreiten war Dido nicht in der Lage. Das Licht der Sonne fiel durch das dornige Dach der Schirmpinien, an deren Äste schwere Pinienzapfen hingen und die Zweige tief nach unten drückte, würzig war der Duft der Bäume, belebend, berauschend, zumindest für die junge Dido, die wieder fröhlich vor sich hin summte. „Tarilutatata!“


    Die Sonne spiegelte sich wie eine weiße und fahle Laterne auf dem Teich wieder, das Wasser bewegte sich sachte hin und her, durch das sanfte Plätschern einer schmalen Wasserfontäne aus dem Schnabel einer Gans, die von einem Mädchen in einer leichten Tunika gekleidet, auf dem Arm gehalten wurde. Auch aus Marmor und mit leuchtenden Farben war die Statue bemalt, der Ausdruck des Mädchens indes verträumt zum Himmel gehoben. Zwei weiße Seerosen schwammen auf der Oberfläche des grünblauen Wassers, dunkle Schatten glitten durch das Nass, erst wenn man genauer hinsah, erkannte man die Zierfische, die dort unter den Blättern der Seerosen schwammen, ihre Flossen gegen das Wasser schlugen und ab und an auftauchten, um eines der wenigen Insekten, das sich auf das Wasser verirrten, mit dem Maul zu schnappen. Aber nötig hatten die Fische die Insekten nicht, denn drei Mal am Tage kam ein Sklave, der nur für die Fische abgestellt war, und warf den edlen Tieren, von denen manch ein Exemplar teurer als ein Sklave war, gutes Futter vor, getrocknete Insekten, Brotkrumen, für manche der Fische sogar kleine Fleischhappen. Dido ließ am Rande des kleinen Teiches wieder die Hand von Asny los und tapste bis zum Rand des Wassers. Das Mädchen beugte sich nach vorne und glitt mit den Fingern in das Wasser hinein. Langsam sank sie auf das winterliche Gras, was etwas kümmerlich wirkte, hinunter und beließ ihre Hand im Wasser. „Alsoooo...ich hab Dir ja versprochen, Dir auch etwas über die Herrn dieses Hauses zu erzählen. Die Villa gehört Flavius Felix!“, begann Dido und spähte nach oben, wobei sie einige Male blinzeln musste, schließlich sah sie gegen die Sonne, um Asny zu erkennen. „Den kenn' ich nicht wirklich, aber der muss ein gaaanz böser Mann sein. Aber die Rosen, die Rosen sind ihm heilig, wer seine Rosen hier im Garten ruiniert, der stirbt eines qualvollen Todes!“ Dido nickte eifrig, das hatte sie zwar noch nicht erlebt, aber aus irgendeinem Grund musste damals die Sklavin schließlich zu der Löwung verurteilt worden sein. „Der ist aber ganz weit weg, auf Sadintium oder so...weiß nicht, wo das ist. Eine Insel im Meer, die ihm gaaaaaaaaanz alleine gehört. Glaub ich!“ Dido kratzte sich an der Nase, dachte kurz darüber nach und fuhr gleich fort. „Wenn er nicht da ist, gehört die Villa Flavius Gracchus. Der ist gaaaaaanz komisch. Seltsam, meine ich damit, nicht lustig oder so.“ Didos Körper nahm eine steife Haltung ein, sie hob ihre Hand und fing an, an ihrer Unterlippe zu kneten. „Deplorapel ist das und enubambel ebenso, darum assutiere ich, dass Du eventalder antepierst!“, sprach Dido würdevoll und mit getragener Stimme. „Soooo spricht er die ganze Zeit, ich versteh kaum ein Wort, was er sagt. Spricht immer viel Griechisch und so. Außerdem ist er unheimlich. Aber er ist der Onkel von Serenus und Serenus mag ihn, darum gehört er zu den Guten, wenn auch Serenus nicht mehr ganz einverstanden mit Gracchus ist, aber trotzdem gehört er noch immer zu den Lieblingsonkel von Serenus. Du wirst ihn bestimmt noch kennen lernen. Ach und Sciurus, der ist der Sklave, der Leibsklave, von Flavius Gracchus. Und Flavius Gracchus ist Pontifex Maximus, glaub ich. Also einer deeeeeer wichtigsten Männer in ganz Rom, wenn nicht sogar der Welt, außer dem Kaiser natürlich, aber das ist ja bald Serenus...ups!“ Dido schlug sich hastig die Hand vor dem Mund, da war ihr aber was entfleucht. Erschrocken spähte Dido nach oben, womöglich hatte Asny es gar nicht wirklich mehr gehört, schließlich redete sie wie ein Wasserfall.

    Kronos zog eine mießepetrige Schnute, als er in der letzten Sekunde überboten wurde. Dass er damit mehr Glück hatte, ahnte er freilich nicht in seiner Beschränktheit, denn er hatte gar nicht den Auftrag gehabt, eine Sklavin zu ersteigern, aber der Moment des Mitbietens hatte Kronos einfach gepackt. Dennoch grummelte Kronos vor sich hin als er sich abwandte, um weiter nach einem dunklen Exot zu suchen.






    Sim-Off:

    Ich mißgönne es Marcellus nicht, aber womöglich solltet ihr mal als Sklavenhändler eine etwas konstantere Linie fahren. Die letzten Male war es bei einer Uhrzeit so, dass immer die Minute vorher noch gezählt hat. Sprich, in dem Fall 21:10:59 und somit wären die Gebote dann um 21:11 schon nicht mehr gültig. Es wäre nur schön, wenn man in Zukunft weiß, woran man ist und es nicht mal so oder so ist. Danke schön und viel Spass dann allen noch, auch dem neuen , hoffentlich, glüklichen Paar ;)

    Es war weder Hannibal, noch Dido, die am heutigen Tage auf den Sklavenmarkt pilgerten, sondern ein Sklave namens Kronos, eigentlich kein sonderlich geistig begnadeter und mehr in seinen körperlichen Attributen großartig, aber dennoch war die Wahl von Hannibal auf den flavischen Sklaven gefallen, damit dieser auf dem Markt sich nach geeigneter Ware umsah. Leise grummelnd ging der Sklave umher, blieb eine Weile lang vor blonden Exotinne stehen, die er ausgiebig begaffte. "Eine dunkle Exotin...dunkel...dunkel..." Sein Blick fiel auf Lysandra, die sich, in seinen Augen, wohlgefällig, auf der Bühne zeigte. "Na, hoppla. Wenn das nicht dunkel ist! Dunkle Haare! Was sagte Hannibal noch...schauen...kaufen auch?" Grübelnd verzog er das Gesicht und spähte erneut nach vorne. Irgendwie forderte der Sklavenhändler den guten Kronos heraus. Das war doch ein Schnäppchen und schick war die Schnitte auch, wie Kronos, man bedenke sein einfaches Wesen, sie im Geiste nannte. "Fünfhundert!", rief der großgewachsene, etwas breit gebaute Sklave deutlich und rieb sich dabei vergnügt die Hände. Wann durfte er schon so viel Geld ausgeben? ;)

    Einen wilden und unbändigen Tanz schien die kleine Flamme an der schlichten Öffnung der tönernen Lampe zu Vollführen. Gelb loderte das leuchtende Licht um ein tief rotes Herz, das sich immer nur mal wieder schüchtern am Rande des dunklen Lampenloches zeigte, um gleich darauf wieder in den Tiefen zu verschwinden, ganz als ob sie die Dunkelheit, die Menschen und den steten Windzug fürchtete, der das gelbe Lodern hin und her warf und das Licht in dem Gang mit seinem Hauchen steuerte. "Hm.", murmelte Dido und sah Asny nachdenklich an, immer noch bewaffnet mit der Öllampe in ihrer Hand. "Wahrscheinlich kommst Du dann zu der Mutter von dem Vater meines Herrn, Flavia Agrippina. Sie lebt in Baiae und ist eine ganz gemeine, böse Hexe." Dido nickte energisch, oh ja, seitdem die Großmutter von Serenus Dido bestraft hatte, das erste und einzige Mal, dass Dido die Peitsche auf ihrem Rücken gespürt hatte, seitdem hasste das Mädchen diese Frau, davor hatte sie sie lediglich gefürchtet, denn ihr Ruf war wohl schlimmer als der von Flavius Felix oder sonstigen Flaviern der Gegenwart. Dido presste fest ihre Lippen aufeinander und griff sich mit der freien Hand unwillkürlich an den Rücken, es waren nicht viele Hiebe gewesen, aber sie hatten Dido noch Wochen danach geschmerzt und ein einziger Hieb hatte ihren Rücken dauerhaft gezeichnet, eine weiße Linie auf ihrer Haut, etwas, worauf Agrippina wert gelegt hatte, sollten sich doch die Sklaven jeder ihrer Strafen entsinnen, damit sie das Vergehen niemals wieder begangen. Hatte es bei Dido geholfen? Nicht ganz, aber sie würde es gewiss nicht mehr ihre Vergehen derart gestalten, dass die Herrin sie dabei erwischen konnte oder ein Sklave sonst sie verpfiff. Was Dido an den jungen Herrn Lucanus erinnerte und, dass er sie am nächsten Tag zu ihm zitiert hatte. Dido fröstelte einen Augenblick lang, fuhr mit der Hand vom Rücken zu ihrem Arm. Aufmerksam lauschte sie dennoch der anderen Sklavin. Ob die Götter auf die Gebete einer Sklavin hörten? Dido war sich nicht sicher, sie war noch nie einem Gott begegnet, also konnte sie die Frage nie stellen, aber die Summe war tatsächlich viel, das sah Dido ein, darum nickte sie zustimmend. Nur SIE, die junge Dido, würde gewiss nicht für den Mann beten, der ihren Herrn so unglücklich gemacht hatte, so hatte Dido es zumindest erlebt damals. Dido legte den Kopf etwas zur Seite als Asny zu den Geistern zurück kam. Von Geistern verfolgt werden...Hass...Liebe...Flüche? Didos Hand wanderte nun doch zu ihrer Nase und sie steckte sich, völlig abwesend, den Finger in die Nase und drehte ihn hin und her, so dass sich ihr rechter Nasenflügel mal in die eine, dann in die andere Richtung ausbeulte. "Hm.", gab sie erneut zur Antwort. Es schien, als ob Asny gut über Geister Bescheid wusste, was Dido etwas aus dem Konzept brachte, aber gleichermaßen erfreute. Erneut ein Pluspunkt, den die andere Sklavin bei Dido landen konnte und das mit der Folterkammer völlig aus ihrem sonst nachtragenden Gedächtnis strich.


    Einen Minuspunkt erhielt Asny jedoch, als sie das mit Hannibal erwähnte. Didos Augen verschmälerten sich ein wenig, sie wackelte ungnädig mit der Öllampe hin und her und atmete zischend durch ihre Nase ein. Nein, die junge Dido wollte kein Verständnis für Hannibal zeigen, gerade für den nicht. Dido presste ihre Lippen fest aufeinander und wandte sich beleidigt ab und wollte schon davon stapfen, sollte Asny doch sehen, wo sie blieb. Auf das mit der Folterkammer wollte Dido gar nicht mehr reagieren, sie marschierte einige Stufen nach oben und gedachte, ganz die beleidigte Leberwurst zu spielen. Sie schnaubte vor sich her und dachte erneut an Serenus, der sie sicherlich sofort verstanden hätte, er war doch ihr einziger Freund auf der Welt, selbst wenn er ihr Herr war...ihr einziger Freund...ihr Einziger und weit fort. Dido blieb mitten auf der Treppe stehen und ließ die Öllampe herunter sinken. Asny war nicht gemein zu ihr gewesen, hatte kein einziges Mal geschimpft, sie nicht ausgelacht, sie nicht geschlagen, war immer geduldig und hörte ihr aufmerksam zu, welcher Erwachsener konnte das schon behaupten? Somit hatte Dido doch schnell ein Einsehen, sie drehte sich um und sah zu Asny herunter, der indignierte Ausdruck war aus ihrem Gesicht entschwunden. Sie hob ihren rechten Mundwinkel ein wenig, ganz lächeln konnte sie noch nicht, denn ein wenig säuerlich war Dido schon noch, aber sie wusste ja auch, dass Asny nicht wissen konnte, warum. Dido bemühte sich einen versöhnlichen Gesichtsausdruck zu ziehen. "Na gut, ich zeig' Dir dann den Garten. Komm, wir können da weiter reden." Dido drehte sich um und stieg weiter die Treppen hinauf, wobei sie die Beine stärker heben musste als die Erwachsenen, die Stufen waren recht hoch für Dido, aber sie kam trotzdem wenig außer Atem, schließlich war sie mehr ein kleiner Wildfang und tobte und rannte den ganzen Tag.


    Blendend und grell erschien das Tageslicht, das auf die Treppe zum Keller hinab fiel, als Dido die Tür öffnete, das Mädchen blinzelte einige Male um sich erneut an das Tageslicht zu gewöhnen. Sie stellte die Öllampe auf einen Vorsprung in der Mauer, wo eine kleine Kule das Gefäß umfasste, damit es nicht von einem heftigen Windstoß hinunter geworfen wurde und womöglich die ganze Villa anzündete. Die Tür knarrte leise als Dido sie noch ein Stückchen mehr aufmachte und dann hindurch trat, in einen weiteren schlichten und ungeschmückten Gang, wie die des Sklaventraktes und damit wenig von dem Prunk und Reichtum dieser Villa verratend. Leise vor sich hin summend marschierte Dido voran, hüpfte wieder fröhlich auf und ab, lief ein Stück sehr viel schneller, denn Dido hasste es, langsam zu gehen, sie hatte einfach keine Geduld und wollte stets schnell am Ziel ankommen, egal, welches es war. Gut, ganz egal nicht, dort wo sie Prügel oder Schelte erwartete, dorthin brauchte die junge Dido immer eine halbe Ewigkeit, konnte rumbummeln und schleichen wie es nur möglich war. Aber jetzt wollte sie in den Garten, Hunger hatte sie keinen, außerdem wollte sie Asny nicht mit den anderen Sklaven im Haus teilen, noch nicht, zumindest. Und im Garten war im Moment hoffentlich niemand von der Sklavenbandage. Nicht die herrschaftlichen Gänge nutzte Dido, sondern die unauffälligen der Angestellten, Dienstboten und Sklavenschaft. Eine unscheinbare braune Holztür war es, auf die Dido in dem schmalen Gang zustrebte, ihre Hand streckte sich nach dem Türriegel, sie schob ihn schnell zur Seite und stieß die Tür auf. Vogelgezwitscher drang ihnen entgegen, fröhlich, trillernd und froh jauchzend, über die Sonne, den schönen Tag und, dass die armen kleinen Vöglein nicht mehr für ihre Nachkommenschaft sich abrackern mussten, der Winter war auch für die erwachsenen Vögel eine Zeit des 'Müßigganges', wenn man außer acht ließ, dass die Piepmätze den ganzen Tag nach Futter suchen mussten, die im Winter freilich rarer war, selbst die Würmer verkrochen sich tiefer im Erdreich.


    Stets die Türe hinter sich auf lassend, wie schon beim Keller, und darauf hoffend, dass Asny selbige schon zumachen würde, trat die junge Sklavin hinaus ins Sonnenlicht, ließ sich die Sonne einen Augenblick lang ins rundliche Gesicht scheinen und hüpfte erneut munter darauf los. "Tumtitumtiralala!", summte Dido und lief einen Weg mit weißen Kieselsteinen entlang, vorbei an hohen Rosenhecken, die an manchen Stellen grüne Knospen trugen, woanders in einen Winterschlaf gefallen waren, nachdem man sie gestutzt hatte, und an gänzlich anderen Orte in Winterblüte standen und einen zartmilden Duft verströmten. Platanen und Schirmpinien standen zwischen den Rosensträuchern, winterlicher Lavendel umrankte die dornigen Gewächse, damit ja keine bösen Läuse kamen und die wertvolle Rosenzucht des Flavius Felix mit ihren gierigen Mäulern angriffen. Dido sah über ihre Schulter hinweg und fragte mit einem fröhlichen Leuchten in den Augen, das sehr gut ihre ständigen Stimmungsschwankungen verriet: "Magst Du den Fischteich sehen? Du weißt ja, diese reichen Römer lieben Fische...weißt Du waaaaas?", krakeelte Dido sofort, ohne wirklich auf eine Antwort von Asny zu warten. "In Baiae...das ist im Süden von Italia, direkt am Meer...da liiiiiieeeeben die die Fische...die Hausfische...die mögen die sooo sehr, dass sie ihnen sogar Schmuck an die Flossen hängen. Die sind schon manchmal ganz schön blöd die Herrschaften, nicht wahr?" Dido gluckste vergnügt, sah sich jedoch erschrocken um, doch glücklicherweise war keiner der Herrschaften in Sichtreichweite. Dido blieb neben einer Darstellung eines geflügelten Knaben stehen, der von weißen Rosen umrankt wurde. Aus Marmor gemeißelt, seine Flügel waren vergoldet, seine Haare ebenso, seine vollen Lippen mit einem leuchtenden Rot versehen, seine Augen erstrahlten blau und seine Haut war in einem zarten Silber angemalt. Fleischig dick wirkte die Gestalt des Eros, nur ein winziges Lendenschürzchen trug die Statue und hielt einen Bogen mit einem goldenen Pfeil in den Armen. "Weißt Du, das mit den Geistern..." Dido zuckte mit der Schulter. "Da kannst Du Recht haben. Womöglich sind die Geister ja auch hier, um die Flavier zu verfluchen, die gesamte Sippe...kann doch sein, oder?" Dido sah fragend zu Asny und senkte die Augen, etwas verlegen zupfte sie an einer Blüte von den Rosen. "Duhu...sag das niemandem weiter...aber ich mag Hannibal einfach nicht, weil er...ja..ähm...er ist...öhm...mein...Vater..." Bei jedem Wort wurde Dido etwas leiser. "Also nicht wirklich...nur mein...wie sagt man..Erschaffer...Erzeuger...oder so...", jedes Wort kam wie nach einer Qual heraus, Dido wusste gar nicht, warum sie das Asny erzählte, sie hatte es sonst nie jemandem gebeichtet, auch Serenus nicht. Es war ein kleines Geheimnis zwischen ihr und Hannibal. "Wegen der Zuchtlinie der Sklaven ist das so...ich bin schon die achte Generation bei den Flaviern...ja...darum mag ich ihn nicht. Er ist blöd, gemein und fies. Das hat meine Mutter schon gesagt!" Auch das verriet Dido sonst nicht einfach so. "Willst Du den Fischteich nun sehen oder nicht? Sonst gehen wir halt wieder zurück!", ungnädig wurde die Stimme von Dido, sogar fast schon grantig, ganz als ob sie es bereute, das Geheimnis an Asny weiter gegeben zu haben.

    Sachte schabte es an der Wand, drei lange dunkle Barthaare spähten aus einer Lücke im Gemäuer hervor, verdeckt noch von den Schatten, die die Öllampe in dem Kellergang erzeugte. Nicht mal eine Hand groß war die Spalte in der Wand, eine schwarze Rattennase schob sich nach vorne, erneut erzitterten die Barthaare als sie die Witterung nach den fiesen Katzen, die es doch zahlreich in der Villa gab, aufnahm. Seitdem immerhin der gemeine Kampfhund weg war, schien das Leben der Ratten wieder besser geworden zu sein. Die behaarten Wangen des Nagetiers schoben sich nach vorne als die kleine Ratte die beiden Menschen witterte und einen Herzschlag lang verharrte, eilends schlüpfte die Ratte aus dem Loch und trippelte an der Wand entlang, schon fern von Licht und Menschen. Ein Windzug stob durch den Gang, von weit oben, und spielte mit der einsamen Feuerzunge der Öllampe, warf sie nach rechts, nach hinten und stieß sie vor. Die Lichter glitten über die Mauerabschnitte, verzerrt und unstet, einen Augenblick lang spiegelte sich das Licht in den beiden Knopfaugen der Ratte wieder. Dido, die Asny noch erst aufmerksam zugehört hatte, stutzte und sah zu der Ratte, ein mörderischer Ausdruck und die Lust, einer kleinen, hilflosen Kreatur den Gar aus zu machen, schlich sich auf die kindlichen Züge der kleinen Dido, die in dem Moment gar nicht unschuldig oder lieblich wirkte, selbst mit ihren blonden Haaren nicht mehr. Sie griff nach ihrem Gürtel, wie automatisch, und in die Leere, denn kein Beutel hing dort, der ihre Zwille enthielt. Dido stob empört die Luft durch die Nase und ließ ihre Hand wieder sinken, die Ratte ahnte gar nicht, dass sie dem Tode nur knapp entronnen war, sondern trippelte eilig weiter und verschwand in einem weiteren Loch, ehe Dido sich nach einer anderen, geeigneten Waffe umsehen konnte. Dido verzog das Gesicht verärgert und wandte sich Asny zu. „Hm?“, murmelte Dido und hob die Hand, um sich an der Nasenspitze zu kratzen. Es entlockte ihr sicherlich erneut ein Lächeln, ein Geschmeicheltes, als sie mit Herrin angesprochen wurde. „Ja, Sciurus...richtig...“, murmelte Dido und nickte eifrig mit ihrem Kopf. „...gaaaanz anderer CharaaaadaCharakter...richtig faul und unnütz...“ Mehr Kriterien, warum ein Sklave ein schlechter Sklave war , außer Rebellion und ähnliches, kannte Dido nicht. „Ja, tun die Beiden...Flavius Aquilius...“, kommentierte Dido auch die nächste Wiederholung, doch dann stutzte Dido.


    „Neeeeeein! So ist das nicht!“, protestierte Dido eifrig. Und war genauso beflissen, Asny gleich zu korrigieren. „Severus und Bridhe waren zusammen und Straton nicht. Also, ich glaube nicht...ich weiß es nicht so genau...“ Weil sie nicht wusste, was mit 'Zusammen sein' gemeint war. Dido war auch mit ihrem Herrn zusammen, ist es nun mit Asny und zahlreichen anderen Menschen sonst auch, aber sie würde, wenn sie das jemanden erzählte, gewiss nicht so bedeutsam angeguckt werden. Wie die anderen Sklaven im Haus das taten, wenn sie über die Ihresgleichen tratschten. „Hat Straton Probleme?“ Dido blinzelte verwundert nach oben. „Meinst Du, Bridhe war auch mit ihm zusammen? Ja, das stimmt wohl...ich habe die Beiden neulich zusammen gesehen...dann hast Du wohl Recht. Doch. Das ist so. Dann ist Bridhe wohl mit Severus und mit Straton zusammen. “ Dido nickte. „Und Straton und Severus? Sind die auch zusammen?" Dido steckte einen Finger in ihren Haaren und drehte an den armen Strähnen wie wild hin und her. „Aber Severus hat noch mehr Probleme als Straton. Aber ich glaube, Severus ist schlauer. Der macht alles möglich, wird aber dennoch nicht bestraft. Ja!“ Immer wenn Dido ganz konfus wurde, dann hatte sie das Bedürfnis ihren Finger in die Nase zu stecken, der Finger wanderte schon hoch, verharrte jedoch einen Zoll vor ihrem kleinen Nasenloch. „Hm. Also, das waren so die wichtigsten Sklaven, es gibt natürlich viiiiiel, viel mehr hier in der Villa. Hmm...“ Erneut erntete Asny mehr Ratlosigkeit bei Dido. „Hm...? Was meinst Du damit? Wie kannst Du etwas fürchten, was Du nicht kennst?“ Diese Logik erschloss sich der kindlichen Dido nicht so ganz. Dido verschränkte ihre Arme vor ihrer mageren Hühnerbrust und spähte in die Dunkelheit, als ob ihr sich dort die Antworten offenbarten. „Du musst Dir die Bilder anschauen, dann wirst Du bestimmt fürchten, dort hinein gesteckt zu werden...aber wenn Du nicht magst...dann zeige ich sie Dir ein anderes Mal oder wenn mal wieder ein Sklave bestraft wird oder gar nicht!!“


    Dido zog ein schmollendes Gesicht, dass deutlich zum Ausdruck brachte: 'Das hast Du halt davon, wenn Du die Folterkammer nicht sehen möchtest. Dann entgeht Dir die Attraktion eben. Pah, selber Schuld!' Dido sprach es jedoch nicht aus, sondern griff nach der Öllampe, die in einer Nische stand, betont gelangweilt machte sie einige Schritte in den Gang und blieb vor einer verschlossenen Kellertür stehen, wo nur ein schmales Gitterfenster Einblick gewährte. Dido reckte sich, um mit ihren Fingern die Eisenstäbe zu umgreifen und ihren Augen gerade noch hinein zu spähen. „Da war dieser Severus gefangen. Der mit Bridhe...oder Straton? Egal...“ Nur ein wenig Lichtschein fiel in den nun verlassenen Carcer. „Er war hier viele Monate eingesperrt, wie Vieh...ja...das passiert, wenn man unartig ist in der Villa Flavia...“ Dido grinste breit und etwas bösartig. Sie wusste nicht warum, aber irgendetwas reizte Dido doch, Asny das Fürchten zu lehren. War es das stete unerschütterliche Lächeln, dass die neue Sklavin der Villa Flavia an den Tag legte? Es schien Dido zumindest etwas zu reizen. Dido drehte sich um und hielt die Öllampe in ihrer Hand, das Licht beschien ihre untere Gesichtshälte und warf lange Schatten bei ihren Augenhöhlen und ihrer Stirn. „Manche sagen...“, raunte Dido. „Hier spucken die Geister, denen die Ruhe für immer verwehrt wurde. Sie sind verflucht und sie hassen uns und würden uns am Liebsten alles Leben raus saugen. Und wer hier zu lange ist...“ Didos Augen funkelten, begeistert über all den Schrecken, den die Villa Flavia enthielt. „...in der Villa und ganz besonders im Keller. Der wird selber verrückt...wie alle Flavier...keiner hier ist normal...KEINER!“, hauchte Dido etwas lauter und mit einem kräftigen Zischen durch ihre Zähne. Dido sah Asny intensiv an, immer wieder bewegten sich ihre Mundwinkel auf und ab, ihre Augen waren etwas geweitet und Dido atmete flacher, aufgeregt und ganz fiebrig bei all den schrecklich-schönen Vorstellungen, die sie bei solchen Geistern hegte. Flackerte nicht auch der Hauch von Irrsinn bereits in die kindlichen Augen? War sie womöglich mit dem Familienerbe ihrer Linie früher dran, als alle Sklaven zuvor? Ganz still wurde Dido, denn ein leises Säuseln ließ sie inne halten. Es knarrte leise im Keller und wenn man erst mal darauf hörte, mischten sich noch ganz andere Geräusche hinzu. Irgendwo tropfte es leise, etwas quietschte, waren dort nicht Schritte zu hören? Dido lächelte bedeutungsvoll und legte ihre kühlen Fingerspitzen auf Asnys Arm. „Wenn wir warten, dann kommen SIE. Hörst Du es schon?“ Dido blinzelte nicht ein einzige Mal und flüsterte weiter kalt und ohne Emotionen. „Der Senator Iturius...ich höre schon seine Schritte...er wurde hier in dem Keller getötet...von den Schergen des Kaisers....seine Schreie sollen drei Tage durch die Villa gehallt sein, aber niemand ist ihm zu Hilfe geeilt, denn der Kaiser hätte jeden dafür hinrichten lassen...der flavische Kaiser, dem auch diese Villa gehört hat...oh ja! Er schreit manchmal immer noch, wenn man genau hinhört. Besonders nachts.“ Dido fand zunehmend Gefallen an den Geschichten, aber ihr wurde langsam kalt und selbst unter der wollenen Tunika fröstelte sie ein wenig. „Aber Du wirst ihn schon noch kennen lernen, eines Tages....oder nachts, wenn Dein Herr Dich zur Strafe hier herunter schickt.“


    Dido zog die Öllampe weg, es beschien nun nicht mehr ihr Gesicht, sondern den Weg vor ihnen. „Komm, lass uns nach oben gehen. Oder? Möchtest Du den Garten sehen? Oder willst Du lieber erst Mal in die Sklavenunterkunft? Beeilen müssen wir uns nicht. Dein Herr ist sowieso in Pattia. Wo auch immer das liegt. Und er wird Dich gewiss nicht so schnell rufen.“ Darum war Dido aber eigentlich recht froh, diesen großen, düsteren Mann hatte sie nur undeutlich vor Augen, aber er musste ein ganz gemeiner Kerl sein. Denn Severus war nicht ohne Grund von zu hause abgehauen und sogar bis nach Ägypten gereist. „Vielleicht stirbt er auch in Pattia.“ Gleichmütig zuckte Dido mit der Schulter. „Ich mag ihn nicht. Er ist ein blöder Herr. Aber sein Sohn, Serenus, der ist toll! Vielleicht kommt er wieder zurück nach Rom, hoffentlich. Soll ich Dir von den anderen erzählen, die hier wohnen und wo möchtest Du jetzt hin und was sollen wir machen und hast Du Hunger und sowieso?“, plätscherte es munter aus Didos Mund heraus und ohne PunktundKomma.

    Ein großer eiserner Kessel klapperte als der Topf von einer Stange hinab gehoben wurde, die an der Wand angebracht war, und viele Köpfe über den von Dido balanziert wurde. Der schmackhafte Brei aus Korn, Gemüse und würzigen Ingredienzien sollte in diesem Topf gekocht werden, den halben Nachmittag würde das Korn darin quellen, reifen und den Geschmack annehmen, um dann in kleinen oder größeren Portionen in den patrizischen Mündern der Flavier zu landen. Den Rest erhielten zuweilen die Sklaven, natürlich getreu der Ordnung in der Villa, die nicht nur in der Tierwelt, sondern auch in der Villa ab und an strengstens bewacht wurde, selbst wenn manche der Sklaven sich als die Edelsten der Sklaven betrachteten oder gar als gar keine Sklaven. Dido bekam, wie die anderen kindlichen Sklaven, meist erst ganz am Schluss etwas zu Essen, darum war die gute Ilisia, seitdem Serenus sie nicht mehr mit dem guten Mahle versorgte, besonders wichtig für Dido geworden. Gierig, Dido hatte immer und stets Hunger, griff Dido nach der Wurstscheibe und biss mit ihren Zähnen kräftig in das Wurststück hinein, erschmeckte den pfeffrigen Geschmack, die intensive Salznote und schlang das Stück, fast ohne zu kauen, hinunter. Danach leckte sie sich sorgfältig und ausgiebig die fettigen Finger ab. Gutmütig lächelnd beobachtete Ilisia das Verschlingen der Beute bei der kleinen Dido, sah abwechselnd zu Asny hinüber, die Opferung der halben Wurstscheibe war beiden Frauen, ob kindlich oder tattrig, entgangen. "Das'st gut, Asny, das'st sehr gut." Ilisia spähte schnell zu dem Koch, der gerade mit einem Sklaven aus einem groben Sack mit Korn die Portion für den heutigen Tage abmaß und den Sklaven das Korn waschen schickte, man wußte nie, welche Wege das Korn genommen, wer es begrabscht, welche stinkenden und dreckigen Plätze es bereits kennen gelernt hatte. Der Sklave goss aus einem Eimer Wasser über die große hölzernen Schüssel und fing an das Korn darin hin und her zu schwenken, schnell färbte sich das Wasser milchig trübe. Der Koch griff nach einem großen und bedrohlich wirkenden Messer und packte die Gans, die bereits fertig gerupft war und nun darauf wartete, ausgenommen zu werden. Zufrieden wandte sich Ilisia dem Brot zu und begann es weiter zu walken. "Ja, ja...gute D'do, lieber Serenus...sind gute K'nder, gute K'nder. Ich b'n ja schon lange in der V'lla, lange bei den Flav'rn, sie haben viele gute K'nder, viele gute K'nder." Ilisia lächelte selig und hob den Teig, streute etwas Mehl auf dem Tisch aus, um die Masse auf das Holz klatschen zu lassen und weiter zu kneten. "Gute K'nder...", murmelte sie abwesend. Dido rollte genervt mit den Augen. "Komm'! Sonst hört sie gar nicht mehr damit auf.", flüsterte sie leise. Sie hätte aber auch Brüllen können, die grünlich, etwas trüben Augen von Ilisia richteten sich auf die Wand, sie arbeitete mechanisch weiter und beachtete die beiden jungen Sklavinnen nicht mehr, selbst als Dido artig meinte, sie wollte schließlich auch in Zukunft versorgt werden. "Danke Ilisia. Bis bald!"


    Mißtrauisch spähte Dido zu dem Koch, der das Messer in den Bauch der Gans stieß und sie mit einem sauberen Schnitt öffnete. "Willst Du wirklich hier arbeiten? In der Küche? Also ich weiß nicht...DER da ist nicht gerade nett!" Zu Dido zumindest, denn Kinder schienen dem Mann mehr im Weg zu sein, wenn sie keine Hilfsköche waren oder das Holz herein trugen, mit dem der Herd angefacht wurde. "Ah, ah, c'est bien la jeune Dido? 'abe ich Dir nicht oft genug gesagt, nicht in meiner Küche. Damné!" Erschrocken zuckte Dido zusammen, sie waren von dem Koch entdeckt worden, der mit zusammen gezogenen Augenbrauen und wild einen Kochlöffel schwingend auf sie zu marschierte. Dido sah sich eilends um. "Flucht durch den Hinterausgang, dort!" Sie deutete auf eine weitere Tür. "Durch die Vorratskammer und dann die Treppen hinunter, aber schnell." Wie ein Wirbelwind rannte Dido los, denn sie hatte schon das eine oder andere Mal einen kräftigen Klaps von Attalus erhalten, schwupp, schon war sie durch den Gang und stieß heftig gegen den Küchenjungen, einen dürren Burschen mit schiefen Zähnen und zahlreichen Pusteln auf dem Gesicht.


    Hohe Schränke zierten den nächsten Raum, weniger als ein Ellen große Fässer standen dort, manche waren mit Salz gefüllt, andere mit eingelegten Fischen, getrocknete Früchte, Gemüse, Käselaiber lagen auf den dunklen Holzbrettern, die Wachsschicht um das würzige Gelb war dunkel verfärbt, der Raum roch nicht minder nach wunderbarem Essen. Von dort führte direkt eine Treppe, hinab in die tiefen Gewölbe der Villa Flavia, tief in Weinkeller, Vorratsräume, aber auch Gefilde, die so manch ein Gerücht in Rom schürte. Dido stolperte die Treppen hinunter, ihre Beine verkreuzten und verdrehten sich einen Moment gefährlich in ihrer Hast zu entkommen, fast wäre sie der Länge nach hingefallen und die letzten Stufen hinunter gerutscht, doch im letzten Moment hielt sie sich an einem hölzernen Geländer fest, dass in der Wand befestigt war und japste erschrocken auf. Sie sah jedoch nicht zurück, sondern marschierte schnell in den kühleren Raum hinein. Fässer wurden hier gelagert, erneut breiteten sich gefüllte Regale vor dem Blicke eines Neugierigen aus, hier wurde all das gelagert, was im Lichte des Tages und der Hitze der überirdischen Welt leichter verderben könnte. Dido ließ ihre Finger über ein Faß streichen, in dem gepökeltes Fleisch bewahrt wurde, spähte hinauf zu den Schinkenleibern, die an einer Stange aufgehängt waren und bekam erneut Hunger. Suchend sah sie sich um und ging zu einem Schemel, der in einer Ecke stand, doch wenngleich sie gerne vom Schinken stibitzt hätte, sie hatte ein anderes Ziel. Sie schob den Stuhl vor die nächste Tür, das Holz gab ein schabendes Geräusch als es über den rauhen Stein glitt. "Die Tür ist immer abgeschlossen.", erklärte Dido. "Damit die Sklaven nicht klauen oder so...aber wenn man durch die Küche kommt, dann kann man das auch. Der Koch weiß nämlich nicht, davon..." Dido grinste und deutete auf den Stuhl. Sie kletterte hinauf und reckte und streckt sich, glitt mit ihren Fingern über der Kante der Tür entlang bis sie etwas gefunden hatte. "Ich hab mich mal hier versteckt, weil ich nicht wollte, dass mich Attalus findet, aber da hab ich gesehen, dass einer der Küchenjungen den Schlüssel genommen hat und einen Schinken gestohlen. Ich glaube, den hat er verkauft." Dido zog einen gußeisernen Schlüssel hervor und präsentierte ihn stolz an die Mitwisserin eines ihrer Geheimnisse in der Villa. "Mince!", ertönte es vom Treppenabsatz, Dido riß die Augen auf und steckte eilends den Schlüssel in die Tür. Das Schloss klemmte ein wenig, Dido ruckelte heftig daran herum, hörte schon Schritte, die die Treppen hinab stiegen. "Dido? Wo bist Du, mein 'erz! Und Deine amie?" Endlich öffnete sich die Tür, Dido riß sie auf und winkte Asny schnell hindurch, gerade erspähte sie einen dunklen Bart, eine Fußspitze, da schlüpfte Dido schon durch den Eingang und schloß die Tür hinter sich, steckte den Schlüssel rein und schloß ab. "Was ist das? Durch die Tür?" Ein Hämmern an der Innenseite der Tür. "Das wirst Du mir büßen, mein 'erz. Kleiner Daimonbraten!" Dido streckte dem Holz ihre Zunge entgegen und drehte sich um. "Den sind wir erst mal los. Schade, das mit der Tür zieht wohl nicht mehr.


    Dido deutete auf den düsteren Gang, der sich vor ihnen erstreckte und nur am Ende von einem einsamen Öllicht erhellt wurde, der den Aufgang zum Oberirdischen beleuchtete. "Das ist der Keller der Villa Flavia!", hauchte Dido. Die Schatten spielten auf ihrem Gesicht, die Schwärze griff nach Didos schmächtiger Gestalt. Ihre Stimme nahm einen düsteren Klang an. "Hier sind schon viiiiiele Sklaven verschwunden. In Ketten hinunter gezerrt und niemals wieder an das Licht der Welt gekommen." Dido grinste breit, sie kannte die ganzen Schauergeschichten auch nur von Erzählungen, aber hatte nicht jeder Mythos seinen wahren Kern? "Man sagt, der flavische Kaiser...ich hab seinen Namen vergessen...hat hier auch seine Feinde her verschleppt und sie persönlich gefoltert. Und Felix..." Dido pausierte, scheinbar glaubte sie, dass der Name Felix etwas besonders unheilvolles an sich hatte. "...hat hier ebenfalls einen geheimen Raum. Voll mit Brenneisen und Streckbänken." Didos Feixen war in dem Moment nicht ganz so übertrieben, war womöglich doch etwas Wahres an all den Geschichten? "Wenn Du willst, dann zeige ich Dir all die Räume und auch die Räume wo die unnützen Sklaven hinkommen. Die Dummen, die sich gegen ihre Herrn erheben oder gar fliehen." Dido wußte, dass Asny noch leicht an der Nase herum zu führen war, wußte sie doch wenig davon, dass der Germane Rutger Severus die angebliche Härte und flavische Grausamkeit mit seinem Weiterleben ad absurdum führte. Ein Sklave, der geflohen war und dennoch noch weiterleben durfte. Dido war dem Geheimnis noch nicht auf die Spur gekommen, wie der Sklave das geschafft hatte. Aber Dido hatte schon gehört, dass sein Herr einfach zu weichherzig war. Didos verzog bei dem Gedanken angewidert das Gesicht und vermißte ganz schrecklich Flavius Serenus, ihren Herrn, der bestimmt die passenden Worte hier gefunden hätte und sowieso.


    Dido steckte den Schlüssel in eine Nische in der Mauer, dort, wo sie ihn später noch finden würde. "Es gibt ein paar sehr wichtige Sklaven hier im Haus, von den Herrn erzähle ich Dir später." Dido ging einige Schritte weiter und blieb dann wieder stehen. "Der allerwichtigste Sklave, das ist Sciurus. Sciurus ist der Leibsklave von Flavius Gracchus und genießt sein uuuuuneingeschränktes Vertrauen oder so...das sagt man auf jeden Fall in der Sklavenunterkunft. Er ist somit der Obersklave hier. Auf sein Wort sollte man hören! Wenn man nicht unglücklich werden will!" Dass Hannibal ihr widersprechen würde, erwähnte Dido nicht. Warum auch? Sciurus war viel wichtiger in ihren Augen. "Sciurus ist blond und hat blaue Augen. Aber verwechsel ihn nicht mit dem Germanen. Der ist auch blond und hat, glaub ich, auch blaue Augen. Aber Sciurus geht anders." Dido beugte den Kopf einen Finger breit nach vorne, zog die Schultern etwas mehr in die Mitte und ging, als ob sie jederzeit erwartete, angegriffen zu werden. "So in etwas! Und der Germane Severus geht so..." Dido streckte die Nase in die Luft, stemmte beide Hände in die Taille und ging breitbreinig und wie ein Gockel stolzierend den Gang entlang.


    Didos Schultern sackten herab, sie drehte sich zu Asny um und grinste von einem Ohr zum Anderen. "Und der Letzte, der steht gar nicht gut im Hause dar. Selbst bei der komischen Gans Bridhe nicht. Die waren mal so zusammen oder so...weiß auch nicht, was die damit meinen. Die Bridhe, die lacht auch dauernd und kichert. Und ist bestimmt auch ganz unnütz!" Dido begann sich schon in die Sciuruswelt einzudenken. "Weiß auch nicht warum, aber ist wohl so!" Dido zuckte ratlos mit den Schultern. "Bridhe gehört auch Flavius Aquilius! Von dem erzähle ich später, auch von den Anderen. Sie ist auch nicht so wichtig. Viel wichtiger, das ist Straton. Er ist der Leibsklave von Aquilius und ich glaube, Sciurus findet ihn nicht faul." Schon wieder eine Adlung, die ein Sklave erhalten würde. Sciurus schien Didos ganzer Maßstab zu sein. Aber seit den Saturnalien redete Dido ständig von: 'Sciurus tut dies', 'Sciurus denkt bestimmt das', 'Ich glaube, Sciurus würde'. "Der Straton geht so!" Dido verzog das Gesicht, es wurde ganz starr und Dido streckte die Arme durch, richtete sich auf als ob sie einen Stock verschluckt hätte. Mechanisch marschierte sie einige Schritte weiter. "Er ist Hispanier oder Grieche oder so, galub' ich...ist ja fast dasselbe." Die Flamme der einsamen Öllampe im Gang flackerte einen Augenblick heller, beleuchtete Didos mehr gleichgültig anmutendes Gesicht, wenigstens was den Sklaven betraf, das sofort eine fröhliches Funkeln annahm. "Was willst Du sehen? Die Folterkammer oder den Carcer? Der Weinkeller ist auch hier irgendwo..." Wein fand Dido ekelhaft, darum interessierte sie sich dafür nicht.

    Die Statue eines Knaben starrte Dido entgegen, die Tunika aus der kalten Materie locker um den Leib geschlungen, ein Horn in den Armen und aus dem Horn plätscherte sanft sauberes und klares Wasser in das Becken des Atrium, munter sprangen die Wellen um die vielen Brüder, die sich in dem großen Wasserbecken mit den Schwestern vereinten, Ringe bildeten sich, die keine Frau ergreifen könnte und sich an die Finger oder Arme stecken würde. Nur ab und an stockte der kleine Brunnen, der beständig für ein mildes Raunen im Atrium sorgte. Dann war es ruhig, dann glättete sich die Oberfläche des Wassers und die rosé farbenen Blüten kamen zur Ruhe, strahlten um die Wette um das Auge eines Besuchers, aber jetzt von zwei Sklaven, zu erfreuen. Aber Dido interessierte sich nicht für den Tant der Villa, sie ist als Sklavin mit Prunk aufgewachsen, selbst wenn ihr das alles nicht gehörte, aber es hatte sie abgestumpft, desensiblisiert des Prunkes, der doch im scharfen Kontrast mit der Einfachheit stand, mit der die Mehrheit der Römer lebten und leben mussten. Aber womöglich vermochten dadurch die einfachen Freuden des Lebens Dido noch zu ergötzen? Oder war sie aus dem Grund so ein seltsames Kind geworden, die bereits in den jungen Jahren das Manko der flavischen Zuchtlinie der Sklaven offenbarte? Hatten doch die meisten der letzten vier Generationen dieser phönizischen Zucht einen Hang zu einem...ja, man kann es schon Wahnsinn nennen. Doch da reihten sie sich in guter Gesellschaft mit ihren Herrn, warum es all die Gernationen nicht aufgefallen ist, beziehungsweise von den Herrn durchaus toleriert wurde. Womöglich war das auch der Preis, wenn man wahrhaft loyale und ergebene Sklaven haben wollte. Aber genug von Didos verkorkster Abstammung, kein Wort mehr über flavischen Wahn, sklavische Verrückheiten, Folterkammern, Mordaufträge, psychopathische Anfälle, Grausamkeiten, die manch einem Kind den Schlaf rauben würde und es schreiend in die Arme seiner Mutter treiben würde. Vorerst zumindest! Aber in dem Augenblick zeigte sich heiteres Vergnügen, eine freudiges Lachen auf Didos Gesicht und sie lachte tatsächlich vergnügt und ohne Scheu, ihr kindliches Glucksen und Kullern von Fröhlichkeit scholl von einer Wand zur Nächsten, warf sich zurück und versickerte nur in der Geräuschkulisse, dass der Brunnen im Atrium schuf. Dido kicherte noch einen Moment vergnügt, ehe sie sich auf das erste Spiel einließ und ihre magere und infantile Gestalt straffte und grinsend zu Asny hoch spähte, es würde gewiss noch einige Jahre dauern, bis Dido mal auf Augenhöhe war oder gar die Sklavin nordischer Herkunft an Größe übertrumpfen könnte, wenn überhaupt. "Das wäre wohlan...ne, in facto...auch nicht in facte...na egal...es wäre sehr deplooooraaabel, wenn das passieren würde, meine getreue Sklavin." Dido gluckste leise, sie wußte nicht was deplorabel hieß, nur, dass es das Lieblingswort bei soetwas von dem Onkel ihres Herrn war und der sagte dauernd so kluge Sachen, die Dido nicht verstand. "Also, als erstes würde ich Hannibal bestrafen. Er hat mich auf dem Markt im Stich gelassen!" Das noch mehr folgen würden, erkannte man daran, dass Dido ihre Kinderhand hob und den Daumen abstreckte für Hannibal. Der Nächste bekam den Zeigefinger. "Danach muss Lars eine Tracht Prügel bekommen." Der Mittelfinger folgte. "Sodann der gemeine Koch! Der böse Germane, der meinen Herrn beleidigt hat." Didos Prioritäten waren schon genau festgelegt. Erst ihre eigenen Animositäten, dann die ihres Herrn und dann kam der Rest der Welt. "Der Stallknecht auch! Die blöden Sklavinnen, die immer kichern. Die, die nicht arbeiten wollen..." Dido dachte kurz an Sciurus, das würde ihm gewiss auch gefallen. "Und über den Rest muss ich nachdenken. Komm, ich zeige Dir dann alles, damit Du auch ja alles findest. Sonst wird nämlich Sciurus böse, weißt Du?" Wie sollte Asny das wohl wissen, aber daran dachte Dido nicht wirklich. Es wäre unverständlich für Dido, dass jemand nicht Sciurus kannte, nach dem Ausflug an den Saturnalien glaubte sie gar schon, dass der Sklave ganz Rom bekannt war. "Komm'!", forderte Dido fröhlich die neue Sklavin des Haushaltes an und lief bereits los.


    Schon umrundete Dido das Wasserbecken, strich keck über den Kopf von dem steinernen Knaben und sprang fröhlich in die Luft, um gleich wieder, den Gesetzen der Welt folgend, auf dem Boden zu landen. Mit jedem Schritt, es war ein halbes Hüpfen, ein halbes Gerenne, kam sie auf den Ausgang des Atrium zu, dass gleichzeitig Einlass tiefer in die flavische Villa gewährte, vorbei an Schreinen, hinter denen die Ahnenmasken bewahrt wurden und an denen, selbst am Tage, kleine Lichter glommen. Sicherlich, auch einfache und arme Plebejer hatten solche kleinen Ahnenschreine, aber meist nicht mal Ahnenmasken, geschweige denn das kostbare Holz und Elfenbeinverzierungen, die die toten Gesichter schmückten und auch nicht das Wachs, mit derem Lichte die Antlitzer mit all den Falten, dem starren Ausdruck und der leblosen Mimik illuminiert wurde. Dido würdigte dem ollen Zeug, wie sie es nennen würde, keines Blickes, denn sie strebte bereits durch den lichtdurchfluteten Gang, dessen Wände mit stilistisch kunstvoll verzierten Blumen, mythischen Gestalten in Zwergengröße und fröhlichen Vögeln geschmückt waren, alles nur in Farben und Form fest gehalten. Auch jene beachtete die kindliche Sklavin nicht länger, sie kannte es zu gut, nur an einer Stelle blieb Dido stehen, sah sich nach links und rechts um und deutete verschwörerisch auf eine Kreidezeichnung, die fast neben einigen Rosendarstellungen unterging. Es war eindeutig ein Mann, eine Strichmännchenzeichnung, der von einer Frau geschlagen wurde. "Wenn Du länger hier bist, darfst Du raten, wer das ist. Das haben Serenus und ich gemalt!" Ja, es war unverkennbar die krakelige Note eines Kindes darin zu erkennen. Stolz, als ob es das schönste Kunstwerk der Villa war, nickte Dido und wandte sich um, um schnell weiter zu laufen.


    Wieder erhob sich ihr schmaler Körper in die Luft, ihre wilde feine Haarmähne flatterte in alle Richtungen, einige Strähnen blieben in ihrem Gesicht haften, Dido blies sie energisch nach oben. Schnell sah sie zu Asny. "Zuerst zeige ich Dir den aaaaaalllerwichtigsten Raum in der Villa." Schwupps, schon eilte sie weiter, vorbei an prachtvollen Statuen, die mal abwechselnd schöne Jünglinge oder sinnliche Frauen zeigte, mal mehr, mal weniger bekleidet, grimmige Römer, die auf sie herab starrten, glücklicherweise in Stein gemeiselt, hohe Säulen, die einen Innenhofgarten umrankten, zahlreiche Türen, die verschlossen waren und nur so danach riefen geöffnet und erkundet zu werden. Es war als ob jeder Türgriff sprach: 'Komm, öffne mich. Hinter mir liegen die Schätze der exotischen Orients.', während die Nachbartür laut rief: 'Nein, hierher, hinter mir liegt das Paradies mit Milch und Honig.' Dido schien es nicht zu hören, womöglich waren die Türen doch nur Konstrukte aus Holz und stumpfen Metall. Endlich erreichten sie einen Trakt, der deutlich bescheidener wirkte. Keine Fresken zierten die Wände, keine Ornamente die Übergänge der Wände zu der Decke, keine Statuen standen in Alkoven und auch die Fenster waren kleiner, bescheidener und boten weniger Licht für das Innere der Villa. Dafür herrschte hier keine würdevolle Stille, keine Grabesstimmung, die, wenn man es mit den Gängen hier verglich, in den herrschaftlichen Teilen so anmutete. Nein, Sklaven eilten durch die Gänge, eine dicke Frau stieß eine Tür auf und trug einen großen Korb mit dampfenden weißen Lacken an Asny und Dido vorbei, keiner beachtete jedoch die beiden weiblichen Sklaven. Dido ging langsam zu einer Tür, hinter dem es laut polterte, eine seltsam männliche Stimme mit einem gar merkwürdigem Akzent laut etwas rief. Dido griff nach der Türklinge und zog sie hinab. Ein Schwall von Dampf drang durch den nun offenen Türspalt, Dido zog die Tür noch weiter auf und deutete einladend auf das Innere. "Die Culina!", fügte Dido unnötigerweise hinzu, denn die Küche offenbarte sich eindeutig als das, was sie von ihrer Funktion her war. Es brannte ein Feuer unter einem Herd, der aus roten Backsteinen gemauert war, teilweise weiß verkalkt, ein großer Tisch stand an einer Mauer, über dem ein schmales Fenster das Licht auf die Arbeitsfläche schickte, Sklaven eilten wie aufgeschreckte Gänse hin und her, auf einem Holzhocker wurde gerade einer Gans die Federn ausgerupft, weißer Flaum wehte durch die Luft, eine einzelne Feder flog sanft hin und her, wie ein Boot auf Luft, wurde von einem Luftzug in den Ofen geschickt und verbrannte in einem Bruchteil von einem Herzschlag. Und das schlagende Herz von allem war Attalus, der Koch der flavischen Familie, der sie, den Götter sei Dank, noch nicht bemerkt hatte, war der Meister der Küche und der Kochkunst noch gänzlich mit der abendlichen Cena beschäftigt. "Hier kann man sich ab und an etwas zu Essen holen, wenn der Gerstenbreitag ist!", flüsterte Dido verschwörerisch zu. "Komm'!", Dido huschte an dem Koch vorbei, der gerade aus einem großen Topf das Garum abschmeckte und zu einer älteren Frau, deren grauen Haare zu einem festen Dutt hochgebunden waren. "Psst...Ilisia? Hast Du was leckeres für uns? Schau, das ist eine neue Sklavin, Asny heißt sie." Die ältere Frau, deren Gesicht von zahlreichen Falten geziert wurde, wandte sich von einem großen Brotteig, den sie walkte, ab und lächelte breit, wobei sie eine Reihe von Zahnlücken offenbarte. "Grüss D'ch, Asny. Aber sicher, D'domaus." Dido lächelte liebenswürdig, denn wenn sie auch den Spitznamen haßte, so wollte sie doch weiterhin die gute Ilisia ausnutzen. Ilisia griff nach einer großen Wurst und schnitt zwei ordentliche Scheiben ab, die sie Asny und Dido reichte. "Bist' neu in der V'lla, hmh? Na, w'rst hier ein gutes Zuhause f'nden. Musst Dich nur vor Sc'urus in Acht nehmen und vor S'ca. Und immer so brav sein, wie D'domaus!"