Beiträge von Dido


    Draußen auf den Straßen von Rom tummelte sich das Leben. Die Menschen trieben durch die Straßen, die von den Häusern gesäumt wurden. Haus an Haus und jede hatte eine Porta und an jeder Porta musste ein Ianitor stehen. Selbst wenn es nur die Portae waren, die der Eingang zu einem reichen Haushalt stellte, so waren es doch genug Männer, die darauf warteten, dass jener eine Augenblick passierte, der jedoch mehrmals am Tag vollzogen wurde. Doch auf dieses Geräusch warteten sie. Das Klopfen. Auch Acanthus harrte an jenem Tage auf seinem Platz. Stoisch vor sich hin starrend und den Sklavenjungen nicht beachtend, der für den heutigen Tage dazu verdonnert war, den Laufburschen zu spielen. Es klopfte. Acanthus erhob sich und trat auf die Tür zu. Er öffnete sie und sah dem Boten entgegen. Der sich bereits erklärte und die Tafel an Acanthus weiter reichte. Dieser winkte den Laufburschen der Flavier heran und gab ihm die Tafel für F. Lucanus weiter. Die eilenden Schritte des Burschen waren noch eine Weile zu hören. Während sich Acanthus dem Boten zu wandte.


    "Sonst noch etwas?"

    Didos Sandalen klapperten auf dem steinernen Boden, das Geräusch wurde jedoch von vielen tausend Stimmen übertönt. Aufgeregt folgte Dido ihrem Herrn bis zu den exklusiven Logen hinauf. Vergnügt grinste das Mädchen als sie sich auf die Sitze reicher Senatoren schlichen und den Platz von so wichtigen Männern einnahmen. Eigentlich nur Serenus, denn Dido war nun doch nicht so vermessen als Sklavin auf den Sitz von Flavius Furianus Platz zu nehmen.


    So blieb Dido erst mal hinter ihrem Herrn stehen. Auch sie hatte sich ganz im Sinne der Factio Russata, die einzig wahre Factio des Imperiums, ihr gesamtes Gesicht war mit knallroter Farbe, so man es mit Pigmenten und Öl hinbekam, geschminkt. Nur ihre Augen waren frei von Farbe. Zudem hielt Dido in ihren Händen das liebevoll gemalte Banner, natürlich noch eingerollt. Irgendwo im Haus hatte sie einen laaaaangen weißen Stoffstreifen gefunden, sich nicht gewundert, dass es das Zimmer eines der Herrschaften war, 8o 8) und prompt für das Banner umfunktioniert. :] Natürlich hatte sich Dido auch bemüht, den einen oder anderen Fangesang auswendig zu lernen. Mit Freude würde sie das heute in den Circus krächzen, es fiel ja sowieso niemandem auf, dass sie eine scheußliche Gesangsstimme hatte und keinen Ton traf. Denn darauf kam es hier, im mächtigen Circus Maximus, gewiss nicht darauf an. Sondern einfach laut zu sein.


    Selbst wenn sie keine Schminke im Gesicht getragen hätte, wäre Didos Gesicht wohl tief rot, vor Aufregung. Als es um sie herum im ganzen Circus stampfte, gejubelt wurde, Wägen einfuhren. Und auch die Stille, die folgte, war für Dido beeindruckend. Gespannt lehnte sie sich über die Brüstung, um das Opfer zu verfolgen, das zu Ehren von Mars abgehalten wurde. Ihr Mund stand ein wenig offen, ihre Augen waren geweitet. Stumm betrachtete sie den Priester und das Opfer, die wie kleine Spielzeugfiguren wirkten, so weit weg schienen sie zu sein. Der Circus war aber auch hoch. Aber immerhin hatten sie noch die besten Plätze im Circus ergattert...na ja, fast die besten Plätze, aber ziemlich gute zumindest und somit stand nichts im Wege für einen vergnüglichen Renntag.

    Oh ja, Serenus war zurück und schon die ersten Worte, die er sprach, riefen bei Dido große Freude hervor. Fast hämisch freute sie sich über die Vorstellung, dass dieser blöde Lars ;) endlich seine ordentliche Strafe ab bekam, denn im Grunde war Dido immer noch der Meinung, dass jener Sklave mit den "Feindseligkeiten“ und dem Austausch des ersten Waffengeplänkels in diesem Krieg begonnen hatte. Schließlich hatte er ihr die Zunge heraus gestreckt. Pah, so was ließ Dido sich ganz gewiss nicht gefallen. Zufrieden grinste Dido. Von einem Ohr zum Anderen reichte das Strahlen auf ihrem Gesicht. „Ja wohl, ein bisschen kaputt machen. Das zeigt ihm schon, was Recht ist.“ Dido kicherte vergnügt und boshaft. In ihrer Phantasie malte sie sich schon zahlreiche Möglichkeiten aus, wie man Lars denn ein wenig “kaputt machen“ konnte. Dido nickte aufmerksam, gut, Aquilius = böse, Gracchus und Oma auf die Liste der Guten. Dezent und ohne eine Miene zu verziehen schob Dido jedoch die Großmutter auf den untersten Rang der Favoritenliste, sie hasste die alte Vettel, und wie!! „Pumpentod? Was ist das, Dominus?“, plapperte Dido ganz aufgeregt. Klang interessant. Dido liebte Hinrichtungen und gerade die Spektakulären waren am Spannendsten. Aber was damit gemeint war, wusste die junge Dido nicht. Zahlreiche sehr abgefahrene Möglichkeiten kamen ihr durchaus in den Sinn. „Ja, sag ich ihr natürlich, Dominus.“, versprach Dido auf das Begehren von Serenus, die neue Sklavin Asny kennen zu lernen. Dido hoffte sehr, dass Asny nicht nur Sciurus auf ihre Seite brachte, sondern ganz besonders auch Serenus. Denn Dido mochte Asny und was noch wichtiger schien, es sah so aus, dass Asny eine gewisse Sympathie für Dido hegte. Das war schon mehr als Sciurus tat, dem Dido sehr wahrscheinlich einfach egal war. Es sei denn, sie war mal für ihn nützlich. Dann sah er sie sogar länger an und sprach mit ihr. Jedes Wort saugte Dido von diesem Mann auf, ihrem Vorbild, dem sie nach zu eifern gedachte. Erneut nickte Dido brav, bei ihrem zweiten Auftrag. Sie wollte sich schon erheben und stemmte sich mit den Armen in die Höhe, um die Aufträge zu vollführen, doch Serenus gedachte das Rätsel zu lösen.


    Dido erhob sich und spähte neugierig auf den Korb. Ieeeh! Der Hund von Arrecina? Nur schwer konnte Dido den abfälligen Ausdruck verhindern, der abrupt auf ihr Gesicht trat. Sie fand diesen Kuschelhund einfach nur blöde. Ein dummer, hässlicher und blöder Köter. Pah, mit so was konnte sie nichts anfangen. Etwas enttäuscht war Dido in jenem Augenblick schon. „Hm!“, grunzte Dido missmutig. Doch als der Hund hervor kam, blinzelte sie verblüfft. DAS war gewiss nicht der Hund von Arrecina, der ja schon ausgewachsen war und zudem nicht so kräftig von der Statur. „Ohhhhhhh!“, gab Dido nun ganz verwundert von sich. Das war in der Tat nicht der dumme Hund von Serenus älteren, verstorbenen Schwester, sondern ein ganz neuer Welpe. „Ohhhhhhhhhhhhh!“, wiederholte Dido, aber nun sehr viel länger und mit einem Strahlen, was in ihre Augen trat und auf ihre Lippen in Form eines glücklichen Lächeln, was den Hauch von Unglauben trug. Ein Kampfhund? Nur für sie? Grandios, großartig, toll, toll, toll! Oh, wie sie den abrichten würde. Hah, jeder würde sich vor ihr Dido in Acht nehmen müssen, weil sie einen Kampfhund bei sich führte, der auf jeden ihrer Worte, und natürlich die ihres Herrn, hörte. Ungeduldig trippelte Dido von einem Fuß auf den Anderen, denn eigentlich wollte sie lieber froh jauchzen und Serenus einen dicken Schmatzer auf die Wange geben. Aber da Dido wusste- es glaubte, zu wissen-, dass sie dann gleich unter die Kategorie 'Blödes Mädchen' fiel, unterließ sie es und zwang diesen sehr mädchenhaften Zwang in sich herunter.


    Ihre Wangen röteten sich als sie von den 'Heldentaten' des jungen Hundes hörte und sie nickte, ganz und gar zustimmend. Nicht nur, dass das ein eigener Kampfhund war, nein, das war ein Kampfhund, der sich schon jetzt durch das Leben gebissen hatte, gleichwohl das Leben ihm höchst persönlich den Gar aus machen wollte. Dido war beeindruckt. Schnell ging sie zu dem Hund und hob ihn von der Tischplatte hoch. Der Hund knurrte leise, wedelte dann jedoch mit dem Schwanz. Dido strahlte den Hund an. „Du! Du wirst einmal all den blöden Sklaven den Hals durchbeißen. Und alle Feinde von unserem Herrn vertreiben. Ja wohl!“ Dido gluckste leise auf und sah zu Serenus. „Oh, vielen, vielen, vielen Dank, Dominus! Ich werde den sehr gut abrichten, Dominus. Und dann werden eines Tages ich und dieser Hund hier Dein Leben bis zum letzten Blute verteidigen, wenn einer nach Deinem Leben oder Deinem Hab und Gut trachtet. So wahr ich Dido heiße!“ Das meinte Dido auch sehr ernst, aber ihre Loyalität war schon vor langer Zeit tief in ihrer Seele verwurzelt worden und im Laufe der Zeit, selbst in den Monaten als sie hier in Rom alleine war, gesprossen und gewachsen. Dido würde ihrem Herrn bis zum letzten Atemzug treu sein, komme, was wolle. Das war für sie bereits in jungen Jahren klar. “Darf ich denn seinen Namen aussuchen, Dominus?“ Ja, Serenus hatte es zwar schon gesagt, angedeutet, ihr so gedeutet, aber Dido wollte noch mal ganz sicher gehen. Denn selbst wenn Dido frech war, vorwitzig und vorlaut, so wusste sie dennoch, dass Serenus der Herr war und sie seine Sklavin. “Übrigens...der Aquilius, also Dein Onkel, hat nicht nur den Rutger verschont...“, knüpfte Dido an das vorige Gespräch an. “Er hat ihn sogar auf eine Gladiatorenschule hier in Rom geschickt. Der ist jetzt sogar sein Leibwächter und lernt, wie ein Gladiator zu kämpfen...!“


    Finster starrte Dido in dem Moment vor sich hin. Nicht weil sie es empörte, dass ein entlaufener Sklave nicht umgebracht, sondern ihm noch das Kämpfen beigebracht wurde, sondern weil sie selber doch gerne das Kämpfen lernen wollte und eine richtige Amazone sein wollte, in ein paar Jahren zumindest. Der Neid, die pure, zerfressende Missgunst nagte an ihr. Der Hund fing an ihr im Gesicht herum zu lecken. Dido ging mit dem noch namenlosen Welpen zurück zu dem Fell und ließ sich dort herunter plumpsen. Den Hund stellte sie vor sich ab und begann, das abgebissene Ohr zu betrachten. Es war mal an der Zeit zu dem Thema zu kommen, was sie schon lange beschäftige. Es war schließlich höchst wichtig. “Dooominuuus?“, begann sie. So sprach sie stets, wenn sie etwas wollte. “Du stimmst doch sicherlich mit mir überein, dass dieser Hund erzogen werden muss, damit er ein guter Kampfhund wird, oder?“ Dido, die keinen Sinn für sokratische Fragetechnik hatte, sprach gleich weiter. “Darum muss man ihn früh ausbilden. Ich meine, bei Menschen ist das auch nicht anders...!“ Zu subtil...fand Dido, so kam sie lieber gleich zur Sache, damit keine Missverständnisse aufkeimten. “Ich kann später Dir bestimmt viel nützlicher sein, wenn ich auch Dein Leben beschützen kann...also, ich meine damit...ähm...vielleicht schickst Du mich auch auf so eine Gladiatorenschule, jaaa? Dann lerne ich kämpfen. Die Leute erwarten bestimmt nicht, wenn ein Mädchen oder später eine Frau gefährlich werden kann. Meinst Du nicht auch? Das ist Dir bestimmt sehr, sehr nützlich!“ Gespannt sah Dido zu ihrem Herrn. Oh je, hoffentlich lachte er sie nicht aus. Dann würden ihre Träume wie eine Seifenblase zerplatzen.

    Laaangweilig! Das schoss Dido durch den Kopf. Sie rollte mit den Augen als das Gespräch immer abgehobener wurde und lauter Worte benutzt wurden, die sie nicht im Ansatz verstand. Ungeduldig wippte sie mit ihren Füßen, hob mal ihr Bein an, um einen kreisenden Zeh zu beobachten, der sich geschwind in diesen blöden neuen Sandalen herum drehte. Doch die letzte Geduld von Dido schwand, sie seufzte und stand auf. Mit mauligem Gesicht trottete Dido zu einem Fenster, stellte sich auf die Zehenspitzen und sah durch den schmalen Schlitz nach draußen. Dürre Äste eines Baumes schaukelten vor ihrer Nase hin und her. Die Vögel zwitscherten munter an jenem sonnigen Tag, der sich schon mehr dem Abend zuneigte. In einem der Äste turnte ein Eichhörnchen entlang, es sprang mit seinem buschigen Schwanz von Zweig zu Zweig, kletterte mit den kleine Pfötchen leicht hin den Stamm hinab und fing an im Erdreich zu graben, wohl nach der Nuss, welche das Hörnchen noch vor einigen Monaten dort vergraben hatte, für genau jenen Tag, an dem es sich die Nuss schmecken lassen wollte. Sofern es diese Köstlichkeit wieder fand und nicht erneut in dem tiefen Erdreich verlegt hatte. Es fing an unter Didos Fußsohlen zu jucken. Sie wollte einfach nicht mehr still neben den Beiden sitzen bleiben, sie wollte herum springen und tollen wie ein junges Zicklein es auf der Wiese tat, wenn die Sonne schien und es die Freuden des Lebens erfuhr. Ihre Hand fuhr herunter, dort, wo einst ihr Beutel mit der Zwille hing. Verflixt! Die war ja noch bei Lucanus. Dennoch drehte sie sich um und dackelte wieder zu Hannibal und Asny zurück. „Darf ich raus gehen? Ich könnte im Garten helfen oder so!“ Sie kümmerte sich gar nicht darum, ob sie inmitten eines Satzes mit ihrer Frage hinein platzte. Hannibal nickte kurz, während er den Blick von Asny nicht löste. Dido grinste hingegen breit und winkte Asny noch einmal zu. „Bis später!“ Dann sprang sie schon auf die Tür zu, riß sie wie üblich ungestüm auf und eilte nach draußen. Die Tür hinter sich offen lassend.



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    Hannibal



    Zu Anfang hatte Hannibal noch einen milderen Ausdruck offeriert, insbesondere bei dem Gebrauch von Asnys Vokabular und die Bedeutung, die sie darin sah. Hannibal neigte zustimmend den Kopf. Früh übt sich, wer Meister werden will. Darum hielt er es nicht verkehrt, wenn Asny sich schon in jungen Jahren in der Ästethik des Wortschatzes übte und lernte, schöne Worte zu nutzen, wenn er es auch nicht gut heißen konnte, wenn man mit schönen Worten um eine Materie herum reden wollte. Aber dass Asny diesen Fehler schon jetzt nicht begann, merkte er durchaus an geradlinigen Zügen, die ihre Rede offenbarte. Hannibal verfolgte das Absetzen der Spinne mit einem Zucken um seine Mundwinkel und betrachtete neugierig die Gesichtszüge der jungen Frau vor sich, als sie zu den Fragen, die ihr auf der Seele zu brennen schien kam. Ah, das Opfer. Hannibal nickte nachdenklich und rieb sich das glatt rasierte Kinn. Ab und an war er selber noch verwundert darüber, dort keine Barthaare zu spüren, den er doch mehr als ein Jahrzehnt lang getragen hatte. Es fühlte sich zu Zeiten immer noch etwas nackt dort an. Stumm verharrte Hannibal, seine Augenbrauen zogen sich zusammen als er über die nicht unwichtigen Fragen nachdachte. Erst hatte er noch ihre Absicht mit dem Opfer etwas unterschätzt, es als Albernheit eines jungen Mädchens abgetan, die am Ende doch ein paar Dinkelkekse, ein Gebet und womöglich noch Weihrauch den Göttern darbot. Etwas, was in seinen Augen auch sehr viel vernünftiger war, als das Verlangen ein blutiges Opfer durch zu führen, etwas, was noch nicht mal alle römischen Bürger taten, auch diese begnügten sich oftmals mit einem unblutigen Opfer, was nicht weniger an Wert haben konnte. Selbst wenn Dido etwas anderes behauptet hatte. Hannibal sah Dido noch kurz hinter her, nachdem sie ihm die Frage gestellt hatte. Er erhob sich, ging zur Tür und schloß sie hinter Dido.


    Dann nahm er wieder auf dem Bett, Asny gegenüber, Platz und stützte sich wieder auf seinen Oberschenkeln ab. „Du meinst es also ernst mit einem blutigen Opfer?“ Hannibals Augenbraue zuckte etwas nach oben. “Wen Du tatsächlich ein blutiges Opfer durchführen möchtest, dann brauchst Du dafür Hilfe. Ein solches Opfer sollte nicht alleine vollzogen werden. Insbesondere, wenn das Opfertier die Größe eines Kaninchens überschreitet. Das wird es doch hoffentlich nicht?“ Hannibal musterte sie prüfend. Alles andere wäre nur vermessen für eine Sklavin, befand Hannibal. Aber aus einem unerfindlichen Grund war sich Hannibal nicht ganz sicher, was ihre Absichten betraf. Er vermochte in der jungen Frau nicht zu lesen, wie in den Schriftrollen der Bibliothek, die sich mit der Psyche beschäftigten. “Mir dünkt, es wird größer als ein Kaninchen? Wenn dem so ist, dann werde ich Dir bei dem Opfer behilflich sein, es sei denn, Du findest noch jemand anderes, den Du eher dabei haben möchtest. Für geeignetes Werkzeug würde ich schon sorgen können.“ Hannibal könnte auch leicht hin ein gutes Opfertier besorgen können, aber er wollte sehen, wozu die junge Asny in der Lage war. Was ihm ebenfalls sehr viel Aufschluss über die junge Frau bieten würde. “Du könntest das Opfer anleiten und ich werde Dir behilflich sein. Es ist nicht das erste Mal, dass ich diese Rolle eingenommen habe, unser Herr hat schon selber das eine oder andere Opfer angeleitet. Was die Wahl des Ortes angeht...“ Hannibal pausierte nun einen winzigen Augenblick lang. “Es hängt davon ab, welchem Gott Du letztendlich Opfern möchtest. Ein sakraler Ort sollte es schon sein. Keiner, an dem profane Tätigkeiten vollführt werden. Eventual, ich müsste mich noch mal umsehen, wäre es uns sogar möglich in einem Tempel das Opfer zu vollführen. Wobei wir uns da sehr wahrscheinlich einschleichen müssten. Die Tempel sind für die Herrschaft da, nicht die Sklaven. Auch solltest Du Dich festlegen, denn die Wahl des Opfertieres hängt auch von dem Gott ab, dem Du es übergeben möchtest. Ein weißes Tier dem Mars zu opfern wäre eher unpassend. Das Tier für Mars sollte rot sein, er ist dem Element des Feuers mehr zugeschrieben.“


    Hannibal befand die ganze Angelegenheit als recht kompliziert, denn Asnys Anliegen war in seinen Augen sehr außergewöhnlich. Sicherlich, Hannibal war oft bei Opferungen dabei gewesen, sein Vater selber hatte immer wieder zu den Göttern gebetet, aber Hannibal hatte schon vor langer Zeit jegliche Hoffnung in die Götter verloren. Darum hatte er sich immer nur auf das konzentriert, was für seinen Herrn notwendig war und für diesen galten etwas andere Regeln. “Dein Haupt sollte bedeckt sein, aber komme nicht auf den Gedanken eine Palla dafür zu nutzen. Ein Tuch wird es auch tun. Ziehe Dich ordentlich an, halte Dich an die Regeln der Reinlichkeit und der rituellen Waschung. Etwas spezielles für die Flavier wirst Du nicht tun müssen. Sie sind auch nur Sterbliche in den Augen der Götter.“ Ein blutiges Opfer, das erste Mal und dann alleine? Undenkbar. Darum war der Entschluss von Hannibal nun endgültig gefällt. “Ich werde Dir dabei helfen!“, bekräftigte er nun. Jegliche offenen Fragen, die im Laufe noch auftauchen könnten, würde er dann auch noch vor dem Opfer mit ihr abklären können. Und einen geeigneten Ort ausfindig machen, an dem das Opfer ungestört und vor allem im passenden Rahmen vonstatten gehen konnte, sofern das Opfertier überhaupt von Asny errungen werden konnte. Sonst blieben noch die Dinkelkekse.


    Noch eine Frage? Hannibal nickte leicht und legte den Kopf etwas zur Seite. Nun schwand der milde Ausdruck in den Augen, was Hannibal noch, eben wieder besser gelaunt, in seinen braunen Augen getragen hatte. Wenn auch sich die Miene von Hannibal wenig veränderte, womöglich ein klein wenig starrer wurde. Stumm taxierte Hannibal Asny und schwieg lange Zeit lang. Ließ die "Kugel" rollen, ohne sie mit seinem Fuß oder einem Wort aufzuhalten oder gar zurück zu stoßen. Erst als das Schweigen fast greifbar wurde und schwer in der Luft hing, durchschnitt Hannibal dieses. "Wenn die Menschen den guten Dingen soviel Sorgen angedeihen ließen, wie sie Eifer verwenden auf Unzuträgliches und Nutzloses sowie auf vieles, was sogar gefährlich ist, würden sie weniger vom Zufall beherrscht anstatt ihn zu beherrschen!“, gab er ein Zitat von Sallust aus dem Bellum Iugurthinum als Antwort. „Du kannst Dich in den nächsten Stunden hier einrichten, Du wirst ein Bad nehmen, einer der anderen Sklavinnen wird Dir das Sklavenbad zeigen und aus der Kiste dort eine flavische, neue Sklaventunika nehmen. Deine alten Sachen darfst Du behalten, aber Du wirst in Zukunft die Dinge des Haushaltes an Deinem Leib tragen. Schmuck und Zierde solltest Du unter dem Stoff verbergen. Keine Waffe, keine Messer! So etwas ist Dir nicht mehr gestattet! Morgen lässt Du Dich der normalen Arbeit hier im Haushalt zuteilen und am Nachmittag dem nachgehen, wie ich es Dir gesagt habe.“ Hannibal stand auf und ließ die angestoßene “Kugel“ an sich vorbei rollen. „Alles andere ist nicht Dein Belang, Asny. Schon gar nicht meine Angelegenheiten!“ Kalt sah Hannibal auf die junge Sklavin herunter. Selbst wenn seine Worte recht neutral im Tonfall klangen, so schwang dennoch ein bedrohlicher Unterton mit. Halte Dich aus meinen Angelegenheiten raus oder Du wirst es bereuen!, schien damit noch gesagt zu werden. Oder vielleicht auch nicht? Hannibal wusste um seinen Wert und würde sich gewiss nicht von einem gerade erwachsen gewordenen Mädchen gegenüber seinem Herrn ausbooten lassen. „Wenn Du das Opfertier hast, lasse mir eine Nachricht zukommen oder komme persönlich zu mir. Ich kümmere mich derweil um die passende Örtlichkeit. Willkommen in der Villa, Asny!“ Mit den Worten stand Hannibal auf, eindeutig mit der Absicht die Sklavenunterkunft zu verlassen und Asny ihrem ersten Tag nun in der Villa Flavia zu überlassen.

    Wie die Schatten am Tag, das Licht in den Stunden der Dämmerung, so schnell wechselten die Gesichtsausdrücke von Dido. Ihr beleidigtes Getue schwand schlagartig, erschien wieder, verschwand, wurde mal von aufkeimender Neugier ersetzt und von einem finsteren Funkeln. Um in ein verhaltenes Gähnen um zuschlagen, denn es war schließlich immer noch mitten in der Nacht. Aus den Augenwinkeln beobachtete Dido den anderen Sklaven Pallas, der das Gesicht verzogen hielt, als ob er Zahnschmerzen hätte. Pah, Kunstbanausen, allesamt. :] Dido spähte wieder zu Bridhe und zuckte mit der Schulter. „Und hier ißt man Schwäne. Das Fleisch ist sehr lecker, hab es einmal probieren dürfen, weil mein Herr es bekommen hat.“, gab Dido ungerührt und unsensibel von sich. „Tiere sind zum Essen da.“ Außer Kampfhunde natürlich, aber wer wollte schon dieses zähe Fleisch essen? Das mit dem 'ein bisschen zu laut' von Micipsa kommentierte Dido mit dem finsteren Funkeln. „Pah! War ja auch für eine Göttin. Da muss man laut singen. Damit sie es überhaupt hört!“ Welch verquere Vorstellungen Dido doch hatte und man konnte wirklich nur hoffen, dass die Göttin in jenem Augenblick mit ganz anderen Dingen beschäftigt gewesen war als Didos Krächzen zu lauschen. ;)


    Dennoch war sie einigermaßen zufrieden. Interessant schien für viele der Erwachsenen wohl besonders wichtig zu sein, darum nahm sie es als Kompliment und nickte hoheitsvoll, um gleich darauf neidisch Pallas zu betrachten, der sich auch am Essen gütlich tat und sich somit zu einer ihrer wichtigsten Fresskonkurrenten heraus stellte. :P Schnell schnappte sie einen Happen, den sich wohl Pallas gerade nehmen wollte und stopfte ihn sich in den Mund. Egal ob sie satt war, es galt hier die besten Stücke zu ergattern. Und sie störte sich nicht daran, den Mund voll zu haben, denn sie meinte, beim Kauen: „Dann hat ja Dein Vater doch recht gehabt. Schließlich...*schmatz* hast Du doch Glück gehabt. Bist ja jetzt Sklavin bei den Flaviern *kauschmatz*“ Didos Welt war recht beschränkt, sie kannte die der Flavier und die, was sie aus Baiae kannte und den Ausflügen nach Rom, insbesondere die Subura. Und wie die Menschen dort, so wollte Dido gewiss niemals leben. „Meine Mutter wurde verkauft. Die war auch Sklavin. Mein Vater...och...ich hab keinen Vater. Aber ich komme aus einer Sklavengeneration, hmh...achte Generation. Alle bei den Flaviern, wir sind treu bis in den Tod hinein.“ Mussten sie auch sein, die Sklaven wurden selten bis nie frei gelassen und wenn sie nicht treu waren, dann kam der Tod schneller als ihre Untreue währen konnte. „Aber warum feierst Du denn nicht die Feste der römischen Gottheiten? Du bist doch jetzt römische Sklavin!“

    Oh, oh, oh, der hat aber eine schlechte Laune! Lag das etwa an Dido? Einen solchen Zusammenhang konnte Dido nicht erkennen. Nein, sie vermutete ihn noch nicht einmal. Mit einem unschuldig kindlichen Ausdruck blinzelte sie und tat das, was sie eigentlich am Besten konnte. Lügen, dass sich die Balken bogen. Die Hände an die Seite gepresst, die grünblauen Augen auf den Boden gerichtet, scheinbar devot. „Dominus, ich weiß nicht, wo Straton ist, Dominus. Ich bin ihm nicht begegnet. Hannibal hat wohl einen Auftrag zu erledigen. Für seinen Herrn in Pattia! Er hat mich alleine geschickt. Tut mir Leid, Dominus!“ Von wegen, ein Grinsen unterdrückend, es sollte ja ihre Lüge nicht enttarnen, schließlich hatte sie nie Hannibal davon in Kenntnis gesetzt, blieb sie stehen und harrte der Dinge, die nun kommen mochten.


    Doch da fiel es ihr siedend heiß ein. Straton war geschickt worden. Oh verflixt und zugenäht, womöglich fand er noch Hannibal, dann würde es aber zwei Mal großen Ärger heute geben. Einmal bei Dominus Lucanus und ein zweites Mal bei Hannibal. Der Anflug eines Lächeln, was ihre Lippen erreichen wollte, schwand mit einem Schlag als diese Erkenntnis durch ihre Gedanken rauschte und sie erschrocken blinzeln ließ. Immerhin wirkte sie dadurch passenderweise blass, als ob sie der Bestrafung und dem Donnerwetter von Lucanus fürchtend entgegen sah. Was sie auch gewiss tat. Nur um es noch mal zu erwähnen: Die Peitsche, die Peitsche. Kaum etwas, was Dido mehr fürchtete, war die Drohung, ausgepeitscht zu werden. Eine Strafe, die sehr wirkungsvoll bei ihr war. Aber welcher normale Mensch mochte schon Schmerzen? Dido blinzelte kurz nach oben, um zu erkennen, ob ein solches ledernes Ungetüm bereits in den Händen von Lucanus lag.

    Ein junger Sklave, ohne Flaum am Kinn und mit einer jugendlich glatten Brust, die unter der flavischen Sklaventunika versteckt war, eilte den Gang entlang. Im Arbeitszimmer des Herrn hatte er es bereits versucht, aber dort nur gähnende Leere vorgefunden. Darum führten ihn seine Füße nun zu dessen Cubiculum. Der Junge hoffte inständig, den Flavier dort auch ausfindig zu machen, denn er wollte ungerne den kritischen Blick von Acanthus an der Porta riskieren, sollte er den Flavier nicht finden. Eilends trat er zur Tür und klopfte. "Dominus Flavius?", rief er durch die Tür hindurch. "Da ist ein Bote für Dich. Von Senator Purgitius Macer!"


    "Dann wirst Du die Antwort des Herrn bald bekommen. Warte einen Augenblick!"


    Natürlich würde nicht Acanthus persönlich die Nachricht zu der Herrschaft tragen. Dafür war er an der Porta zu wichtig, um als Laufbursche der Villa zu dienen. Er winkte einen Sklaven heran, einen Jungen, der noch nicht mal vierzehn Lenze gesehen hatte, und übertrug die Botschaft dem Burschen. Dieser eilte sogleich von dannen, um die stille Post des Senators an das Patrizierohr des Aquilius heran zu tragen. Acanthus derweil ließ es sich nicht lumpen und reichte dem Überbringer der purgitischen Botschaft einen Tonbecher mit Wasser, damit dieser sich für den Rücklauf erfrischen konnte. Eine Plaudertasche war Acanthus indes nicht, so blieb er starr stehen und ließ den Laufburschen nicht aus den Augen. Geduldig wartete Acanthus, der sonst keine andere Aufgabe hatte als diese Tür zu bewachen.


    Purgitius Macer war natürlich ein Name, der in der Villa bekannt war, nicht nur, weil eben jener Senator als ein sehr volksnaher und beliebter Senator galt, sondern auch weil er der Patron eines Flaviers war. Acanthus, der in dem Laufburschen nur den verlängerten Arm und Mund für den wohlbekannten Politiker und ehemaligen Statthalter sah, zog die Tür noch eine Nuance weiter auf. Es war schließlich kein Gesindel vor der Tür und die Botschaft konnte mitunter für den Herrn sehr wichtig sein, den flavischen Herrn wohl gemerkt. "Möchtest Du die Botschaft persönlich ausrichten oder soll ich sie dem Herrn Flavius Aquilius übermitteln?", fragte Acanthus ohne Schnörkel und Ausschweifungen.

    Fast genauso erschöpft wie Nero lungerte Dido auf einem weichen und flauschigen Schaffell, das nun den Marmor vor Serenus Bett zierte, damit der patriziesche Fuß am Morgen auch ja nicht auf kalten Boden sich setzen musste, sollte mal die Beheizung unter dem steinernen Boden nicht ganz optimal sein. Schließlich war Serenus ein wichtiger Stammhalter und ganzer Stolz von seiner Großmutter, die noch große Pläne mit ihm hatte. Dido wippte mit ihren Füßen hin und her, bewegte mal ihre Zehen und spähte zu Serenus nach oben. Verhalten gähnte Dido und hätte sich am Liebsten geplättet auf den Rücken fallen lassen. Wer konnte denn ahnen, dass die Rückkehr ihres Herrn sooo anstrengend werden konnte? Dennoch waren Didos Wangen gerötet wie schon seit langem nicht mehr und ihre Augen strahlten und funkelten. Denn endlich hatte die Leidenszeit in der Villa Flavia ein Ende. Sie erhielt wieder ihren eigenen Schlafplatz, in der Nähe ihres Herrn und weit weg von hustenden, keuchenden und schnarchenden Sklaven. Zudem würde das Essen besser werden und die andere Sklavenschaft würde sich nun wieder etwas mehr vor ihr in acht nehmen müssen. Oh, sie würde sich nun ganz gewiss an all den Sklaven rächen, die es ihr die letzten Monate sehr schwer gemacht hatten. Denn jetzt war sie wieder Leibsklavin und nicht irgendeine Sklavin im Haushalt. Hach, konnte die Welt und das Leben manchmal richtig schön sein. :]


    Immerhin, der Tag hatte sich gelohnt, Dido hatte einige alte Tuniken abstauben können, für die Serenus zu groß war. Wenn gleich es doch eine schmerzliche Erkenntnis für Dido war, dass ihr Herr mittlerweile größer als sie war, vor über einem Jahr war es noch genau anders herum gewesen. Doch das Schmollen darüber hatte nicht lange gewährt, insbesondere, da Dido immer wieder gespannt auf diesen ominösen Korb linste, um zu erkennen, was es damit auf sich haben könnte. Denn ihren eigenen Namen, den konnte Dido durchaus lesen. Wieder ein mal spähte sie angestrengt auf den Korb, um den Inhalt zu identifizieren, während ihr Mund schon fröhlich plapperte.


    „Aaalso, es sind ganz viele neue Leute in die Villa gekommen in letzter Zeit.“ Dido hob ihre Hand und bog einen Finger gerade. „Zuerst da kam der Lucanus in die Villa. Der ist wohl Dein Vetter oder so, weiß ich nicht so genau. Der kommt aus Hispania, der hat mir meine Schleuder auf dem Markt weg genommen. Aber nur, weil mich der blöde Sklave Laas geärgert hat, weil er mir die Zunge raus gestreckt hat. Ja...war gar nicht meine Schuld! Der Lucanus arbeitet jetzt für Deinen Onkel Aquilius. Glaub ich!“ Schon wurde der zweite Finger gerade gebogen. „Dann ist da noch eine neue Flavia aufgetaucht. Celerina heißt sie. Sie ist gerade erst in die Villa gekommen. Etwas komisch kommt die mir schon vor!“ Das war keine hohe Kunst, schließlich landeten alle neuen Menschen, die in Didos Umgebung auftauchten, erst mal auf der Liste der suspekten Objekte.


    „Dann sind da noch gaaaaaanz viele neue Sklaven. Also, der Aquilius, der hat ein paar komische Leute gekauft. Den Severus kennst Du noch, denn der war der Rutger, der Germane. Der geflohen ist, den hat Aquilus nämlich statt zu kreuzigen, verschont und ihm einen neuen Namen gegeben. Die Kreuzigung war vielleicht komisch...also er wollte erst und dann hat er doch nicht und ihn lieber wieder mit zur Villa genommen...weiß auch nicht warum. Und dann ist da noch die Bridhe, die ist die Sklavin von Aquilius und die war mit dem Severus zusammen und ist es jetzt mit Aquilius...oder Micipsa, weiß das nicht so genau. Der Micipsa ist ein Sklave von Aquilius. Der ist ein Numibier oder Nubier oder Ägypter, auf jeden Fall hat er eine ganz schwarze Haut. Und Hannibal hat für Deinen Vater auch eine neue Sklavin!“ Dido nickte ganz aufgeregt. „Sie heißt Asny und sie ist gaaaanz toll. Sie ist keine dumme Sklavin, nicht so wie die Anderen hier in der Villa!“ Dido hoffte sehr, dass Serenus Asny auch mögen würde. Es ruckelte heftig im Korb, Dido verstummte und spähte auf den ominösen Gegenstand. „Dominus? Was ist denn da drin?“, fragte Dido und versuchte einen gaaaaanz unbeteiligten Tonfall anzuschlagen.

    Long long time ago, once upon a time...Lang war es her und doch war keine Sekunde vergangen seit dem Augenblick, in dem eine Tür geöffnet wurde und eine Stimme sich erhob. Doch was lange währt, wird endlich gut, so wollen wir es doch mal hoffen, werter Leser...


    Bist Du da...da...? Die Frage verhallte in der Sklavenunterkunft, die Hannibal, höchst offiziell, mit der anderen Sklavenschaft teilte. Offiziell verstand sich natürlich, denn seit Wochen war er keine Nacht hier aufzufinden, mal nächtigte er an Orten, die außerhalb der Villa lagen, sogar die meisten Stunden von Nox verbrachte er nicht in der Villa, oder er nutzte den Luxus eines herrschaftlichen, aber gähnend leeren Raum. Natürlich höchst inoffiziell. Aus diesem Grund war er deswegen auch nicht hier zu finden und ein andere offizielle Unterbringung besaß Hannibal nicht. Wie war es so schön? Wenn die Katze außer Haus war, dann tanzten die Mäuse auf dem Tisch. Auch das konnte man in Hannibals Fall behaupten. Eine Gestalt drehte sich zu dem Sklaven des Aquilius um, ein älterer Knecht, der schon unter Felix und unter Sica in der Villa gedient hatte, Gutus war sein Name. Alte Narben zeigten sich auf seiner grau ungesunden Haut, sein Körper wurde von einem Hustenanfall geschüttelt zwischen dem er hervor presste: „Ist...“ *Keuch* „...nicht....“ *Hust* „...hier!“ *kräftighust* Gutus widmete sich wieder seinem Husten und hielt sich eine alte Tunika vor den Mund, ignorierte dabei weiter den Sklaven. Wie nun die Befehlsstrukturen in der Villa war, wusste Gutus schon seit einigen Wochen nicht mehr. Früher war es klar. Sica, der sagte, alle Sklaven machten. Dann kam halt Sciurus und trat in die Fußstapfen von Sica. Aber jetzt schien es mehrere Verwalter im Haus zu geben. Gutus machte es sich einfach, er hörte auf den Nachfolger von Sica, vor dem er noch einen Heidenrespekt hatte, egal ob man von dessen Tod munkelte oder nicht. Gutus traute es Sica durchaus zu, dass er sie selbst aus dem Reich der Toten noch bestrafte. Womöglich sah der eiserne und stoische Sklave Sica darin sogar noch eine Beförderung...der Tod! Gutus hustete und ließ sich auf das Lager fallen, wahrscheinlich würde er es bald erfahren, ob Sica das so sah oder nicht. Im Tartaros, wo sie Beide gewiss landeten.


    Aber genug an Gutus und Sica-Erinnerungen...schweifen wir doch ab und zwar zu einer anderen Stelle der Villa, der nahe des Zimmers von Lucanus lag. Der Ort? Ein Gang in der Villa.


    Dido machte ihrem Namen alle Ehren, denn sie schritt wie eine kleine Majestät durch den Gang der Villa Flavia. Dass sie dabei nur eine einfache Sklaventunika trug und keine Krone, noch ein Zepter besaß, störte sie nicht im Geringsten. Im Moment fühlte sie sich wie eine Königin, die in eine Feldschlacht, in einen Krieg ziehen wollte. Ihr General? Die kluge und umsichtige Asny, die ihr den Plan für das weitere Vorgehen geliefert hatte. Und wenn man einer Konfrontation nicht ausweichen konnte, dann musste man sich ihr mit den besten Waffen stellen, die man hatte. Und was waren diese Waffen, die Dido so zuversichtlich machte? Asny...Asny und noch mehr Asny und gnadenlose Lügerei, etwas, was Dido selbst im Halbschlaf gekonnt hin bekam, wenn ihre Lügen auch nicht immer Hand und Fuß hatten und leicht zu durchschauen war. Nicht wegen der Art, wie Dido sie vor trug. Nein, das war sehr glaubhaft. Sondern weil die Lügen einfach ab und an recht unsinnig wurden. Trommelwirbel, Fanfarenstoß...alles gewiss nur in der Phantasie der kleinen Dido und schon war sie bei der Tür von Lucanus angelangt.


    Massiv war die Tür, vor der Dido nun stand. Eben noch mit einem optimistischen Ausdruck auf ihrem runden Mondgesicht, so schlich sich nun doch Skepsis und Beklommenheit in die kindlichen Züge. Die Peitsche drohte schließlich immer noch, selbst wenn sie in der Villa gehört hatte, dass Lucanus fast so irenisch wie ein gewisser Flavier war, der mit den Initialen C.F.A. unter den Flaviern und Sklavenschaft bekannt war. Dennoch...die Peitsche. Dido seufzte und hob die Hand, ließ sie wieder sinken, hob sie erneut und kämpfte mit sich selber. Doch wenn sie jemals ihre Schleuder, an der sie wirklich hing, wieder sehen wollte, dann musste sie da jetzt schon durch. Dido sah noch mal über ihre Schulter, als ob sie sich dort etwas Mut holen wollte und klopfte schließlich doch an der Tür. Und da Dido nun mal Dido war, hatte sie, wenn sie schon mal einen Entschluss gefasst hatte, keine Geduld lange zu warten. Ehe auch nur ein Herein ertönen konnte, riss Dido die Tür auf und spazierte in den Raum hinein. „Saaalve, Dominus Lucanus! Hier bin ich!“ Das war wohl schwer zu übersehen. ;)


    Wenn man den ganzen Tag an der Porta saß und darauf wartete, die einzige Bestimmung zu erfüllen, die der Haushalt an den Sklaven hegte, dann lernte man, seinen Geist zu beschäftigen, während man den Eindruck von geflissentlicher Geschäftigkeit erweckte. Philosophen würden den Ianitor beneiden, wüssten sie, wie viel Zeit er mit sich und seinen Überlegungen verbringen konnte. War der Laut in einem Wald von Bedeutung? Was macht das Ich aus? Warum ist der Mensch so wie er ist? All das hätte Acanthus in all den Stunden in seinem Geist erörtern können. Gelegentlich tat er das auch. Aber seine Gedanken drehten sich in jenem Augenblick vornehmlich darum, wie er die nächsten beiden Stunden auf diesem Hocker an Besten verbringen konnte. Schon seit dem Morgen war niemand an der Porta aufgetaucht. Selbst das übliche Gesindel, das sich die Essensreste der letzten Cena ergattern wollte, hatte sich heute nicht sehen lassen. Doch schließlich wurde Acanthus erlöst und es klopfte. Erleichtert erhob sich der Ianitor und trat zur Porta, um sie einen Spalt zu öffnen und den Klopfer zu inspizieren. Mit geübtem Auge wurde ermittelt, ob ein gewichtiger Herr vor der Tür stand und sich darum ein Salve lohnte.
    "Was willst Du?"

    Schon war Dido dabei sich über die Reste auf ihrem Teller her zu machen. Leider war er dann auch so ziemlich leer. Natürlich hätte Dido noch mehr essen können, sie war aber durchaus satt und die große Gier etwas befriedigt. Aber wer wußte schon, ob ihr nicht noch etwas Fleisch später abgedrückt wurde? Sie musste immer ein wenig auf Vorrat essen und darum wusste sie jede Gelegenheit zu nutzen. Sie spähte zu Bridhe hinüber, die anscheinend von ihrem Gesang weder beeindruckt, noch sonderlich begeistert war. Wie alle lebenden Geschöpfe, die einmal das Krakeelen von Dido ertragen mussten. Dennoch zog Dido eine Schnute und tat beleidigt. Sie rümpfte die Nase und sah betont zur Seite. Pah! Sie war die ideale Gesangsbegleitung für ihren Herrn. Sie krächzte mit Worten und er schrammte mit seiner Laute. Perfekt! :D „Schwalbenlied!“, korrigierte Dido die andere Sklavin. „Schwaaaaa-llll-bbeeeeeenlieb. Nicht Schwan. Schwalbe, wie die kleinen Vögel, die immer unter Scheunendächer leben und am Abend die Fliegen vom Himmel jagen. Die so schnell sich im Fluge drehen und spitze Flügel haben!“ Dido beobachtete viel und daraus lernte sie, nicht aus Büchern und Schriftrollen wie ihr Herr. „Oder hast Du schon mal einen Schwan gesehen, der auf dem Rücken schwarz und am Bauche weiß ist? Neeeee, bestimmt nicht. Oder gibt es solche Viecher bei Dir zu Hause, wo Deine Briigit herkommt?“


    Etwas skeptisch betrachtete Dido die Reste des Opfers und zuckte erst mal mit der Schulter. „Serenus ist in Baiae und ich hier, weil seine Oma das so wünscht...“ Diese alte Vettel! Dido haßte die Oma von Serenus. Sie hatte Dido einmal übel bestraft und zudem meinte sie, dass Dido ein sehr schlechter Einfluss für Serenus bedeutete. Die Trennung von ihrem Herrn nahm Dido der Agrippina sehr viel mehr übel als die Strafe vor einigen Jahren, als Dido etwas gestohlen hatte in der Villa. Missmutig verzog Dido das Gesicht, aber auch ein wenig traurig und wehleidig. Denn sie vermisste ihren Herrn ganz schrecklich. Er war ihr Lebensmittelpunkt! Durch ihn konnte sie in einer eigenen Kammer wohnen und nicht wie jetzt, in der Sklavenunterkunft, sie bekam besseres Essen und vor allem, sie war nicht so alleine. Dido schlürfte etwas aus einem Becher, um den brennenden Durst nach all dem Essen zu stillen und blinzelte nach oben. „Bist Du auch als Sklavin geboren worden?“



    Eine Lawine begann auch nur mit einem einzigen Stein. Ruhe herrschte, bevor jener Stein zu rollen begann, andere kleine Mitgenossen mit riss und sich in einer tödlichen Lawine in das Tal wälzte, um Bäume um zu reißen, sie zu entwurzeln, Sträucher zu zerdrücken und alles lebendige platt zu drücken, ein Entkommen war nicht abzusehen. Und in jener Ruhe verharrte der Ianitor noch, in der Erwartung eines weiteren monotonen Tages, der ihm im Höchstfall ein paar ungebetene Gäste und Schmarotzer einbringen würde, oder aber den einen oder anderen gewichtigen Gast, ob an Körpermasse oder politischer Bedeutung. Was sich da jedoch in einem höchst ungewöhnlichen Zug näherte, das erahnte selbst Acanthus nicht. Auch als er das Pochen an der Tür hörte, vermochte er noch keine Vision sein Eigen zu nennen, noch eine Ahnung zu verspüren. Er erhob sich von seinem Sitz, streckte seine steifen Glieder und ging wie üblich und wie so oft auf die Tür zu, um sie zur Hälfte zu öffnen, sein grimmiges Gesicht stierte nach draußen und musterte den Mann vor seiner Tür. Es war die Tür der Flavier, aber so oft er sie in all den Jahren geöffnet und geschlossen hatte, geölt und gepflegt, so sehr meinte Acanthus auch in gewisser Weise ein Mitbesitzer jener Tür zu sein. "Was willst du?"


    Reichlich blass sah der Mann aus vor der Tür und unbekannt. Acanthus konnte einen Blick auf den ankommenden Tross vor der Villa erspähen und seine Augenbrauen zuckten andeutungsweise. Die Ahnung beschlich Acanthus, der schon vor einiger Zeit ähnliches erlebt hatte. Zudem erkannte er auf einer der Sänften eindeutig ein flavisches Wappen. Acanthus drehte sich um und klatschte in die Hände. Was sehr effektiv war, denn gerade war ein anderer Sklave vorbei gehuscht. "Rufe ein Dutzend Sklaven zusammen. Herrschaft ist eingetroffen." Gesagt, getan! Schon füllte sich der Eingangsbereich mit zahlreichen flavischen Sklaven, darunter auch eine kleine blonde, maulige Sklavin, die nicht wirklich Lust zu Arbeit hatte, aber gnadenlos von einem Knecht mitgezogen wurde.


    Für Dido war es nämlich ein ganz mieser Tag. Es war ihr zehnter Geburtstag, aber keiner hatte sich daran erinnert, keiner auch nur ein Wort ihr gegenüber verloren, geschweige denn von einem kleinen Präsent. Aber sie hatte auch nicht viel anderes erwartet, selbst an ihrem neunten Geburtstag war es nicht anders gewesen. Schlecht gelaunt schlenderte sie an den anderen Sklaven vorbei und nach draußen. Auf die Straße zu, wo der gesamte Tross halt gemacht hatte. Mit einer Schnute im Gesicht betrachtete sie all die Sänften, ihr Blick glitt über einen der Wägen, auf dem sie etwas vages bekanntes erkannte. Oh! Sie blinzelte. War das nicht ein kleiner Rennwagen? Etwas verbeult und lädiert, aber eindeutig das gracchische Geschenk. Von etwas weiter hinten hörte Dido ein sehr vertrautes Kläffen und sah auf die Wappen. Cornelia, Flavia...? Oh! Didos Augen weiteten sich, dann kam die Erkenntnis. „Dominus!“, rief sie laut und schon rannte Dido den Rest des Weges bis zu der Sänfte mit dem golden, verschlungen Stab. Schwupps, schon war sie bei der Sänfte angekommen und riß den schützenden Vorhang zur Seite. Ihr Gesicht strahlte vor Aufregung und Spannung. Da war er ja! Ihr Dominus! Serenus. Und er....schlief? Dido guckte ihn etwas verdutzt an. „Dominus! Dominus!“, krakeelte sie dennoch und zupfte ihm ungeduldig an dem Arm. „Aufwachen!! Du bist daaaaaaahaaaaaa! Saaaalve, Dominus!“ Ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit hatte Dido das dringende Bedürfnis, Serenus einen dicken Schmatzer auf die Wange zu geben. Was sie wohl auch tun würde, wenn Serenus nicht sofort erwachte!

    [SIZE=7]'tschuldige...[/SIZE]:(


    Dir nimmt niemand etwas weg! Von wegen, so leicht glaubte Dido so etwas nicht. Schmatzend und eilends kauend verschlang sie eine ordentliche Portion für jemanden, der ein abgebrochener Zwerg war. Unter der Decke war es Dido auch lange nicht mehr so kalt wie noch vor wenigen Momenten. Doch, so ließ es sich durchaus angenehm spionieren :D. Aber Dido hatte einfach den 'Klein, blond, Kind'- Bonus, selbst wenn er bei wenigen Sklaven in der Villa zog, hier konnte sie ihn voll und ganz ausspielen. Was aus Dido werden sollte, wenn sie groß war, das wusste Dido natürlich ganz genau. Nämlich die oberste Sklavin des Imperiums, wenn ihr Herr Kaiser war. 8):] Dann hatte keiner mehr etwas zu lachen, der ihr in ihrem bisherigen Leben blöd gekommen war. Gleichwohl immer noch mit Misstrauen gesegnet, beschloss Dido, die andere Sklavin, Bridhe, etwas weiter nach unten zu packen, auf der Liste. Die Liste, auf der bis jetzt alle gelandet waren, mit denen Dido zu tun hatte – außer Serenus, den sie als einzigen Menschen sehr mochte, dann noch Sciurus, den sie abgrundtief vergötterte. Selbst ihre Mutter war dort aufgelistet, Dido verzieh ihr so einige Dinge nicht, zum Beispiel, dass sie das Mädchen alleine gelassen hatte.


    „Hm?“, grunzte Dido. „Bri-Iigit...ne...klingt gar nicht ähnlich wie Dein Name! Außer das !“ Dido sah zu der Statue hinüber, wo sie das Opfer stibitzt hatte. „Hm!“, wiederholte Dido. „Deine Göttin will nur ein paar mickrige Tröpfchen Milch?“ Dido verzog das Gesicht. „Dann kann sie nicht sonderlich mächtig sein!“ Schwupps, schon war der nächste Happen in Didos Mund verschwunden, sie spähte aus den Decken zu Bridhe hinüber und kaute gierig auf dem Stück Brot, wobei sie sich nicht zu schade war, dabei zu plappern, mit einem vollen Mund. „Klar kenne ich ein Lied. Bin doch nicht dooof!“ Schnell schluckte Dido hinunter, trank einen Schluck und richtete sich auf. Tief Luft geholt und in die Nacht geplärrt.


    „Es kam, es kam die Schwaaaaaaaalbe, sie bringt die schönen Taaaaaaaage, sie bringt auch schöne Jaaaaaaahre, am Bauche weiß, am Rücken schwaaaaaaarz, nur Feigen schön heraus gerollt aus deinem reichen Hauuuuuuuuse, und auch voll Wein ein Becherleiiiiiiin, und dann voll Käs ein Körbchen feiiiiiiiiin!“ Irgendwo in den Zweigen wurde ein Vogel aufgeschreckt, der hastig in die Nacht floh. Aber ein Rabe sang besser als die kleine Dido, die voller Elan durch den Garten ihr wenig unmusikalisches Gejohle schallen ließ. 8) „Auch sind dem Weizenbrooooot und Eierkuuuuuuuuchen die Schwalben gut. Nun? Sollen wir gehen oder was haben? Gebt ihr? - Wir lassen's euch doch nicht! Wir schleppen die Tür fooort...“Essen und singen machte sich nicht gut, wenn man es gleichzeitig versuchte. Dido tat es und verschluckte sich prompt. Hustend suchte sie danach noch die letzten Zeilen von sich zu geben, was immer leiser wurde und schließlich in einem kläglichen „Mach auf! Mach auf! Der Schwalbe mach auf! Denn alte Männer sind wir ja nicht, nein, kleine winzige Büüüüüüüüüübcheeeeeeeeeeen!*hust**keuch* endete.


    Tränen waren Dido in die Augen gestiegen. Sie hustete einige Male ehe sie wieder sprechen konnte. Die Stille nach ihrem Geplärre schien schon fast gespenstisch zu sein. Irgendwo in der Villa ging ein Licht an. Dido grinste breit. „Das ist das Schwalbenlied. Kennst Du das? Kommt aus Rhodos oder so! Das habe ich von meinem Herrn gelernt. Flavius Serenus, dem gehöre ich, aber der ist in Baiae. Und sein Vater der ist in Pattia! Weiß auch nicht wo das ist, aber er kämpft dort gegen Ungeheuer, die drei Köpfe haben und Sklaven fressen.“

    Wasser rieselte an der brüchigen Mauer hinab, die das Ende jener Gasse bildete und mit zahlreichen Moosflechten überwachsen war. Grünen Adern ähnlich zog sich das Gewächs an der Mauer hinauf. Die zarten Wurzeln krallten sich in den mürben Stein, wie Nassauer, Parasiten, Schmarotzer, die sich an der Kraft des Steins gelabt hatten und ihn überwuchern wollten, um ihn für immer dem Tageslicht zu entziehen und jegliches Leben aus dem Mark zu saugen. Tautropfen gleichend glitten die Wasserperlen über das saftige und grüne Moos hinweg, das nur im Sommer an jener Stelle, in all den Monaten der Trockenheit, seines schnorrenden Treiben gezähmt wurde und braunen Grasmatten ähnlich an der Mauer klebte. Von zahlreichen Dachgiebeln tropfte es hinab, immer noch hing die feuchte Decke über Rom und verbarg jegliche Sicht auf mehr als ein paar Schritte. Ein Fensterladen klapperte leise. Dido wurde von ihrer nachdenklichen Betrachtung des ominösen Loches aufgeschreckt und spähte zu dem Haus an ihrer Seite. Ihre scharfen Augen spähten durch das weiße Gewölk hindurch, das der Wind mal verdichtete, dann wieder in einzelne Nebelschwaden zerfetzte, um die kleinen Ausläufer in die große weiße Suppe zu drängen. Dido machte einige Schritte von Sciurus fort und auf die Mauer. Ihre Finger berührten den Kalk, der sich mit Wasser voll gesogen hatte und ihre Fingerspitzen benetzen. Ein Graffiti hätte Dido nicht sonderlich interessiert, davon gab es an jeder Wand in Rom mindestens eines, aber das Bild ließ sie dennoch erschauern. Sie brauchte gar nicht mehr nach Sciurus zu rufen. Einem düsteren Odium gleichend näherte er sich der kleinen Sklavin und sah schweigend und ungerührt über ihren Kopf hinweg auf die Zeichnung.


    Gebannt von der Zeichnung bemerkte Dido nicht, dass ein Schatten über die Gesichtszüge des älteren Sklaven huschte. Didos Kinderaugen betrachteten die Konturen, die ein Dolch in die Wand geritzt hatte und eine Gestalt darstellte. Ein Mann, der alle Viere von sich streckte und aus dessen Hals Blut hervor trat. In seinen Händen hielt er einen Gegenstand, der wie eine Vogelmaske aussah. Über ihm thronte eine andere Gestalt, eine lange spitze Waffe in der Hand halten und aus seinem Rücken schien etwas heraus zu dringen. Es sah aus wie Flammen. Dido verstand nicht, was die Zeichnung bedeutete. Aber dem älteren Sklaven schien die Botschaft einleuchtend zu sein. Didos Finger glitten an einem Pfeil entlang, ebenfalls mit einer metallenen Spitze in die Wand gekratzt. Der Nebel verschluckte die Geräusche ihrer Sandalen als sie auf die Türe zu trat, auf den der Pfeil deutete. Doch dann spürte sie die Hand von Sciurus auf ihrer Schulter, der sie nach hinten zog. Hinter seine Gestalt, die ihr nun den Blick auf die Tür verwehrte, die hölzerne Tür, die durch die Hand des anderen Sklaven geöffnet wurde. Kein Riegel, kein Schloss hinderte Sciurus daran, sie zu auf zu drücken, den Körper angespannt, die Sinne aufs Äußerste geschärft.


    Die vollkommene Schwärze hinter der Tür wurde nur wenig von der Dunkelheit der Nacht, die nur einige Nuancen heller als das Innere des windschiefen Hauses war, gebrochen. Dido, die hinter Sciurus vorbei spähte, erkannte nichts. Sciurus blieb dennoch stehen, während Dido ungeduldig auf den Füßen auf und ab wippte. Aber sie hatte einige Lektionen in dieser Nacht gelernt und sie ahnte, dass Unrast ihr von Nachteil wäre. Dielenbohlen knarrten leise und eine dünne Stimme drang durch die Finsternis. “Quaeso! Adio...adio...“ Ein Hauchen war die Stimme. Angst schwang in jedem Wort mit. “Nichts...nichts tuen! Ein Funken stob auf, noch einer und dann glühte ein kleines Licht in der Hand von Sciurus. Flackernd erhellte der ärmliche Schein den Boden vor den Sklaven. Als er das Licht hoch hob leuchtete es einen Schritt in die Hütte hinein, den Sciurus auch tat, an seinen Fersen die kleine flavische Sklavin. Die nicht nur der Neugier wegen dem Älteren folgte, sondern auch , weil sie nicht alleine draußen stehen wollte.


    Ein Balken ächzte, der Boden stöhnte unter jedem Schritt, den der Sklave in das Haus tätigte. Dido spähte an seinem Rücken vorbei und hielt dem Atem an. Auch, weil ihr unerträglicher Gestank entgegen schlug. Ihre Kinderaugen weiteten sich erschrocken als sie es an dem Balken hängen sah. Der Leib eines Mannes, erhängt an einem groben Strick. Das Licht beleuchtete sein blau verfärbtes Gesicht. Seine Mund war aufgerissen, seine Augen verdreht, selbst die Zungenspitze, die Dido erkannte, war blau angelaufen. Dido machte einen Schritt zurück, weg von dem Leichnam, weg von dem widerlichen Gestank. Erschauernd beobachtete sie, dass Sciurus ungerührt an den Corpus trat und ein Stück Papyrus von seiner Brust riss. Sie konnte nicht sehen, was dort geschrieben war. Sciurus Lippen formten auch keine Worte und ließen sie nicht teilhaben an den Worten. “Auceps sunt! Auceps sunt! Avis mortuus est!“ Erschrocken wich Dido zurück als Sciurus schnell an ihr vorbei trat und in die Dunkelheit griff. Ein lautes Aufquietschen, der ältere Sklave zog eine Frau heraus, aus der Ecke des Raumes, die vor sich hin wimmernd und quiekend gegen seinen Arm schlug, der sie jedoch nicht los ließ. "Wo ist er?"


    Wirr hingen der Frau die schwarzen Haare im Gesicht, das vor Dreck erstarrt schien. Oder war es das Grauen, das sich in die Konturen ihres Gesichtes auf alle Ewigkeit hinein gebrannt hatte? Sie schüttelte immer wieder den Kopf. Ihre Augen flackerten durch die Dunkelheit, sahen mal zu dem kleinen Licht in der Hand des Sklaven, irrte jedoch unstet weiter. Schürfwunden und blaue Flecken verunstalteten ihr Gesicht. Ihr magerer Leib war von einer alten Tunika bedeckt, die von einem Feldarbeiter zu stammen schien. “Nichts tuen...adio...adio...Quaeso!“ Tränen liefen der jungen Frau über die Wange. "Wo ist er?" Es fröstelte Dido als sie die Stimme von Sciurus vernahm. So kalt wie kein Eis klirren konnte. Die Frau wimmerte leise. “Quaeso...adio...adio...nicht verstehn tuen...adio...adio...sagen...ich sagen...Auceps sunt! Auceps sunt! Avis mortuus est...Avis mortuus est!“ Das Licht glühte in ihre braunen Augen als sie den Kopf anhob und Sciurus ansah. Bellum coepisset!“, raunte die junge Frau. Fiebrig glänzten ihre Augen und sie ließ gleich darauf ihren Kopf hängen. “Adio...adio...Quaeso...solum...solum...!“ Ihre Beine knickten unter ihr ein als Sciurus sie, wie es Dido schien, angewidert wieder los ließ. Oder hatte sie einfach nur ihren Zweck für den anderen Sklaven erfüllt? Schon fast hatte Dido den Gestank vergessen bei der Betrachtung des älteren Sklaven, der ihr wie eine Quelle von Mysterien erschien und mit jedem Moment noch mehr. Die Frau schluchzte und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.


    Hastig folgte Dido Sciurus als dieser die Frau und den Toten, der an dem Balken sachte hin und her schwang, hinter sich zurück ließ. Klar und rein erschien die Luft als die Beiden das Haus verließen und durch die menschenleere Gasse eilten. Hinfort von dem Ort, wo einst ein Schatz lag und wo ein Toter die Luft mit widerlichen Miasmen verpestete. Es schien, als ob Sciurus ganz genau wusste, wo er hin wollte. Dido hastete hinter dem Mann her, der sehr viel schneller als sie zu laufen vermochte. Ob etwas auf dem Papyrus gestanden hatte? Dido wusste es nicht.

    Fiebrig schimmerten die blaugrünen Augen, die inmitten eines rundlich kindlichen Gesicht lagen und gebannt in die Arena starrten. Dido hatte ihre Hände um die Metallstreben der Brüstung vor sich geschlungen und hielt sich daran fest. Das irre Kreischen des Verurteilten fuhr ihr wohlig bis ins Mark und Bein, sie merkte gar nicht, dass sie selber leise vor sich hin lachte und ihre kleinen Kinderzähne zeigte als sich ihr Mund bei dem Lachen teilte und ihre Mundwinkel fast bis zum Ohr hinauf zogen. Schon der Tanz hatte Dido zum Lachen gebracht, der Gefangene war ganz nach ihrem Geschmack. Aber dennoch fieberte sie dem Augenblick entgegen, wo die Löwen über ihn her fielen und er sein Leben aushauchen musste. Oh, wie liebte Dido doch die blutigen Spiele, Hinrichtungen mochte sie besonders gerne, egal welcher Form sie von statten gingen. Mechanisch griff sie in die Schüssel, die einer der anderen flavischen Sklaven in der Hand hielt und steckte sich eine getrocknete Apfelscheibe in den Mund. Ohne die Augen von der schon blutbespritzten Arena zu nehmen.


    „Drei Sesterzen, dass der Kerl dem Löwen noch ein Ohr abbeißt? Wer hält dagegen?“, grunzte einer der flavischen Knechte. Es wurde dagegen gehalten. Eine der Mägde, die an den wuchtigen Arm des großen und dümmlich vor sich hin schauenden Kronos hängte, sah fragend nach unten. „Warum wurde er verurteilt?“, piepste sie und sah nicht minder begeistert wie der Rest der Sklaven um Dido nach unten. „Hast es doch gehört!“, erwiderte einer der älteren Sklaven. „Paraaagrafus 73, 47, 192, 22, 77, 43 und so weiter.“ - „Und was heißt das?“ Der ältere Sklave, einer der Gärtnergehilfen, zuckte mit der Schulter. „Woher soll' ich dat wissen, Mädel? Muss aber wat schlimmes sein!“ - „Vielleicht ist er ein entlaufener Sklave!“ - „Quatsch, die werden doch gekreuzigt!“ - „Es sei denn bei dem Herrn Aquilius!“ Kollektives und gehässiges Gelächter brandetet bei den Sklaven auf, sofort, während der Kampf noch andauerte, gingen die Spekulationen weiter. „Ein Möder vielleicht?“ - „Ich glaube, der hat einen Römer aufgefressen!“ - „Was ist mit der Vestalin? Vielleicht hat er...?“ Einige Köpfe nickten und die Sklaven sahen sich an. Ja, das klang sogar in Didos Ohren plausibel. Bei soooo vielen Paradingsbumsen, die dieser Mann wegen verurteilt wurde. Wahrscheinlich war das der gemeinste Verbrecher von allen. Die Sklaven unterbrachen ihre Spekulationen, warum der Mann dort unten sterben musste, und brüllten laut und feuerten enthusiastisch den Löwen an. Begeistert, weil schließlich der Schuldige ein Anderer war als sie selber.

    Eine feine Gänsehaut hatte sich über die Arme der Dido gelegt, ihre zarten blonden Härchen dort standen hoch aufgerichtet als ob jedes einzelne Haar danach schrie in wärme Räumlichkeiten gebracht und an eine warme, wenn auch rauhe Decke gekuschelt zu werden. Aber nun stand Dido hier, am Feuer und mit all den unbekannten Sklaven, die die kleine Dido in der Villa bestimmt sonst gemieden hätten. Oder vielleicht doch nicht? Dido sah von Micipsa zu Pallas und schüttelte unmerklich mit den Kopf. Sicherlich, Dido hatte sie alle schon mal gesehen, das blieb nicht aus, wenn man in einer Villa wohnte, besonders wenn es sich auf den Trakt des Gesinde beschränkte, aber sie hatte noch nie ein Wort gewechselt mit ihnen und von Pallas, der deutlich länger als Micipsa in der Villa weilte, wusste sie nur den Namen. Sicherlich beruhte das nicht auf Gegenseitigkeit. „Hm...“, grunzte Dido undeutlich bei der Vorstellung der erlesenen Sklavengesellschaft hier am Feuer. „Frühlingsfest?“ Dido beäugte Bridhe misstrauisch, erwartend, dass die andere Sklavin gleich in Lachen ausbrach und Dido einen Dummkopf nannte, weil sie auf ihren Scherz herein gefallen war. „Ist das nicht ein bissen früüüh?“ Jetzt grinste Dido breit, sie kam sich nicht nur unglaublich gewitzt vor, sondern meinte sogar wortwitzig zu sein. :patsch: 8) Dido sah sich schnell im Garten um, sicherlich, ein paar der Blumen hatten schon Knospen bekommen. Manch ein grüner Kopf strebte schon aus dem braunen Erdreich hervor, aber bei den Römern würde es noch ein paar Wochen dauern, bis sie den Frühling feierten und damit die Rückkehr der Proserpina. Somit endete die Trauer ihrer göttlichen Mutter und die Pflanzen strebten an das Licht der Sonne.


    Verblüfft spürte Dido die warme Decke um ihre Schultern und sah auf das Deuten. Essen? Sicherlich hungrig war Dido, aber das war auch nicht schwer zu erraten bei ihr. Dido konnte immer essen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wenn sie jemand als verfressen bezeichnen würde, war das noch eine Untertreibung. Sie nickte stumm. Gierig hefteten sich ihre Augen auf das köstliche Essen. Oh ja, wie hungrig sie plötzlich wurde. Wie ein halb verhungerter Wolf, der schon seit Tagen nichts mehr zwischen die Zähne bekommen hatte. Die Erwachsenen würden sich noch vorsehen müssen, selber etwas abzubekommen :]. Römerin? Sie spähte hoch und zu dem deutlich größeren Micipsa. Meinte er sie? Dido dachte einen Moment darüber nach. Eine Keltin war sie nicht oder hielt Micipsa sie dafür. Aber Pallas oder Bridhe waren doch auch keine Römer. „Welche Göttin...?“, setzte Dido an, doch dann kam das unschöne Wort vor in Kombination mit ihrem Namen. „Ich bin nicht klein!!!“, fauchte Dido empört. Natürlich war sie ein abgebrochener Zwerg im Vergleich mit Micipsa, aber nicht, wenn sie andere Kinder als Maßstab nahm. Beleidigt rümpfte Dido die Nase und hob ihren Kopf ein paar Zoll nach oben. „Meine Herrschaft befindet sich nicht im Haus und Sssc...“ Sciurus will sicherlich wissen, was ihr hier so treibt. Der wird mich loben, wenn ich ihm das hier berichte. Das wäre Dido beinahe heraus geplatzt, im letzten Moment verwandelte sie das zischende S in einen anderen Laut. „...ssscssie werden noch eine Weile fort sein. Außerdem wollte ich nur austreten. Da habe ich das Feuer gesehen. Hätte ja auch was brennen können.“ War da nicht kurz die winzige Spitze ihrer rosanen Zunge zu sehen, die sie Micipsa entgegen streckte? Aber nein, sie wandelte auch das in ein Lecken über ihrer Oberlippe um. „Was denn für eine Göttin?“ Dido sah fragend zu dem großen, dunkelhäutigen Mann, der, wenn Dido es sich eingestehen würde, sie schon beeindruckte. Groß, kräftig, dunkelhäutig und mit einer imposanten Ausstrahlung. Dann sah auch Dido zu Bridhe.

    [Blockierte Grafik: http://img155.imageshack.us/img155/3671/hannibal2yq4.jpg]
    Hannibal


    Ohne sie mit einem Wort zu unterbrechen hatte Hannibal der neuen Sklavin der Villa Flavia gelauscht, hatte beobachtet, wie ihre Lippen die vielen Worte formten, die einem jungen Mädchen eher selten entschlüpften. Ehrliches Interesse breitete sich in Hannibal aus, stieg aus den Untiefen seines Geistes hervor, den er hervorragend in den letzten Monaten mit Wein und anderen berauschenden Mittel gedämpft, unterdrückt und bezwungen hatte, damit nicht all jenen Gedanken hervor kamen, die in den schmerzenden Wunden herum wühlten, analysierten, spekulierten, welche Zukunft hätte sein können, seine Fehler vor Augen führte und ihn einfach selber quälten. Aus diesen Tiefen, die seinen Intellekt und seine Ratio beherbergte, trat die Neugier zu Tage. Neugier, was die junge Frau vor ihm, noch alles offenbaren würde. Denn immer mehr schien aus der Schatzkiste namens Asny an das Licht der Welt zu kommen, weitere Fassetten einer interessanten und viel geschichteten Persönlichkeit. Eine wache und kluge junge Frau hatte er vor sich. Eine, die bedacht ihre Worte wählte und die Antworten des Gegenüber mit geistiger Schärfe durch leuchtete und auf Lücken in der Argumentation hinwies. Das gefiel Hannibal, denn wenige Sklaven in der Villa waren in der Lage eine interessante Disputatio zu führen. Jung an Jahren war Asny, aber inspirierender als so manch ein Sklave, der schon viele Jahrzehnte sein Leben gefristet hatte und wenig seinen Geist durch seine monotone Arbeit geschult hatte. Aber nur wenigen Sklaven war es vergönnt, anspruchsvollere Aufgaben vollführen zu müssen. Hannibal war ebenso privilegiert und da er bei Asny einen klugen Geist im Laufe der Unterhaltung erkannte, würde er schon dafür sorgen, dass sie nicht in der Küche oder als Waschmagd enden würde. Sofern er noch den Einfluss auf seinen Herrn hatte wie in früheren Zeiten, ganz so sicher war sich Hannibal diesbezüglich nicht mehr. Nicht nach all dem, was in den letzten Monaten passiert war. Womöglich war Hannibal nicht mehr so wertvoll in seinen Diensten wie früher. Ein düsterer Schatten glitt in jenem Augenblick über die Gesichtszüge des älteren Sklaven.


    Nicht lange umwölkte Hannibals Miene die skeptische Aura über seinen eigenen Wert für den Flavier. Seine Mundwinkel zuckten. So, einen Händler kannte sie also, der ihr noch einen Gefallen schuldig war? Ein durchaus vorhandenes Potential konnte Hannibal in der Sklavin erkennen, was so manch einer der flavischen Sklaven nutzten oder genutzt hatten. Sica zum Beispiel, Sciurus auch, selbst Hannibal frönte solcherlei, was ihren Herrn hin und wieder zu großem Nutzen gereichte. Wobei Hannibal sich noch nicht im Klaren war, welche Rolle Sciurus in manchen Kreisen spielte. Sica war leichter zu durchschauen gewesen, Sciurus entglitt immer wieder Hannibals Gedankennetz, was er um den anderen Sklaven schlingen wollte. Sciurus zerriss dieses Gespinnst genauso, wie es Asny mit dem der kleinen Spinne tat. Durchdringend musterte Hannibal die junge Asny bei der Erwähnung des Händlers, ließ es jedoch dabei auch bewenden. Was sie aus dem Opfer machen würde, ob es ihr in der Tat gelang, das Opfertier zu besorgen, würde sich noch zeigen. Und Hannibal würde lediglich beobachten und erneut ein wenig über die junge Frau vor sich lernen.


    So nahe vor sich, konnte Hannibal noch sehr viel intensiver die hellen Augen von Asny mustern, die feine Aderung, die das blasse Blau durchzog, wie es jede Iris eines Menschen zu eigen war, der Glanz des Lichtes auf der klaren Oberfläche, der mit dem Schwarz ihrer Pupillen verschmolz und die Tore zu ihrer Seele aufzufressen drohte, je nachdem, wie sich Asny bewegte und das Licht auf ihre Augen fiel. Hannibal merkte durchaus, dass eben jene Augen ihn gleichsam durchdringend fixierten und keinen Moment der Aufmerksamkeit entließen. Interessant!, dachte sich Hannibal. So nahe an Hannibals Gesicht war das Zucken um seine Mundwinkel unstreitig nicht zu übersehen. Diese Worte aus dem Munde einer jungen Frau erheiterten Hannibal jedes Mal aufs Neue. Womöglich, weil er diese eher von einem älteren Satyriker erwarten würde, aber gewiss nicht von einem Mädchen, die erst fünfzehn Jahre erlebt hatte. Es gefiel Hannibal erneut, der Kauf von der jungen Sklavin stellte sich immer mehr als großer Gewinn heraus und jeder Sesterces, den sein Herr in sie investiert hatte, durch Hannibals Entschluss, schließlich wusste Aristides noch nichts von seinem Glück, war gut angelegt. In ihrer unbestechlichen Logik, ihrem scharfen Verstand und den klaren Schlussfolgerungen hatte Asny nicht nur Recht, sie hatte Hannibals Worte in der Absurdität und der inneren Diskrepanz entlarvt. Hannibal, dessen Gedanken durch die vielen durchlebten Nächte und sein flatterhaften Lebenswandel getrübt waren, nannte sich selber einen Narren. Schon von Anfang an hätte er erkennen müssen, dass man Asny nicht mit banalen und derart stümperhaften Aussagen abspeisen konnte. Mit seinem Kopf deutete er schon während ihrer Rede an, dass er den berechtigten Einwand einsah und akzeptierte.


    „Wohl denn, die Repugnanz meiner beiden Aussagen hast Du gut enttarnt und damit den Nonsens aller unsinnig daher gesprochenen Worte meinerseits offenbart. Bitte entschuldige, Asny, ich sehe durchaus, dass Du sehr bedacht bist und Dich und Deinen Corpus alleine den Anforderungen als Sklavin des Marcus Aristides zur Verfügung stellen wirst. Somit verkörperst Du sicherlich eine aufmerksame, loyale und folgsame Sklaven. Dann will ich meinen Atem nicht damit verschwenden, Dir Ratschläge zu geben, Dir, die Du doch durchaus reflektiert genug ist, Konsequenzen und Folgen des eigenen Handelns zu bedenken.“ Hannibal sah, dass sie, was einfach nicht zu leugnen war, durchaus klug genug war, um das Wesentliche zu erkennen. Und dass Sklaven durch Romanzen nicht nur abgelenkt waren, sondern gar ihrer Arbeit unfähig und den Herrn in arge Not sogar bringen konnten, dafür war Hannibal der schlagende Beweis. Immer und immer wieder. Aber, vergessen wir nicht, Hannibal hatte doch der Liebe abgeschworen. Nie wieder, so seine Selbstlüge, würde er sein Herz hin weg schenken, um nur erneut enttäuscht zu werden, was manchmal blutig, manchmal einfach nur schmerzlich endete. Hannibal lehnte sich wieder zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Temporär unterbrach Hannibal den Blickkontakt, ganz als ob er sich nicht wohl fühlte. In der Tat hatte Hannibal das Gefühl, dass Asny in ihm las, wie in einer Schriftrolle. Als ob sie ihm bis auf den Grunde seiner trüben Seele sehen konnte, als ob sie in einen moosgrünen Teich sah, der voller Schlamm und Algen war.


    Die braunen Augen des Sklaven schweiften durch die Sklavenunterkunft. „Natürlich steht es an Dir, auf Dich so zu achten, dass Du weiterhin für Deinen Herrn von Wert bist. Aber in dieser Hinsicht und in Anbetracht Deiner schlagenden Argumentation hege ich keine Sorge, was diese Angelegenheit betrifft. Ansonsten, Asny, zweifele ich ebenso wenig daran, dass Du Deine eigenen Erfahrungen machen wirst. Weder Worte, noch Schriften werden Dich darauf vorbereiten und jede Lebenserfahrung ist nicht mit der von Älteren zu vergleichen.“ Hannibal lächelte dünn. Natürlich war das eine phrasenhafte Verallgemeinerung und Hannibal wusste, dass Asny ihn auch in dieser Hinsicht durchschauen würde, zumindest vermutete er das. So manch eine Situation ähnelte der Anderen und andere Erfahrungen konnte man vergleichen mit dem, was man selber erlebte. Um nicht weiter Oberpaedagogushaft zu wirken, suchte Hannibal danach, die Schritte vom Pfad der Liebe und der körperlichen Leidenschaften in eine andere Richtung zu lenken und einen Weg zu suchen, der weniger von Gradwanderungen und tiefen Schluchten durchzogen war. „Ich werde in den nächsten Wochen Dich beobachten und Deine Arbeit beurteilen. Am Morgen, nach dem Frühstück der Sklaven, und bis zum Mittag wirst Du mit den anderen Sklaven im Haushalt arbeiten. Sicherlich sind die Flavier reich genug, um sich auch Sklaven alleine für Sonderaufgaben zu leisten, selbst wenn es nur in dem Einschenken des Weines bei der Cena besteht, aber ein Mensch muss arbeiten, ansonsten verlernt er es wieder!“ Meinte Hannibal nicht ein höhnisches Lachen in sich zu vernehmen? Wann hatte er zuletzt mal anständig gearbeitet? Lange war es her, aber die Zeiten würden sich auch wieder ändern, wenn sein Herr zurück kam und er würde es auch nicht schätzen, wenn Hannibal die anderen Sklaven zur Faulheit anregte. Oder sein Herr würde es gar nicht merken, die Wahrscheinlichkeit dafür war wesentlich größer.


    Aus den Augenwinkeln bemerkte, dass Dido gelangweilt Löcher in die Luft starrte und anfing leise vor sich hin zu summen, aber im Moment war das Hannibal mehr oder minder egal. Diese Angelegenheiten mussten erörtert werden und Kinder waren sowieso von Natur aus ungeduldig. „Den Nachmittag kannst Du anschließend für Deine Übungen und Deine Weiterbildung nutzen.“ Selbst den Sklaven stand, wie sonst auch im Imperium ein geregelter Arbeitstag zu. Natürlich waren die Horae im Sommer wesentlich länger und im Winter sehr viel kürzer, aber dennoch hatte auch der Arbeitstag eines Servus irgendwann sein Ende. So fügte Hannibal noch an: „Der Abend steht Dir dann zur Verfügung, wie Du ihn nutzen möchtest. Das kann sich natürlich noch etwas ändern, wenn Dein Herr zurück kommt. Womöglich bedarf er Dich dann mehr am Abend als am Morgen, aber einige Stunden am Tage werden auch Dir gehören. Und wenn Du Dich in den nächsten Wochen folgsam und tatsächlich so ergeben zeigst, dann wirst Du auch gerne die Villa verlassen dürfen für einige Stunden. Wobei Du das lieber in Gesellschaft von anderen Sklaven der Villa tun solltest.“ Schließlich waren die Straßen von Rom nicht ungefährlich in den späten Abendstunden. „Manchmal wirst Du auch so hinaus kommen, schließlich führen die Aufträge der Sklaven auch öfters mal außer Haus.“ Ermahnungen, nicht zu fliehen, die glaubte Hannibal nicht machen zu müssen. Die Strafen der Flavier, von Manchen zumindest, waren in dieser Hinsicht drakonisch und in dieser Materie war selbst Aristides nicht kompromissbereit, so gut kannte Hannibal ihn. Aber wenn Asny bereits Fluchtpläne schmiedete, so verbarg sie solche Intentionen zu gut. „Hast Du noch Fragen, Asny?“

    Erst als Dido ihre abgeleckte Hand sinken ließ und so mitten im Garten und neben der Jünglingsstatue stand, nur mit einer Tunika am Leibe, ohne warmen und weichen Umhang, da merkte Dido wie kalt es doch in dieser Nacht und wie verfroren sie schon war. Ihre Finger waren ganz klamm, sie zitterte am ganzen Leib und wäre am Liebsten in ihr warmes Bett geflüchtet, aber dann würde sie Sciurus kaum etwas berichten können. Somit stand Dido vor einer Zwickmühle. Misstrauisch betrachtete Dido die andere Sklavin, denn Dido glaubte, dass sich Bridhe über sie lustig machte. Schon vom ersten Satz an. Pah! Dido war größer als Serenus und der war sogar einige Monate älter als sie und ein Junge, jawohl! :beleidigt: Die Verbesserung, Dido wusste es aber auch nicht besser, nahm sie mit einem pikierten Naserümpfen hin. Ja, arme Bridhe, ;) sie würde es wohl schwer haben mit Dido, die doch voller Vorurteile und Abneigungen war, geboren auch aus dem Ehrgeiz, Sciurus zu gefallen, den sie am Liebsten als Vater hätte. Aber Dido hing so einigen Illusionen an, aber nicht der, dass sie noch länger Lust hatte, hier im Kalten die Gesellschaft zu observieren. „So...nuuur ein Fest?“ Didos Augen verengten sich ein wenig. „Haben euch das auch die Herrschaft erlaubt?“, hakte Dido leise nach und suchte danach den kalten Tonfall von Sciurus zu imitieren, was ihr leidlich gelang, denn ihre Zähne klapperten bei jedem zweiten Wort gegeneinander. Aber Bridhe hatte ihr schon den Rücken zugekehrt. Dido folgte Bridhe mit den Augen und stand plötzlich wieder alleine neben der Statue. Was nun? ?(


    Die Einladung wurde ihr zugerufen, Dido war sich unschlüssig. Bett oder Feuer, Feuer oder Bett! :hmm: Sie warf einen Blick zu der Villa, dann setzten sich ihre Füße schon in Bewegung. In Richtung des Feuers, mit einem kindlich trotzigen Ausdruck gesellte sich Dido an das Feuer und streckte schnell ihre kalten Hände aus, um sich zu wärmen. Hach, tat das vielleicht gut! =) Didos Gesicht wurde sogar ein Lächeln entlockt, ehe sie sich auf die Rolle des Trotzkopfes besann und wieder verdrießlich guckte, wie es doch gar nicht zu einem Fest passte. „Was feiert ihr denn?“ Hach, kam sich Dido vielleicht schlau vor. 8) Sie konnte so die drei Erwachsenen ausfragen und Sciurus berichten, dabei sogar noch am Feuer stehen. Gut gemacht, dachte sich Dido und vergaß, dass es eigentlich mehr Bridhes Verdienst war, dass sie nicht mehr in der Kälte die anderen Sklaven beobachten musste. Und subtil kam sich Dido auch noch vor, bei ihrer Frage. Ihre grünblauen Kinderaugen sahen von dem Schwarzen zu dem Kelten und zu der Keltin.