ZitatOriginal von Aurelia Helena
Als Helena den Ort des Geschehens betrat war dieser schon abgedunkelt und Saba stand auf der Bühne, um die Rollenverteilung kundzugeben. Helena blieb einen Moment stehen um sich zu orientieren. Viele Plätze waren schon besetzt, denn sie war als eine der Letzten hinein gekommen. Einfach irgendwo hinsetzten wollte sie sich aber auch nicht. Plötzlich blieb ihr Blick auf Ursus hängen, neben dem glücklicherweise noch ein Platz frei war. Man konnte zwar nicht davon sprechen, dass sie sich kannten, aber er gehörte zur Familie und war damit den anderen Gästen eindeutig vorzuziehen. Zumindest in ihrer momentanen Gefühlslage dachte sie so, denn auf einfaches Geplänkel hatte sie keine Lust. Zudem war es auch von Vorteil, dass sie bis jetzt kaum Zeit gefunden hatten miteinander zu reden. Ursus würde sicher nicht auffallen, dass sie ihre wahren Gefühle unter einer Maske verbarg.
Helena schlängelte sich durch die Reihen und ließ sich neben Ursus nieder. Sie lächelte ihm zu und legte kurz eine Hand auf seinen Arm, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf die Bühne lenkte. Dort waren mittlerweile die Sklaven in ihren Rollen aufgetaucht und das Stück war in vollem Gange. Helena blinzelte ein paar Mal als ihr bewusst wurde, worum es da gerade ging. Helvetia? Esskastanien? Trösten? Ihre Augen wurden ein wenig größer als sie sich selbst in dieser Rolle erkannte. Nun gut, wahrscheinlich würde kaum jemand anders das bemerken, außer Marcus. Und ihm war hoffentlich klar, dass die Zeit des Tröstens nun vorbei war. Helena, nun gespannt auf den weiteren Verlauf des Stücks lehnte sich ein wenig vor. Unter den neuen Gesichtspunkten erkannte sie die wahren Gestalten hinter den Rollen und während sie lauschte wurde ihr Schmunzeln immer breiter.
Ursus hatte zwar gemerkt, daß jemand sich neben ihn setzte und gedankenverloren mit einem Lächeln auf die kurze Berührung seines Armes reagiert, aber wirklich wahrgenommen hatte er seine Cousine nicht. Zu sehr hatte ihn da gerade die Erkenntnis getroffen, was für eine Art von Theaterstück dort vorne aufgeführt wurde.
So langsam aber ließ der erste Schock nach. Und er mußte zugeben, daß es stellenweise nicht mal eines gewissen Humors entbehrte. Daß sogar genug davon da war, um ihn auch mal zum schmunzeln zu bringen. Aber dennoch überwog insgesamt der Ärger. Es war doch alles ein wenig zu übertrieben und wäre im Familienkreis noch denkbar gewesen, aber doch nicht vor derart vielen Gästen! Zumindest hätte man die veralberten Familienmitglieder darauf vorbereiten können.
Zwischen der zweiten und der dritten Szene trat eine kleine Pause ein und Ursus gewahrte endlich, wer sich da neben ihn gesetzt hatte. Seine Cousine Helena! Es überraschte ihn, daß sie seine Nähe gesucht hatte, denn bisher waren sie sich kaum begegnet und er hatte schon angefangen sich zu fragen, ob sie ihn mied. Doch sie war ja auch sehr krank gewesen.
"Entschuldige bitte, Helena! Es ist wirklich unerhört von mir, aber ich war so ... nun... von dem Stück und den Charakteren gefangen..." Er atmete tief durch und lächelte sie um Verzeihung heischend an. Natürlich hatte er sehr leise gesprochen, denn die dritte Szene begann gerade. Er neigte sich noch ein wenig mehr ihrem Ohr zu, damit niemand sonst seine Worte hören konnte. "Ein klein wenig peinlich ist es schon, findest Du nicht?"